Rede zur IYSSE-Kundgebung gegen Krieg, 10. Dezember 2022

Die junge Generation hält das Schicksal der Menschheit in ihren Händen

Dies ist der Beitrag von Barbara Slaughter auf der Online-Kundgebung vom 10. Dezember „Für eine Massenbewegung von Jugendlichen und Studierenden gegen den Krieg in der Ukraine!“ Die Veranstaltung wurde von den International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) organisiert. Slaughter ist Mitglied der Socialist Equality Party im Vereinigten Königreich. Mit 95 Jahren ist sie das älteste aktive Mitglied der Vierten Internationale. Weitere Informationen zur Mitgliedschaft in der IYSSE sind hier zu finden.

Ich bin 95 Jahre alt. Ich wurde im August 1927 geboren, neun Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs. In diesem Krieg, so heißt es in der IYSSE-Erklärung, „brachte der Imperialismus das Grauen der Schützengräben und der Giftgasangriffe über die Welt und schuf mörderische technische Neuerungen wie Luftangriffe, torpedobewaffnete U-Boote und Panzer.“

Barbara Slaughter spricht auf der Antikriegs-Kundgebung der IYSSE

Für die Generation meiner Eltern sollte dies „der Krieg sein, der alle Kriege beendet“. Doch meine Kindheit spielte sich vor dem Hintergrund eines sich langsam anbahnenden Zweiten Weltkriegs ab. Ich war sechs Jahre alt, als die Nazis in Deutschland die Macht übernahmen. Ich war neun, als die vereinten faschistischen Kräfte Deutschlands, Italiens und Spaniens, unterstützt durch den Verrat der Stalinisten, die Revolution der spanischen Arbeiterklasse in Blut ertränkten.

Als ich 12 Jahre alt war, wurde die Welt von einem noch blutigeren Konflikt heimgesucht, der als „totaler Krieg“ bezeichnet wurde. Es war ein industrialisiertes Gemetzel unvorstellbaren Ausmaßes, dem mehr als 70 Millionen Menschen zum Opfer fielen – damals 3,5 Prozent der Weltbevölkerung.

Der deutsche Imperialismus hat gewaltige Verbrechen begangen. Der Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion stand im Mittelpunkt von Hitlers „Rassenkrieg“. Der Holocaust bedeutete den systematischen Mord an sechs Millionen Juden in den Vernichtungslagern von Auschwitz-Birkenau, Treblinka und anderswo.

Aber der ganze Krieg war von universeller Barbarei geprägt. Von 1942 bis 1945 zerstörten die USA und Großbritannien in wahllosen „Terrorbombardements“ die meisten deutschen Städte und töteten 600.000 Menschen, die meisten von ihnen Frauen und Kinder.

Der letzte verbrecherische Akt war der Abwurf von Atombomben durch die Vereinigten Staaten auf Japan. Im August 1945 tötete eine einzige Atombombe, die auf Hiroshima abgeworfen wurde, 80.000 Menschen. Zehntausende weitere starben an der Strahlenbelastung. Zwei Tage später wurde eine zweite Bombe auf Nagasaki abgeworfen, die mehr als 40.000 Menschen tötete.

Die Verbrechen der imperialistischen Mächte in den beiden Weltkriegen und in allen anderen Konflikten der letzten hundert Jahre, in Korea, in Vietnam, auf den Falkland-Inseln, in Afghanistan, im Irak, in Syrien, in Libyen und anderswo, wurden alle mit scheinheiligen Worten über die Verteidigung von Freiheit und Demokratie gerechtfertigt – nichts als Lügen.

