Flughafenstreiks treffen Paris und breiten sich in ganz Europa aus

Am Donnerstag streikten das Bodenpersonal und die Feuerwehr des Pariser Flughafens Charles de Gaulle, einer der größten Flughäfen Europas. Ein Viertel aller von dort ausgehenden Flüge wurde gestrichen. Die Streikenden forderten angesichts der steigenden Lebenshaltungskosten in Frankreich und der Welt eine Lohnerhöhung um 300 Euro pro Monat.

Sie forderten außerdem zusätzliches Personal, da die Flughäfen aufgrund der Entlassungen während der Pandemie durch den derzeitigen Anstieg des Flugverkehrs überlastet sind. Laut Schätzungen der Gewerkschaften Force Ouvrière (FO) wurden an den Flughäfen in den letzten zwei Jahren 15.000 Stellen abgebaut, sodass sich der Druck auf die verbliebenen Arbeiter erhöht hat. Die Pariser Flughafenbehörde sucht derzeit nach Bewerbern für 4.000 Stellen.

Sylvia, Mitarbeiterin im Sicherheitsbereich des Flughafens, erklärte vor der Presse: „Wir alle haben Probleme, bis zum Ende des Monats über die Runden zu kommen. Wir haben alle Schulden, die wir abbezahlen müssen.“ Sie wies darauf hin, dass die Löhne für Sicherheitspersonal „nur ein paar Euro über dem Mindestlohn liegen.“

Auch an kleineren Regionalflughäfen in ganz Frankreich kam es zu Streiks. Am Flughafen Carcassonne erklärte ein Funktionär der stalinistischen Gewerkschaft Confédération générale du travail (CGT) über den eintägigen Streik am 8. Juni gegenüber L'Indépendant: „Wir wollen, dass unser Aufgabengebiet dem entspricht, wofür wir ursprünglich eingestellt wurden. Jedes Mal, wenn das Personal nicht ausreicht, lässt das Management die Arbeiter Dinge tun, die nicht in ihren Verträgen stehen. ... Das Management macht keine Zugeständnisse. Der Direktor hat erklärt, er werde am 17. Juni etwas ankündigen.“

Die Flughafenstreiks in Frankreich sind Teil einer eskalierenden Welle von Kämpfen der Beschäftigten an Flughäfen und bei Fluggesellschaften in ganz Europa und der Welt. Sie sind ein mächtiger Teil der Arbeiterklasse, der in kürzester Zeit große Teile der Weltwirtschaft lahmlegen kann.

Einen Tag vor dem Streik in Frankreich hatten in Italien Beschäftigte der Fluggesellschaften und Fluglotsen landesweit die Arbeit niedergelegt. Am Flughafen Mailand-Malpensa wurden 68 Flüge gestrichen, am Flughafen Mailand-Bergamo 40, weitere 15 in Linate und Turin. Die Beschäftigten und Fluglotsen von Alitalia, RyanAir, EasyJet, Volotea und anderen Fluggesellschaften streikten für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen. In Mailand, Turin, Verona, Genua, Cuneo, Bologna und Parma wurden die Flughäfen durch den Streik der Fluglotsen lahmgelegt.

Italienische Gewerkschaftsvertreter erklärten dem Corriere della Sera, der Streik richte sich gegen „Verstöße gegen die Mindestlohnregelung, die im landesweiten Tarifvertrag festgelegt ist, das anhaltend niedrige Lohnniveau, willkürliche Lohnkürzungen, die Nichtzahlung von Krankheitstagen, die Weigerung des Unternehmens, während der Sommersaison obligatorische Urlaubstage zu gewähren und Mangel an Essen und Wasser für das Personal.“

Auch am Flughafen Berlin-Brandenburg sorgte gestern ein Streik von Mitarbeitern der Fluggesellschaft EasyJet für Aufsehen. Von Freitag früh um 5:00 Uhr an streikten hier etwa 450 Kabinenbeschäftigte. Obwohl die Gewerkschaft verdi den Streik bewusst auf nur fünf Stunden begrenzt hatte, mussten nach Angaben der Fluggesellschaft etwa 20 Flüge gestrichen werden

In Spanien hat RyanAir am 8. Juni die Tarifverhandlungen abgebrochen. Hier könnten an Dutzenden von Flughäfen Streiks beginnen. Weitere Streiks drohen in Italien, Portugal, Frankreich und Belgien.

Neben Italien und Frankreich haben sich in den letzten Wochen Streiks an Flughäfen über einen Großteil Europas ausgebreitet, da die Fluggesellschaften die Passagiere massiv überbucht haben, um die entgangenen Profite aus den ersten beiden Jahren der Corona-Pandemie auszugleichen, als weniger Fluggäste unterwegs waren. Weil sich zugleich eine neue europaweite Welle von Infektionen anbahnt und die Regierungen alle Gesundheitsschutzmaßnahmen aufheben, steigt dadurch die Infektionsgefahr. Das alles schafft unzumutbare Arbeitsbedingungen auf Flughäfen und bei Fluggesellschaften.

Letzten Monat erklärte der Direktor der International Air Transport Association (IATA), Willie Walsh, der Flugverkehr werde bis 2023 trotz Personalmangels und neuen Infektionswellen wieder auf das Vor-Pandemie-Niveau zurückkehren.

