„Wieder Stärke zeigen“ und „Führen“: Bundeswehr wirbt für dritten Weltkrieg

Anfang letzter Woche lancierte die Bundeswehr eine „crossmediale Imagekampagne“. Wie frühere Medienkampagnen verherrlicht sie Militarismus und Nationalismus, zielt jedoch noch offener darauf ab, das Publikum auf einen neuen Weltkrieg einzustimmen und das Kanonenfutter dafür zu rekrutieren.

Die martialischen Motive und Videos der Kampagne rufen dazu auf, die „Freiheit“ Deutschlands „grenzenlos“ zu verteidigen und an einem „Kraftakt“ für den Aufbau einer „starken Bundeswehr“ teilzunehmen. Über dem Bild einer Panzerkommandantin prangt der Slogan: „Was zählt, wenn wir wieder Stärke zeigen müssen?“

Bundeswehr-Plakat: „Was zählt, wenn wir wieder Stärke zeigen müssen?“ Berlin, Mai 2023

Die Propagandaoffensive hat ein gewaltiges Ausmaß, wie aus der Pressemitteilung des Verteidigungsministeriums hervorgeht: „Um die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland flächendeckend zu erreichen, wird die Kampagne national ausgespielt – auf analogen und digitalen Plakatmotiven, an vielfältigen Touchpoints und auf Riesenpostern an strategisch wichtigen Stellen in ganz Deutschland.“ Hinzu kommen Werbeanzeigen „in den sozialen Medien und auf relevanten Websites“. Ein YouTube-Video der Kampagne glorifiziert den Einsatz von Kampfpiloten, Marinespezialkräften, Kriegsschiffen und Panzergrenadieren, die gen Osten vorrücken.

Die Bundeswehr ist seit Langem für Kampagnen berüchtigt, die die Verbrechen des deutschen Imperialismus verniedlichen und gezielt auf Jugendliche ausgerichtet sind. Im September 2018 warb sie unter dem Schlagwort #Führen mit dem Gesicht der U-Boot-Kommandantin Nana Ehlers, die inzwischen regelmäßige Bundeswehr-Formate auf YouTube moderiert. Ende 2019 erschien auf dem Instagram-Account der Bundeswehr das Foto einer Wehrmacht-Uniform mit vier Hakenkreuzen, versehen mit dem Schlagwort „retro“.

Auf der Gamescom, der weltweit größten Messe für Computer- und Videospiele, ist die Bundeswehr jedes Jahr prominent vertreten. Im Jahr 2022 versuchte die Truppe, künftige Cyberspezialisten, sowie Kampf- und Drohnenpiloten mit Slogans wie „Multiplayer at its best“ und „Mehr ‚open world‘ geht nicht“ zu rekrutieren.

Nach Beginn des Ukrainekrieges lancierte der YouTube-Kanal der Bundeswehr mehrere neue Formate, in denen Generäle und Waffenspezialisten nahezu täglich Kriegspropaganda verbreiten und das Kriegsgeschehen besprechen. Anders als viele kritische YouTube-Formate wird der Bundeswehr-Content von der Plattform umfassend beworben und monetarisiert. Durchschnittliche Videos erhalten zehntausende bis hunderttausende Aufrufe. Im Vergleich dazu weisen offizielle Videos der U.S. Airforce und der U.S. Army auf YouTube in der Regel nur drei- bis vierstellige Aufrufzahlen auf.

Brigadegeneral Christian Freuding, der seit Beginn des russischen Einmarsches sieben Mal im Videoformat „Nachgefragt“ auftrat und im Verteidigungsministerium den „Sonderstab Ukraine“ leitet, wurde mittlerweile zum Leiter des Planungsstabs von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) befördert. Freuding analysiert die Panzerschlachten in der Ostukraine mit der kalten Präzision eines kriegserprobten deutschen Generals. Er begann seine Laufbahn als Kompaniechef der Nato-Schutztruppe für Bosnien und Herzegowina, bevor er 2007 Bundeswehr-Stabschef in Afghanistan wurde.

Die medialen Kampagnen der Bundeswehr verfolgen vorrangig das Ziel, Jugendliche für den freiwilligen Dienst in der Truppe zu gewinnen. Lange Zeit konzentrierten sie sich darauf, die Bundeswehr als Abenteuer oder – angesichts von Massenentlassungen in der Industrie und sinkenden Reallöhnen – als „attraktiven Arbeitgeber“ darzustellen.

Doch obwohl die „Marketingmaßnahmen“ des Militärs nach Einschätzung eines Kommunikationsberaters, den der Reservistenverband zitiert, „gut gemacht und auf die Zielgruppe zugeschnitten“ sind, und obwohl die Bundeswehr seit Jahren „Jugendoffiziere“ an die Schulen entsendet, um Minderjährige mit Kriegspropaganda zu indoktrinieren, hat sie bisher nicht das erhoffte Ergebnis erzielt.

