Der deutsche Imperialismus reagiert auf den gescheiterten Versuch auf dem G-20 Gipfel, die Schwellenländer stärker für die Nato-Kriegsoffensive gegen Russland einzuspannen, mit einer Ausweitung seiner Kriegsunterstützung für die Ukraine. Die ehemaligen Pazifisten der Grünen spielen dabei eine Schlüsselrolle.
Aktuell befindet sich die grüne Außenministerin Annalena Baerbock in den USA. Ein zentrales Ziel ihrer Reise besteht darin, die Nato-Kriegsoffensive zu koordinieren. Bei ihrem Treffen mit dem texanischen Gouverneur Greg Abbott am Dienstag sei die weitere Ukraine-Unterstützung ein wichtiges Thema gewesen, über das man sich „lang und intensiv“ ausgetauscht habe, erklärte Baerbock.
Dass Baerbock zu Beginn ihrer mehrtägigen Reise ausgerechnet Abbott traf, unterstreicht, dass die Grünen mit den reaktionärsten Kräften paktieren, um den Krieg zu eskalieren und die Interessen des deutschen Imperialismus zu befördern. Abbott ist politisch auf einer Linie mit dem früheren US-Präsidenten Donald Trump. Er gilt als Unterstützter des faschistischen Putschversuchs am 6. Januar 2021, ist ein vehementer Abtreibungsgegner und geht brutal gegen Migranten vor. All das ist offenbar kompatibel mit Baerbocks sogenannter „feministischer Außenpolitik“. Das Gespräch „hätte noch Stunden weitergehen können“, erklärte sie nach dem Treffen mit Abbott.
Am Mittwoch setzte Baerbock ihre Kriegsreise fort und stattete der Sheppard Air Force Base in Wichita Falls einen Besuch ab. Auf dem Luftwaffenstützpunkt im Norden von Texas werden seit Anfang der 1960er Jahre deutsche Kampfflieger ausgebildet. Seit dem 1. April 2019 ist dort auch das Taktische Ausbildungskommando der Luftwaffe stationiert. Am heutigen Donnerstag reist Baerbock weiter nach Washington, wo sie unter anderem US-Außenminister Antony Blinken trifft.
Es ist klar, dass im Zentrum der Gespräche mit Blinken eine massive Eskalation des Kriegs in der Ukraine stehen wird. Die führenden Nato-Mächte – allen voran Deutschland und die USA – sind verzweifelt bemüht, ein vollständiges Debakel der extrem verlustreichen ukrainischen „Gegenoffensive“ abzuwenden, und Russland eine „strategische Niederlage“ beizubringen. Vergangene Woche war Blinken in Kiew und versprach, den Krieg „so lange wie nötig“ fortzusetzen.
Anfang dieser Woche folgte ihm Baerbock und äußerte sich vor Ort nahezu wortgleich. „Sie können auf die Unterstützung Deutschlands zählen - solange es nötig ist“, schrieb sie in einer Twitter-Nachricht Dmytro Kuleba. Und auf einer gemeinsamen Presskonferenz mit ihrem ukrainischen Amtskollegen erklärte sie: „Egal zu welcher Jahreszeit, wir lassen nicht nach, die Ukraine bei ihrer Verteidigung gegen Russlands Aggression zu unterstützen: wirtschaftlich, militärisch, humanitär.“
Kuleba seinerseits pries die Bundesregierung für ihre Unterstützung. Deutschland spiele „eine wichtige Rolle bei der Schaffung eines Luftabwehrschildes“ und auch „für die Panzerproduktion und den Einsatz von Panzern“. Vor allem der deutsche Luftabwehrpanzer „Gepard“ habe sich „außerordentlich gut bewährt“. Nun gehe es um „weitere Unterstützungsleistungen in diesen Bereichen“ und auch die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern.
