US-Präsident Biden brüstet sich mit Ausweitung der Nato an die Grenzen Russlands

US-Präsident Biden traf sich am Mittwoch in Polen mit Vertretern der „Bukarester Neun“, einer Gruppe osteuropäischer Staaten, die unter den US-amerikanischen Regierungen der Präsidenten Clinton und Bush dem Nato-Bündnis beigetreten sind. Er versprach dabei, „buchstäblich jeden Zentimeter des Nato-Gebiets“ gegen Russland zu verteidigen.

Mitgliedern der „Bukarester Neun“: Bulgarien, die Tschechische Republik, Estland, Ungarn, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien und die Slowakei [Photo by Super Dromaeosaurus / CC BY-SA 4.0]

Biden begann seine Ausführungen mit den Worten: „Wie sich einige von Ihnen vielleicht erinnern, war ich vor Jahren, als wir die Nato erweiterten, derjenige im Senat der Vereinigten Staaten, der sich am stärksten für die Erweiterung der Nato einsetzte, damit viele von Ihnen, die an diesem Tisch sitzen, Mitglied werden konnten.“

Seine Äußerungen zeigen, dass der Krieg, der vor einem Jahr ausbrach, tiefe historische Wurzeln hat.

Der Krieg in der Ukraine, so die gängige Darstellung des Weißen Hauses, sei ein „War of Choice“, ein willkürlicher Krieg, den im Februar 2022 ein einziger Mann vom Zaun gebrochen habe. Putin hat den Krieg begonnen, und nur Putin kann ihn beenden - indem er die russischen Truppen dorthin zurückzieht, wo sie letztes Jahr waren, wie das Weiße Haus immer wieder betont.

Doch diese vereinfachte und falsche Darstellung hat nichts mit der historischen Entstehung des Konflikts zu tun. Tatsächlich haben die Vereinigten Staaten versucht, die Republiken der ehemaligen Sowjetunion und die osteuropäischen „Pufferstaaten“ in das Nato-Bündnis einzubinden, während sie innerhalb der Grenzen Russlands nationalistische Aufstände schürten mit dem Ziel, das Land zu destabilisieren und zu spalten.

Die Erweiterung der Nato seit 1949 [Photo by glentamara / CC BY-SA 3.0]

Im Jahr 1998 stimmte der US-Senat für die Erweiterung der Nato um Polen, Ungarn und die Tschechische Republik. „Dies ist in der Tat der Beginn von weiteren 50 Jahren Frieden“, sagte Biden, als er die Ereignisse in Gang setzte, die schließlich im Ausbruch des Krieges in der Ukraine münden sollten.

„Wir werden eine historische Ungerechtigkeit wiedergutmachen, die den Polen, Tschechen und Ungarn von der Sowjetunion aufgezwungen wurde.“

„Die Vereinigten Staaten sind eine europäische Macht“, sagte Außenministerin Madeleine K. Albright 1997 vor dem Ausschuss für auswärtige Beziehungen des US-Senats, dem Biden als ranghöchstes Mitglied angehörte. „Wir haben nicht nur ein Interesse an den Ländern westlich der Oder, sondern auch am Schicksal der 200 Millionen Menschen, die in den Ländern zwischen der Ostsee und dem Schwarzen Meer leben.“

Am 15. Juni 2001 erklärte US-Präsident George W. Bush in einer Rede in Warschau seinen „Plan zur Erweiterung der Nat“, um einen Ring von Ländern zu schaffen, der „von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer“ reichen würde.

Biden unterstützte 2004 die Erweiterung der Nato um Bulgarien, Rumänien, die Slowakei, Slowenien, Estland, Lettland und Litauen.

Und als Bush 2008 erklärte, dass der Beitritt der Ukraine zur Nato „im Interesse“ der Vereinigten Staaten liege, konnte er auf die begeisterte Unterstützung Bidens zählen. Unter Bushs Führung erklärte die Nato, dass die Ukraine zusammen mit Georgien „Mitglied der Nato werden“ solle.

