Platin-Jubiläum von Queen Elisabeth II.: Das Ende des „neuen Elisabethanischen Zeitalters“

Königin Elizabeth II. bestieg am 6. Februar 1952 den Thron und wurde am 2. Juni gekrönt. Heute, mit 96 Jahren, ist sie seit siebzig Jahren das Oberhaupt des britischen Staats und des Commonwealth. Ihre Amtszeit ist die längste der britischen Geschichte, zudem ist sie die weltweit am längsten regierende, lebende Monarchin.

Die Queen (Mitte, mit blauem Mantel und Hut) mit weiteren Mitgliedern der Königsfamilie auf dem Balkon des Buckingham Palace am 2. Juni 2022, dem ersten Tag der viertägigen Feierlichkeiten zu ihrem Platin-Jubiläum (Humphrey Nemar/Archivbild via AP) [AP Photo/Humphrey Nemar/Pool Photo]

Anlässlich ihres Platin-Jubiläums wurden vier Tage lang Staatszeremonien und Feierlichkeiten veranstaltet, die weltweit verfolgt wurden. Der britische Staat zog alle Register seines weltweit unerreichten Pomps und Prunks. Am Donnerstag gab es eine Militärparade mit Formationsflügen der Royal Air Force, und im ganzen Land sowie im ganzen Commonwealth wurden Leuchtfeuer entzündet. Am Freitag wurde in der St. Paul's Cathedral ein Dankgottesdienst für die Regentschaft der Queen abgehalten. Am Wochenende fanden das Epsom Derby, eine Musikshow am Buckingham Palace, Straßen- und Gartenfeiern und ein Jubiläumsfestzug statt.

Doch dahinter verbirgt sich eine kaum unterdrückte nervöse Anspannung. Angesichts des Alters und des labilen Gesundheitszustands der Queen war das Jubiläum unweigerlich Anlass für eine Bewertung des „neuen Elisabethanischen Zeitalters“ und der möglichen Zukunft. Wenn man die Bedenken verstehen will, muss man verstehen, was ihre Herrschaft für die britische herrschende Klasse bedeutet.

Die Behauptung, ihre Herrschaft sei ein „zweites Elisabethanisches Zeitalter“, hatte immer etwas Großspuriges an sich. Die Position der Monarchie im britischen Leben des 20. Jahrhunderts war kaum vergleichbar mit derjenigen im 16. Jahrhundert, der Herrschaft von Elisabeth I. Doch Elisabeth Windsor ist diesem Rummel in einigen wichtigen Aspekten gerecht geworden. Das Platin-Jubiläum, das im Parlament und den Medien allgemein und begeistert gefeiert wurde, ist eine Feier ihres bedeutenden Beitrags zur Geschichte und sogar zum Überleben des britischen Imperialismus.

Elisabeth II. kam sieben Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs an die Macht, als Großbritannien endgültig von den USA verdrängt wurde. In ihre Regentschaft fiel der anhaltende Niedergang der britischen Industrie, und in der zweiten Hälfte ein drastischer Niedergang der sozialen Lage der Arbeiterklasse.

Diese Prozesse hatten enorme geostrategische und soziale Konsequenzen. Großbritannien verlor in den 1950ern und 1960ern den Großteil seines Empires, während die USA ihre imperialistische Hegemonie konsolidieren konnten. Beispielhaft dafür war die Suezkrise von 1956. In den 1970ern und 1980ern erschütterten große Streikwellen die Regierungen von Heath, Wilson, Callaghan und Thatcher. Mit der Entwicklung der Globalisierung und der Niederlage der Bergarbeiter und anderer führender Teile der Industriearbeiterklasse durch den Verrat der Gewerkschafts- und Labour-Bürokratie verwandelte sich die britische Wirtschaft von einem Zentrum der Industrieproduktion in die Heimat des weltweiten Finanzparasitismus.

Der britische Staat reagierte auf diese Herausforderung mit seiner üblichen Brutalität. In den ersten acht Jahren von Elisabeths Herrschaft wurde in Kenia die Unabhängigkeitsbewegung der Mau-Mau brutal unterdrückt. Von 1967 bis 1970 unterstützte Großbritannien den völkermörderischen Krieg der nigerianischen Regierung gegen die abtrünnige Region Biafra. Das britische Militär sicherte mit blutiger Brutalität die britische Herrschaft über die sechs Grafschaften im Norden Irlands und die Malvinas-Falklandinseln. Im Nahen Osten und Nordafrika wurden verbrecherische Kriege geführt, um eine „besondere Beziehung“ zu den USA zu unterstützen. Jedes Aufbegehren der Arbeiterklasse im Inland wurde mit repressiven Gesetzen und brutalen Polizeiaktionen unterdrückt.

