Der Streik des Pflegepersonals der Unikliniken Nordrhein-Westfalens ist von großer politischer Bedeutung. Pflegerinnen und Pfleger wehren sich gegen unerträgliche Arbeitsbedingungen, die sich durch die rücksichtslose „Profite vor Leben“-Politik in der Pandemie weiter zugespitzt haben. Statt die Beschäftigten zu entlasten und die horrende Inflation auszugleichen, machen Bund und Länder den Superreichen Milliardengeschenke und geben 100 Milliarden für totbringende Waffen aus.
Die Pflegerinnen und Pfleger können ihre elementaren Rechte auf Entlastung und angemessene Entlohnung unter diesen Bedingungen nur in einer breiten Mobilisierung der gesamten Arbeiterschaft durchsetzen. Die Kollegen in den Kitas, die ebenfalls für Entlastung und höhere Löhne streiken, die vielen Arbeiter in den Industriebetrieben, die mit Lohnraub und Massenentlassungen konfrontiert sind, müssen die Beschäftigten der Krankenhäuser unterstützen und einen gemeinsamen Kampf führen.
Das erfordert einen Bruch mit der Gewerkschaft Verdi, die alles daransetzt, den Streik zu isolieren und auszuverkaufen, wie es zuvor schon in Berlin geschehen ist. In den USA und vielen anderen Ländern haben sich Pflegerinnen und Pfleger in unabhängigen Aktionskomitees organisiert, die den Kampf in die eigene Hand nehmen. Wir rufen alle Beschäftigten der Unikliniken in NRW auf, eigene Aktionskomitees aufzubauen und sich mit den internationalen Kolleginnen und Kollegen zusammenzuschließen.
In den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen konzentrieren sich all die Übel, mit denen Arbeiter auf der ganzen Welt konfrontiert sind. Deshalb genießt der Streik in NRW die breite Unterstützung in der Bevölkerung, auch wenn Politik und Medien bemüht sind, ihn auszublenden und kleinzureden.
Schon vor der Pandemie hat die Privatisierung der Krankenhäuser und die damit einhergehende Kürzungsorgie zu unhaltbaren Zuständen geführt. „Nicht der Streik, sondern der Normalzustand gefährdet die Patienten“, sagte eine Krankenschwester gegenüber dem WDR. Eine Pflegerin auf der Kinderintensivstation veranschaulichte dies in Essen mit der Bemerkung, dass der Notbetrieb während des Streiks derzeit mehr Pflegekräfte verlange, als die Klinikleitung normalerweise im Regelbetrieb vorsehe. „Die Notdienstbesetzung wurde von unserem Arbeitgeber auf vier Pflegekräfte festgelegt“, sagte die Krankenschwester. „Im vergangenen Monat haben wir zwölf Dienste in einer Dreierbesetzung gearbeitet.“
Mit der Pandemie wurden diese Bedingungen schlichtweg unerträglich. Pflegerinnen und Pfleger sind am heftigsten von der Politik betroffen, die Profite vor Leben gestellt hat und die Pandemie immer nur so weit eingeschränkt hat, dass die Kliniken nicht vollständig kollabierten. Die Beschäftigen müssen deshalb seit nunmehr zweieinhalb Jahren am Limit arbeiten, viele sind selbst schwer erkrankt oder sogar gestorben. Wegen der üblen Arbeitsbedingungen und der völlig unzureichenden Bezahlung herrscht überall schwerste Unterbesetzung. Und die ist gewollt: Mit jeder unterbesetzten Schicht, mit jedem Beschäftigten, der danach physisch zusammenbricht, machen die Konzerne Gewinn.
Nach all dem sind die Beschäftigten nun mit empfindlichen Reallohnsenkungen konfrontiert. Weit davon entfernt, für die übermenschlichen Anstrengungen in der Pandemie entlohnt zu werden, wird den Pflegerinnen und Pflegern de facto der Lohn gekürzt. Die Milliardengeschenke, die Banken und Konzernen in der Pandemie gemacht wurden, heizten ohnehin schon die Inflation an, die mit den Wirtschaftskriegsmaßnahmen gegen Russland noch heftigere Formen annimmt. Die 7,9 Prozent offizielle Inflation sind dabei noch viel zu gering angesetzt, weil die Preissteigerung bei Lebensmitteln sogar zwischen 20 und 50 Prozent liegt.