Laut Reservistenverband „bewerben sich immer weniger Menschen bei der Bundeswehr“. Im letzten Jahr seien es „lediglich 43.900 Personen“ gewesen, „ein Fünftel weniger als noch in den 2010er Jahren“. Dies bedeute ein „massives Personalproblem“, da „für den Kampf an der Ostflanke“ bis zum Jahr 2025 eine Division von 10.000 bis 30.000 Soldaten „kaltstartfähig“ einsatzbereit sein müsse.

Das „Personalproblem“ der Bundeswehr ist die Folge der in der Bevölkerung tiefverwurzelten Opposition gegen Krieg und Militarismus. Die meisten Jugendlichen wissen, dass die Bundeswehr nicht für „Freiheit“ und „Demokratie“ kämpft, sondern beide Werte mit Füßen tritt, um den Profitinteressen von Volkswagen, Siemens, BASF und Co. auf der Weltbühne Geltung zu verschaffen.

Das gilt insbesondere für den Ukrainekrieg. Wie der „Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft“ Ende Februar meldete, habe der Krieg zu einem „Rekordergebnis im Osthandel“ geführt, der sich im Handel mit Mittel- und Osteuropa in „zweistelligen Exportsteigerungen“ niederschlage.

Als das deutsche Militär zum letzten Mal „Stärke zeigte“ – im Ersten und im Zweiten Weltkrieg – wurde das Leben von Millionen jungen Männern sinnlos den Interessen von Flick, Krupp, Siemens, IG Farben und der Deutschen Bank geopfert.

Reichswehr und Wehrmacht verbreiteten Elend und Schrecken. Deutsche Soldaten zogen brandschatzend durch Europa, brannten Dörfer nieder und ermordeten Millionen Zivilisten. Die Armee spielte eine zentrale Rolle in Hitlers Vernichtungskrieg, der die Eroberung Europas, die Versklavung der Menschen Osteuropas und die Vernichtung des europäischen Judentums zum Ziel hatte. Schließlich fielen die Schrecken des Krieges auf Deutschland zurück.

Die Bundeswehr verkörpert die Kontinuität des deutschen Militarismus. Nachdem Vertreter der Regierung bereits vor zehn Jahren verkündet hatten, Deutschland müsse militärisch und machtpolitisch wieder eine internationale Rolle spielen, die seiner wirtschaftlichen Stärke entspreche, nutzt die Regierung jetzt den Ukrainekrieg, um diese Großmachtambitionen und Aufrüstungspläne in die Tat umzusetzen.

Unmittelbar nach Beginn des russischen Einmarsches rief Bundeskanzler Olaf Scholz – unter dem begeisterten Applaus des Bundestages – eine seit langem vorbereitete „Zeitenwende“ aus und verkündete die größte Kriegsaufrüstung seit Hitler, die seitdem ständig beschleunigt wird. Allein im vergangenen Monat wurden Pläne öffentlich, das „Sondervermögen Bundeswehr“ auf 300 Milliarden Euro zu verdreifachen und den Umfang der deutschen Waffenlieferungen an das ukrainische Militär zu verfünffachen.

Nachdem im März die Integration des niederländischen Heeres in die Bundeswehr abgeschlossen wurde, werden nun Pläne für eine deutsch-geführte europäische Raketenabwehr vorangetrieben. Erklärtes Ziel der herrschenden Klasse ist, die russische Armee in der Ukraine zu besiegen und die militärische Vormachtstellung der USA in Europa zu beenden.

Obwohl in ihrem offiziellen Traditionserlass steht, dass die Wehrmacht „als Institution nicht traditionswürdig“ sei, hat die Bundeswehr nie mit dieser Tradition gebrochen. Wehrmacht-Generäle sind Namensgeber von Kasernen und Vorbilder für Soldaten und Offiziere. Besonders gut dokumentiert ist die Wehrmachts- und SS-Traditionspflege in Eliteeinheiten wie dem Kommando Spezialkräfte (KSK) oder den Fallschirmjägern. Im Ukrainekrieg arbeitet das deutsche Militär mit Verbänden zusammen, die sich auf das Erbe ukrainischer Nazi-Kollaborateure im Zweiten Weltkrieg berufen und Massenmörder wie Stepan Bandera verehren.

Wenn die Bundeswehr nun wieder mit autoritären Parolen wie „Stärke zeigen“ und „#Führen“ um Nachwuchs wirbt, appelliert sie offen an die rechtesten Elemente in der Gesellschaft. Neonazis, AfD-Anhänger und andere Rechte werden sich davon angezogen fühlen.

Gleichzeitig treibt sie die Militarisierung der ganzen Gesellschaft voran. So wirbt die Website „karrierekaserne“ dafür, dass „zivile und militärische Aufgaben Hand in Hand gehen“ müssen, um „unser Land und unsere Bündnispartner zu schützen“. Wie vor dem Ersten und Zweiten Weltkrieg soll das gesellschaftliche Leben den militärischen Erfordernissen eines europaweiten Krieges untergeordnet werden.

Bezeichnenderweise verkündete EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen – ihres Zeichens ehemalige Bundesverteidigungsministerin – am Tag des Kampagnenstarts der Bundeswehr einen Plan für eine europäische „Kriegswirtschaft“, der die Produktion von Munition auf „eine Million Schuss pro Jahr“ steigern soll.

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