Vor dem Hintergrund landesweiter Proteste gegen Regierung:

Arbeiter der iranischen Petrochemiewerke legen Arbeit nieder

Am Montag vollzog sich im Iran eine Entwicklung, die sich als höchst bedeutsam herausstellen könnte: Die Arbeiter der Öl- und Petrochemie-Industrie legten an mehreren Standorten entlang der iranischen Küste des Persischen Golfs am Montag die Arbeit nieder und beteiligten sich an Protesten gegen die Regierung. Laut dem Council of Oil Contract Workers streikten 4.000 Arbeiter in Ölraffinerien und anderen Anlagen in Abadan, Bushehr und Asaluyeh.

Die Aktionen von Montag sind die ersten Anzeichen einer organisierten Beteiligung der iranischen Arbeiterklasse an den Massenprotesten gegen das bürgerlich-klerikale Regime, die nach dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amini in Polizeigewahrsam am 16. September ausgebrochen sind.

Frauen auf der Flucht vor der Bereitschaftspolizei bei einer Demonstration in Teheran am 19. September gegen den Tod von Mahsa Amini in Polizeigewahrsam. (AP Photo/anonym) [AP Photo/anonymous]

Die Stadt Asaluyeh scheint das Zentrum des Streiks der Öl- und Petrochemie-Arbeiter am Montag gewesen zu sein.

Bürgerliche oppositionelle Kräfte verbreiteten Videos, die zeigten, wie die Streikenden in Asaluyeh Parolen wie „Tod dem Diktator“ riefen, womit sie den Obersten Führer Ajatollah Ali Chamenei meinten. Die halbstaatliche Nachrichtenagentur Tasnim berichtete über den Streik in Asaluyeh, stellte ihn jedoch als einfachen Kampf um Löhne dar, der nichts mit den laufenden Protesten gegen die Regierung zu tun habe.

Die Proteste wegen Aminis Tod begannen in den kurdisch dominierten Gebieten im Westen Irans, aus denen sie stammte, und breiteten sich auf die Universitäten im ganzen Land aus. Sie richteten sich vor allem gegen die allgemein verhasste Sittenpolizei, die Vorschriften durchsetzt, nach denen Frauen in der Öffentlichkeit den Hidschab tragen müssen, sowie gegen die privilegierte politische Stellung des schiitischen Klerus in der islamischen Republik des Iran. Armini wurde am 13. September während einer Reise nach Teheran verhaftet, weil sie angeblich ihren Hidschab „unangemessen“ trug, und starb drei Tage später.

Dass die Proteste trotz der brutalen staatlichen Unterdrückung seit dreieinhalb Wochen andauern, verdeutlicht das Ausmaß der tiefen sozioökonomischen und politischen Krise im Land. Laut Exilgruppen wurden mindestens 185 Menschen getötet, Tausende weitere verwundet oder verhaftet. Die Regierung spricht von mehreren Toten unter den Sicherheitskräften, hat jedoch ihre offiziellen Opferzahlen seit dem 21. September nicht aktualisiert; zu dem Zeitpunkt wurde sie mit 41 angegeben. Am Dienstag kamen Berichte auf, laut denen Panzer in mehrere Städte der Provinz Kurdistan im Nordwesten des Landes geschickt wurden, wo die größten Proteste stattfanden.

Nach den Protesten in Teheran und kurdischen Städten am Samstag wurden mindestens fünf Tote gemeldet, darunter ein 14-jähriger Junge, der durch einen Kopfschuss gestorben ist. Berichte aus Teheran deuten darauf hin, dass viele Geschäfte auf dem Basar, der traditionell ein Ort bedeutenden politischen Rückhalts für das bürgerlich-klerikale Regime ist, in einem Akt des zivilen Ungehorsams geschlossen blieben. Die staatliche Zensur und die Einschränkung der sozialen Netzwerke sowie die proimperialistische Ausrichtung der iranischen Quellen, die von den westlichen Medien prominent präsentiert werden, machen es schwer, die Berichte über die tatsächlichen Ereignisse zu verifizieren.

