Ausstellung „Russian War Crimes“ im Foyer der Humboldt-Universität

Gräuelpropaganda im Dienst des deutschen Militarismus

Am 4. September eröffnete die Universitätspräsidentin Julia von Blumenthal die Foto-Ausstellung „Russian War Crimes“ im Foyer der Humboldt-Universität Berlin. Die Bilder stehen in der schlimmsten Tradition der Gräuelpropaganda und dienen dazu, den Krieg in der Ukraine weiter zu eskalieren. Die Universität stellt sich damit direkt in den Dienst des deutschen Militarismus, der sich zum dritten Mal aufschwingt, Russland militärisch zu besiegen und zu unterwerfen.

Der Blick auf das Foyer der HU mit der Ausstellung "Russian War Crimes"

Die Humboldt-Universität, die schon die Konzeption des Vernichtungskriegs gegen die Sowjetunion mit ausgearbeitet hatte, beteiligt sich damit erneut an der Eskalation eines schrecklichen Kriegs, der von den Nato-Mächten bewusst provoziert wurde und vorangetrieben wird. Sie betrachten den reaktionären Überfall Putins auf die Ukraine als Gelegenheit, ihre eigenen imperialistischen Ziele zu verwirklichen.

Blumenthal erklärte bei der Eröffnung der Ausstellung dann auch unmissverständlich, dass die HU ein klares politisches Ziel verfolgt. Sie beklagte, dass sich in der deutschen Öffentlichkeit eine „allmählich abnehmende Unterstützung“ für die Ukraine breit mache. Ihre Hoffnung sei, dass die HU beitragen könne, ein anderes „Bewusstsein zu schaffen“.

Der milliardenschwere Oligarch Wiktor Pintschuk, der die Ausstellung finanziert, erläuterte im Anschluss, was das konkret bedeutet. Unter dem tosendem Applaus der etwa 60 ausgewählten Gäste drückte er seine Hoffnung aus, dass die Ausstellung helfe, „mehr Waffen zu schicken und sehr viel schneller“. Bezeichnenderweise verband Pintschuk diese Forderung direkt mit der Verharmlosung der Nazi-Verbrechen. So nannte er den russischen Überfall einen „Genozid an der ukrainischen Bevölkerung“, der die Hoffnung zerstört habe, dass sich die Tragödie des Holocaust niemals wiederholen solle.

Der milliardenschwere Oligarch Wiktor Pintschuk eröffnet die Ausstellung "Russian War Crimes" an der HU Berlin

Die größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte, die allein in der Ukraine Millionen von Zivilisten das Leben gekostet haben, darunter 1,6 Millionen Juden, werden damit auf eine Stufe mit dem Krieg in der Ukraine gestellt, der weder in der Intention noch in der Durchführung irgendetwas mit dem Vernichtungskrieg der Nazis zu tun hat. Die Grausamkeiten dieses Kriegs erreichen auch bei weitem nicht die Brutalität, mit der die Nato-Länder ihre Kriege in Afghanistan, dem Irak, Libyen, Somalia und Syrien geführt haben, denen bis zu 4,5 Millionen Menschen zum Opfer gefallen sind.

Wenn Pintschuk an der ehemaligen Friedrich-Wilhelms-Universität unter Applaus eine derartige Verniedlichung des Holocaust betreibt, zielt das direkt darauf ab, den deutschen Imperialismus historisch reinzuwaschen. Denn nicht nur die ukrainische Regierung stellt sich in die Tradition der Nazi-Kollaborateure wie Stepan Bandera, auch Deutschland knüpft an seine Kriegspolitik im Zweiten Weltkrieg an.

Was für ein Ausmaß der Eskalation des Kriegs mit dieser Propaganda vorbereitet wird, machte die Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) bei der Eröffnung deutlich. Ziel müsse nicht nur die territoriale Integrität der Ukraine – und damit die vollständige militärische Niederlage Russlands – sein, sondern Russland müsse auch gezwungen werden, Entschädigung an die Ukraine zu zahlen. Das wird nur mit einem direkten Krieg der Nato gegen Russland möglich sein und wird nicht nur weitere hunderttausenden Menschen das Leben kosten, sondern das Überleben der gesamten Menschheit in Frage stellen.

