Am Sonntag veröffentlichte die Washington Post einen Leitartikel, der die Verschwörungstheorie unterstützt, dass Covid-19 ursprünglich aus dem Wuhan Institute of Virology entwichen sei.
Dieser Leitartikel der Washington Post trägt den Titel „Neues Licht und offene Fragen um das Geheimnis von Wuhan“ (There's new light and lingering questions in the mystery of Wuhan). Er geht noch einen Schritt weiter als bisherige Stellungnahmen, indem er – völlig losgelöst von jeder wissenschaftlichen Untersuchung der Entstehung von Covid-19 – eine ganze Litanei unbegründeter Anschuldigungen vorbringt.
In früheren Leitartikeln sah sich die Redaktion der Post gezwungen, zumindest auf die Tatsache hinzuweisen, dass die überwältigende Mehrheit der Wissenschaftler die „Lab Leak“-Verschwörungstheorie zurückweist. Allerdings ist die Mission der Post, gegen den Strom dieses überwältigenden wissenschaftlichen Konsenses zu schwimmen, schwieriger geworden, denn die wissenschaftlichen Beweise zugunsten eines natürlichen Ursprungs haben sich verdichtet.
In den letzten Monaten haben Wissenschaftler den direkten Weg entdeckt, auf dem Sars-CoV-2 durch Zoonose von einem Tier auf den Menschen übertragen wurde. Der gleiche grundlegende Prozess hat in der Geschichte auch zu jeder anderen menschlichen Pandemie geführt. Die jüngste Studie von Dr. Florence Débarre, einer Evolutionsbiologin am französischen nationalen Forschungsinstitut CNRS, ergab, dass Proben mit Sars-CoV-2 aus dem Wildtiermarkt von Wuhan auch die DNA von anfälligen Tieren wie Marderhunden enthielten.
Die Post ignoriert in ihrem Leitartikel einfach die wachsende Zahl wissenschaftlicher Beweise, die ihre Behauptungen widerlegen.
Viele Wissenschaftler haben den Post-Leitartikel bereits entschieden verurteilt. „Eins ist klar“, schreibt der Impfstoffexperte Peter Hotez. „Wenn es tatsächlich ‚neues Licht‘ zu diesem Thema gibt, dann kommt es nicht von der Washington Post. Das sind alles leichtsinnige Spekulationen, die die überwiegende Zahl der wissenschaftlichen Beweise ignorieren, obwohl sie in großen Fachzeitschriften veröffentlicht worden sind.“
Hotez fährt fort:
Enthalten diese Aussagen der Redaktion einen einzigen Link zu einer wissenschaftlichen Arbeit? Ich konnte nicht einen finden. Und wissen Sie warum? Weil es keine gibt.
Dies ist das 3. oder 4. Mal, dass die Washington Post bei diesem speziellen Thema so etwas macht. Es handelt sich also nicht um einen Anfängerfehler oder ein Versehen. Hier gibt es eine Agenda. Das grenzt langsam an Hearst-Pulitzer-Journalismus der alten Schule oder an Boulevardjournalismus, und es fängt an zu riechen …
Dies ist eine Anspielung auf die Rolle von William Randolph Hearst, dem Besitzer des New York Journal, der vor dem Spanisch-Amerikanischen Krieg von 1898 mit demagogischer und sensationslüsterner Berichterstattung systematisch für den Kriegseintritt der USA geworben hatte.
Hearsts Rolle wurde an einem Telegramm deutlich, das er dem Künstler Frederic Remington geschickt haben soll: „Sie liefern die Bilder und ich liefere den Krieg.“ Eine Woche, nachdem die Vereinigten Staaten Spanien den Krieg erklärt hatten, ließ Hearst auf der Titelseite drucken: „Wie gefällt Ihnen der Krieg des Journal?“
Ähnlich wie Hearsts damalige Propaganda ist heute das Bemühen, China für die Corona-Pandemie verantwortlich zu machen, eine von den Medien inszenierte Hasskampagne. Sie zielt darauf ab, antichinesischen Rassismus zu fördern und einen Krieg zu rechtfertigen.
Wie Hotez richtig feststellt, handelt es sich dabei nicht um einen Fehler, sondern um bewusste Politik. Aber die Washington Post spricht nicht nur für sich selbst oder ihren Besitzer, den Milliardär Jeff Bezos. Sie spricht für den amerikanischen Staat.