Beginnend mit den Massendemonstrationen gegen die Regierung Anfang 2018 kam es im Iran immer wieder zu umfangreichen Streiks und Protesten von Arbeitern und der armen Landbevölkerung gegen die allgegenwärtige soziale Ungleichheit, Armut, ausstehende Löhne und Umweltzerstörung. Dazu gehörten Streiks der Öl- und Gasarbeiter, die während der iranischen Revolution 1979 eine führende Rolle dabei gespielt hatten, dem US-Marionettenregime von Schah Reza Pahlavi das Rückgrat zu brechen.

Die verzweifelte soziale Lage, mit der die große Mehrheit der Bevölkerung konfrontiert ist, geht zum einen auf die verheerenden und mörderischen Wirtschaftssanktionen zurück, welche die imperialistischen Mächte gegen den Iran verhängt haben, zum anderen auf die jahrzehntelangen Anstrengungen des Chamenei-Regimes, die sozialen Rechte auszuhöhlen, welche die arbeitende Bevölkerung unmittelbar nach der Revolution von 1979 erkämpft hatte.

Die Sanktionen, die Donald Trump im Jahr 2018 verhängt hat, um „maximalen Druck“ auszuüben, nachdem er sich einseitig aus dem Atomabkommen zwischen den wichtigsten Weltmächten und Teheran aus dem Jahr 2015 zurückgezogen hatte, haben die Währung des Landes zum Absturz gebracht, sodass Nahrungsmittel und Grundgüter kaum noch zu bezahlen sind. Die Sanktionen haben auch die verheerenden Auswirkungen der Corona-Pandemie verschärft, indem dem Iran der Zugang zu Medikamenten und Impfstoffen verwehrt wurde, während Hunderttausende dem Virus zum Opfer fielen.

Die aktuelle Protestwelle hat diese grundlegenden sozialen und wirtschaftlichen Fragen noch nicht direkt angesprochen. Da auf den Demonstrationen überwiegend Studenten und kleinbürgerliche Schichten, vor allem aus den kurdischen Regionen, vertreten sind, war die Hauptparole der Bewegung: „Frauen, Leben, Freiheit“.

Zudem gibt es innerhalb der Proteste und ihrer Führung eine Schicht, deren Ausrichtung und Unterstützungsaufrufe an die imperialistischen Hauptstädte Washington, Berlin, London und Paris gerichtet sind. Diese Elemente stehen der iranischen Arbeiterklasse feindselig gegenüber und sind organisch unfähig, an sie zu appellieren, obwohl diese die einzige gesellschaftliche Kraft ist, die das erdrückende klerikale Regime hinwegfegen und die demokratischen und sozialen Rechte verteidigen und erkämpfen kann. Dies erfordert jedoch einen gemeinsamen Kampf mit ihren Klassenbrüdern und -schwestern im gesamten Nahen Osten für den Sozialismus.

Die iranischen Arbeiter haben eine lange und stolze Tradition des Kampfs gegen die imperialistische Unterdrückung und die iranische Bourgeoisie. 1979 versetzten sie dem Regime des Schahs die entscheidenden Schläge, die es zu Fall brachten. Dass sich die Arbeiterklasse bisher noch nicht in nennenswerter organisierter Weise an den Protesten beteiligt, liegt nicht an ihrer Begeisterung für das Regime, dessen Sittenpolizei und neoliberale Reformen unter Arbeitern und Landarbeitern allgemein verhasst sind. Vielmehr spiegelt sich darin die Abneigung wider, einer Protestbewegung beizutreten, die kein klares Programm hat, und die von offen proimperialistischen Oppositionskräften beeinflusst wird.

Abgesehen von der brutalen Unterdrückung reagierte die iranische Regierung auf die Proteste auch mit Hetze gegen die Kurden und dem Versuch, „ausländische Akteure“, d.h. die imperialistischen Mächte, für die Unruhen verantwortlich zu machen. Diese Reaktion zeigt jedoch nur, wie sehr das Regime befürchtet, dass eine soziale Explosion die Arbeiterklasse und die ländlichen Massen im Kampf gegen die herrschende iranische Elite vereint. Sie versucht, dies durch das Schüren von ethnischen Konflikten und zynischen Appellen an die weit verbreitete antiimperialistische Stimmung zu verhindern.

