Gewerkschaften sabotieren den Kampf gegen 3.600 Entlassungen bei Mercedes in Brasilien

Am 6. September rief die Ankündigung von Mercedes-Benz, 3.600 Stellen in dem Werk São Bernardo do Campo zu streichen, enormen Widerstand unter den Arbeitern hervor. 2.200 Festangestellte sollen entlassen und die Verträge von weiteren 1.400 Zeitarbeitern nicht verlängert werden.

Demonstration von Mercedes-Benz-Arbeitern nach der Ankündigung von Entlassungen (Foto: Adonis Guerra/SMABC/FotosPublicas)

Mit rund 9.000 Beschäftigten, davon 6.000 in der Produktion, ist das Werk São Bernardo in der Industrieregion ABC von São Paulo das größte Mercedes-Werk außerhalb Deutschlands. Nach Angaben des gewerkschaftseigenen Instituts für Statistik und sozioökonomische Studien (DIEESE) wird sich die Entlassung der 3.600 Arbeiter indirekt auf weitere 18.000 Arbeitsplätze auswirken.

Angesichts der Wut der Arbeiter sah sich die Metallarbeitergewerkschaft der Industrieregion ABC (SMABC) gezwungen, einen dreitägigen Streik auszurufen. Die SMABC gehört zum Gewerkschaftsverband Central Única dos Trabalhadores (CUT), den die Arbeiterpartei (PT) kontrolliert. Während des Streiks rief die Gewerkschaft zu keiner gemeinsamen Aktion aller ABC-Autoarbeiter auf, geschweige denn zu einem Generalstreik, um alle Entlassungen rückgängig zu machen. Am Montag kehrten alle zur Arbeit zurück, während sich die Gewerkschaft hinter dem Rücken der Arbeiter weiter mit Mercedes-Benz traf.

Bei einer Streikversammlung am Werkstor am 8. September, zwei Tage nach der Ankündigung der Entlassungen, erklärte der Präsident der SMABC und Betriebsrat, Moisés Selérges, er sei bereit, das Unternehmen bei den Kürzungen zu unterstützen. Selérges sagte: „In einem Verhandlungsprozess kann oft nicht alles durchgesetzt werden, was die Gewerkschaft will, aber auch nicht alles, was das Unternehmen will.“

Aroaldo da Silva, SMABC-Betriebsrat, räumte vor den Mercedes-Arbeitern ein, dass die Gewerkschaftsführung bereits von den Plänen zur Kostensenkung gewusst habe, und dass sie mit dem Unternehmen bereits in Verhandlungen darüber stehe. Silva erklärte: „Wir haben einen Dialog über diese Fragen geführt. Das Management von Mercedes präsentierte ein Szenario, nach dem das Unternehmen nicht den erwarteten Gewinn erwirtschaftet hat. Die Muttergesellschaft musste in Brasilien investieren, und ihrer Meinung nach ist es notwendig, die Diskussion über die Zukunft des Werks in São Bernardo zu beginnen, um das Schlimmste zu verhindern.“ Silva sagte, im Zusammenhang mit dem Mangel an Teilen und Halbleitern habe die Gewerkschaft „schon seit einiger Zeit“ mit der Werksleitung diskutiert, dass es notwendig sei, mehrere Bereiche „umzustrukturieren“.

Silvas Äußerungen, man müsse die massiven Entlassungen akzeptieren oder „das Schlimmste“ in Kauf nehmen, zeigen, dass die Gewerkschaft weit davon entfernt ist, gegen die Entlassungen vorzugehen. Vielmehr diskutiert sie mit dem Unternehmen darüber, wie man den Widerstand im Werk am besten unterdrücken könne.

Im Gegensatz zu den verlogenen Erklärungen von Mercedes und den Gewerkschaftsbürokraten hat die Autoindustrie riesige Gewinne erzielt. Im zweiten Quartal dieses Jahres verzeichnete der Mercedes-Benz-Konzern einen Gewinn von 3,11 Milliarden Euro oder 16,4 Milliarden R$ (Real).