Im Februar behauptete Christopher Wray, Direktor des US Federal Bureau of Investigation (FBI), öffentlich: „Der Ursprung der Pandemie ist höchstwahrscheinlich ein möglicher Laborvorfall in Wuhan.“
Wray machte diese Aussage zu einem Zeitpunkt, als die Vereinigten Staaten bewusst versuchten, einen Konflikt mit China über Taiwan anzuzetteln. In den letzten drei Monaten haben die USA die Zahl der auf Taiwan stationierten US-Soldaten vervierfacht und die „Ein-China-Politik“ beendet, und sie rüsten Taiwan mit Waffen aus. Sie tun alles, um China zu einer Invasion zu provozieren, damit die USA dann sagen könnten, dass China den „ersten Schuss“ in einem sino-amerikanischen Krieg abgegeben habe.
Wrays Anschuldigung ist in Wirklichkeit eine bewusste Lüge. Sie passt zu den Lügen, mit denen die Bush-Regierung ihre Invasion im Irak 2003 gerechtfertigt hatte.
Die Washington Post erneuert ihre Propaganda vom Wuhan-Labor vor dem Hintergrund, dass sämtliche US-amerikanischen und westlichen Medien öffentlich dem Grundsatz huldigen, dass die Regierung das Recht habe, die Öffentlichkeit zu belügen.
Anfang dieses Monats enthüllte eine Reihe von durchgesickerten Dokumenten, dass die US-Regierung die Öffentlichkeit über die Beteiligung der USA am Krieg in der Ukraine systematisch in die Irre geführt hat. Aus den Dokumenten ging hervor, dass über 150 Nato-Soldaten in der Ukraine stationiert sind, und dass die Nato die Operationen der ukrainischen Streitkräfte im Wesentlichen als Bestandteil ihrer eigenen betrachtet.
Als Reaktion darauf gab die New York Times öffentlich die Identität der Person preis, die die Dokumente veröffentlicht hatte, woraufhin der junge Whistleblower nur Stunden später verhaftet wurde. Die Washington Post erklärte dazu: „Geheimnisse zu bewahren ist für eine funktionierende Regierung unerlässlich“ – eine Aussage, die den demokratischen Grundsätzen, wie sie Thomas Jefferson und andere Führer der amerikanischen Revolution formuliert hatten, völlig zuwiderläuft.
Doch die vielleicht ungeheuerlichste Verteidigung von Regierungslügen kam vom britischen Guardian, der in einem Leitartikel erklärte, wer wahre Informationen publiziere, die die Lügen der Regierung entlarvten, bringe „Leben in Gefahr“, und das hätte „niemals geschehen dürfen“:
In einem besonders ernsten Fall oder zu einem besonders ernsten Zeitpunkt, wie z. B. während eines Krieges, kann eine undichte Stelle dem Feind helfen, Verbündete verunsichern, die Moral schwächen und, zumindest potenziell, das militärische Gleichgewicht verändern und Menschenleben in Gefahr bringen.
Die Erklärung des Guardian zeugt von dem Ausmaß, in dem die Medien einfach zu einem Anhängsel des Staates geworden sind. Noch 2013 hatte der Guardian mit Edward Snowden zusammengearbeitet, um das massive Ausspäh-Programm der NSA zu enthüllen, das die Bush-Regierung unter dem Deckmantel des „Kriegs gegen den Terror“ ohne richterliche Anordnung durchführen ließ. Aber heute behauptet die Zeitung, dass die Enthüllung wahrer Informationen „die Moral schwächen“ würde.
