Der tödliche Brand in Marshalltown, einem Stadtteil von Johannesburg in Südafrika, ist ein entsetzliches soziales Verbrechen, das durch unsägliche Bedingungen von der Art ausgelöst wurde, mit denen Milliarden von Menschen auf der ganzen Welt konfrontiert sind. 74 Menschen sind nachweislich bei dem Brand ums Leben gekommen, darunter 12 Kinder und Kleinkinder teils bis gerade einmal einem Jahr. Anwohner, die das Inferno überlebt haben, berichten, dass viele der Verstorbenen durch ein verschlossenes Eisentor daran gehindert wurden, sich in Sicherheit zu bringen, während andere bei dem Versuch starben, aus dem Gebäude zu springen, um sich zu retten.
Die New York Times interviewte Überlebende des Brandes und schrieb: „Anwohner und Vertreter der städtischen Behörde zeichnen das Bild eines Gebäude, das eine Feuerfalle war. Es gab weder Notausgänge noch Sprinkleranlagen. Die Zimmer waren mit Pappe und Laken unterteilt, und einige Bewohner lebten in Dutzenden von Blechhütten, die innerhalb des Gebäudes auf einer Freifläche im Erdgeschoss errichtet worden waren.“
Berichten zufolge wurde das Gebäude von Banden betrieben, die Wasser und Strom „über illegale Anschlüsse“ bereitstellten. Ein 26-jähriger Arbeiter erzählte gegenüber der New York Times, er zahle 32 Dollar pro Monat an Miete, um in dem Gebäude zu wohnen. Sein Lohn betrage lediglich 107 Dollar. Bei den Bewohnern handelte es sich größtenteils um Einwanderer, die aus den ländlichen Gebieten Südafrikas und dem verarmten Malawi in die Stadt zogen. Andere wiederum kamen aus Simbabwe und Tansania.
Mit dem Ende des rassistischen Apartheidregimes im Jahr 1994 kam der Afrikanische Nationalkongress (ANC) an die Macht und versprach, die seit langem bestehende Wohnungskrise des Landes zu lösen. Nelson Mandela erklärte das Recht auf Wohnraum zu einem „Versprechen, das nicht zu brechen ist“.
Doch das Versprechen ist gebrochen worden. Heute schätzt die Regierung, dass 12,5 Millionen Menschen über unzureichenden Wohnraum verfügen, was die tatsächliche Lage wahrscheinlich massiv unterschätzt. Eine Umfrage der Regierung aus dem Jahr 2017 ergab, dass fast 15 Prozent des Landes und 20 Prozent der Bewohner der Provinz Gauteng (in der Johannesburg liegt) in irregulären Unterkünften leben, zu denen auch die Blechhütten zählen, die in den 2.700 Slums des Landes verbreitet sind.
Das Center for Affordable Housing Finance in Africa (CAHF) stellte in einem Bericht von 2019 fest, dass die Initiative des ANC für den öffentlichen Wohnungsbau „eindeutig unzureichend ist, um die Nachfrage zu decken“. Das Ergebnis von 30 Jahren Herrschaft des ANC zeigt sich allein in der Tatsache, dass Präsident Cyril Ramaphosa 500 Millionen Dollar schwer ist, während die ANC-Regierung Zustände wie in Marshalltown verwaltet.
Die Bedingungen, die zu solchen Katastrophen führen, und die Gleichgültigkeit der Behörden sind in den imperialistischen Zentren der Welt, die seit Jahrhunderten die riesigen natürlichen Ressourcen Afrikas geplündert haben, im Grunde die gleichen. Im Juni 2017 starben 72 Menschen in Großbritannien bei dem Brand im Grenfell Tower, weil die britische Regierung es zuließ, dass Wohngebäude in London mit billigem, brennbarem Verkleidungsmaterial ausgestattet wurden, von denen die Behörden wussten, dass es gefährlich ist. Im Juni 2021 starben 98 Menschen, als die Surfside-Wohnanlage in einem Vorort von Miami, Florida, als Resultat von Kosteneinsparungen und mangelnden Bauvorschriften einstürzte.
In jedem dieser Fälle hätte der Verlust von Menschenleben, der auf so kriminelle Weise verursacht wurde, verhindert werden können, wenn die Behörden auch nur die geringste Aufmerksamkeit oder die geringsten Ressourcen auf die grundlegendsten Bedürfnisse der Weltbevölkerung gerichtet hätten. Die Verantwortung für solche tödlichen Vorfälle liegt letztlich bei einer parasitären herrschenden Klasse, die die Gesellschaft erwürgt und die Entwicklung der Menschheit blockiert.
Wie viele der Hunderttausenden von Menschen, die bei den Erdbeben in der Türkei und in Syrien im Februar dieses Jahres ums Leben kamen, hätten gerettet werden können, wenn die Behörden die erforderlichen Mittel bereitgestellt hätten, um sicherzustellen, dass Gebäude, die in Erdbebengebieten errichtet wurden, sicher bewohnbar sind? Wie viele der 115 Menschen, die bei den Bränden im August auf Maui ums Leben kamen, hätten entkommen können, wenn die Behörden sich die Mühe gemacht hätten, ein angemessenes Warnsystem einzurichten? Allein in diesem Jahr kamen bei Zugunglücken in Griechenland und Indien 57 bzw. 300 Menschen ums Leben, weil die Banken und Konzerne Kürzungen im Bereich der öffentlichen Infrastruktur forderten.
