Brasilianische Arbeiterpartei (PT) rückt eine Woche vor der Wahl scharf nach rechts

In der letzten Woche des brasilianischen Wahlkampfs warnt der faschistische Präsident Jair Bolsonaro erneut, er werde kein anderes Ergebnis als seinen eindeutigen Sieg in der ersten Runde akzeptieren.

Nach dem Vorbild des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump, der sich auf den Putschversuch bom 6. Januar 2021 aktiv vorbereitet hatte, hetzt Bolsonaro seit vier Jahren unablässig gegen das brasilianische Wahlsystem. Er behauptet, es werde aktiv manipuliert, um den ehemaligen Präsidenten und aktuellen Spitzenreiter in den Umfragen, Luiz Inácio Lula da Silva von der Arbeiterpartei (Partido dos Trabalhadores, PT) zu begünstigen. Seit einigen Wochen attackiert Bolsonaro die Meinungsforschungsinstitute, die ihn übereinstimmend mit über zehn Prozent Rückstand auf Lula sehen, und behauptet, sie seien Teil dieser angeblichen Verschwörung.

Luiz Inacio Lula da Silva (dritter von rechts), Henrique Meirelles (rechts) und Marina Silva (dritte von links) (Foto: Ricardo Stuckert) [Photo: Ricardo Stuckert]

Viel schwerwiegender ist, dass er in seine Kampagne zur Diskreditierung der brasilianischen Wahlautomaten erfolgreich die brasilianischen Streitkräfte mit einbezieht. Das brasilianische Militär hatte 1964 mit Unterstützung des US-Imperialismus eine brutale Diktatur errichtet, die bis 1985 Bestand hatte. Das Militär plant jetzt eine Operation, um die Wahl unabhängig vom Wahlgericht (TSE) zu „überprüfen“. Der Präsident des Wahlgerichts, Alexandre de Moraes, hat diese Operation, die das Militär faktisch zum obersten Schiedsrichter macht, zuletzt sogar feige unterstützt.

Unter diesen Bedingungen ist die PT scharf nach rechts gerückt. Sie strebt danach, die Unterstützung selbst der reaktionärsten Bolsonaro-Anhänger für eine dritte Amtszeit Lulas zu gewinnen. Die Partei verspricht dem Großkapital, die Art von sozialem „Frieden“ und Stabilität zur Profitsteigerung wiederherzustellen, die Bolsonaro mit seiner rechten Demagogie gestört hat. Die oberste Sorge der PT richtet sich darauf, dass das Elend der Arbeiterklasse dazu führen könnte, dass das gesamte kapitalistische System in Gefahr gerät. Die Lage der Arbeiterklasse hat sich unter Bolsonaro extrem verschärft, und besonders seine Durchseuchungspolitik in der Corona-Pandemie hat zu Massensterben und massenhaftem Leid geführt.

Da es das oberste Anliegen der PT ist, die öffentliche Meinung über das Ausmaß der kapitalistischen Krise zu täuschen, beteuert sie Tag und Nacht, dass „die Institutionen funktionieren“. Bolsonaro sei bei seinen Putschvorbereitungen völlig isoliert. Die Hinterzimmermanöver der letzten zwei Wochen offenbaren jedoch das genaue Gegenteil.

Wie sowohl die Mainstreammedien als auch das PT-Sprachrohr Revista Fórum mehrfach berichtet haben, traf sich Lula am 21. September mit dem ranghöchsten Vertreter der US-Regierung in Brasilien, Douglas Koneff. (Seine Nominierung zum Botschafter in Brasilien wird derzeit vom US-Senat verzögert.) Im Mittelpunkt des Treffens stand Washingtons Zusicherung, dass die USA am Wahlabend sofort und öffentlich die Wahlergebnisse, die wahrscheinlich Lulas klaren Wahlsieg bestätigen, anerkennen werden. Hochrangige PT-Berater haben dasselbe mehrfach von den lateinamerikanischen und europäischen Botschaftern gefordert, um das traditionell pro-imperialistische Militär davon abzuhalten, sich auf die Seite Bolsonaros zu stellen. Auf diese Weise soll der Erfolg von Bolsonaros erwartetem Putschversuch verhindert werden.

