Widerstand der US-Eisenbahner gegen den Ausverkauf zur Verhinderung des Streiks wächst

Unter den Eisenbahnern in den USA wächst der Widerstand gegen den Ausverkauf, den das Weiße Haus am Donnerstag vermittelt hat, um einen landesweiten Streik zu verhindern.

Ein Zug von BNSF nahe dem Terminal in Fort Madison, Iowa (WSWS)

Die Vereinbarung löst keines der Probleme der Arbeiter und ist im Wesentlichen eine Neuauflage der Vertragsbedingungen, die Bidens Presidential Emergency Board (PEB) vorgeschlagen hat. Es wurden lediglich ein bezahlter und drei unbezahlte Krankheitstage (anstelle von keinem) hinzugefügt. Tatsächlich haben Gewerkschaftsvertreter letzte Woche zugegeben, dass bisher noch keine formelle Einigung existiert und auch für mehrere Wochen nicht in Sicht ist. Das Prinzip „keine Arbeit ohne Vertrag“ gerät damit zur Farce.

Die Vereinbarung setzt sich über die große Mehrheit der mehr als 100.000 Eisenbahner hinweg, die einen Streik wollen, um einen Tarifvertrag durchzusetzen, der ihre Bedürfnisse erfüllt. Dies zeigte sich am Mittwoch bei einer landesweiten Onlineveranstaltung mit 500 Arbeitern, die vom Railroad Workers Rank-and-File Committee einberufen wurde. Auf dem Treffen wurde eine Resolution verabschiedet, in der die Gewerkschaften gewarnt wurden, dass „jeder Versuch, Verträge durchzusetzen, die wir nicht akzeptieren und über die nicht abgestimmt wurde, oder uns ohne Vertrag weiterarbeiten zu lassen, einen Verstoß gegen die klaren Anweisungen der Basis darstellt.“

Die Gewerkschaften hofften darauf, dass die Ankündigung der Vereinbarung die kampfbereite, entschlossene Stimmung der Arbeiter zerstreuen und sie entmutigen würde. Dies ist jedoch nicht der Fall. Stattdessen sind die Arbeiter wütend über den Verrat und entschlossen, sich dagegen zu wehren.

Ein Stellwärter aus Galesburg (Illinois), der an der Veranstaltung am Mittwoch teilnahm, erklärte gegenüber der WSWS: „Wenn die Gewerkschaft uns vertritt, dann muss sie das auch tun. Es ist Schwachsinn, dass sie eine vorläufige Vereinbarung getroffen und CNN informiert haben, bevor sie es uns sagen. Jeder, mit dem ich darüber geredet habe, sagt, dass wir ausverkauft wurden. Wir haben bereits gesagt, wir würden warten und dann eine Petition einbringen. Wir wollen nicht mehr, dass sich die Gewerkschaftszentrale [die nationale Zentrale der Brotherhood of Railroad Signalmen] in unsere Entscheidungen einmischt.

Die Unternehmen und die Gewerkschaften versuchen zu sehen, womit sie durchkommen können. Unsere Gesundheitsversorgung wird teurer werden. Das wichtigste für uns ist die Bezahlung, das ist der stärkste Konsens. Wir in der Sicherheitssparte von BNSF sind unterbezahlt. Wir sind für jedes Problem mit Bahnübergangen oder Weichen gegenüber der FRA [Federal Railroad Administration] persönlich haftbar. Wenn wir haftbar sind, dann sollten wir auch dafür bezahlt werden. Das ist ein wichtiges Thema. Ich habe auch ein persönliches Problem damit, dass Kameras unsere Fahrten aufnehmen. Das ist nichts Schlimmes, aber die BNSF hat sie als Grund für Entlassungen benutzt, nicht um die Sicherheit zu erhöhen.“

Ein anderer Arbeiter aus Galesburg erklärte: „Diese Gewerkschaftszentralen vertreten nicht die Arbeiter, die sie eigentlich vertreten sollen. Am Freitag haben die Gewerkschaften lediglich beschlossen, Biden einen Sieg zu verschaffen, und wurden dafür wahrscheinlich unter der Hand bezahlt oder haben ein paar bequeme Jobs versprochen bekommen für die Zeit nach ihrer Pensionierung als Gewerkschaftsfunktionär. Es ist Zeit, dass die Eisenbahner aufstehen und für ihre Familien und ihren Lebensunterhalt kämpfen! Diese Empfehlung vom PEB ist Schwachsinn!“

Zahlreiche Umfragen in den sozialen Netzwerken zeigen, dass eine überwältigende Mehrheit die Vereinbarung ablehnt. Bei zwei Facebook-Umfragen unter Wartungsarbeitern sprachen sich 88 bzw. 93 Prozent gegen die Vereinbarung aus.