Der wahre Klassencharakter der Gewerkschaftsorganisationen, die sich selbst als Verteidiger der Arbeiter bezeichnen, wurde in den letzten Tagen durch die Organisation mehrere Treffen zur Förderung ihres „Industrieplans 10+“ offensichtlich.

Die Gewerkschaftsföderation IndustriALL-Brazil, der CUT und Força Sindical angehören, hat seit August mehrere Treffen mit Unternehmern und Gewerkschaftsmitgliedern organisiert, um ihren Plan für die brasilianische Industrie vorzustellen. Das Projekt soll auch in das Programm einer künftigen PT-Regierung aufgenommen werden. Dazu traf sich der Präsident von IndustriALL, Aroaldo da Silva (SMABC), Ende letzten Monats mit den Gewerkschaftsverbänden und den PT-Kandidaten. (Zur brasilianischen Präsidentschaftswahl tritt der ehemalige Präsident Luís Inácio Lula da Silva zusammen mit Geraldo Alckmin an.)

Der Plan der Gewerkschaften ist ein Aufruf zum Aufbau eines korporatistischen Apparats. Dieser soll die Kämpfe der Arbeiterklasse auf der Grundlage der Verteidigung der „nationalen Entwicklung“ unterdrücken.

Der Plan fordert die Schaffung von „Mehrparteien“-Organisationen, die angeblich unter der Kontrolle der Regierung, der Wirtschaft und der Arbeiterschaft stehen würden. Dem Plan zufolge würden diese Organisationen Exzesse größerer Unternehmen verhindern, Arbeitskonflikte schlichten und die Entwicklung von Schlüsselsektoren, einschließlich der Rüstungsindustrie, fördern. Das Dokument weist darauf hin, dass solche Organe „keine spezifische Beratung fördern darf, die das eine oder andere Unternehmen begünstigen würde. Er muss mit den Zielen des Plans ‚Industrie 10+‘ in Einklang stehen.“

Im Abschnitt „Umfeld zur Förderung der Industrie“ wird in dem Dokument unter den Maßnahmen „für eine Strategie zur Reindustrialisierung“ betont: „Die Außenpolitik sollte auf eine souveräne Eingliederung Brasiliens in das neue industrielle Paradigma ausgerichtet werden.“

Die wahre Bedeutung der von den Gewerkschaften und Lula propagierten „Eingliederung Brasiliens in das neue industrielle Paradigma“ besteht darin, dass im Namen der „nationalen Entwicklung“ des brasilianischen Kapitalismus ein immer größerer Abbau von Löhnen und Arbeitsplätzen durchgesetzt wird.

In den letzten Jahren haben mehrere Automobilunternehmen Tausende von Arbeitsplätzen abgebaut. Nach mehr als einhundert Jahren Geschäftstätigkeit im Lande schloss Ford bis 2021 alle seine Werke in Brasilien. In diesem Jahr unterstützte die SMABC die Schließung des Toyota-Werks in der ABC-Industrieregion. Die regionale Metallarbeitergewerkschaft von São José dos Campos, die der CSP-Conlutas angeschlossen ist, tat dasselbe im Zusammenhang mit der Schließung des Caoa-Chery-Werks in Jacareí. Die letztere Gewerkschaft wird von der Partido Socialista dos Trabalhadores Unificado (PSTU), den Moreno-Anhängern, angeführt.

Die Entlassungen im Mercedes-Werk in der ABC-Region kommen mit einer schweren sozialen Krise zusammen. Nach zweieinhalb Jahren der Covid-19-Pandemie, die auf mehr als fünf Jahre Arbeitsplatzabbau und Lohnkürzungen folgte, und einer Inflation, wie es sie seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben hat, sind massive Streiks und Demonstrationen der Arbeiterklasse auf der Tagesordnung. Während die Autoindustrie eine globale Umstrukturierung durchläuft und bis zum nächsten Jahrzehnt vollständig auf die Produktion von Elektrofahrzeugen umgestellt werden soll, wollen die Gewerkschaften ihre Fähigkeit unter Beweis stellen, die Kämpfe der Arbeiterklasse zu unterdrücken und die Interessen der Bourgeoisie zu verteidigen.