Während den Arbeitern auf diese Weise der Lohn gekürzt wird, gibt die Bundesregierung 100 Milliarden Euro mehr für Waffen und Rüstung aus. Den Beschäftigten erklären sie hingegen immerfort, es sei kein Geld da.
In diesem Generalangriff auf die Arbeiter, von dem die Krankenhausbeschäftigten doppelt und dreifach betroffen sind, stehen die Gewerkschaften und insbesondere Verdi auf Seiten der Regierung und Unternehmen. Sie tun alles, die aufkommenden Kämpfe zu isolieren und ins Leere laufen zu lassen. Gerade hat Verdi den Kampf der Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst übel ausverkauft.
Im Pflegestreik konzentriert Verdi alles auf die Forderung nach einem „Entlastungs-Tarifvertrag“, dem TV Entlastung, wie er in ähnlicher Form bereits in Berlin bei Vivantes und der Charité existiert. Damit ist der Ausverkauf vorprogrammiert: Die Klinik-Geschäftsführungen und der Berliner Senat finden nämlich immer neue Schlupflöcher, um den TV Entlastung zu umgehen. Vor wenigen Tagen haben die Berliner Pflegekräfte mit ihrem „Walk of Care“ und neuen Warnstreiks darauf hingewiesen, dass sich die Bedingungen auf den Stationen in keiner Weise verbessert haben.
Gleichzeitig erlaubt die Konzentration auf den TV Entlastung, von der Lohnsenkung abzulenken, die Verdi im vergangenen Jahr an den Kliniken organisiert hat. Im letzten Tarifvertrag wurde den Pflegerinnen und Pflegern von der Gewerkschaft trotz Klinikkollaps und Pandemie bis Dezember dieses Jahres eine Nullrunde verordnet. Auch anschließend steigen die Löhne lediglich um 2,8 Prozent, was unter Bedingungen der horrenden Inflation ebenfalls einer massiven Reallohnsenkung gleichkommt.
Jeder Beschäftigte im Gesundheitsbereich weiß, dass die sinkenden Löhne neben der steigenden Arbeitsbelastung der Hauptgrund für die Unterbesetzung sind. Um eine wirkliche Entlastung zu bewirken, müssten das Personal mindestens verdoppelt und die Löhne um mindestens 20 Prozent angehoben werden, um nur die Inflation auszugleichen. Unter diesen Bedingungen ist der ganze Entlastungstarifvertrag, den Verdi jetzt aushandelt, das Papier nicht wert, auf dem er steht. Er dient ausschließlich dazu, die Wut der Beschäftigten zu unterdrücken und die Kürzungspolitik fortzusetzen.
Um einen Kampf für die wirkliche Verbesserung der Pflege, für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen zu führen, müssen Pflegerinnen und Pfleger Verdi das Verhandlungsmandat entziehen und unabhängige Aktionskomitees aufbauen, die den Kampf in die eigene Hand nehmen. Sie müssen Kontakt mit den Health Care Workers Rank-and-File Committees in den USA und anderen Aktionskomitees aufnehmen und den Kampf international koordinieren. Dazu wurde vor einem Jahr die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees (International Workers Alliance of Rank-and-File Committees, IWA-RFC) gegründet.
Krankenhausbeschäftigte müssen sich auf die vielen anderen Kämpfe der Arbeiterklasse orientieren, die überall aufbrechen. Industriearbeiter wehren sich gegen Massenentlassungen und Lohnraub, Erzieher gegen üble Arbeitsbedingungen und Hungerlöhne. Diese Kämpfe müssen vereint und unabhängig organisiert werden.
Ein solcher Kampf wirft unweigerlich politische Fragen auf. Der Kampf für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen kann nicht von dem Kampf gegen Aufrüstung und Krieg, gegen die „Profite vor Leben“-Politik in der Pandemie und gegen die Milliardengeschenke an Banken und Konzerne getrennt werden. Er wirft unweigerlich die Frage auf, ob die Bedürfnisse der Menschen oder die Profitinteressen der Reichen im Zentrum stehen sollen. Um ein Gesundheitssystem durchzusetzen, das an den Bedürfnissen der Patienten und Beschäftigten orientiert ist, braucht es eine sozialistische Perspektive. Dafür kämpft die Sozialistische Gleichheitspartei zusammen mit ihren Schwesterparteien der Vierten Internationale auf der ganzen Welt.
Nehmt Kontakt zur SGP auf! Sie unterstützt den Aufbau unabhängiger Aktionskomitees und hilft bei der internationalen Kontaktaufnahme mit Beschäftigten in anderen Ländern.
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