Die ganze Operation ist nichts anderes als eine kriminelle Wette. Das US Southern Command hatte kein Problem damit, sich am 7. September an Bolsonaros faschistischen Militärparaden zum Unabhängigkeitstag zu beteiligen. Es schickte ein Marinegeschwader zu den Feierlichkeiten vor der Küste von Rio de Janeiro, um das brasilianische Militär nicht zu verärgern, mit dem das Pentagon seit über einem Jahrhundert zusammenarbeitet. Die PT verlässt sich fast ausschließlich darauf, dass Bolsonaro, ein enger Verbündeter Trumps, US-Regierungsvertreter mehr als einmal mit seiner Kritik an Biden und dem US-Stellvertreterkrieg gegen Russland irritiert hat – zuletzt mit einer scharfen Kritik an den US-Sanktionen bei der 77. UN-Vollversammlung letzte Woche.

Dementsprechend bekräftigte Lula am 21. September seine politische Hinwendung zum Imperialismus mit einem größtenteils vorbereiteten Interview mit dem Canal Rural, dem Sprachrohr der brasilianischen Agrarmagnaten. Darin attackierte er in beispielloser Weise den verstorbenen venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez, ein langjähriges Zielobjekt des US-Imperialismus. Die USA wollten Chávez im Jahr 2002, während eines gescheiterten Putschversuchs, sogar entführen und ermorden lassen.

Lula regierte auf eine Frage zum Recht auf Waffenbesitz, das unter Bolsonaro deutlich ausgeweitet wurde. Die Folge war ein starker Anstieg der Gewalt von Gangstern im Auftrag von Großgrund- und Minenbesitzern gegen Bauern und indigene Kommunen. Auf die Frage, ob er Bolsonaros Maßnahmen rückgängig machen werde, erklärte Lula, er habe das Recht auf Waffenbesitz in ländlichen Gebieten nie bestritten. Weiter sagte er, die weltberühmte Bewegung Landloser Arbeiter (MST), ein wichtiges Element der Inszenierung des linken PT-Flügels, habe kein Interesse mehr an der Besetzung von privatem Land. Sie habe sich stattdessen in einen erfolgreichen Verwalter der ökologischen Produktion von Reis und anderen Grundnahrungsmitteln verwandelt. Lula erklärte, die Bewegung, die früher weltweit als radikaler Gegner der Konzentration von Grundbesitz und sogar als „sozialistisch“ dargestellt wurde, sei „erwachsen“ geworden. In einem völlig unprovozierten Anfall anti-kommunistischer Hetze erklärte, er lehne die Ausweitung des Waffenbesitzes ab, denn das sei genau das, „was Hugo Chávez in Venezuela getan hat“.

Zu den jüngsten Bemühungen der PT gehört auch die Wiederherstellung der Bündnisse mit Lulas ehemaliger Umweltministerin, Marina Silva, sowie mit Lulas ehemaligem Zentralbankchef, Henrique Meirelles. Silva hatte seine Regierung verlassen und war eine Verfechterin von kapitalistischem Greenwashing und neoliberalen Reformen geworden. Meirelles wurde unter Bolsonaros Amtsvorgänger Michel Temer Wirtschaftsminister. Sowohl Silva als auch Meirelles nahmen an sorgfältig inszenierten Zeremonien teil, um ihre Unterstützung für Lula bekanntzugeben, nachdem sie sich jahrelang öffentlich gegen die PT gestellt hatten.

Silva hatte die PT und Lulas Regierung im Jahr 2008 verlassen. Sie wurde in den Jahren 2010, 2014 und 2018 bei ihren drei Versuchen Präsidentin zu werden, zu einer der größten Empfängerin von Spenden aus der Wirtschaft. Im Jahr 2014 lag sie in den Umfragen kurzzeitig vor der Amtsinhaberin Dilma Rousseff (PT), wurde jedoch von der PT scharf attackiert, weil sie sich für die formelle Unabhängigkeit der brasilianischen Zentralbank aussprach. Die Maßnahme wurde schließlich unter Michel Temer umgesetzt, der Rousseff im Jahr 2016 nach ihrer Amtsenthebung wegen fingierter Vorwürfe ablöste. Zu dieser Zeit war Meirelles Wirtschaftsminister.

Die Börsenblätter erklärten einstimmig, der leichte Anstieg der brasilianischen Währung gegenüber dem US-Dollar am 20. September, einen Tag nach dem Treffen zwischen Lula und Meirelles, sei auf die Zuversicht in eine Lula-Regierung zurückzuführen. Die Hoffnung bestehe, dass Lula weder die drakonischen Ausgabendeckelungen aufheben werde, die Meirelles im Jahr 2017 eingeführt hatte, noch die Unabhängigkeit der Zentralbank in Frage stellen werde, obwohl er dies in der Vergangenheit und auch jüngst öffentlich versprochen hatte.