Die Obama-Regierung distanzierte sich zwar öffentlich von den kriminellsten Handlungen der Bush-Regierung, wie etwa der systematischen Folterung von Gefangenen, verteidigte aber nachdrücklich Bushs Forderung nach einem Nato-Beitritt der Ukraine.

Die Strategie, die der Osterweiterung der Nato zugrunde liegt, stützt sich stark auf die Vorstellungen des rechtsgerichteten Diktators Józef Piłsudski, der Polen in der Zwischenkriegszeit lange Zeit regierte.

Der US-amerikanische Geostratege Robert D. Kaplan betonte in einem Beitrag vom August 2014 mit dem Titel „Piłsudskis Europa“, dass „Polen und Rumänien, die beiden größten Nato-Staaten in Nordost- bzw. Südosteuropa, für die Entstehung eines wirksamen Intermariums gegen Russland von entscheidender Bedeutung sind. Zusammen verbinden sie praktisch das Baltikum mit dem Schwarzen Meer.“

Als Ergänzung zur Theorie des „Intermariums“ vertrat Piłsudski das Konzept des „Prometheismus“ und erklärte: „Polens Stärke und Bedeutung unter den Bestandteilen des russischen Staates ermutigen uns, das politische Ziel zu setzen, den russischen Staat in seine Hauptbestandteile zu zerlegen und die Länder zu emanzipieren, die diesem Imperium gewaltsam einverleibt wurden.“

Nur dann, betonte Piłsudski, werde Russland „ausreichend geschwächt sein, um nicht länger ein furchterregender und gefährlicher Nachbar zu sein“.

Auf dem Treffen der neun Mitgliedsstaaten von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer am Mittwoch erklärte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg: „Wir können nicht zulassen, dass Russland weiterhin die europäische Sicherheit angreift. Wir müssen den Kreislauf der russischen Aggression durchbrechen.“

In seiner Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz am vergangenen Wochenende räumte Stoltenberg ein, dass sich die östlichen Nato-Staaten in Vorbereitung auf den gegenwärtigen Konflikt jahrelang militärisch vorbereitet und aufgerüstet hätten:

Der Krieg hat nicht erst im Februar letzten Jahres begonnen, sondern schon 2014. Und seit 2014 haben wir die größte Verstärkung unserer kollektiven Verteidigung durchgeführt, mit mehr Truppen, höherer Bereitschaft, Präsenz im östlichen Teil des Bündnisses, neuen Verteidigungsplänen und auch erhöhten Verteidigungsausgaben.

Im Jahr 2017 hat die Nato vier multinationale Bataillonsverbände in Estland, Lettland, Litauen und Polen aufgestellt.

Nach dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs verstärkte die Nato ihre bestehenden vier Battle Groups in Osteuropa und sagte zu, vier weitere Battle Groups in Bulgarien, Ungarn, Rumänien und der Slowakei zu bilden.

Eine Nato-Grafik, die die „Ostflanke“ des Militärbündnisses zeigt [Photo: NATO]

„Damit hat sich die Gesamtzahl der multinationalen Gefechtsverbände auf acht erhöht, die Zahl der Truppen vor Ort effektiv verdoppelt und die Vorwärtspräsenz der Nato entlang der Ostflanke des Bündnisses - von der Ostsee im Norden bis zum Schwarzen Meer im Süden – ausgeweitet“, hieß es bei der Nato letzte Woche in einer Erklärung.

Diese Ausweitung wird fortgesetzt. Die Nato-Verbündeten haben sich auf dem Gipfeltreffen im vergangenen Juni in Madrid dazu verpflichtet, „die multinationalen Bataillone bis zur Brigadegröße zu verstärken“.

Angesichts einer Verschlechterung der militärischen Lage auf Seiten der Ukraine und der immer direkteren Beteiligung der Nato besteht die Gefahr, dass die massive Nato-Militärpräsenz an den Grenzen Russlands zu einer aktiven geografischen Ausweitung des Krieges auf ganz Osteuropa führt.

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