Die Beisetzung der Queen und das Gespenst von Krieg und Revolution

Die Beisetzung von Queen Elizabeth II. wurde mit großer Sorgfalt durchgeführt. Nichts war dem Zufall überlassen, als das Vereinigte Königreich seine letzte verbliebene Spezialität - Pomp und Prunk in weltmeisterlichem Ausmaß - zum Besten gab.

Am Montag um 11.00 Uhr hatten Staatsoberhäupter aus aller Welt in der gotischen Pracht der Westminster Abbey Platz genommen, bevor der Sarg der Queen, der mit der königlichen Standarte, der Krone und dem Zepter mit Kreuz geschmückt war, auf dem von 142 Matrosen gezogenen Kanonenwagen der Royal Navy eintraf. Gardisten von The Queen's Company, 1st Battalion Grenadier Guards, trugen ihren Leichnam begleitet vom Trauermarsch hinein. Es folgte eine Stunde mit Lesungen, Gebeten, Hymnen und Trauerreden.

King Charles III., Camilla und die Mitglieder der königlichen Familie folgen dem Sarg von Queen Elizabeth II., 19. September 2022 [AP Photo/Danny Lawson/Pool Photo via AP]

Anschließend wurde der Sarg der Queen in einer Prozession zu Fuß von Westminster Abbey zum Wellington Arch am Londoner Hyde Park Corner geleitet, wobei die Route von der Royal Navy, der Royal Marines und der Polizei gesäumt wurde. Auf dem Parlamentsplatz stand eine Ehrengarde aus allen drei Streitkräften, begleitet von einer Kapelle der Royal Marines. Anschließend wurde der Sarg in den Leichenwagen verladen, um seine letzte Reise nach Schloss Windsor anzutreten.

Insgesamt waren 4.000 Militärangehörige an der Beerdigung und der Parade beteiligt.

Nichts hätte besser Stabilität, Ordnung und Beständigkeit widerspiegeln können als die Art und Weise, wie Elizabeth Windsor neben ihrem verstorbenen Ehemann, dem Herzog von Edinburgh, in der Gedächtniskapelle von König George VI. beigesetzt wurde.

Dies war zumindest die gemeinsame Hoffnung der fast 100 in Westminster Abbey versammelten Präsidenten und Regierungschefs, darunter US-Präsident Joe Biden und First Lady Jill Biden, der französische Präsident Emmanuel Macron, der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der italienische Staatspräsident Sergio Mattarella, der kanadische Premierminister Justin Trudeau, die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern, der australische Premierminister Anthony Albanese und der südkoreanische Präsident Yoon Suk-Yeol.

Biden sprach vor der Beerdigung in einer Erklärung direkt solche Ziele an: „Ihre Majestät Königin Elizabeth II. war mehr als eine Monarchin. Sie hat eine Ära geprägt. In einer Welt des ständigen Wandels war sie ein Fels in der Brandung und eine Quelle des Trostes und des Stolzes für Generationen von Briten... Die sieben Jahrzehnte ihrer geschichtsträchtigen Herrschaft zeugen von einem Zeitalter des beispiellosen menschlichen Fortschritts und des Vormarsches der Menschenwürde.“

Die Absurdität von Bidens Aussage wird am besten durch einen Verweis auf ein früheres britisches königliches Begräbnis illustriert, das mehr als ein Jahrhundert zurückliegt, nämlich das von Edward VII.

Die amerikanische Historikerin Barbara W. Tuchman widmet sich diesem Ereignis im Einführungskapitel ihres bahnbrechenden Werks über den Ausbruch und die ersten neun Monate des Ersten Weltkriegs, The Guns of August, das in Deutschland unter dem Titel August 1914 veröffentlicht wurde. Es beginnt ergreifend:

Die neun Majestäten, die an dem Maimorgen des Jahres 1910 hoch zu Ross dem Sarge Eduards VII. von England folgten, boten ein so überwältigendes Bild, dass ein Seufzer der Bewunderung durch die schwarzgekleidete Menge ging, die sich in ehrfurchtsvollem Schweigen drängte. Scharlachfarben, blau, grün und purpurrot ritten die Herrscher jeweils zu dreien nebeneinander durch das Schlosstor, mit nickenden Helmbüschen, goldenen Tressen, karmesinroten Schärpen und juwelenbesetzten Orden, die in der Sonne aufblitzten. Ihnen folgten fünf Thronerben, dann weitere vierzig kaiserliche oder königliche Hoheiten, sieben Königinnen – davon drei regierende und vier Königinwitwen – und eine Schar von Sondergesandten aus Ländern, deren Herren keine Krone trugen. Insgesamt waren siebzig Nationen vertreten in dieser größten Versammlung von Königen und Würdenträgern, die sich je an einer Stelle zusammengefunden hat und die in ihrer Art die letzte sein sollte. Gedämpften Klanges verkündete Big Ben die neunte Stunde, als der Trauerzug den Palast verließ: die Uhr der Weltgeschichte aber zeigte auf Sonnenuntergang, und das Licht der alten Welt versank in einem Todesglanz ohnegleichen. [S. 7, Frankfurt/Main 2013]

