Oberster Nato-Sprecher fordert „Kriegswirtschaft“

Der oberste Militärsprecher der Nato forderte am Samstag die Mitglieder des US-geführten Militärbündnisses auf, zu einer „Kriegswirtschaft“ überzugehen, um „die Produktion in der Rüstungsindustrie zu steigern“.

In dem Interview – das am Freitag im portugiesischen öffentlich-rechtlichen Sender RTP News ausgestrahlt wurde – sagte Rob Bauer, Vorsitzender des Nato-Militärausschusses, das von den USA geführte Nato-Bündnis sei auf einen „direkten Zusammenstoß mit Russland“ vorbereitet.

Der Vorsitzende des Nato-Militärausschusses, Admiral Rob Bauer, spricht auf einer Medienkonferenz im Nato-Hauptquartier in Brüssel, Donnerstag, 19. Januar 2023 [AP Photo/Virginia Mayo]

Diese Erklärung erfolgt, nachdem die Biden-Regierung in der vergangenen Woche angekündigt hat, M1-Abrams-Kampfpanzer in die Ukraine zu entsenden, und nachdem das Weiße Haus erklärt hat, dass die Entsendung nuklearfähiger F16-Kampfjets „diskutiert“ werde.

Bauers Äußerungen machen deutlich, dass sich das US-geführte Nato-Bündnis aktiv darauf vorbereitet, dass der Krieg in der Ukraine zu einem direkten Zusammenstoß zwischen dem Nato-Bündnis und Russland eskalieren könnte, die beide über Atomwaffen verfügen.

Zu Beginn des Interviews betonte Bauer, dass die Nato den Konflikt mit Russland als weitaus umfassender ansieht als den Krieg in der Ukraine.

Auf die Frage von RTP News, „Sie glauben nicht, dass es nur um die Ukraine geht?“, antwortete Bauer: „Nein, es geht um die Rückkehr zur alten Sowjetunion.“

Der Interviewer hakte nach: „Also ist gewissermaßen die gesamte Ostflanke in Gefahr?“ Daraufhin antwortete Bauer: „Ja.“

Auf die Frage des Interviewers, „Sind wir zu einer direkten Konfrontation mit Russland bereit?“, antwortete Bauer: „Das sind wir.“

Bauer verwies auf den massiven Ausbau der Nato-Streitkräfte in dem Gebiet, das die Nato als ihre „Ostflanke“ bezeichnet, und sagte:

„...was wir nach Kriegsbeginn getan haben, war [der Einsatz von] Battle Groups entlang der Ostflanke, wir hatten vier im Norden, die drei baltischen Staaten und Polen, die enhanced Forward Presence, weitere Battle Groups, wir haben jetzt beschlossen... vier weitere Battle Groups in der Slowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien zu schaffen. Und diese Battle Groups werden wir grundlegend stärken, etwas größer machen, und ihnen etwas mehr Unterstützung in Form von Feuerunterstützung zu geben und sie mit besseren Vorräten an Munition und anderen Dingen auszustatten.“

Um sich auf einen Krieg mit Russland vorzubereiten, erklärte Bauer, „müssen wir die Produktion in der Rüstungsindustrie erhöhen“, und verwies auf die Maßnahmen, die die Vereinigten Staaten während des Zweiten Weltkriegs ergriffen haben. Bauer fuhr fort:

„In den ersten vier Jahren des Zweiten Weltkriegs wurden in den Ford-Werken in den Vereinigten Staaten keine zivilen Autos hergestellt, sondern nur Militärfahrzeuge... Und das ist in gewisser Weise, was man meint, wenn man von einer Kriegswirtschaft spricht.“

Bauers Aussagen über die Schaffung einer „Kriegswirtschaft“ sind äußerst bedeutsam, da sie ein zentrales Ziel der Eskalation des Krieges offenbaren. In Kriegszeiten sind Streiks in der Regel illegal, was es den kapitalistischen Regierungen ermöglicht, den Krieg als Instrument zur Unterdrückung der innenpolitischen Opposition einzusetzen.