Angesichts dieser aufwühlenden politischen Turbulenzen bestand der große Dienst der Queen an der herrschenden Klasse darin, die Rolle der Monarchie als stabilisierende Kraft aufrechtzuerhalten. Diese Aufgabe hat sie mit einzigartiger Überzeugung, Disziplin und rücksichtsloser Selbstverleugnung erfüllt.

Die britische Monarchie vereinnahmt ihre Persönlichkeit in einem wirklich außergewöhnlichen Maß. Dabei wahrt die Queen den Eindruck völliger emotionaler und intellektueller Teilnahmslosigkeit. Nach 70 Jahren als Regentin weiß niemand, was die Queen wirklich über irgendetwas denkt. Wer glaubt, eine Vorstellung davon zu haben, wie sie wirklich ist, bezieht sich wahrscheinlich auf die höflich kritischen, aber im Allgemein zustimmenden künstlerischen Interpretationen des Autors Stephen Morgan und der Schauspielerinnen Claire Foy und Olivia Coleman in der Netflix-Serie The Crown.

Die Queen vermeidet sorgsam jeden Skandal, jedes unbedachte Wort oder jeden Fehltritt und gibt sich Mühe, sich nicht offen hinter die brutale Klassenpolitik der herrschenden Elite zu stellen. Deshalb kann man ihr jede Ansicht zuschreiben, die gerade politisch opportun ist. Wenn ein Premierminister oder Premierministerin besonders unpopulär ist, wie Thatcher oder Blair, heißt es zuweilen, die Queen finde sie, „genau wie wir“, widerwärtig. So zum Beispiel beim Staatsbesuch von US-Präsident Donald Trump.

Aufgrund ihres sorgfältig gepflegten öffentlichen Images dient Elisabeth II. in Zeiten nationaler Krisen als zwar illusorische, aber politisch notwendige Verkörperung von Stabilität und Beständigkeit. Diese Repräsentantin der Klassenherrschaft und der erblichen Privilegien wird als Figur präsentiert, die sich über das Blut und den Schmutz der Politik erhebt. Im Gegensatz zu den vergänglichen „Extremismen“ verkörpert sie die „unabänderlichen Traditionen und Gefühle“ des „britischen Volks“. Im Ausland half sie, von der unhaltbaren Kanonenbootpolitik des Empires zur königlichen Besuchsdiplomatie des Commonwealth überzugehen. Eingeleitet wurde diese neue Politik im Jahr 1960 von Macmillans „Wind of Change“-Rede in Südafrika.

Es ist bemerkenswert, dass eine sagenhaft reiche Erbmonarchin, die in einer zum Faschismus neigenden Familie an der Spitze des British Empire aufgewachsen ist, nie eine ernsthafte politische Krise ausgelöst oder verschärft hat (abgesehen von einer kurzen Zeit nach dem Tod von Prinzessin Diana 1997). Dieser Umstand verschaffte der Labour- und Gewerkschaftsbürokratie die besten Möglichkeiten, den Widerstand der Arbeiterklasse zu neutralisieren. Mit dem Platin-Jubiläum erweist die herrschende Klasse einer vorbildlichen Monarchin ihre Dankbarkeit für siebzig Jahre stoischer Arbeit, die dazu beitrug, den Niedergang des britischen Imperialismus und seiner gefährlichen sozialen Konsequenzen zu bewältigen.

Dianas Sarg, gehüllt in die königliche Standarte mit Hermelinborte, wird durch die Straßen Londons zur Westminster Abbey getragen.

Doch die Belastungen dieser Zeit sind nicht ohne Spuren an ihr vorübergegangen. In den 1980ern geriet die Königsfamilie immer mehr ins Visier der Öffentlichkeit. Ihre zwielichtige Schattenseite mit aristokratischen Cliquen, Betrügern und Lügnern wurde durch die Saga um Prinzessin Diana in den 1990ern aufgedeckt.

Thronfolger Prinz Charles gilt heute als so große Belastung, dass alles getan wird, um ihn hinter seinen Sohn, Prinz William, zu drängen. Prinz Harry und seine Frau Meghan Markle haben der Monarchie den Rücken gekehrt und sie damit in Schwierigkeiten gebracht. Prinz Andrew wurden seine Titel aberkannt, nachdem er sich aus einem Prozess freikaufte, in dem seine Beziehung zu dem überführten Sexhändler der Milliardärsklasse, Jeffrey Epstein, untersucht wurde.

Laut Umfragen von YouGov ist der Rückhalt der Monarchie in den letzten zehn Jahren von 73 auf 62 Prozent zurückgegangen. Am stärksten war der Rückgang unter jungen Menschen zwischen 18 und 24 Jahren. Während sich vor zehn Jahren noch 54 Prozent für den Fortbestand der Monarchie aussprachen, ist dieser Anteil auf 33 Prozent gesunken.