Auch die Einschränkung, dass es unzulässig sei, „während eines Kriegs“ wahre Informationen zu veröffentlichen, ist ohne Bedeutung, denn die Vereinigten Staaten befinden sich seit Jahrzehnten ständig im Krieg. Tatsächlich befanden sich die Vereinigten Staaten auch damals schon im Krieg, als der Guardian noch über Snowdens Enthüllungen berichtete. Nach dieser Logik hätten die Enthüllungen des Guardian im Jahr 2013 „nie geschehen dürfen“, weil auch sie „die Moral geschwächt“ hätten.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Der Guardian schließt den Leitartikel mit der Feststellung ab:
Aus europäischer Sicht besteht der wichtigste Aspekt darin, dass jetzt Zweifel laut werden, ob die Ukraine fähig sei, sich gegen russische Luftstreitkräfte zu verteidigen. Diese Informationen hätten niemals in dieser Form an die Öffentlichkeit gelangen dürfen. Sie könnten darauf hindeuten, dass die erwartete Frühjahrsoffensive der Ukraine aufgrund ihrer geringen Waffenbestände nur schwer durchzuführen sei, so dass Kiew für russische Gegenangriffe sehr anfällig sei. Dies könnte eine weniger entschlossene Offensive und stattdessen einen langwierigen Konflikt geringerer Intensität bedeuten. Wenn dies das Ergebnis ist, dann haben diese undichten Stellen auch den Lauf der Geschichte verändert.
Mit anderen Worten, indem sie aufzeigen, dass es in diesem Krieg keine Aussicht auf eine militärische Lösung gibt, werden die Indiskretionen „die Moral schwächen“, denn sie werden die Öffentlichkeit ermutigen, eine friedliche Lösung des Kriegs anzustreben.
Dies kommt wirklich der Verherrlichung der Lüge gleich. Hinter der ganzen Aufregung um „undichte Stellen“ und „Staatsgeheimnisse“ verteidigen die Medien lediglich den Grundsatz, dass die Bevölkerung nicht wissen darf, was vor sich geht.
Gleichzeitig versuchen die Medien, ihre eigene Berichterstattung über die undichten Stellen zu verdrehen, um eine weitere Eskalation des Kriegs zu rechtfertigen. In einem Artikel über die undichten Stellen schrieb die New York Times am Samstag: „In der Ukraine haben einige die Enthüllungen als Bestätigung dessen begrüßt, was sie schon seit Monaten sagen: dass ihre Streitkräfte dringend mehr Waffen und Munition benötigen.“
Damit sind wir wieder bei der Lüge vom Wuhan-Labor. So, wie das Medienverbot gegen das Leaken wahrer Informationen über den Ukrainekrieg darauf abzielt, den Konflikt mit Russland zu eskalieren, zielt auch die Lüge vom Wuhan-Labor darauf ab, einen Krieg mit China vorzubereiten.
Im Grunde unterscheidet sie sich nicht von Bidens Lüge, er werde „keine amerikanischen Soldaten in die Ukraine schicken“, oder von der Lüge der westlichen Imperialisten: „Die Nato ist am Krieg in der Ukraine nicht beteiligt.“
Letztlich scheitert der Versuch der US-Regierung und der Medien, die Öffentlichkeit systematisch zu belügen, jedoch am Internet und den sozialen Medien, denn dort bleiben wahre Aussagen, Informationen und Dokumente zugänglich, die dem Propaganda-Narrativ der Regierung widersprechen.
Das erklärt die systematischen Bemühungen der US-Regierung und der großen Medien, das Internet zu zensieren und all diejenigen zu verfolgen, die Kriegsverbrechen der USA aufdecken. Der Wikileaks-Herausgeber Julian Assange ist seit vier Jahren inhaftiert und muss mit seiner Auslieferung in die USA und Verfolgung nach dem Espionage Act rechnen. Und linke Kriegsgegner sind einer unerbittlichen Zensurkampagne ausgesetzt.
Ein bekanntes Sprichwort besagt, dass geometrische Axiome angegriffen werden würden, wenn sie Wirtschaftsinteressen tangieren würden. Die Interessen des Staats, einen Krieg mit China zu provozieren, erfordern heute einem überwältigenden wissenschaftlichen Konsens zum Trotz die Propagierung der Verschwörungstheorie vom Wuhan-Labor.
Die Kriegspolitik der herrschenden Klasse in den USA ist das Mittel, mit dem das gesamte gesellschaftliche Leben dem Staat untergeordnet wird. In den US-Medien werden zunehmend diktatorische Prinzipien verherrlicht. Wo die Interessen der herrschenden Klasse mit der Wissenschaft in Konflikt kommen, da muss – wie die Medien betonen – die wissenschaftliche Wahrheit auf dem Altar des Krieges geopfert werden.