Am Freitag erklärte die Regierung Biden, dass sie Streubomben an die Ukraine liefern werde. Dies sind Waffen, die eine große Zahl nicht explodierender Submunitionen über ein weites Gebiet verstreuen und Zivilisten auch Jahrzehnte später noch töten und verstümmeln.
Angesichts des Scheiterns der ukrainischen Militäroffensive versuchen die Vereinigten Staaten verzweifelt, durch die Bereitstellung von immer zerstörerischeren Waffen in immer größerer Zahl ihre Rückschläge auf dem Schlachtfeld wettzumachen.
Die Ankündigung erfolgt im Vorfeld des Nato-Gipfels nächste Woche in Vilnius, auf dem die USA und die Nato eine massive Ausweitung ihres Engagements im Krieg planen. Durch ihre Fehleinschätzungen in die Enge getrieben, sieht sich die Regierung Biden gezwungen, zu immer drastischeren Maßnahmen zu greifen. Das wird auch aus Berlin unterstützt. Am Sonntag stellte sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) im ZDF-Sommerinterview hinter die Lieferung von Streumunition und erklärte, die Bundesregierung können „in der gegenwärtigen Situation den USA nicht in den Arm fallen.“
Die Entscheidung für den Einsatz von Streubomben zielt – ungeachtet der langfristigen Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung – darauf ab, so viele russische Soldaten wie möglich zu töten. Die Logik, die in der Vergangenheit zum Einsatz von Agent Orange und Napalm geführt hat – und mit der der Einsatz taktischer Atomwaffen gerechtfertigt werden wird –, ist auch gegenwärtig am Werk.
Am Vorabend des Gipfels in Vilnius senden die USA damit eindeutig eine Botschaft an den russischen Präsidenten Wladimir Putin: die Nato wird vor nichts zurückschrecken.
In einem Briefing am Freitag, in dem dieser Schritt angekündigt wurde, rechtfertigte der nationale Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan, die Entscheidung, Streumunition an die Ukraine zu liefern, als Mittel, um eine militärische Katastrophe abzuwenden.
„Es besteht auch ein massives Risiko für die Zivilbevölkerung, wenn russische Truppen und Panzer ukrainische Stellungen überrollen und mehr ukrainisches Territorium einnehmen und mehr ukrainische Zivilisten unterjochen, weil die Ukraine nicht genug Artillerie hat“, sagte er.
Sullivan gab diese Erklärung etwas mehr als einen Monat nach Beginn der Frühjahrsoffensive der Ukraine ab, die von der amerikanischen Presse als „Endspiel für die Ukraine“ angepriesen wurde und nach den Worten des pensionierten Generals David Patraeus zu „bedeutenden Durchbrüchen“ führen sollte.
Stattdessen führte die Offensive zu einem blutigen Debakel. Sie hat Russland keineswegs eine vernichtende Niederlage zugefügt, sondern trieb die Regierung Biden zu einem eskalierenden Schritt nach dem anderen, um das ukrainische Militär zu stärken.
„Wir sind uns bewusst, dass Streumunition ein Risiko für die Zivilbevölkerung durch nicht explodierte Munition darstellt“, erklärte Sullivan. „Aber wir mussten dies gegen das Risiko abwägen“, dass die Ukraine möglicherweise „nicht genügend Artilleriemunition hat“.
Mit anderen Worten: Die Regierung Biden wog die Kosten für die Tötung und Verstümmelung von Generationen ukrainischer Zivilisten gegen die Vorteile der Tötung weiterer russischer Truppen ab. Sie entschied, dass der Tod ukrainischer Kinder durch nicht explodierte Munition ein Opfer ist, das die amerikanische Oligarchie zu bringen bereit ist.
Sullivan übertraf sich selbst in vollkommener Gefühllosigkeit und fügte hinzu, dass die Ukraine „ohnehin von Minen befreit“ werden müsse.
Jede Phrase, mit der das Weiße Haus die Entsendung dieser Terrorwaffen in die Ukraine rechtfertigt, könnte ebenso zur Rechtfertigung einer Stationierung oder sogar des Einsatzes taktischer Atomwaffen in dem Konflikt verwendet werden. Ja, würde das Weiße Haus argumentieren, radioaktiver Niederschlag stellt ein Risiko für die Zivilbevölkerung dar, aber dieses Risiko muss gegen das Risiko eines russischen Vormarsches „abgewogen“ werden.
