Maui: Noch immer mehr als 1.000 Menschen vermisst, mit der Zahl der Toten wächst die Wut der Bevölkerung

Mehr als eine Woche nach den verheerenden Waldbränden auf der hawaiischen Insel Maui, bei denen mindestens 110 Menschen getötet und die historische Stadt Lahaina zerstört wurde, werden noch immer bis zu 1.300 Menschen vermisst. Das Inferno wurde durch abgestürzte Stromleitungen ausgelöst und durch den Klimawandel verschärft.

Häuser in Lahaina, die bei den Waldbränden zerstört wurden. Aufgenommen am Mittwoch, den 16. August 2023 [AP Photo/Jae C. Hong]

Auf Teilen der Insel wüten immer noch Brände, welche die Einwohner der tiefer im Inland gelegenen Stadt Kula 40 Kilometer östlich von Lahaina bedrohen. Bis Donnerstagmorgen wurden mehr als 2.200 Gebäude in Lahaina zerstört, überwiegend Privathäuser, sowie fast zwei Dutzend Häuser in Kula, sondass tausende Menschen langfristig obdachlos sind.

Neben der anhaltenden Brandgefahr wurden die Einwohner von West-Maui und Kula angewiesen, kein Leitungswasser zu trinken oder abzukochen, weil es wegen der Brände verseucht ist. Letzte Woche warnte die Verwaltung von Maui County, durch die Brände seien „möglicherweise Schadstoffe wie Benzol oder andere schädliche organische Chemikalien in den Wasserkreislauf geraten“. Die Einwohner, von denen tausende weder Obdach noch Strom haben, sollen stattdessen nur abgefülltes Wasser verwenden.

Die Katastrophe von historischem Ausmaß auf Maiu ist nur eine Manifestation der um sich greifenden globalen Klimakrise, für die das kapitalistische System verantwortlich ist und keine Antwort hat. In Kanada bedrohten in den letzten Tagen Waldbrände in den oberen Regionen der Nordwestterritorien (NWT) die Städte Yellowknife und Hay River und zerstörten die Gemeinde Enterprise.

Die Waldbrandsaison in Kanada hat bisher alle Rekorde gebrochen. 33 Millionen Acre Wald gingen in Flammen auf, laut der Washington Post entspricht dies „einer Fläche von der Größe Alabamas oder von neun Connecticuts“. Erstickender schwarzer Rauch von den Bränden hat erneut die Luft in ganz Nordamerika verpestet und drang bis zum Yellowstone-Nationalpark vor.

Im Gegensatz zu Lahaina wurden in Kanada bereits mehrere Kommunen und Städte der Ureinwohner nahe Yellowknife, der Hauptstadt der NWT mit etwa 20.000 Einwohnern, zur Evakuierung aufgefordert. Der äußere Rand des Feuers liegt derzeit zehn Kilometer westlich der Stadt, die Behörden warnten jedoch, er könnte die Stadt bis zum Wochenende erreichen.

In Maui besteht wenig Hoffnung, dass ein Großteil oder auch nur ein Bruchteil der 1.300 Vermissten lebend gefunden wird. Der Verwalter der staatlichen Katastrophenschutzbehörde FEMA Deanne Criswell erklärte am Mittwoch bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus, die Behörde durchsuche das Gebiet mit mehr als 40 Leichenspürhunden. Neben den Hunden wurde eine mobile Leichenhalle und mehrere Kühllaster zur Aufbewahrung menschlicher Überreste geschickt. Allerdings wurde noch nicht einmal die Hälfte des betroffenen Gebietes durchsucht.

Die Pressesprecherin des Weißen Hauses Karine Jean-Pierre bestätigte am Mittwoch, dass Präsident Joe Biden, der sich zuvor nicht zu der Katastrophe äußern wollte, nächste Woche nach Maui fliegen wolle, um sich mit Vertretern der örtlichen Verwaltungsbehörden zu treffen. Auf diese Weise soll die massive Wut über die gleichgültige Reaktion der Regierung auf die Katastrophe beschwichtigt werden.

Biden äußerte sich letzten Donnerstag über die Brände, verweigerte jedoch danach vier Tage lang jeden Kommentar, obwohl das Ausmaß der Katastrophe und die Gleichgültigkeit der Regierung offensichtlich wurde. Jay Awan, ein Koch und Tiki-Statuen-Schnitzer, erklärte in einem Interview mit der New York Post, er wolle gar nicht, dass Biden auf die Insel kommt: „Er kommt nur, um vor den Kameras gut dazustehen.“

Unter den Toten auf Maui befinden sich vermutlich hunderte von Kindern und Alten, die nicht vor der drohenden Katastrophe gewarnt wurden. In Lahaina wurden die Kinder am Tag des Waldbrands früher aus den Schulen nach Hause geschickt, weil die starken Winde durch Hurrikan Dora eine Gefahr darstellten. Der Energiekonzern Hawaii Electric ignorierte jedoch diese und andere Warnungen, und eine abgestürzte Stromleitung spielte eine wichtige Rolle beim Beginn des Brandes.