Innenminister Ahmad Vahidi beschuldigte „ausländische Terrorgruppen“ aus dem Nordirak, die „Unruhen“ zu schüren, um eine Abtrennung Kurdistans zu provozieren. Damit meinte er die kurdische Demokratische Partei Irans und die Partei für ein Freies Leben in Kurdistan, die historische Beziehungen zur PKK von Abdullah Öcalan unterhalten. Bei Raketenangriffen der iranischen Revolutionsgarde auf Einrichtungen dieser Parteien im irakischen Kurdistan wurden am 28. September 14 Menschen getötet und am 1. Oktober weitere verwundet.

Der Oberste Führer Ajatollah Chamenei erklärte am 3. Oktober in einer Rede vor Polizeikadetten, Aminis Tod habe „uns das Herz gebrochen“ und warf den USA und Israel vor, sie hätten die Proteste angestiftet. Er forderte die Sicherheitskräfte auf, mit Härte gegen die Demonstranten vorzugehen und erklärte, den Sicherheitskräften sei während der Demonstrationen „Unrecht“ geschehen.

Letzten Freitag veröffentlichte das Regime einen angeblichen „forensischen Bericht“ über den Tod von Amini, die bei ihrer Verhaftung laut Berichten brutal misshandelt wurde. Darin wurde die unwahrscheinliche Behauptung aufgestellt, sie sei aufgrund einer bereits zuvor bestehenden, nicht diagnostizierten Erkrankung an multiplem Organversagen gestorben und nicht an den Folgen der Misshandlungen, die sie während ihrer Haft erlitten hatte.

Die imperialistischen Mächte und ihre Leitmedien haben die Proteste zynisch ausgenutzt, um das iranische Regime für seine Verletzung von „Menschenrechten“ anzuprangern. Die Politiker und Journalisten in Washington, Berlin, Paris und London machen sich nie die Mühe einzuräumen, dass ihre Regierungen aufgrund der verheerenden Sanktionen einen großen Teil der Verantwortung für das soziale und wirtschaftliche Elend im Iran tragen. Zudem sind die westlichen Mächte nicht in der Position, irgendjemanden über den Schutz von „Menschenrechten“ und „Demokratie“ zu belehren, nachdem sie in mehr als drei Jahrzehnten ununterbrochener Kriege den Irak, Afghanistan, Libyen, Syrien und weitere Länder in Schutt und Asche gelegt haben.

Der US-Imperialismus und seine europäischen Verbündeten könnten die iranischen Angriffe auf die kurdischen Parteien im Nordirak zum Vorwand nehmen, um ihre militärischen Drohungen gegen Teheran zu verschärfen. Washington hat bereits mehrere Schritte unternommen, welche die Spannungen im Nahen Osten dramatisch verschärft haben. Israel hat in den letzten Monaten – mit Unterstützung durch den Westen – seine Luftangriffe auf iranische Ziele in Syrien verstärkt. US-Präsident Joe Biden war im Juli durch die Golfstaaten gereist, um ein anti-iranisches Bündnis mit Saudi-Arabien, Israel und den Golfstaaten zu festigen. Nachdem US-Truppen in Erbil während eines der jüngsten Luftangriffe eine iranische Drohne abgeschossen hatten, reagierte die iranische Revolutionsgarde mit einer aggressiven Stellungnahme, in der sie mit Angriffen auf drei US-Militärbasen im irakischen Kurdistan drohte. Die kurdischen bürgerlich-nationalistischen Parteien wären mehr als bereit, die Rolle imperialistischer Stellvertreter zu spielen. Sie haben eine lange und schmutzige Geschichte, in der sie oft mit den amerikanischen und europäischen Imperialisten sowie mit Regionalmächten wie Israel und der Türkei kollaboriert haben, obwohl all diese Staaten an der rücksichtslosen Unterdrückung der kurdischen Massen beteiligt waren.

Washington und seine europäischen Verbündeten hoffen, die zunehmende Krise der Islamischen Republik ausnutzen zu können, um die seit langem bestehenden Spaltungen innerhalb der herrschenden Elite zu vertiefen und Teheran zu „wenden“ – d.h. seine zunehmend engeren Beziehungen zu China und Russland zu zerstören – und es letztlich auf den Status neokolonialer Knechtschaft herabzudrücken, die unter dem Schah herrschte.

