Trotz Corona-Pandemie und dem Krieg in der Ukraine konnten die 40 größten börsennotierten Unternehmen in Deutschland allein im ersten Quartal 2022 ein massives Wachstum verzeichnen und haben einen satten Rekordgewinn eingefahren. Sowohl Umsatz als auch Gewinne waren laut des Prüfungs- und Beratungsunternehmens Ernst & Young (EY) so hoch wie noch nie.
Insgesamt stieg Umsatz der DAX-Konzerne verglichen zum Vorjahreszeitraum um 14 Prozent auf 444,7 Milliarden Euro. Auch der operative Gewinn konnte um 21 Prozent verbessert werden und lag bei insgesamt 52,4 Milliarden Euro. Es handelt sich damit um den höchsten jemals gemessenen Gewinn innerhalb eines ersten Quartals eines Jahres.
Im Vergleich zu 2019, also noch vor dem Beginn der Corona-Pandemie, ist ein Anstieg der Umsätze um 27 Prozent zu verzeichnen, die Gewinne konnten um 85 Prozent gesteigert werden.
Die „Gewinner“ sind allen voran die deutschen Autohersteller: Mit 8,3 Milliarden Euro konnte Volkswagen von allen gelisteten Unternehmen den größten Gewinn erwirtschaften, rund 73 Prozent mehr als im selben Zeitraum des Vorjahres. Es folgen Mercedes-Benz mit 5,2 Milliarden Euro (damit auf Platz drei) und BMW mit rund 3,4 Milliarden Euro. Viele Autohersteller konzentrierten sich aufgrund des Chip- und Teilemangels auf das für sie lukrative Luxussegment und konnten ihre Autos zu deutlich höheren Preisen verkaufen.
Mit 6,3 Milliarden Euro Gewinn landete die Deutsche Telekom hinter Volkswagen auf Platz zwei der Rangliste. Auch der Pharmariese Bayer konnte ein Plus von 4,2 Milliarden Euro einfahren und liegt damit auf dem vierten Platz. Airbus konnte prozentual das beste Ergebnis einfahren: das Luft- und Raumfahrtunternehmen verdreifachte seinen Gewinn gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum auf jetzt 1,4 Milliarden Euro.
In der FAZ heißt es dazu: „Einbußen wegen Pandemie und Ukrainekrieg? Nicht für deutsche Großunternehmen.“ Ob sich der Autor über den Zynismus seiner Aussage bewusst ist oder nicht, bringt er dennoch die widersprüchlichen Entwicklungen auf den Punkt
Während schwerreiche Aktionäre Gewinne in schwindelerregender Höhe einfahren, wütet die Corona-Pandemie weltweit seit fast drei Jahren. Allein in Deutschland hat das Virus bis Mitte dieser Woche rund 138.000 Opfer gefordert. Es ist das Ergebnis der skrupellosen Profite-vor-Leben-Politik sämtlicher bürgerlichen Parteien, von der SPD über die Union, Grüne, FDP, Die Linke bis hin zur AfD.
Das neue Infektionsschutzgesetz, das Mitte März verabschiedet wurde, hat den Schutz der öffentlichen Gesundheit auf ein Minimum reduziert. Die 7-Tage-Inzidenz liegt immer noch bei über 350 und erweist sich zudem als trügerisch: Testkapazitäten wurden systematisch abgebaut und eine Testpflicht weitgehend abgeschafft. Nun fordern dieselben Politiker, die für den Tod unzähliger Menschen verantwortlich sind, sich auf eine erneute Corona-Welle im Herbst vorzubereiten.
Ende Februar reagierte der russische Präsident Wladimir Putin auf die Provokationen der Nato, allen voran von den USA, mit einem reaktionären Überfall auf die Ukraine. Die ukrainische Arbeiterklasse ist dabei zum Spielball geostrategischer Interessen geworden. Deutschland spielt bei der Nato-Offensive gegen Russland eine zentrale Rolle und liefert mittlerweile auch schwere Waffen an Kiew. Der Krieg in der Ukraine droht weiter zu eskalieren und in einen Weltkrieg zu münden. Selbst den Einsatz von Atomwaffen schließt die herrschende Klasse nicht aus.
Ende Februar stellte Bundeskanzler Scholz (SPD) eine gigantische Erhöhung des deutschen Militärhaushalts in Aussicht und kündigte ein „Sondervermögen Bundeswehr“ in Höhe von 100 Milliarden an. Geht es nach der Bundesregierung, soll die Arbeiterklasse für das größte Aufrüstungsprogramm seit Hitler mit Massenarmut und dem Verlust hunderttausender Arbeitsplätze bezahlen.
Auch hier sahnen die Aktionäre ab. Der Kurs der Aktie von Rheinmetall, dem nach Airbus größten deutschen Rüstungskonzern, ist seit Beginn des Jahres von 83 über 200 Euro gestiegen. Arbeiter in Deutschland und weltweit bekommen dagegen die dramatischen Auswirkungen der weltweit zunehmenden Krisen immer unmittelbarer zu spüren.