Das erschütterndste Beispiel für die Gleichgültigkeit der herrschenden Klasse gegenüber dem Verlust von Menschenleben ist die Coronavirus-Pandemie. Anstatt Einschränkungen zu erlassen, die sich auf die Gewinne der Unternehmen auswirken könnten, ließen die Regierungen es zu, dass sich das Virus nahezu ungebremst ausbreitet. Im Ergebnis hat die Pandemie mehr als 20 Millionen Tote gefordert und neue Varianten verbreiten sich weiterhin auf der ganzen Welt.
Daraus ergibt sich die dringende Notwendigkeit, den Reichtum der Gesellschaft unter Kontrolle zu bringen und ihn unmittelbar den menschlichen Bedürfnissen zuzuführen. Die Gesellschaft kann sich die Reichen nicht mehr leisten. Etwas mehr als 250 Milliardäre verfügen über mehr Vermögen als die ärmste eine Milliarde Menschen. Allein im Jahr 2021 haben die reichsten 1 Prozent der Amerikaner zusätzlich zu dem, was sie bereits besitzen, 6,5 Billionen Dollar eingenommen – mehr als genug, um der gesamten Weltbevölkerung Zugang zu angemessenem Wohnraum, Nahrung, Gesundheitsversorgung und Bildung zu verschaffen.
Der Todesmarsch des Kapitalismus muss aufgehalten werden. Die Banken und Großindustrien müssen enteignet und unter die demokratische Kontrolle der Arbeiterklasse gestellt werden, damit sie für die Bedürfnisse der Menschen und nicht für den privaten Profit betrieben werden. Die Tresore der Reichen müssen geöffnet und das gehortete Vermögen in Billionenhöhe der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden. Die immensen technologischen Fähigkeiten der Menschheit dürfen nicht für Krieg und Profit eingesetzt werden, sondern müssen genutzt werden, um der globalen Arbeiterklasse wichtige Dienstleistungen und Informationen zur Verfügung zu stellen, um die sichere und freie Migration von Menschen nach ihren Bedürfnissen zu erleichtern und um die Auswirkungen des Klimawandels umzukehren.
Es ist dringend notwendig, der Bevölkerung die Ressourcen der Welt zur Verfügung zu stellen. In einem Oxfam-Bericht vom Januar 2022 unter dem Titel „Inequality Kills“ (Ungleichheit tötet) wurde versucht, die Zahl der Menschen zu beziffern, die jedes Jahr aufgrund von Einkommens- und Vermögensungleichheit sterben. Der Bericht kam zu dem Schluss: „Jeden Tag trägt die Ungleichheit zum Tod von mindestens 21.000 Menschen bei. Das ist eine Person alle vier Sekunden.“ Dies sei eine „konservative Schätzung“, so Oxfam.
Die Summen sind unfassbar. Trotz der technischen Errungenschaften des 21. Jahrhunderts sterben jedes Jahr 5,6 Millionen Menschen an den Folgen mangelnder medizinischer Versorgung. Mehr als 2 Millionen Menschen sterben jedes Jahr an Hunger, und diese Zahl wird durch den Krieg der USA und der Nato gegen Russland, der die Lebensmittelpreise in die Höhe getrieben hat und die Welt mit einer nuklearen Katastrophe bedroht, noch drastisch ansteigen. Laut Schätzungen von Oxfam werden bis 2030 jedes Jahr 230.000 Menschen mehr durch Hitzewellen, Überschwemmungen und Stürme sterben, die durch den Klimawandel verstärkt werden.
Überall auf der Welt haben sich Streiks und Proteste gegen Ungleichheit entwickelt, da der Widerstand gegen die unerträglichen Bedingungen, denen die Arbeiter ausgesetzt sind, wächst. Vom Arabischen Frühling bis zur Welle der Massenproteste 2019-2021 hat die Arbeiterklasse weltweit immer wieder ihre Bereitschaft gezeigt, im Kampf für Gleichheit Opfer zu bringen. Die Liste der Länder mit den meisten Massenprotesten im letzten Jahr gibt einen Eindruck von der objektiven internationalen Einheit der Arbeiterklasse. Die steigende Inflation und die zunehmenden Lebenshaltungskosten treiben Massen von Arbeitern in den Kampf.
Was nun notwendig ist, ist eine revolutionäre Führung. Die Arbeiterklasse muss sich ihrer immensen revolutionären Kraft bewusst werden. Der Sturm auf die Kommandohöhen der Weltwirtschaft und die Enteignung der Ausbeuter erfordert mehr als Militanz. Er erfordert einen politischen Kampf, den Kampf für den Sozialismus. Eine solche Bewegung, bewaffnet mit den Lehren der Vergangenheit und geeint über Hautfarben und Nationalitäten hinweg, kann die Ressourcen der Gesellschaft erschließen, Armut und Not beseitigen und ein neues Kapitel in der Geschichte der Menschheit aufschlagen.