Die Resolution der Belegschaft vom Mittwoch wird ebenfalls häufig gelesen und geteilt. Ein Mitglied des Komitees erklärte gegenüber der WSWS: „Sie wird in den Gewerkschaftshäusern und auf Facebook verbreitet. Jeder spricht davon.“

In den sozialen Netzwerken kursiert obendrein ein Brief eines anonymen Eisenbahners aus Kalifornien, der wahrscheinlich vom Rank-and-File Committee inspiriert wurde. Darin schildert er, was er als Mindestforderungen betrachtet, ohne deren Erfüllung die Arbeiter keinen Tarifvertrag annehmen sollten: „Die Mitglieder merken, dass das Vorgehen des Präsidenten ihre Stimme erstickt hat, weil er die Forderung der Mitglieder nach einem Streik nicht erfüllt hat.“ Zu seinen Forderungen gehören mindestens drei bis fünf bezahlte Krankentage, eine allgemeine Lohnerhöhung von 28 bis 31 Prozent, eine Angleichung an die Lebenshaltungskosten, Schichtzuschläge und eine Deckelung der Eigenbeteiligung bei Gesundheitsausgaben bei 300 bis 350 Dollar.

Zum Schluss schreibt er: „Wenn diese Forderungen nicht so umgesetzt werden, dann werden wir [den Tarifvertrag] ablehnen, also legen Sie ihn den Belegschaften gar nicht erst vor... Das ist das absolute Minimum, das wir von Ihnen ratifiziert haben wollen! Wenn diese Forderungen nicht erfüllt werden, ist es uns ERLAUBT zu streiken!“

Obwohl das politische Establishment mit den Gewerkschaftsbürokraten einen Ausverkauf arrangieren konnte, weiß es, dass die Gefahr keineswegs gebannt ist. Auf der Website von The Hill erschien am Sonntagabend ein besorgter Leitartikel mit dem Titel „Vereinbarung zur Abwendung eines Eisenbahnerstreiks hat das Potential zusammenzubrechen“.

Zweifellos war während der Tarifverhandlungen das wichtigste – oder sogar das einzige Thema, wie sich der Widerstand der Arbeiter überwinden lässt. Die Angst vor diesem Widerstand war auch der entscheidende Beweggrund für die Vereinbarung. Das Magazin Politico veröffentlichte am Freitag einen Artikel auf der Grundlage von Interviews mit den an den Gesprächen Beteiligten. Es zitierte den Direktor des National Economic Council, Brian Deese, mit den Worten: „Der entscheidende Zeitraum war wirklich zwischen 19 und 21 Uhr, als Minister Pete [Buttigieg], [Landwirtschaftsminister Tom] Vilsack und ich den Vorstandschefs telefonisch deutlich gemacht haben, dass noch nicht klar ist, ob die Sache abgeschlossen werden kann, dass wir sie sehr ernst nehmen, und eine Lösung finden würden, und dass sie sich bewegen müssen.“ Es ist bedeutend, dass sich dieser „entscheidende Zeitraum“ genau mit dem Treffen des Aktionskomitees und der Arbeiter an der Basis überschnitt.

Der Artikel macht deutlich, dass das politische Establishment das Aufkommen des Klassenkampfes in den USA mehr fürchtet als alles andere. Arbeitsminister Marty Walsh beschrieb einen landesweiten Eisenbahnerstreik mit apokalyptischen Worten: „Das ist... großer Gott: Es wäre einfach enorm, was da passiert wäre.“ Diese Äußerungen fallen in einer Situation, in der Washington um die Ukraine bewusst einen offenen Atomkrieg gegen Russland riskiert.

Dennis Pierce, der Präsident der Brotherhood of Locomotive Engineers and Trainmen, erklärte gegenüber Politico: „Es herrscht da draußen große Wut wegen der Art, wie sie überall von allen Gewerkschaften behandelt wurden. Das macht es schwer, Tarifverträge zu ratifizieren, wenn die Beschäftigten so aufgewühlt sind.“

Pierces Äußerungen machen deutlich, dass es die Aufgabe der Gewerkschaftsbürokratie ist, diese „Aufregung“ zu beseitigen zu versuchen, indem sie Arbeiter isolieren und demoralisieren. Es gibt drei generelle Vorgehensweisen, mit denen sie dies versuchen.

