Französische Polizei attackiert Arbeiter, die gegen die Inflation und für den Raffineriestreik demonstrieren

Am Dienstag demonstrierten in Frankreich bei einem Aktionstag mehr als 300.000 Arbeiter und Jugendliche gegen die Inflation und die Versuche der Regierung Macron, einen landesweiten Raffineriestreik zu zerschlagen. In Raffinerien, Kernkraftwerken und der Energiebranche, dem Bildungs- und Verkehrswesen wurde zu Streiks aufgerufen. In Bordeaux, Le Havre, Lille, Marseille, Lyon, Toulouse und Rennes demonstrierten Tausende, in Paris zählten die Gewerkschaften 70.000 Teilnehmer.

Ein Demonstrant geht im westfranzösischen Nantes vor Tränengasgeschossen der Polizei in Deckung, 18. Oktober 2022 [AP Photo/Jeremias Gonzalez]

Obwohl wegen des anhaltenden Raffineriestreiks an etwa einem Viertel aller Tankstellen in Frankreich mindestens eine Sorte Treibstoff knapp geworden ist, haben sich die Proteste aus Solidarität mit den Raffineriearbeitern ausgeweitet. Mehr als 100 Schulen wurden von Schülern blockiert, Dutzende davon in Paris und Mulhouse.

Die französische Bereitschaftspolizei, die bereits in den Jahren 2018–2019 mit brutaler Gewalt die „Gelbwesten“-Bewegung gegen soziale Ungleichheit unterdrückt hatte, griff auch diesmal in Paris wiederholt friedliche Demonstranten an. Sie attackierte Mitglieder des Sicherheitsaufgebots der stalinistischen Gewerkschaft Confédération générale du travail (CGT), wobei sechs Personen verletzt wurden, einer davon erlitt eine offene Kopfwunde.

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Der syrische Journalist Zakaria Abdelkafi wurde von einem Gummigeschoss über der Augenbraue getroffen und blutete stark; sein Auge wurde Berichten zufolge jedoch nicht verletzt.

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Diese brutale Polizeigewalt soll die Teilnehmer von legalen, von der Verfassung geschützten sozialen Protesten terrorisieren und abschrecken und macht deutlich, dass es mit Macron nichts zu verhandeln gibt. Seine Regierung und die Gewerkschaftsbürokraten, die seine Politik unterstützen, sind den Arbeitern gegenüber feindselig eingestellt und treiben die Agenda der Inflation, Sozialkürzungen und des imperialistischen Kriegs voran, die die Arbeiterklasse in die Armut stürzt. Der einzige Ausweg ist der Aufbau einer Bewegung der Arbeiterklasse gegen Austerität und Krieg in Frankreich und weltweit, die gegen die Gewerkschaftsbürokratie rebelliert.

Der Aufbau einer solchen Bewegung erfordert die Gründung von Aktionskomitees, die unabhängig von den nationalen Gewerkschaftsbürokratien für die Vereinigung der Streiks der Arbeiter über internationale Grenzen hinweg kämpfen. Dafür ist ein politischer Bruch mit kleinbürgerlichen Parlamentariern wie Jean-Luc Mélenchon notwendig, die mit nationalistischer und populistischer Rhetorik einen Keil zwischen die Arbeiter in Frankreich und ihre Kolleginnen und Kollegen in anderen Ländern treiben wollen.

Am Dienstag erklärte Mélenchon gegenüber BFM-TV, es gäbe „zwei Realitäten, die zusammen marschieren, an zwei Fronten, wenn man so will: die Arbeitnehmer, die in Gewerkschaften organisiert sind, und diejenigen, die wir das Volk nennen“. Damit meinte er die Arbeiter und den Rest der französischen Bevölkerung. Er fügte hinzu, die Bewegung gegen Macron sei „eine Art Armdrücken mit der Regierung, ein allmählicher Mai-1968-Generalstreik“.

In Wirklichkeit bahnt sich keine allmähliche, sondern eine explosionsartige internationale Bewegung an, die von dem tief verwurzelten Widerstand der Arbeiterklasse gegen die tödliche Krise des Kapitalismus angetrieben wird. Alle Probleme, mit denen sie konfrontiert sind – Inflation, die Gefahr einer Eskalation des Ukrainekriegs zwischen der Nato und Russland zu einem Dritten Weltkrieg und die Corona-Pandemie – sind international. In dieser Bewegung sind die wichtigsten Verbündeten der Arbeiter in Frankreich ihre Klassenbrüder und -schwestern in anderen Ländern.

Reporter der WSWS verteilten bei der Demonstration in Paris ein Flugblatt, das die Arbeiter zur Verteidigung des Raffineriestreiks aufruft, und interviewten Teilnehmer des Protests.