Die Stationierung von taktischen Atomwaffen der USA in der Ukraine wurde von einem amerikanischen Think Tank bereits direkt angesprochen. Außerdem werden die Stationierung und der mögliche Einsatz von Atomwaffen in dem Konflikt zweifellos auf dem bevorstehenden Gipfel in Vilnius auf der Tagesordnung stehen.
Jede offizielle Erklärung der Vereinigten Staaten über ihre Beteiligung am Krieg wird damit gerechtfertigt, dass sie wieder einmal ein Land durch militärische Gewalt „retten“, diesmal die Ukraine. Doch mit der Lieferung von Streubomben und Munition mit abgereichertem Uran an die Ukraine haben die Vereinigten Staaten deutlich gemacht, dass dies nichts weiter ist als ein hohler Vorwand, um ihr Ziel zu verfolgen, sich im „Großmacht-Wettbewerb“ gegen Russland und China durchzusetzen.
Die Worte, mit denen die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten den angeblichen Einsatz von Streubomben durch Russland in der Ukraine verurteilt haben, gelten nun auch für die Entscheidung der USA, diese Waffen in die Ukraine zu schicken.
Im Februar 2022 beschuldigte die amerikanische Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Linda Thomas-Greenfield, Russland, in der Ukraine „Streumunition“ einzusetzen, „die nach der Genfer Konvention verboten ist“ und „auf dem Schlachtfeld nichts zu suchen hat“.
Im März 2022 sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg: „Wir haben den Einsatz von Streubomben gesehen ... was eine Verletzung des Völkerrechts darstellt.“ Er fügte hinzu: „Wir müssen auch dafür sorgen, dass sich der Internationale Strafgerichtshof wirklich damit befasst.“
In Wirklichkeit lieferte all dieses Anprangern des russischen Vorgehens seitens der USA und der Nato nur heuchlerische Vorwände für die Eskalation der amerikanischen Beteiligung am Krieg.
Die Entscheidung der Vereinigten Staaten, Streubomben in die Ukraine zu schicken, entlarvt alle pseudolinken Verteidiger der amerikanischen Beteiligung am Krieg in der Ukraine – einschließlich derjenigen Mitglieder der Democratic Socialists of America (DSA), die eine „vorauseilende Feindseligkeit gegenüber dem US-Imperialismus“ verurteilen – als schamlose Apologeten der Kriegsverbrechen des US-Militärs.
In Wirklichkeit ist der von den USA geführte Krieg gegen Russland in der Ukraine ein Krieg zur Durchsetzung der globalen Hegemonie der USA, in dem die Ukrainer lediglich als Kanonenfutter dienen. Dieser Krieg reiht sich nahtlos in die Serie von verbrecherischen Angriffskriegen ein, die von den Vereinigten Staaten im letzten halben Jahrhundert geführt wurden.
Während des Vietnamkriegs warfen die USA rund 413.130 Tonnen Streubomben über Kambodscha, Laos und Vietnam ab. Viele der Submunitionen explodierten beim Aufprall nicht und stellen nach wie vor eine erhebliche Bedrohung für die Zivilbevölkerung dar. Noch Jahrzehnte nach Kriegsende führen sie zu unzähligen Verletzungen und Todesfällen.
Während der von den USA angeführten Invasion des Irak im Jahr 2003 setzten die Vereinigten Staaten regelmäßig Streumunition ein, um zivile Gebiete anzugreifen, was Amnesty International als „wahllosen Angriff und schwere Verletzung des humanitären Völkerrechts“ bezeichnete.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Im Irak wurde die Verwüstung durch Streubomben noch durch den Einsatz von Munition mit abgereichertem Uran verstärkt. Laut einer Studie führte letztere dazu, dass die Menschen in Falludscha höhere Raten an Krebs, Leukämie, Kindersterblichkeit und sexuellen Mutationen aufwiesen als die Überlebenden in Hiroshima und Nagasaki in den Jahren, nachdem die beiden japanischen Städte 1945 durch amerikanische Atombomben eingeäschert worden waren.