Baerbock ließ keinen Zweifel daran, dass Deutschland die Waffenlieferungen ausweiten wird und erging sich dabei in der bekannten Propaganda. „Helft uns, damit Putin diesen Krieg nicht gewinnt“, hätten sie ukrainische Kinder angefleht, die zuvor angeblich in russischer Gefangenschaft gewesen seien. Und ihre Antwort laute: „Ja, wir stützen die Ukraine dabei, sich gegen Russlands Aggression zu verteidigen.“ Mit 22 Milliarden Euro sei Deutschland „mittlerweile der zweitgrößte Unterstützer der Ukraine weltweit“ und man werde „nicht nachlassen“, sondern blicke „bereits in die Zukunft“.
Was das bedeutet, ist klar. Die gleiche herrschende Klasse, die bereits im 20. Jahrhundert zwei mörderische Kriege gegen Russland geführt hat, und dabei auch versuchte, sich die Ukraine einzuverleiben, prescht erneut aggressiv vor, um die Interessen des deutschen Imperialismus militärisch durchzusetzen.
Während Baerbock in Kiew weilte, verkündete Rheinmetall zusätzliche Panzer-Lieferungen für Kiew. „Die deutsche Bundesregierung hat Rheinmetall beauftragt, 40 Schützenpanzer Marder an die Ukraine zu liefern“, heißt es in einer Mitteilung des deutschen Rüstungsriesen, der bereits die Nazi-Wehrmacht hochgerüstet hat. Bislang hat das Unternehmen nach eigenen Angaben schon 40 Marder in die Ukraine geschickt; hinzu kommen weitere 20 Schützenpanzer aus Bundeswehrbeständen.
Auch die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern wird hinter den Kulissen vorbereitet. In Kiew machte Baerbock zwar noch keine konkrete Zusage, betonte aber, dass ihr die „Situation mehr als bewusst“ sei. Es reiche jedoch „nicht aus, Dinge nur zu versprechen“. Wie vor der Lieferung anderer Waffensysteme müssten zunächst „alle Fragen geklärt sein“.
Das Prozedere folgt einem bekannten Muster. Auch die Lieferung von Kampfpanzern wurde lange hinter den Kulissen vorbereitet und mit Washington koordiniert, bevor sie öffentlich verkündet wurde.
„Das ist keine Sache, die man einfach mal so schnell machen kann – so wie auch bei den Leopard-Panzern und beim Luftabwehrsystem Iris-T muss vorher jedes Detail geklärt sein“, erklärte Baerbock in einem Interview mit der Funke Mediengruppe am Wochenende. Im gleichen Atemzug nannte sie „die ukrainische Bitte nach Gerät mit größerer Reichweite mehr als verständlich“. Um die Menschen „im Osten der Ukraine zu befreien, um russische Nachschublinien hinter der Verteidigungslinie zu treffen, muss der Minengürtel überwunden werden.“
Die Lieferung wäre eine massive Ausweitung des Nato-Kriegs gegen Russland und Teil einer Eskalationsspirale, die immer akuter die Gefahr eines dritten nuklearen Weltkriegs erhöht. Die Taurus-Marschflugkörper haben eine Reichweite von über 500 Kilometern und fliegen damit noch weiter als die britisch-französischen Storm Shadow/Scalp-Raketen, die bereits an Kiew geliefert werden. Sie könnten nicht nur Ziele auf der Krim, sondern tief im russischen Kernland attackieren.
Genau das ist der Plan und findet bereits statt. Am Mittwoch attackierte die ukrainische Armee eine Werft in der Sewastopol, der größten Stadt auf der Krim und Hauptstützpunkt der russische Schwarzmeerflotte. Dabei wurden nach russischen Angaben 24 Menschen verletzt, vier von ihnen schwer. Zudem wurden zwei Kriegsschiffe, die sich zur Reparatur in der Werft befanden, beschädigt.