Die Obama-Regierung hatte dem Iran wiederholt mit Krieg gedroht und erklärt, alle Optionen lägen auf dem Tisch. Doch im Jahr 2015 einigte sie sich mit dem Iran darauf, als Gegenleistung für umfassende Einschränkungen des zivilen iranischen Atomprogramms die Sanktionen zurückzufahren. Davon erhoffte sie sich die Unterstützung einer Fraktion der bürgerlichen Elite des Irans, die seit langem eine Annäherung an Washington und die imperialistischen Mächte anstrebte.

Diese Fraktion, die vom damaligen Präsidenten Hassan Ruhani und zuvor von seinem Mentor, dem früheren Präsidenten und Wirtschaftsmagnaten, Akbar Hashemi Rafsandschani, angeführt wurde, gab in der iranischen Regierung von 2013 bis 2021 den Ton vor. Doch da Washington versuchte, den immer schnelleren Niedergang seiner Position in der Welt aufzuhalten, erhöhte es seine Forderungen an Teheran immer weiter. Im Jahr 2018 trat der „America First“-Präsident Trump von dem Atomabkommen zurück und brachte die Region im Januar 2020 an den Rand eines offenen Kriegs, indem er die Ermordung des Befehlshabers der Revolutionsgarde, General Qassem Suleimani, durch einen Drohnenangriff anordnete.

Die konservative oder Hardliner-Fraktion, zu der auch der derzeitige Präsident Ibrahim Raisim gehört, stand dem Atomabkommen stets skeptisch gegenüber. Trumps und später Bidens Verhalten bestätigten ihre Zweifel. Biden kritisierte Trumps einseitigen Rücktritt vom Atomabkommen und behauptet weiterhin, er wolle es wiederbeleben, hat jedoch Trumps „Maximaldruck-Sanktionen“ beibehalten und sogar verschärft. Als Reaktion auf den unerbittlichen Druck der USA hat die mittlerweile dominante Hardliner-Fraktion versucht, ihre wirtschaftlichen, strategischen und militärischen Beziehungen zu Russland und China auszubauen.

Ungeachtet ihrer scharfen Differenzen in außenpolitischen Fragen sind sich alle Fraktionen der Elite der Islamischen Republik einig in ihrer Feindschaft gegenüber der Arbeiterklasse. Der Angriff auf die Überreste der sozialen und demokratischen Rechte, die die arbeitende Bevölkerung durch den revolutionären Sturz der blutigen, von den USA finanzierten Schah-Diktatur errungen haben, wurde unter „Reform“-Präsidenten ebenso fortgesetzt wie unter konservativen oder sogenannten „Prinziplisten“.

Die 43-jährige Geschichte der Islamischen Republik Iran hat einmal mehr Trotzkis Beharren darauf bestätigt, dass in Ländern mit verspäteter kapitalistischer Entwicklung die grundlegenden demokratischen Aufgaben wie Freiheit von imperialistischer Unterdrückung, Trennung von Kirche und Staat, Gleichheit der Bürger und die radikale Umstrukturierung der Beziehungen auf dem Land zugunsten der Landbevölkerung nur durch den Kampf für Arbeitermacht und Sozialismus und gegen alle Fraktionen der nationalen Bourgeoisie umgesetzt werden kann und wird.

Der einzige Weg vorwärts im Kampf für die sozialen und demokratischen Rechte im Iran ist die Bewaffnung der Arbeiterklasse mit dem Programm der permanenten Revolution, das die unabhängige politische Mobilisierung der iranischen Arbeiter und ihrer Klassenbrüder und -schwestern im Nahen Osten für die sozialistische Umgestaltung der Gesellschaft erfordert. Die Arbeiter im Westen müssen die iranische Arbeiterklasse verteidigen, indem sie zuallererst die sofortige Aufhebung aller Sanktionen gegen den Iran und den Rückzug aller US-amerikanischen, kanadischen und europäischen Streitkräfte aus dem Nahen Osten fordern, als Teil einer globalen Massenbewegung der Arbeiterklasse gegen den imperialistischen Krieg.

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