Was die Unterstützung Silvas angeht, so beinhaltet sie Kompromisse bei der Regulierung des Marktes für Emissionsgutschriften in Brasilien und bei der Eindämmung der Abholzung, die ein Freihandelsabkommen zwischen dem Mercosur und der Europäischen Union ermöglichen sollen. Das Abkommen ist schon seit Jahrzehnten in Arbeit und wird als größtes jemals unterzeichnetes Handelsabkommen bezeichnet. Es wurde aber von zahlreichen europäischen Regierungen mit der Begründung abgelehnt, dass Brasiliens intensive und zerstörerische Landwirtschaftsmethoden einen unfairen Wettbewerbsvorteil gegenüber den europäischen Kleinbauern schaffen würden. Lula hat das Abkommen in der Vergangenheit mit der Behauptung abgelehnt, es würde die nationale Industrie zerstören. Heute, mit Silva an seiner Seite, verspricht er, es während der ersten sechs Monate seiner Amtszeit umzusetzen, was dem Großkapital einen weiteren Geldsegen beschweren würde. Sicher ist, dass das System der betrügerischen „Emissionsgutschriften“ die Erderwärmung nicht verringern wird.

Es entbehrt nicht einer gewissen historischen Ironie, dass die vielgepriesene Garantie gegen eine Diktatur Bolsonaros und die Unterstützung einer dritten Amtszeit Lulas durch den US-Imperialismus in eine Zeit fällt, in der Bolsonaro selbst einen trotzigen Ton gegenüber der US-Regierung anschlägt. Er legt damit den Niedergang der weltweiten Stellung der USA und das Abgleiten in nationale Rivalitäten und Krieg offen.

Ein wichtiger Grund für den Widerstand gegen Bolsonaro innerhalb der herrschenden Klasse ist die besonders von der PT lautstark betonte Tatsache, dass Bolsonaros einseitige Ausrichtung auf die US-Außenpolitik Brasiliens Wirtschaftsinteressen schade. In diesem Jahr ist das Land zum weltweit größten Empfänger chinesischer Auslandsinvestitionen geworden.

Pedro Parente, ein weiterer einstmals von der PT geschmähter Vertreter des Großkapitals, der unter Präsident Temer nach Rousseffs Sturz den staatlichen Ölkonzern Petrobras leitete, erklärte am 20. September bei einer Veranstaltung an der Börse von São Paulo: „Wenn die kommende Regierung über eine gewisse Kompetenz verfügt, vor allem was die erwartete Verbesserung der Beziehungen zu China nach Lulas Sieg angeht, besteht die Möglichkeit, wieder [für Auslandsinvestitionen] attraktiv zu werden.“

Während Lateinamerika in ein Schlachtfeld für die zunehmend aggressiven Konfrontationen der USA mit Russland und China verwandelt wird, erscheinen die Hinterzimmergeschäfte der PT mit Washington nur umso skrupelloser und krimineller. Der gleiche Grund, warum die PT die Ausweitung der Wirtschaftsbeziehungen mit China und anderen Ländern lobt – die Schwächung der Position der USA, vor allem in Lateinamerika – untermauert auch, warum Washington seine Beziehungen zum brasilianischen Militär erhalten muss. Wie sich am 7.September zeigte, überwiegt dies die Bedenken wegen Bolsonaros Skrupellosigkeit.

Es ist eine Tatsache, dass die PT ihre populistischen Versprechen der angestrebten Unterstützung durch die imperialistischen Mächte opfert. Das macht deutlich, dass die brasilianischen Arbeiter, unabhängig vom Ergebnis der Wahl, auch nach dem 2. Oktober noch eine arbeiterfeindliche Regierung haben werden. Sie wird im Namen der „Wettbewerbsfähigkeit“ und der „Großmachtpolitik“ einen beispiellosen Austeritätskurs und Angriffe auf ihren Lebensstandard durchführen.

Sowohl Bolsonaro als auch die PT werden einen solchen Klassenkrieg führen. Die Organisierung einer Gegenoffensive erfordert eine sozialistische und internationalistische Strategie, wie sie nur das Internationale Komitee der Vierten Internationale vertritt.

Am Samstag um 20 Uhr (15 Uhr GMT-3) organisiert die Sozialistische Gleichheitsgruppe (GSI) in Brasilien eine Online-Veranstaltung mit dem Titel „Die Krise der Demokratie in Brasilien und die Perspektive der sozialistischen Revolution“, um die zentralen Fragen der Wahl zu diskutieren. Sie wird hier live übertragen: unter wsws.org/live

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