Long-Covid: Dramatische Folgen auch unter Spitzensportlern

Am Mittwoch beschloss das Bundeskabinett ein neues Infektionsschutzgesetz. Die Bestimmungen, die ab dem 1. Oktober in Kraft treten sollen, bedeuten eine weitere Lockerung gegenüber den bisher bestehenden Maßnahmen. Damit ebnet die Bundesregierung den Weg für eine massive Welle von Infektionen im Herbst und im Winter, die das derzeitige Ausmaß noch bei weitem übertreffen wird. Zusätzlich zu einer Welle von Todesfällen führt das auch zu einem Angriff auf die öffentliche Gesundheit, u.a. in Form einer massiven Verbreitung von Long Covid.

Welches Ausmaß diese Langzeitfolgen selbst für Spitzensportler haben, verdeutlicht das Beispiel der Kanutin Steffi Kriegerstein, die sich im Dezember 2020 mit Corona infiziert hatte. Die Profi-Sportlehrin gewann im Kanurennsport bei zahlreichen Europa- und Weltmeisterschaften Medaillen. Bei den olympischen Spielen 2016 in Rio gewann sie eine Silbermedaille. Nun musste sie ihre Karriere beenden.

Steffi Kriegerstein (oben links) bei den Kanurennsport-Europameisterschaften 2016 in Moskau, wo sie zusammen mit Sabrina Hering (vorne links) Silber im Kajak-Zweier über 500 m gewann (Oleg Bkhambri (Voltmetro), CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons)

„Trotz aller gesundheitlicher Probleme habe ich im letzten Jahr versucht, wieder fit zu werden. Doch ich habe gemerkt, dass dieser Sprung, um wieder in den Leistungssport zurückzukehren, riesig ist“, erklärte sie im Spiegel. „Ich war immer in Kontakt mit Ärzten, doch die körperlichen Anstrengungen rauben mir die Lebensqualität für den Alltag.“ Bei den Deutschen Meisterschaften werde sie sich „endgültig vom Wettkampfsport verabschieden“.

Wie sie im Interview mit dem Spiegel ausführt, hat die Erkrankung selbst 14 Tage gedauert und war geprägt von Glieder- und Kopfschmerzen. Bei ärztlichen Untersuchungen nach der Erkrankung wurde jedoch festgestellt, dass die tatsächlichen Folgen noch viel tiefgreifender sind.

Wie sich herausstellte, war das Herz der 28-Jährigen geschrumpft, was sowohl optisch sichtbar als auch am Herz-Lungen-Volumen spürbar war. Kriegersteins Herzleistung als Spitzensportlerin von über 90 Prozent ging zurück auf 60 Prozent. Der Normalwert beträgt etwa 70 Prozent.

Hinzu kamen zahlreiche andere Symptome: „Schlimm waren vor allem die Kopfschmerzen. Das Druckgefühl im Hinterkopf hat sehr schnell auf die Augen und aufs Gleichgewicht ausgestrahlt. Ich habe gekämpft und versucht vorwärtszukommen. Aber irgendwie wollte der Körper nicht.“

Selbst heute, anderthalb Jahre nach der Infektion, kämpft sie noch mit den Nachwirkungen. So bereiten ihr beispielsweise selbst Treppensteigen oder das Laufen zum Bus Schwierigkeiten.

Steffi Kriegerstein ist kein Einzelfall. So bekam der Eishockeynationalspieler Janik Möser infolge seine Corona-Infektion eine Herzmuskelentzündung und durfte zwei Wochen nach der Infektion nicht einmal Treppen steigen.

Der Ringer Frank Stäbler, der als Medaillenhoffnung für die olympischen Spiele in Tokio galt, berichtete, dass er durch seine Infektion 20 Prozent seiner Leistungsfähigkeit einbüßte. Bei Laufübungen bekam er keine Luft mehr: „Mein ganzer Brustkasten hat sich komplett zusammengezogen“, erklärte er.

Die Ruderin Marie-Sophie Zeidler berichtete, dass beim Wiederbeginn ihres Trainings nach der Corona-Erkrankung ihr Körper bereits bei 30 Prozent ihrer sonstigen Maximalbelastung streikte. Ihre Herz- und Lungenfunktionen waren grenzwertig, ihre Sauerstoffaufnahme katastrophal.