Erstens wollen sie die Abstimmung über den Tarifvertrag so schnell wie möglich verschieben, um den Arbeitern den Schwung zu nehmen. Die BLET hat angedeutet, es werde mindestens einen Monat dauern, bevor überhaupt ein Vertragsangebot vorliegt, über den dann abgestimmt werden kann. Ein Mitglied des Rank-and-File Committee erklärte dazu: „Das ist ein Bruch mit der Tradition. Normalerweise dauern die Verhandlungen im Rahmen des RLA ewig, aber die Abstimmung selbst wird meist schon nach ein paar Tagen durchgeführt. Ich glaube, sie tun das, um den Demokraten einen Gefallen zu tun und die Abstimmung erst nach den Zwischenwahlen durchzuführen.“

Die zweite Methode ist weit verbreitete Zensur von kritischen Ansichten in den sozialen Medien. Arbeiter berichten, dass eine der wichtigsten von Arbeitern genutzten Facebook-Gruppen, Fight for Two Person Crews, seit der Vereinbarung vom Donnerstag massenhaft kritische Kommentare gelöscht hat. Eine Überprüfung der Kommentare in der Gruppe deutet ebenfalls darauf hin, dass sich der Ton deutlich geändert hat. Zuvor war er von Wut über die PEB und die Gewerkschaftsfunktionäre geprägt, jetzt dominiert Lob für die Vereinbarung.

Die National Conference of Firemen and Oilers, die der Service Employees International Union angehört, erklärte am Tag der Einigung, sie schalte die Kommentarfunktion auf ihrer Facebook-Seite unter dem absurden Vorwand ab, dies schütze „unsere Mitglieder vor Vergeltungsmaßnahmen und möglichen Disziplinarmaßnahmen der Arbeitgeber“. Sie gab außerdem zu, dass die Gewerkschaft seit Monaten „ihre Mitglieder beschützt“ – d.h. zensiert – indem sie „Kommentare löscht, die als Drohung mit einem konzertierten Arbeitskampf ausgelegt werden können“.

Sie endete mit einer verschleierten Androhung rechtlicher Schritte gegen streikende Arbeiter, erklärte ihre Ablehnung des Ausstands und fügte hinzu: „Wir unterstützen einen Streik nur, wenn er LEGAL ist und den Vorgaben des Railway Labor Act und der Verfassung der NCFO entspricht.“

Die dritte Methode besteht darin, die Kräfte der pseudolinken Agenturen der Demokraten zu mobilisieren, um die Unzufriedenheit der Arbeiter aufzufangen und zu kastrieren. Letzten Freitag veranstaltete die Gewerkschaftsfraktion Railroad Workers United (RWU) ihre Online-Veranstaltung unter Vorsitz des Labor-Notes-Autoren und ehemaligen Mitglieds der Demokraten, Jonah Furman.

Labor Notes hat eine wichtige Rolle als Cheerleader und Verteidiger der Bürokratie gespielt. Auf ihrer Sommerkonferenz sprachen der Teamsters-Präsident Sean O’Brien, der direkte Vorgesetzte von Dennis Pierce (die BLET ist den Teamsters angeschlossen), und Bernie Sanders, der 1991 dafür gestimmt hatte, den letzten landesweiten Eisenbahnerstreik zu beenden. Sanders hat letzte Woche ein zynisches Manöver im Senat organisiert und eine einstweilige Verfügung der Republikaner blockiert, während die Demokraten im Repräsentantenhaus bereits etwas ähnliches vorgelegt hatten.

Die Redner bei der RWU-Veranstaltung lehnten die Perspektive ab, die Arbeiter unabhängig vom Gewerkschaftsapparat zu organisieren. Ein Redner lehnte jede Art von Streik oder Arbeitsniederlegung ausdrücklich ab, die ohne die Zustimmung der Bürokratie organisiert wird, und erklärte, dies sei nicht die Entscheidung der Basis, sondern nur der Führung.

Die einzige Möglichkeit für Arbeiter, die Verrätereien des Gewerkschaftsapparats zu besiegen, besteht jedoch darin, eine Rebellion der Basis gegen ihn zu organisieren, und dafür zu kämpfen, ihren Ausverkauf zu verhindern und die demokratische Kontrolle durch die Basis durchzusetzen. Die Organisation des Widerstands der Eisenbahner erfordert den Aufbau des Railroad Workers Rank-and-File Committee, des Aktionskomitees der Eisenbahner.

Die WSWS ruft alle Arbeiter auf, unter railwrfc@gmail.com Solidaritätsadressen das Railroad Workers Rank-and-File Committee zu schicken. Registriert euch über das Formular, wenn ihr ein Aktionskomitee an eurem Arbeitsplatz aufbauen wollt.

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