Walsh erklärte: „Wir erleben einen starken Anstieg der Buchungen. Alle Vorstandschefs der Fluggesellschaften, mit denen ich gesprochen habe, sehen nicht nur eine gute Nachfrage nach Reisen zum Jahresende, sondern auch weitere Nachfrage im Laufe des Jahres.“ Die Warnungen vor hohen Ölpreisen und Streiks wies er zurück und erklärte, man solle sich auf die Profite konzentrieren. Gegenüber dem Irish Independent erklärte er: „Ich glaube, wir sollten uns nicht von der Tatsache ablenken lassen, dass wir eine starke Erholung erleben.“

Dieses rücksichtslose Streben nach Profiten auf Kosten der Arbeiter hat in ganz Europa eine Streikwelle ausgelöst, die sich im Sommer verstärken könnte.

Im April hatten die polnischen Fluglotsen trotz einer Drohung mit Massenentlassungen die Arbeit niedergelegt, um gegen die Forderung der Regierung nach Lohnkürzungen von bis zu 70 Prozent zu protestieren. Die polnische Regierung war fassungslos angesichts der drohenden völligen Einstellung des Flugverkehrs in einem Land, das für den Nato-Krieg gegen Russland eine zentrale Rolle spielt. Um Zeit zu gewinnen, zog sie ihre Forderung nach einer Lohnsenkung vorübergehend zurück und benutzte die Fluglotsengewerkschaft ZZKRL, um den Streik zu beenden.

Am Flughafen Schiphol in Amsterdam könnten die Gepäcklader und das Sicherheitspersonal im Sommer erneut in den Streik treten, nachdem die niederländischen Gewerkschaften im April und Mai ihre Streiks beendet hatten. Der niederländische Gewerkschaftsfunktionär Joost van Doesburg gab zu, dass die Arbeiter immer noch überarbeitet und wütend sind: „Es muss etwas Großes passieren. Ich bin schockiert, und die Mitglieder sind frustriert. Die Situation ist völlig außer Kontrolle geraten. Die Beschäftigten fallen buchstäblich um.“

Am Londoner Flughafen Heathrow begann diese Woche eine Urabstimmung über einen Streik im Sommer. Die Gewerkschaften des Bodenpersonals hatten während der Pandemie einer zehnprozentigen Lohnsenkung zugestimmt, die sie mit dem Rückgang der Passagierzahlen rechtfertigten. Doch seither erhält das Management wieder seine üblichen überzogenen Gehälter, während die Löhne der Arbeiter trotz der weltweit steigenden Inflation nicht erhöht wurden. Das Ergebnis der Abstimmung wird am 23. Juni erwartet.

Am 8. Juni kündigte die Lufthansa die Stornierung von 900 Flügen im Juli an. In ihrer Stellungnahme hieß es, die gesamte Luftfahrtbranche, besonders in Europa leide unter Engpässen und Personalmangel, was sowohl die Flughäfen, die Unterstützung der Fluggäste, die Fluglotsen und das Airline-Personal betreffe. Der Frankfurter Flughafen, der zentrale Knotenpunkt der Lufthansa, hat davor gewarnt, dass Personalmangel zu erheblichen Verzögerungen auf dem größten deutschen Flughafen führen könnte.

Zuvor hatte das Sicherheitspersonal an deutschen Flughäfen einen Tag lang gestreikt, weswegen alle Abflüge von Frankfurt, Berlin, Hamburg, Bremen, Hannover, Stuttgart, Köln/Bonn und Düsseldorf ausfielen. Die Gewerkschaften haben die Aktion zwar beendet, aber auf keine der zugrundeliegenden Beschwerden der Arbeiter wurde eingegangen.

Die entscheidende Aufgabe des Flughafenpersonals ist es, seine Kämpfe international zu vereinen und aus dem lähmenden nationalen Rahmen auszubrechen, den die Gewerkschaftsbürokratien in enger Zusammenarbeit mit dem Management und den kapitalistischen Regierungen vorgeben und womit sie versuchen, ihre eigenen Mitglieder in die Niederlage zu führen. Dazu müssen die Arbeiter von den Gewerkschaften unabhängige Aktionskomitees zur Führung und Koordination ihrer Kämpfe aufbauen.

Die nationalen Gewerkschaften sind allesamt völlig bankrott. Sie spalten die Arbeiter nach nationalen Grenzen und verraten jeden einzelnen Streik. Auf diese Weise wird der explosive soziale Widerstand eingedämmt, unterdrückt und den Manövern der Gewerkschaften mit den kapitalistischen Regierungen untergeordnet.

Ein gemeinsamer europaweiter Streik von Beschäftigten der Fluggesellschaften und der Fluglotsen könnte einen Großteil der europäischen Wirtschaft lahmlegen und die immense soziale Macht der Arbeiterklasse zeigen. Er könnte nicht nur verbesserte Arbeitsbedingungen und Löhne durchsetzen, sondern auch eine breitere Bewegung der Arbeiterklasse gegen imperialistischen Krieg, die kriminelle Reaktion auf die Corona-Pandemie, die soziale Ungleichheit und die rasant steigenden Lebenshaltungskosten ins Leben rufen.

Die Grundlage einer solchen Bewegung ist der Aufbau der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC) und der Kampf für eine sozialistische Perspektive mit dem Ziel, den von der Gesellschaft geschaffenen Reichtum zur Befriedigung sozialer Bedürfnisse einzusetzen.

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