Experten schätzen, dass sich inzwischen mehr als 500 deutsche Spitzensportler mit Covid infiziert haben. Insbesondere mit der Wiederaufnahme von Großsportveranstaltungen ohne echte Schutzmaßnahmen breitet sich das Virus unter Sportlern aus.

Auch wenn der Erkrankungsverlauf bei vielen vergleichsweise harmlos ist, können die anschließenden Folgen gravierend sein. Der Ulmer Sportmediziner Jürgen Steinacker schätzt, dass etwa fünf Prozent der Athleten noch drei bis sechs Monate nach ihrer Erkrankung unter Symptomen leiden – dazu zählen Herz- und Lungenprobleme, neurologische Komplikationen wie Geschmacks- und Koordinationsstörungen, sowie chronische Müdigkeit, das sogenannte Fatigue-Syndrom.

Der Kölner Sportmediziner Wilhelm Bloch erklärte: „Es werden sich nicht alle so erholen, dass sie ihr alten Leistungsniveau wieder erreichen. Da brechen Welten zusammen.“

Während Profisportler sich in der Regel die notwendige medizinische Unterstützung leisten und mit Hilfe von spezialisierten Trainern Teile ihrer Leistung wieder zurückerlangen können, muss die überwiegende Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung ohne jegliche Unterstützung auskommen.

Verschiedene Studien kommen zu Ergebnissen, dass zwischen 10 und 30 Prozent der Corona-Infizierten unter Langzeitfolgen leiden. Eine in der medizinischen Fachzeitschrift Lancet veröffentlichte Studie mit 1733 Patienten aus Wuhan kam sogar zu dem Ergebnis, dass 76 Prozent der Patienten sechs Monate nach der Infektion noch mindestens ein Symptom aufwiesen.

Long-Covid kann nahezu jedes Organ betreffen und eine Vielzahl von Symptomen verursachen Zu den häufigsten gehören extreme Müdigkeit, kognitive Störungen, chronische Schmerzen, Geschmacks- und Geruchsverlust, Kurzatmigkeit und eine erhöhte Herzfrequenz, die allesamt tiefgreifende Auswirkungen auf die Lebensqualität der Patienten haben.

Auch Kinder sind häufig von den Langzeitfolgen betroffen. Der Ärztenachrichtendienst „änd“ veröffentlichte Anfang August ein Interview unter dem Titel „In der Kinderkardiologie und -pneumologie überflutet uns Long Covid“.

In dem Interview erzählt Dr. Gerald Hofner, Mitgründer der Praxis „Post-COVID Kids Bavaria“: „Zu zweit sehen wir jeden Tag drei bis fünf Patienten mit Beschwerden nach SARS-CoV2-Infektion. Vor allem sehen wir sehr viele sportliche Kinder und Jugendliche, die über Wochen und Monate nicht mehr leistungsfähig sind zur Beurteilung einer Herz- oder Lungenbeteiligung oder mit Fatigue-Problematik. Das ist kein Vergleich zur Grippe.“ Die Probleme treten sowohl bei geimpften als auch ungeimpften Kindern und Jugendlichen auf.

Auch zahlreiche Medien bringen Berichte von Kindern, deren Leben sich mit einer Corona-Infektion vollständig geändert hat. So berichtet beispielsweise das ZDF von einer elfjährigen Long Covid-Patientin namens Emma, die seit ihrer Infektion sich kaum noch auf den Beinen halten kann und nur schwer Luft bekommt.

„Dann bekomme ich auch einfach Panik, obwohl da eigentlich nichts passieren kann. Und Schwindel ist auch ein schlimmes Thema, das habe ich eigentlich andauernd“, klagte sie gegenüber dem ZDF.

Der ZDF-Länderspiegel berichtete von der 16-jährigen Long Covid-Patientin Sina Morgen, die auf Grund von Muskelschmerzen nach einer Corona-Infektion nicht mehr laufen kann und nun auf den Rollstuhl angewiesen ist.

Die Auswirkungen von Long Covid unterstreichen die Kriminalität der Durchseuchungspolitik der herrschenden Klasse. Sie verdeutlichen, dass es kein „Leben mit dem Virus“ geben kann, und der einzige Weg zur Bekämpfung des Virus seine Eliminierung ist. Weil eine solche Eliminierung mit den Profitinteressen der herrschenden Klasse unvereinbar ist, muss sie von der Arbeiterklasse selbst erkämpft werden.

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