Die WSWS sprach u.a. mit Cédric Liétchi, einem Mitglied des Stadtverbands der Gewerkschaft CGT-Energy in Paris. Er verurteilte Macrons Versuch, den Raffineriestreik zu zerschlagen: „Ihr Versuch, die Raffineriearbeiter zur Rückkehr an die Arbeit zu zwingen, ist ein Angriff auf das Streikrecht. Die Raffineriearbeiter zeigen, wie es weitergehen soll... Alle Industriezweige müssen sich zusammenschließen, die Produktion blockieren und diese Regierung zu Fall bringen, um einen großen sozialen Sieg zu erringen, der der Arbeiterklasse enorme Perspektiven eröffnen kann.“

Cédric forderte „höhere Löhne für alle“ und erklärte: „Angesichts der rasanten, historischen Inflation in Frankreich sind die Gehälter vieler Arbeiter in den Bereichen Strom und Gas im Vergleich zu den Lebenshaltungskosten zusammengebrochen. Unsere Einstiegsgehälter liegen 200 Euro unter dem Mindestlohn, deshalb müssen wir die Dinge so regeln, dass neu Eingestellte knapp darüber bezahlt werden. Wir fordern, dass die Früchte unserer Arbeit, die enorm sind – die Konzerne in der ganzen Energiebranche haben dieses Jahr Rekordprofite gemacht –, an die einzigen Produzenten des Reichtums umverteilt werden: die Arbeiter.“

Cédric verurteilte Spekulanten, die die Energiepreise auf bis zu 1.000 Euro pro Megawattstunde bei Produktionskosten von nur 50 Euro hochtreiben, und erklärte: „Mehr als 13 Millionen Menschen in Frankreich haben einen prekären Zugang zu Energie und können ihre Wohnungen nicht heizen. Deshalb ist unsere Botschaft: Die Energie muss raus aus dem kapitalistischen Markt.“

Auf die Frage nach dem Nato-Krieg gegen Russland in der Ukraine warnte Cédric, er könne zu verheerenden Energieabschaltungen in Frankreich und ganz Europa führen: „Das ist wirklich ein Krieg zwischen der Nato und Russland, in dem der Nato-Imperialismus die Ukraine als Vorposten benutzt... Szenarien für Stromabschaltungen haben wir bereits. In unserer Firma haben wir Akten mit Szenarien, was wir den Verbrauchern sagen sollen, wenn ihnen der Strom abgestellt wird. Was wir planen, sind zweistündige Stromausfälle im Mittelspannungsnetz.“

Die WSWS sprach auch mit Laetitia und Christophe, die im Gesundheitswesen arbeiten und ihre Empörung über die Corona-Politik äußerten. Laetitia erklärte: „Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst kündigen direkt. Öffentliche Krankenhäuser werden zerstört.

Während der ersten Welle der Corona-Pandemie trugen wir Müllsäcke, wenn wir Patienten versorgt haben... Wir hatten keinen Schutz, nicht einmal Masken. Jetzt arbeite ich in einem Labor, das Tests macht. Wir haben keine angemessene Ausrüstung für diese Arbeit. Wir haben nicht das Personal, das wir brauchen, um mit der Krise fertigzuwerden. ... Es gibt keine Sicherheitsvorkehrungen, wir arbeiten mit PCR-Tests, es gelangt auf unsere Tastaturen und überall hin, wir müssen uns durchwursteln.“

Laetitia erklärte: „Bei Covid geht es nur ums Geld.“

Auf die Frage nach dem Eingeständnis der ehemaligen Gesundheitsministerin Agnès Buzyn, sie habe die Pandemie ab Dezember 2019 beobachtet, sich aber nicht dazu geäußert, nachdem sie Macron informiert hatte, erklärte Christophe: „Diese Leute haben Blut an ihren Händen.“

Christophe arbeitet in der Kindertagesstätte des Krankenhauses. Er sagte: „Ich hatte eine Kollegin, die Covid und 42 Grad Fieber hatte. Man hat ihr gesagt: Tut uns leid, aber Sie müssen trotzdem zur Arbeit kommen. Und sie musste aufstehen und mit 42 Grad Fieber auf Kinder aufpassen, die nicht infiziert waren!“

Die WSWS-Reporter sprachen auch mit Philippe, einem ehemaligen CGT-Funktionär am Flughafen Roissy-Charles de Gaulle, der Mitglied der kleinbürgerlichen Partei Lutte Ouvrière (LO, Arbeiterkampf) ist. Auf die Rolle von LO bei der Schließung des PSA-Werks in Aulnay im Jahr 2013 und die Frage, warum die Arbeiter im Werk die Streikaufrufe des CGT- und LO-Funktionärs Jean-Pierre Mercier ignorierten, erklärte er, die Arbeiter hätten lange und bittere Erfahrungen mit den Verrätereien der Gewerkschaftsfunktionäre gemacht.

Philippe erklärte: „Auf nationaler Ebene sind die Gewerkschaftsfunktionäre so sehr in den Staatsapparat eingebunden, dass sie Grenzen haben. Sie wollen die kapitalistische Ordnung nicht stören, sie wollen keine Revolution, sie wollen nicht, dass die Arbeiter die Bosse enteignen. ... Alle nationalen Gewerkschaftsführer sind Rädchen im Staatsapparat geworden.“

Es ist unmöglich, die Arbeiterklasse zu mobilisieren, solange die nationalen Gewerkschaftsbürokratien und ihre kleinbürgerlichen Verbündeten wie Mélenchon und LO sie organisatorisch im Griff haben. Der Ausweg ist eine Revolte der Arbeiter gegen diese Bürokratien und der Aufbau der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC). Nur so kann die volle Macht der internationalen Arbeiterklasse gegen Inflation, Krieg, Unterdrückung und Austerität zum Tragen kommen.

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