Leomona Turalde aus Maine, der freiwillig bei Such- und Rettungseinsätzen in Lahaina beteiligt war, schilderte in einem Instagram-Video 72 Stunden nach Ausbruch der Brände einige der massiven Versagen im Vorfeld und nach dem Brand, während er und andere versuchten, den Betroffenen zu helfen.

Turalde fragte: „Was war mit dem Alarm? Wo war die Nationalgarde? Wo waren die Such- und Rettungsmannschaften am ersten Tag? Warum waren keine Drohnen im Einsatz? Warum ist es wichtiger, die Gebäudebrände in der Innenstadt zu löschen, wo die Flammen bereits sind. ... Menschenleben hatten meiner Meinung nach nicht die oberste Priorität. Das habe ich gehört, das habe ich gesehen, und so empfinde ich es.

„Ich habe den Zivilschutz angerufen und gefragt: ‚Es waren zwei Stunden Zeit, warum hat in der Stadtspitze niemand verstanden und erkannt, dass uns eine verdammte Katastrophe bevorstand?‘ Die ganze Stadt ist niedergebrannt, und ihr habt nicht mal den Alarm ausgelöst? Auch danach nicht, überhaupt nicht. Wir haben ein verdammtes Tsunami-Warnsystem, das am ersten jedes Monats losgeht. Und ihr konntet es nicht auslösen? Ihr könnt den Alarm wegen falscher Bomben auslösen... aber nicht wenn die ganze verdammte Stadt niederbrennt? Und dann fischt jemand, der hier wohnt, Leichen aus dem Wasser und fragt: ‚Wo, verdammt nochmal, ist die Hilfe?‘“

Turalde erklärte, er habe „heute mit meiner Großmutter gesprochen, ihre beste Freundin ist immer noch vermisst. Sie haben keine Warnung erhalten, und der Brand hatte Lahaina etwa zwei Stunden später erreicht.“

Mike Cicchino, ein Einwohner von Maui, bestätigte in einem Interview mit NewsNation, dass Hawaii zwar ein über mehrere Inseln verteiltes Tsunami-Warnsystem hat, aber „es gab keine Sirenen, keine SMS, keine Polizei oder Feuerwehr kam. Ich habe von dem Brand nur erfahren, weil ich gesehen habe, wie Leute um ihr Leben rannten.“

Cicchino erinnert sich, dass er nach draußen gegangen ist, „um die Stromleitungen zu prüfen und sah, dass das ganze Viertel in Flammen stand.“ Daraufhin versuchten Cicchino, seine Frau und ihre Hunde aus Lahaina rauszufahren. „In dem Radiosender, den wir hörten, hieß es nur, wir sollen evakuieren. Keine Information, keine Warnung, nichts. Ich habe wirklich das Gefühl, das hätte verhindert werden können.

„Ich wünschte, es hätte mehr Kommunikation gegeben, als die Brände begannen. Es ging früh am Morgen los, und um Mittag erfuhren wir, dass die Brände gelöscht waren, die Feuerwehr abrückt und alles sicher sei.“

Umgestürzte Strommasten, laut Hawaii News bis zum 8. August mehr als 30 Stück, lösten nicht nur mehrere Brände aus, sondern führten auch zur Sperrugn wichtiger Straßen in und um Lahaina.

Cicchino erklärte: „Leider waren im Grunde alle Wege von der Polizei blockiert, sodass wir uns durch die Front Street in der Innenstadt von Lahaina zwängen mussten, die eine absolute Todesfalle war. ... Wie leiteten uns genau dorthin, wo das Feuer hinkam.“

Cicchino erklärte, während der Evakuierung seien er, seine Frau und seine Hunde in einen Verkehrsstau geraten, sodass sie sich zum Meer flüchten mussten. Für die nächsten fünf bis sechs Stunden bis weit nach 1 Uhr morgens kämpften Cicchino und seine Frau ums Überleben, da sie von Feuer, Rauch und kühlendem Meereswasser umgeben waren. Die Küstenwache und die US Navy waren nirgends zu sehen.

Cicchino erinnerte sich: „Ich sah, dass da draußen Babies waren, die ich nie mehr gesehen hab. Als ich zurückkam, zählte ich die Kinder, die Babies waren nicht mehr da.“

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