Rede zum 1. Mai 2022

Der kanadische Imperialismus, Hitlers ukrainische Komplizen und der Nato-Russland-Krieg

Dies ist die Rede, die Keith Jones auf der internationalen Online-Kundgebung zum 1. Mai 2022 gehalten hat. Jones ist nationaler Sekretär der Socialist Equality Party in Kanada.

Beitrag von Keith Jones, dem Nationalen Sekretär der Socialist Equality Party (Kanada), am 1.Mai 2022

Die Socialist Equality Party (Kanada) schließt sich ihren Schwesterparteien im Internationalen Komitee der Vierten Internationale an und ruft die Arbeiterklasse auf, sich dem skrupellosen und immer weiter eskalierenden Krieg der USA und der Nato gegen Russland zu widersetzen. Ohne das revolutionäre Eingreifen der internationalen Arbeiterklasse werden die imperialistischen Mächte die Menschheit in einen globalen Flächenbrand stürzen, wie sie‘s im letzten Jahrhundert bereits zweimal getan haben.

Der kanadische Imperialismus spielt im Ukraine-Krieg eine besonders provokante und kriegerische Rolle. Das war schon so bei der Vorbereitung und Anzettelung des Krieges. Seit 25 Jahren unterstützt Kanada enthusiastisch – sowohl unter liberaler als auch konservativer Regierung – den Versuch der USA, Russland einzukreisen und die Ukraine in die Nato und die Europäische Union einzubinden. Seit 2015 wurden Hunderte von Ausbildern der kanadischen Streitkräfte in die Ukraine entsandt, wo sie zusammen mit amerikanischen und britischen Militärs an der Reorganisation der ukrainischen Streitkräfte arbeiten. Dazu gehört auch die Unterstützung bei der Integration und Ausbildung der Faschisten vom Asow-Bataillon.

Die liberale Trudeau-Regierung hat sich an die Spitze eines umfassenden Wirtschaftskriegs gegen Russland gestellt. In Zusammenarbeit mit dem britischen Tory-Regime drängte sie darauf, Russland aus dem Bankensystem SWIFT auszuschließen und die Vermögenswerte der russischen Zentralbank zu beschlagnahmen. Seit Januar hat Kanada zugesagt, der Ukraine bis spätestens März nächsten Jahres Militärhilfe im Wert von 618 Millionen Dollar zu leisten. Die erste Lieferung schwerer Waffen traf letzte Woche ein.

Hinter der Fassade einer giftigen Kriegspropaganda verfolgt die kanadische herrschende Klasse räuberische wirtschaftliche und geopolitische Ziele. Angesichts der systemischen kapitalistischen Krise ist sie entschlossen, ihr 80 Jahre altes Militär- und Sicherheitsbündnis mit Washington zu stärken, das sie für die Sicherung und Ausweitung ihrer umfassenden globalen Interessen als entscheidend betrachtet. Kanada hat auch eine eigene strategische Rivalität mit Russland. Das gilt insbesondere für die Arktis, wo der Klimawandel die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen und der Seewege möglich und immer rentabler macht.

Aber es gibt noch einen dritten wichtigen Faktor, der Kanadas besondere Rolle im Krieg der USA und der Nato gegen Russland befeuert: das langjährige Bündnis des kanadischen Staates mit der ukrainischen extremen Rechten.

Nach dem Zusammenbruch von Hitlers Drittem Reich bot Kanada Zehntausenden von ukrainischen Faschisten Zuflucht, die mit den Nazis kollaboriert hatten, und die für einige der ungeheuerlichsten Verbrechen des 20. Jahrhunderts verantwortlich waren. In ihrem Streben nach einem ethnisch „reinen“ ukrainischen Staat hatten sie Massenmorde an Juden und Polen verübt.

Der kanadische Imperialismus nutzte diese Kräfte im Kalten Krieg als Werkzeuge seiner Außen- und Innenpolitik. Er half ihnen, ihre Verbrechen zu vertuschen und zu beschönigen. In den späten 1980er und 1990er Jahren wurden die ukrainisch-kanadischen Rechtsradikalen eingesetzt, um in Richtung der kapitalistischen Restauration und der Auflösung der Sowjetunion zu wirken und dann die „unabhängige“ Ukraine in einen Vasallen der westlichen imperialistischen Mächte zu verwandeln.

Der Ukrainian Canadian Congress (UCC) diente lange Zeit als Knotenpunkt für die Zusammenarbeit zwischen dem kanadischen Staat und den rechtsextremen ukrainischen Nationalisten. Der UCC, so schreibt ein bekannter ukrainisch-kanadischer Historiker, habe „in den Mittelpunkt seines Projekts für eine nationale ukrainische Identität (…) die Verherrlichung“ der ukrainischen faschistischen Nazi-Kollaborateure gestellt.

Die Person, die das Bündnis zwischen dem kanadischen Imperialismus und der ukrainischen extremen Rechten am deutlichsten verkörpert, ist Chrystia Freeland, Kanadas stellvertretende Premierministerin. Sie ist auch Finanzministerin und Chefarchitektin einer „feministischen“ Außenpolitik. Freeland hat oft darüber geschrieben und gesprochen, wie sie den ukrainischen Nationalismus von ihrem geliebten Großvater ererbt habe.