Während der Invasion Afghanistans im Jahr 2001 wurden durch Streubomben Hunderte von Zivilisten getötet und verletzt. Die Landschaft wurde mit tödlichen nicht explodierten Kampfmitteln übersät. Die Vereinigten Staaten sind durch ihre Unterstützung der saudischen Streitkräfte im Jemen-Konflikt außerdem für den dortigen Einsatz von Streumunition mitverantwortlich.
Über 110 Länder haben das Übereinkommen über Streumunition (CCM) ratifiziert, das den Einsatz, die Weitergabe und die Lagerung von Streumunition verbietet. Die Vereinigten Staaten, die mehr Menschen mit Streumunition getötet haben als jedes andere Land, gehören nicht zu den Unterzeichnern.
In einem Bericht der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2008 wird erläutert, welche verheerenden Auswirkungen Streumunition auf die Bevölkerung hat, wenn sie von den Vereinigten Staaten und ihren Verbündeten eingesetzt wird:
Mehr als drei Jahrzehnte nach dem Einsatz von Streumunition in Laos und Vietnam verursacht diese immer noch Tote und Verletzte, stört die Wirtschaftstätigkeit der einfachen Menschen und behindert die Durchführung von Entwicklungsprojekten in diesen Ländern. Selbst rasche, groß angelegte Räumungsaktionen, wie sie im Kosovo und im Libanon durchgeführt wurden, können nicht verhindern, dass die Kontamination durch Streumunition Auswirkungen hat. Im Kosovo werden immer noch Opfer unter der Zivilbevölkerung durch Streumunition gemeldet und im Libanon konnte trotz der unmittelbar nach dem Konflikt von 2006 begonnenen Räumung nicht verhindert werden, dass die Bevölkerung bei der Rückkehr in ihre Heimat zu Schaden kam. [Aus dem Englischen]
In dem Bericht heißt es weiter:
Streumunition kann die sichere Rückkehr von Flüchtlingen und Binnenvertriebenen verhindern oder erschweren und humanitäre, friedensschaffende und entwicklungsfördernde Maßnahmen behindern. Nicht explodierte Streumunition stellt zudem eine physische Bedrohung für humanitäre Helfer und Friedenstruppen dar. [Aus dem Englischen]
Das Weiße Haus behauptet, den Einsatz mit äußerster Sorgfalt erörtert und erwogen zu haben. Die Entscheidungsträger seien über die bekannten Folgen von Streumunition umfassend informiert gewesen und hätten sie trotzdem eingesetzt.
In einem Bericht über Bidens Entscheidung, die Waffen zu schicken, schrieb die New York Times: „Biden steht unter ständigem Druck des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, der argumentiert, dass die Munition – die winzige, tödliche Bomblets abwirft – der beste Weg sei, die Russen zu töten, die sich in den Schützengräben verschanzt haben und die ukrainische Gegenoffensive zur Rückeroberung von Gebieten blockieren.“
Die Rolle, die Selenskyj dabei gespielt hat, eine Entscheidung über die Entsendung von Waffen herbeizuführen, die ukrainische Kinder für Generationen verstümmeln werden, bringt die Rolle seiner Regierung auf den Punkt. Sie dient als Instrument zur Durchsetzung des Willens der Nato-Mächte gegenüber der ukrainischen Bevölkerung.
Diese jüngste Eskalation durch die Vereinigten Staaten muss als Warnung verstanden werden. Washington und die Nato werden vor nichts zurückschrecken, um weitere militärische Rückschläge für seine Stellvertreter in Kiew zu verhindern und sein militärisches Ziel, Russland eine strategische Niederlage zuzufügen, zu erreichen. Dieselbe mörderische Logik, mit der der Einsatz von Geschossen mit abgereichertem Uran und Streubomben gerechtfertigt wird, wird auch zur Rechtfertigung noch größerer und rücksichtsloserer Verbrechen verwendet werden – vom direkten Eintritt der Nato in den Krieg bis hin zur Stationierung und zum Einsatz von Atomwaffen.