Die jährliche Inflationsrate in Deutschland ist im April auf 7,4 Prozent gestiegen. Georg Thiel, Präsident des Statistischen Bundesamtes, erklärte in einer Pressemitteilung: „Die Inflationsrate erreichte damit im zweiten Monat in Folge einen neuen Höchststand im vereinigten Deutschland.“ Gegenüber dem Vormonat ist ein Anstieg der Inflation um 0,8 Prozent zu verzeichnen.
Besonders auffallend sind laut Bundesamt die „überdurchschnittlichen Preissteigerungen bei den Nahrungsmitteln“. Im April lagen sie 8,6 höher als vor einem Jahr. Die Preiserhöhungen ziehen sich durch alle Nahrungsmittelgruppen: Speisefette und -öle sind um 27,3 Prozent teurer, die Preise für Fleisch und Fischwaren sind um 11,8 Prozent angestiegen. Für Molkereiprodukte und Eier wird ein Plus von 9,4 Prozent bzw. für frisches Gemüse von 9,3 Prozent verzeichnet.
Wie dramatisch die Lage ist, drückt sich auch durch den enormen Zulauf aus, den die Tafeln derzeit deutschlandweit verzeichnen. Laut tafel.de wendeten sich besonders „Menschen, die vorher gerade so über die Runden gekommen sind und sich nun die hohen Preise für Lebensmittel, Sprit und Energie nicht mehr leisten können“ sowie „Geflüchtete aus der Ukraine“ verstärkt zum ersten Mal an die gemeinnützige Einrichtung.
Auch die Energiepreise haben sich enorm erhöht: Innerhalb eines Jahres kam es zu einem Anstieg von 35,3 Prozent mit einem Plus von 39,5 Prozent allein im März 2022. Die Preise für leichtes Heizöl haben sich im April 2022 mit 98,6 Prozent fast verdoppelt und auch Kraftstoffe mit einem Plus von 38,5 Prozent bzw. Erdgas mit einem Plus von 47,5 Prozent sind für viele kaum noch bezahlbar. Für Strom wird ein Preisanstieg von 19,3 Prozent verzeichnet.
Viele Arbeiter, ob mit oder ohne Familie, können die Preissteigerungen im Supermarkt oder für Energie bereits nicht mehr bewältigen und müssen sich fragen, wie sie weiterhin satt werden, zur Arbeit kommen oder ihre Wohnung beheizen sollen.
Gleichzeitig erklärt Henrik Ahlers, Geschäftsführer von EY Deutschland: „Bislang konnten Deutschlands Top-Konzerne die Auswirkungen dieser verschiedenen Krisen bemerkenswert gut abfedern.“ Doch, so Ahlers weiter, blieben die Rahmenbedingungen außerordentlich schwierig.
„Der Industriestandort Deutschland steht vor der großen Herausforderung, bei der Umschichtung von Gas- und Öllieferung folgenschwere Konsequenzen für die Industrie zu vermeiden,“ so der Geschäftsführer weiter. Neben den Auswirkungen durch den Krieg in der Ukraine für die deutsche Wirtschaft, hob Ahlers besonders die Corona-Maßnahmen in China hervor, die die Konjunkturerwartungen „deutlich eingetrübt“ hätten.
Die Erfahrungen in China und in anderen asiatisch-pazifischen Ländern haben gezeigt, dass weltweit durch eine konsequente Zero-Covid-Strategie Millionen Menschenleben hätten gerettet werden können. Nun üben Vertreter internationaler Konzerne und ihre Sprachrohre in den Medien enormen Druck auf China aus, die Schutzmaßnahmen aufzuheben – zum Preis von Millionen Menschenleben.
Es kann davon ausgegangen werden, dass die Arbeiterklasse und nicht die deutsche Industrie die Auswirkungen von Energieengpässen als erstes zu spüren bekommen wird: wenn nicht durch kalte Wohnungen, dann durch Kurzarbeit oder Stellenabbau.
Wirtschaftsprüfer Mathieu Meyer, ein Partner von EY, erklärte in der FAZ dazu ergänzend: „Es ist durchaus möglich, dass es in den kommenden Monaten auch für die deutschen Topunternehmen noch knüppeldick kommt.“ Knüppeldick? Während Arbeiter ans Existenzminium gezwungen werden, dürfte die einzige Sorge der Aktionäre darin bestehen, dass ihre Gewinne in den kommenden Monaten und Jahren kleiner ausfallen könnten als bislang.
Die Rekordgewinne der größten börsennotierten Unternehmen in Deutschland offenbaren mit aller Deutlichkeit, was sich besonders seit Beginn der Corona-Pandemie 2020 abzeichnet und durch den Krieg in der Ukraine nochmals an Fahrt aufgenommen hat: Die Finanzoligarchie wird weiterhin ohne Rücksicht auf Verluste die Korken knallen lassen und für ihre Profite weder vor Leid noch Tod zurückschrecken.