Edward VII - König des Vereinigten Königreichs und der britischen Herrschaftsgebiete sowie Kaiser von Indien (1841-1910) [Photo: W. & D. Downey]

Tuchman merkt an, dass Edward VII. oft als „Onkel Europas“ bezeichnet wurde. Dies war keine reine Ehrung. Die Bezeichnung verwies auf seine tatsächlichen familiären Beziehungen und die Verwandtschaft zu den Herrscherfamilien in ganz Europa: „Verwandte, die ebenfalls irgendwie von den neun Söhnen und Töchtern der Königin Viktoria abstammten, waren allenthalben an den europäischen Höfen zu finden.“ (S.10). Der deutsche Kaiser Wilhelm II. war sein Neffe, Zarin Alexandra von Russland seine Nichte.

Die Zeit von Edwards Herrschaft, die sich über das erste Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts erstreckte, beschreibt Tuchman als „einen gesegneten Sommernachmittag. […] Neunzehnhundertzehn blieb friedlich und glücklich, die zweite Runde der Marokkokrise und der Balkankrise stand noch bevor“ (S. 16). Die Aussicht auf einen Krieg wurde in den herrschenden Kreisen weithin als törichter Gedanke betrachtet, da es aufgrund der finanziellen und wirtschaftlichen Verflechtung der Nationen keinen wirklichen Sieger geben konnte und somit keinen Krieg geben würde.

Doch vier Jahre später, im August 1914, wurde die Welt in einen Krieg gestürzt, in dem 28 Millionen Menschen ihr Leben verloren und Europa in Trümmern lag. Die Monarchen, die ihre nationalen Spannungen beiseite schieben und sich 1910 in London versammeln konnten, fanden sich bald auf entgegengesetzten Seiten des Schlachtfelds wieder.

Das Ende des Krieges bedeutete den Untergang der Besiegten.

Die historisch bedeutendsten Opfer waren der Zar und die Zarin von Russland, die 1917 durch die von den Schrecken des Krieges ausgelöste Februarrevolution entmachtet und durch die sozialistische Oktoberrevolution unter der Führung von Lenin, Trotzki und den Bolschewiki für immer aus der Geschichte verbannt wurden.

Marschierende Soldaten in Petrograd, März 1917 [Photo: Unknown author]

Die Revolution in Deutschland führte zwar nicht zum Sturz des Kapitalismus, da es keine bolschewistische Partei an ihrer Spitze gab, zwang aber Wilhelm II. zur Abdankung und zur Flucht aus dem Land. Andere Könige im Deutschen Reich folgten. Die Kronprinzen der österreichisch-ungarischen Monarchie ereilte inmitten dieses kontinentweiten revolutionären Aufruhrs das gleiche Schicksal.

Im Jahr 2022 ist der bunte Haufen von Königen, der sich versammelt hat, um das Ableben von Elizabeth II. zu betrauern - der Kaiser und die Kaiserin von Japan, die Könige und Königinnen der Niederlande, Spaniens, Belgiens, Dänemarks, Schwedens und Norwegens, die Herrscher der winzigen Steuerparadiese Lichtenstein, Luxemburgs und Monacos sowie verschiedene Despoten aus dem Nahen Osten - nur noch ein blasser Schatten ihrer Vorfahren. Aber die Präsidenten und Premierminister, die die großen imperialistischen Mächte regieren, haben eine Zukunft vor sich, die nicht weniger schrecklich ist als die der europäischen Königshäuser des letzten Jahrhunderts.

Die Krise, in der sich der Weltimperialismus befindet, zeichnet sich noch deutlicher ab als 1910. Dies ist keine Belle Époque. Ein wirtschaftlicher Alptraum nimmt seinen Lauf, der Millionen Menschen ins Elend stürzt. Die herrschenden Eliten lehnen eine Kriegspolitik nicht ab, sondern setzen sie im Gegenteil rücksichtslos um. Mit dem Stellvertreterkrieg der Nato gegen Russland in der Ukraine bahnt sich in Europa eine Katastrophe an, die selbst die Schrecken von 1914 in den Schatten stellen würde: eine Katastrophe, die die Menschheit mit der atomaren Vernichtung bedroht.

Aber diese Krise schafft auch die Voraussetzungen für den Ausbruch eines sozialistischen und revolutionären Kampfs der europäischen und internationalen Arbeiterklasse, der nicht wie im Oktober 1917 einen Weltkrieg beenden, sondern durch den Sturz des Kapitalismus einen solchen verhindern muss.

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