In diesen Zahlen zeigt sich viel mehr als nur die Einstellung der Bevölkerung zu einer Institution, die allgemein als Anachronismus empfunden wird. Genau wie alle anderen Länder befindet sich auch Großbritannien im Griff einer tödlichen Krise des Weltkapitalismus, der den globalen Klassenkampf zum Siedepunkt treibt. Man braucht kein rosiges Bild der letzten 70 Jahre zu zeichnen, die zunehmend von sozialen Spannungen geprägt waren, um zum Schluss zu kommen, dass die herrschende Klasse sie als Belle Epoque betrachten werden, verglichen mit dem, was jetzt wie ein führerloser Zug auf sie zurast.

Unter solchen Bedingungen werden alle Symbole der „nationalen Einheit“ und alle Versicherungen, „wir sitzen alle im selben Boot“, in der Luft zerrissen. Die von der Queen am Freitag geäußerte Hoffnung, „dass die kommenden Tage eine Gelegenheit bieten werden, über das in den letzten 70 Jahre Erreichte nachzudenken und mit Zuversicht und Enthusiasmus in die Zukunft zu schauen“, ist eine allzu große Verfälschung der Wirklichkeit.

Premierminister Boris Johnson vor Downing Street 10, auf dem Weg zur Teilnahme an der Militärparade zu Ehren der Queen am 2. Juni 2022 (Andrew Parsons/No 10 Downing Street/Flickr)

Premierminister Boris Johnson, verantwortlich für fast 200.000 Tote und zwei Millionen Versehrte durch Corona, ruft laut: „God save the Queen!“ Labour Party-Chef Sir Keir Starmer erzählt seinem Land, es sei dessen „patriotische Pflicht, nach den außergewöhnlichen Umständen der letzten Jahre aus sich herauszugehen“. Dabei leidet das Land noch immer unter der Pandemie und durchlebt gerade die schlimmste Inflationskrise der Geschichte, bei der alle Armutsindikatoren in die Höhe schießen. Beide, Johnson wie Starmer, treiben Großbritannien in einen Krieg zwischen der Nato und den USA einerseits und Russland andererseits. Er wird Milliarden Menschen in eine Hungersnot stoßen und könnte einen militärischen Konflikt auslösen, der mit der Zerstörung der Welt enden würde. Beide großen Parteien sind so verachtet, dass sie in der Bevölkerung keine nennenswerte Unterstützung mehr mobilisieren können.

Elisabeth II. hat lange genug gelebt, um das Ende der ganzen historische Periode zu erleben, die mit ihrer Herrschaft verbunden wird. Die Queen hat den Thron bestiegen in einer Zeit der kapitalistischen Stabilisierung nach einem langwierigen wirtschaftlichen Zusammenbruch, dem Aufstieg des Faschismus und der weitgehenden Diskreditierung des freien Markts und zwei verheerenden Weltkriegen. Zum Ende ihrer Herrschaft entwickelt sich erneut eine globale Wirtschaftskatastrophe, ein Wiedererstarken der extremen Rechten und die Gefahr eines dritten Weltkriegs. Der großen Bevölkerungsmehrheit droht die völlige Entrechtung.

Ihr erster Premierminister war Winston Churchill, eine bedeutende politische Persönlichkeit. Ihr letzter könnte Johnson sein – ein bösartiger Schwachkopf, dessen Selbstdarstellung als Churchill-Nachfolger nur ein unbeabsichtigter Maßstab für den Niedergang und den Verfall der herrschenden Klasse ist.

Das Schicksal der Monarchie steht im Zusammenhang mit dieser unlösbaren Krise des Kapitalismus und der Reaktion, die sie in der internationalen Arbeiterklasse auslöst. Eine globale Streikwelle bahnt sich an, von der praktisch alle Bereiche der britischen Wirtschaft betroffen sind. Arbeiter sind dabei, sich gegen die Bemühungen der Gewerkschaften, sie zu spalten und zu verraten, aufzulehnen.

Unabhängig davon, wie viel Vertrauen die britische herrschende Klasse in die Fähigkeit der Queen setzt, „alle zusammenzubringen“ und daran zu erinnern, dass „Versöhnung immer möglich“ sei, kann weder sie, noch ihr Nachfolger oder irgendeine Regierung die gewaltigen sozialen Kräfte aufhalten, die das Phantasiegebilde eines „neuen Elisabethanischen Zeitalters“ zur Seite schieben werden. Sie werden ein Jahrzehnt der sozialistischen Revolution einläuten.

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