Gegenüber der Funke Mediengruppe rechtfertigte Baerbock derartige Angriffe und Schläge bis tief ins russische Kernland. Auf die Frage, ob sie auch „Gegenschläge“ auf „russisches Herzland“ billige, erwiderte sie: „Nicht die Ukraine greift Russland an, sondern Russland ist mit Panzern, Soldaten, Raketen in die Ukraine einmarschiert. Wenn die Ukraine sich dagegen verteidigt, um ihre Menschen zu schützen, tut sie das im Einklang mit dem Völkerrecht. Konkret dem Recht auf Selbstverteidigung, verbrieft in der UN-Charta.“
Das ist nichts als Propaganda. Tatsächlich geht es bei der massiven Kriegseskalation nicht um „Selbstverteidigung“. Die Nato-Mächte haben den reaktionären Einmarsch Putins in die Ukraine mit der ständigen Erweiterung des Militärbündnisses gen Osten, dem pro-westlichen Putsch in Kiew 2014 und der systematischen Bewaffnung rechtsextremer Kräfte in der Ukraine gezielt provoziert. Nun heizen sie den Krieg immer weiter an, um Russland in die Knie zu zwingen. Den deutschen Eliten geht es dabei wie in der Vergangenheit nicht um „Menschenrechte“ und „Demokratie“, sondern um handfeste imperialistische Interessen.
„Der Krieg in der Ukraine ist auch ein Kampf um die Rohstoffe“. Das Land habe „große Vorkommen an Eisen, Titan und Lithium, die nun zum Teil von Russland kontrolliert werden“, stellte die Außenwirtschaftsagentur Germany Trade and Invest (GTAI) bereits in einem Strategiepapier Anfang des Jahres fest. Die GTAI ist im vollständigen Eigentum des Bundes und dem ebenfalls von den Grünen geführten Wirtschaftsministerium unter Robert Habeck zugeordnet. Den Aufsichtsrat leitet die grüne Bundestagsabgeordnete und Parlamentarische Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium Franziska Brantner.
Unter dem Schlagwort „Wiederaufbau“ greift die deutsche Wirtschaft nach der Ukraine. Bei ihrem Besuch in Kiew kündigte Baerbock an, man werde „im nächsten Jahr gemeinsam die Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine in Berlin ausrichten“. Schon im vergangenen August hatte der Ostausschuss der Deutschen Wirtschaft die Arbeitsgruppe „Recovery Ukraine“ ins Leben gerufen, die im September 2022 das Dossier „Rebuild Ukraine“ veröffentlichte. Es beinhaltet „Vorschläge der deutschen Wirtschaft für den Wiederaufbau und die Modernisierung der ukrainischen Wirtschaft“.
Hinzu kommen geostrategische Interessen, die gerade auch von den Grünen besonders offen formuliert werden. In Kiew sprach sich Baerbock erneut für die Aufnahme der Ukraine in die Europäische Union aus. Man müsse „die Erweiterung der EU als notwendige geopolitische Konsequenz aus Russlands Krieg begreifen“, erklärte sie. Die herrschende Klasse nutzt den Ukrainekrieg systematisch, um sich als führende Militärmacht in Europa zu etablieren und seine eigenen Interessen weltweit durchzusetzen.
Diesem Ziel dient auch die momentan (noch) enge außenpolitische und militärische Koordination mit den USA. Sie folge „dem Grundsatz: Kooperation wo möglich und eigene Handlungsfähigkeit wo nötig“, erklärte Baberbock im bereits zitierten Interview. Der „russische Angriffskrieg“ habe „gezeigt, dass wir Europäer stärker in der Lage sein müssen, uns selbst zu schützen. Wir müssen wehrhaft sein und entsprechend in unsere gemeinsame europäische Verteidigung investieren.“ Dazu gehöre „auch die Entwicklung einer europäischen Rüstungsindustrie“ und die Offensive für ein „gemeinsames europäisches Raketenabwehrsystem“. Dies dulde aus ihrer Sicht „keinen Aufschub“.
Die Aggressivität mit der die Grünen für Krieg und eine von Deutschland dominierte europäische Militär- und Großmachtpolitik eintreten, zeigt, in welchem Ausmaß die wohlhabenden Mittelschichten, für welche die Grünen sprechen, die neue soziale Basis für Krieg und Militarismus bilden. Unter Arbeitern und Jugendlichen sind sie dafür – wie die Regierung insgesamt und alle kapitalistischen Parteien – zunehmend verhasst.