Eine Beschreibung von Freelands Großvater mütterlicherseits, Michael Chomiak, als Nazi-Kollaborateur wäre noch schmeichelhaft. Von Januar 1940 bis in die ersten Monate des Jahres 1945 gab er die einzige ukrainischsprachige Zeitung in Polen unter Nazi-Herrschaft heraus. Die Krakivs'ki Visti (Krakauer Nachrichten) verherrlichten Adolf Hitler, feierten den Vernichtungskrieg der Nazis gegen die Sowjetunion, stachelten zum Hass gegen Juden auf und warben für die Aufstellung einer ukrainischen Division der Waffen-SS.

Als führende Anti-Russland-Kriegshetzerin in der kanadischen Regierung spielt Freeland inzwischen eine wichtige Rolle in der ukrainischen Innenpolitik. Jeden Abend telefoniert sie mit dem Ministerpräsidenten und dem Finanzminister der Ukraine. Bei Versammlungen ihrer ukrainisch-kanadischen Verbündeten nutzt Freeland regelmäßig Symbole und Rituale, die mit den ukrainischen Faschisten des Zweiten Weltkriegs in Verbindung stehen.

Als ihre politische Herkunft 2017 aufgedeckt wurde, unterstützten das politische Establishment und die bürgerlichen Medien Freeland und taten die Enthüllungen kurzerhand als „russische Desinformation“ ab. Sie lassen es nicht zu, dass die Wahrheit über die Unterstützung des kanadischen Staats für die ukrainischen Rechtsextremisten ans Licht kommt.

Dies gilt vor allem für deren heutige Erscheinungsformen: Sie bestehen sowohl im Einsatz ukrainischer Faschisten als Stoßtruppen bei dem Putsch von 2014, den die USA inszenierten und Kanada unterstützte, und der den demokratisch gewählten, prorussischen Präsidenten der Ukraine stürzte; als auch in der Ausbildung von Faschisten, die in den ukrainischen Streitkräften integriert sind, durch die kanadischen Streitkräfte; oder auch in der Rolle des staatlich geförderten Ukrainian Canadian Congress, der die ukrainischen Rechtsextremisten und ihren virulent antikommunistischen Nationalismus und Ausschließlichkeitsanspruch ideologisch und materiell unterstützt.

Das einhellige Anprangern „russischer Desinformation“ in der Freeland-Affäre war ein kleiner Vorgeschmack auf das antirussische Kriegsfieber, das nun das gesamte politische Establishment Kanadas, von rechts bis angeblich links, von den föderalistischen Kräften bis zu solchen, die für die Unabhängigkeit Québecs eintreten, erfasst hat.

Die Sozialdemokraten der New Democratic Party (NDP), die die volle Unterstützung der Gewerkschaften genießen, reagierten auf den Ausbruch des Kriegs, indem sie ein Regierungsbündnis mit Trudeau und Freeland schlossen. Im Namen der „politischen Stabilität“ hat sich die NDP dazu verpflichtet, die liberale Minderheitsregierung bis Juni 2025 an der Macht zu halten, während sie Krieg führt, die Militärausgaben drastisch erhöht und sich auf Sparmaßnahmen und inflationsbedingte Reallohnkürzungen verlegt.

Dies ist eine Fortsetzung und Eskalation der Rolle, die die Gewerkschaften und die NDP schon während der gesamten Pandemie gespielt haben. Im März/April 2020 unterstützten sie die Trudeau-Regierung dabei, hunderte Milliarden Dollar in die Finanzmärkte, die Banken und Unternehmenskonten zu pumpen. Dann führten sie eine verheerende Kampagne zur Öffnung der Betriebe und Schulen, die zu sechs aufeinanderfolgenden Wellen von Masseninfektionen geführt hat. Nach offiziellen Zahlen sind ihnen mehr als 39.000 Kanadier zum Opfer gefallen.

Im Übergangsprogramm schrieb Leo Trotzki, dass in Zeiten extremer Krisen wie einem Krieg, Gewerkschaftsführer zu bürgerlichen Ministern werden. Das Bündnis zwischen Gewerkschaften, NDP und Liberalen zielt darauf ab, den Klassenkampf zu unterdrücken, um der kanadischen herrschenden Klasse freie Hand bei der Führung imperialistischer Kriege im Ausland und für den Klassenkampf im eigenen Land zu verschaffen.

Das wird ihnen nicht gelingen.

Die Pandemie, der Krieg, die verheerenden wirtschaftlichen Folgen, Jahrzehnte von Sparmaßnahmen und die soziale Ungleichheit treiben die Arbeiter in Kanada an, wie ihre Klassenbrüder und -schwestern auf der ganzen Welt den Kampf aufzunehmen. Darüber hinaus entwickeln sich solche Kämpfe immer häufiger in Opposition zu und außerhalb der korporatistischen Gewerkschaften und der verlogenen etablierten „linken“ Parteien.

Die große Herausforderung besteht darin, diese Kämpfe mit einem klaren sozialistischen, internationalistischen Programm und einer klaren Perspektive auszustatten. Das ist die Aufgabe des IKVI und der Sozialistischen Gleichheitsparteien. Ich appelliere an euch, euch diesem Kampf anzuschließen.

Loading