Heute steht die Welt wieder einmal am Rande des Abgrunds. Der Stellvertreterkrieg der USA und der Nato gegen Russland in der Ukraine droht zum Dritten Weltkrieg zu eskalieren. Eine solche Katastrophe würde die Existenz der Menschheit in Frage stellen. Ein solcher Krieg würde dort beginnen, wo der Zweite Weltkrieg endete, mit dem Einsatz von Atomwaffen. Doch die Zerstörungskraft dieser Waffen hat ein unvorstellbares Ausmaß angenommen. Eine Atombombe mit einer Sprengkraft von einer Megatonne kann ein Gebiet von 80 Quadratmeilen vollständig zerstören. Jedoch macht Bidens jüngste Drohung mit dem Armageddon gegen Putin deutlich, dass die Pläne für einen Atomkrieg nicht nur in Erwägung gezogen werden, sondern bereits in der Schublade liegen.

Das muss gestoppt werden! Nur die internationale Arbeiterklasse kann diesen Wahnsinn stoppen. Die Arbeiterklasse ist die stärkste Kraft auf diesem Planeten. Die technologische Entwicklung, die Krieg immer tödlicher macht, hat auch die Arbeiterklasse im Weltmaßstab anwachsen und zusammenwachsen lassen.

Ich habe von einem Jahrhundert der blutigen Kriege gesprochen. Ich jedoch habe mein Leben in der sozialistischen Massenbewegung der Arbeiterklasse verbracht, die ein Ende des Krieges und ein Ende des Kapitalismus anstrebt.

Die Schrecken des Weltkriegs haben mich zur Sozialistin gemacht. Mich inspirierte die Oktoberrevolution 1917 – das historische Ereignis, das den Ersten Weltkrieg beendete und die Möglichkeit einer besseren Welt eröffnete.

Aber das Schicksal meiner Generation und anderer im 20. Jahrhundert wurde durch die Vorherrschaft des Stalinismus und der Sozialdemokratie bestimmt, denen Millionen Menschen anhingen. Sie trugen maßgeblich dazu bei, den Kapitalismus gegen die massiven revolutionären Kämpfe zu verteidigen, die nach den beiden Weltkriegen ausbrachen. Die Menschheit hat dies teuer bezahlt.

Die Aufdeckung der Verbrechen des Stalinismus veranlasste mich, Mitglied der trotzkistischen Bewegung zu werden und mein Leben dem Aufbau einer echten sozialistischen Führung für die internationale Arbeiterklasse zu widmen.

Aus dem Blickwinkel eines Lebens, das sich über fast ein Jahrhundert erstreckt hat – achtzig Jahre davon waren dem jahrzehntelangen Kampf für den Sozialismus gewidmet – kann ich den jungen Menschen, die an diesem Treffen teilnehmen, Folgendes sagen: Auch wenn die Gefahren, denen wir alle gegenüberstehen, immens sind, so waren die Bedingungen für ihre Überwindung noch nie so günstig.

Heute sind der Stalinismus und die Sozialdemokratie in den Augen von Millionen von Menschen diskreditiert. Der Kampf Leo Trotzkis gegen den Stalinismus zur Verteidigung der Perspektive des Weltsozialismus hat sich als die einzige Grundlage erwiesen, auf welcher der Krieg überwunden werden kann.

Heute kann diese Perspektive die Arbeiterklasse inspirieren. Sie ist heute um ein Vielfaches größer ist als zu jener Zeit, als ich zum ersten Mal politisch aktiv wurde. Und mithilfe der globalen Produktionsprozesse und der außergewöhnlichen technologischen Entwicklung, insbesondere auch im Bereich der Kommunikationsmittel, besitzt sie objektiv das enorme Potenzial zum Aufbau einer vereinten Welt.

Aber dafür muss gekämpft werden. Ich appelliere an die jungen Menschen auf dieser Kundgebung: Eure Generation hält jetzt das Schicksal der Menschheit in ihren Händen. Nehmt diese Herausforderung an. Schließt euch an und baut die IYSSE auf! Stoppt das rücksichtslose Treiben, das zum Atomkrieg führt! Kämpft für eine sozialistische Zukunft ohne Armut, Ausbeutung, Krieg und alle Formen der Unterdrückung! 

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