In Spanien haben die Arbeiterkommission (Confederación Sindical de Comisiones Obreras, CCOO), die mit der Regierung – bestehend aus der pseudolinken Sozialistischen Partei (PSOE) und Podemos – verbunden ist, und die Allgemeine Gewerkschaft der Arbeiter Spaniens (UGT) einen Streik im Mercedes-Benz-Werk in Vitoria im Baskenland in Nordspanien unterdrückt.

Im Juni wurde das Werk mit 5.000 Arbeitern neun Tage lang bestreikt. Die Arbeiter hatten zu 95 Prozent für Streik gestimmt. Als die Gewerkschaft den Streik nach drei Tagen abbrechen wollte, widersetzten sich die Arbeiter. Ihre Wut erreichte den Siedepunkt, als das Unternehmen bekanntgab, keine Lohnerhöhungen zu akzeptieren, die 2 Prozent oder mehr pro Jahr betragen würden, während die Inflation bereits auf über 10 Prozent angestiegen war. Mercedes konnte die Kürzungen erst durchsetzen, nachdem die Gewerkschaft als Sieg ausposaunt hatte, dass das Unternehmen auf die Einführung einer sechsten Nachtschicht verzichtet habe. Während des Streiks protestierten die Arbeiter mit Rufen wie „UGT und CCOO, ihr habt uns verraten und verkauft!“

Um ihre Arbeitsplätze und einen angemessenen Lebensstandard zu sichern, müssen die Arbeiter bei Mercedes und in der gesamten Automobilindustrie Aktionskomitees bilden, die demokratisch von den Arbeitern selbst kontrolliert werden. Diese Aktionskomitees werden über die Verträge und die Bedingungen in der Automobilindustrie verhandeln und unabhängig vom Gewerkschaftsapparat Beschlüsse fassen. Denn dieser Funktionärsapparat arbeitet stets darauf hin, den Arbeitern die von der Unternehmensleitung geforderten Zugeständnisse aufzuzwingen.

Während heute die Gewerkschaften die Arbeiter verschiedener Unternehmen und sogar innerhalb desselben Werks isolieren, werden die Aktionskomitees die künstliche Spaltung zwischen den Lohngruppen aufbrechen und die Automobilarbeiter in der gesamten Branche vereinen. Um den großen transnationalen Konzernen die Stirn zu bieten, werden diese Aktionskomitees vor allem darauf hinarbeiten, die Kämpfe der Arbeiter international zu vereinigen.

Die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC) macht große Fortschritte bei der Entwicklung dieses Programms. In den Vereinigten Staaten kandidiert Will Lehman von Mack Trucks für den Vorsitz der UAW-Gewerkschaft auf Grundlage eines Programms zur Abschaffung der Gewerkschaftsbürokratie, zur Rückgabe der Macht an die Belegschaft und zur internationalen Vereinigung des Kampfs der Arbeiterklasse.

Die korrupte UAW-Bürokratie ist direkt mit der CUT und der Força Sindical verbunden und arbeitet zusammen, um den Arbeitern in den USA, Brasilien und auf der ganzen Welt Niederlagen zuzufügen. Die Zerstörung dieser parasitären Bürokratie ist eine gemeinsame Aufgabe für die internationale Arbeiterklasse.

Wir rufen alle Mercedes-Arbeiter, die mit dieser Perspektive übereinstimmen und ihre Unterstützung für Lehmans Kampagne zum Ausdruck bringen wollen, auf, die World Socialist Web Site zu kontaktieren und sich für den Aufbau von Aktionskomitees zu registrieren.

Loading