Nur einen Tag vor der Ausstrahlung von Bauers Interview hatte Victoria Nuland, Unterstaatssekretärin für politische Angelegenheiten, vor dem Kongress ausgesagt, dass die Biden-Regierung über den Terroranschlag auf die Nord Stream 2-Pipeline im September „erfreut“ sei. Es handelt sich dabei um ein Stück ziviler Infrastruktur, das sich im gemeinsamen Besitz russischer und deutscher Unternehmen befindet. Auf eine Frage des republikanischen Senators Ted Cruz antwortend erklärte Nuland:

„Senator Cruz, wie Sie bin auch ich – und ich glaube auch die Regierung – sehr erfreut zu wissen, dass Nord Stream 2 jetzt, wie Sie sagen, ein Metallklumpen auf dem Meeresboden ist.“

Diese Äußerungen deuten auf eine massive, skrupellose Eskalation des amerikanischen Engagements im Krieg gegen Russland hin. Die Vereinigten Staaten setzen Pläne in die Tat um, deren Logik auf den Einsatz von Bodentruppen in der Ukraine hinausläuft.

Die ungezügelte Eskalation des Ukrainekrieges hat gleichzeitig die US-Pläne für einen Krieg gegen China nur verschärft. In einem internen Memo, das an alle Angehörigen des Air Mobility Command geschickt wurde, forderte General Mike Minihan die Mitglieder seines Kommandos auf, mit dem Training für einen Krieg gegen China zu beginnen, und schrieb: „Mein Bauchgefühl sagt mir, dass wir 2025 kämpfen werden.“

Er rief dazu auf, „ein befestigtes, einsatzbereites, integriertes und agiles Joint Force Maneuver Team aufzubauen, das bereit ist, innerhalb der ersten Inselkette zu kämpfen und zu gewinnen“. Damit sind Taiwan, Japan und andere Inseln vor der chinesischen Küste gemeint.

Minihan deutete an, dass viele Mitglieder seines Kommandos in einem solchen Krieg sterben würden, und wies sie an, „Ihre persönlichen Angelegenheiten zu durchdenken und zu überlegen, ob ein Besuch bei der Rechtsabteilung ihres Dienstortes geplant werden sollte, um sicherzustellen, dass Sie rechtlich bereit und vorbereitet sind“.

Während der Krieg gegen Russland in Europa und der Konflikt der USA mit China im Pazifik rapide eskaliert, werden innerhalb des US-Militärs Warnungen vor den immensen Gefahren der Situation laut.

In einem in der vergangenen Woche veröffentlichten Bericht mit dem Titel „Avoiding a Long War – U.S. Policy and the Trajectory of the Russia-Ukraine Conflict“ (Einen langen Krieg vermeiden – Die Politik der USA und der Verlauf des Russland-Ukraine-Konflikts) warnte die RAND Corporation, ein vom Pentagon finanzierter Think-Tank:

Das Ausmaß der indirekten Beteiligung der Nato-Verbündeten an diesem Krieg ist atemberaubend. Die Unterstützung umfasst Waffen und andere Hilfsgüter im Wert von zig Milliarden Dollar für die Ukraine, taktische Unterstützung des ukrainischen Militärs in den Bereichen des Nachrichtendiensts, der Überwachung und der Aufklärung, monatliche finanzielle Direkthilfe für Kiew in Höhe von mehreren Milliarden Dollar, sowie schmerzhafte Wirtschaftssanktionen gegen Russland.

Der Bericht macht deutlich, dass das Erreichen der erklärten Kriegsziele der Ukraine – die Rückeroberung der Krim – das Risiko eines Atomkonflikts zwischen Russland und den USA massiv erhöhen würde:

Wenn es der Ukraine gelingt, über die Kontrolllinie von vor Februar 2022 hinauszugehen und Gebiete zurückzuerobern, die Russland seit 2014 besetzt hält (insbesondere die Krim, wo die russische Schwarzmeerflotte stationiert ist), steigt das Risiko einer Eskalation – entweder durch den Einsatz von Atomwaffen oder durch einen Angriff auf die Nato – deutlich an.

Weder die Äußerungen von Bauer und Nuland noch der oben zitierte Rand-Bericht wurden auf den Titelseiten der großen US-Zeitungen veröffentlicht oder in den Abendnachrichten zitiert. Während Vertreter der USA und der Nato offen über einen direkten Konflikt mit Russland und China sprechen, wird die Öffentlichkeit nicht über die außerordentlich gefährliche und skrupellose Eskalation des Krieges informiert, die sich gerade vollzieht.

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