Die Ausstellung dient diesen imperialistischen Zielen. Sie wurde zuvor schon im Nato-Hauptquartier, beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos und auf der Münchener Sicherheitskonferenz gezeigt. Die Bilder haben nichts mit den berühmten Anti-Kriegsfotografien eines Nick Út oder Robert Capa gemein, die die Grausamkeit des Kriegs einfingen und zur Reflexion über seine Hintergründe aufforderten, sondern stehen in der üblen Tradition der Gräuelpropaganda. Sie sollen schockieren und russische Soldaten als Monster darstellen, um eine weitere Eskalation des Waffengangs zu rechtfertigen.

Das beginnt schon bei der Info-Karte am Anfang der Ausstellung. Unter der Überschrift „Unvollständige Karte der Russischen Kriegsverbrechen“ werden die bisher bestätigten 10.926 getöteten Zivilisten nach Regionen aufgelistet. Dabei wird verschwiegen, dass diese Zahl auch die tausenden durch die ukrainische Armee Getöteten umfasst, die kurzerhand der russischen Armee angelastet werden. Nicht mit aufgeführt sind zudem die etwa 3.400 Zivilisten, die von 2014 bis 2022 im Donbass umgebracht wurden.

Die gleiche völlige Einseitigkeit findet sich in den Bildern. Kein einziges Foto dokumentiert Verbrechen der ukrainischen Armee, die unter anderem geächtete Waffen wie Uranmunition und Streubomben einsetzt, oder ihrer faschistischen Milizen wie dem Asow-Regiment, die nachweislich Kriegsgefangene verstümmelt, Frauen vergewaltigt und Zivilisten ermordet haben.

Bei den Bildern, die gezeigt werden, ist die behauptete russische Urheberschaft des Grauens zudem oft nicht abschließend geklärt, sondern Teil der Propaganda auf beiden Seiten. Das gilt für die Opfer der Zerstörung des Kachowka-Staudamms, der Bombardierung einer Geburtsklinik in Mariupol und die zahlreichen zerstörten Wohngebäude, die in der Ausstellung zu sehen sind. Amnesty International und die UN haben längst dokumentiert, dass ukrainische Truppen zivile Gebäude als „menschliche Schutzschilde“ nutzen, was selbst ein Kriegsverbrechen darstellt.

Deshalb sind die Bilder oft kontextlos und setzen stattdessen auf klassische Stilisierungen. Selbst eine Pietà-Inszenierung einer alten Frau mit einem Kind in ihren Armen, die aus den überfluteten Gebieten flieht, fehlt nicht.

Das schreckliche Grauen an der Front, dem die Soldaten beider Seiten täglich ausgesetzt sind, wird hingegen völlig ausgeblendet. Jeden Tag sterben hunderte russischer und ukrainischer Männer im Kugelhagel. Nichts davon wird jedoch in der Ausstellung dargestellt, weil das zeigen würde, was weitere Waffenlieferungen und eine Verschärfung des Kriegs bedeuten.

Ihren abstoßenden Höhepunkt findet die Ausstellung in einem Video, das großflächig an die Wand projiziert wird. Zehn Minuten lang werden bis zu zehn Bilder pro Sekunde mit Leichen, zerstörten Gebäuden und anderen Kriegsfolgen abgespielt, die so kurz zu sehen sind, dass keinerlei Raum dafür besteht, sich mit dem Kontext zu beschäftigen oder auch nur das ganze Bild zu erfassen. Stattdessen werden bloße Emotionen erzeugt, die dann mit zusammengeschnittenen Tonaufnahmen von mutmaßlichen Gesprächen russischer Soldaten untermalt werden, in denen sie ihre Freude über das Töten von Zivilisten und über das Plündern ihrer Häuser äußern.

Die Zuschauer sollen keinen Einblick in die Schrecken des Kriegs, die Lage der ukrainischen Bevölkerung und der Soldaten an der Front erhalten. Sie sollen die Bilder nicht kritisch befragen und über die Hintergründe des Kriegs und Möglichkeiten seiner Beendigung nachdenken. Vielmehr sollen Emotionen mobilisiert werden, um die russischen Soldaten als Monster darzustellen und eine immer weitere Eskalation des Kriegs zu rechtfertigen.

Diese Art der Gräuelpropaganda knüpft an eine üble Tradition an. Schon die Nazis erfanden oder überhöhten tatsächliche Handlungen der Roten Armee oder lösten sie aus ihrem Kontext, um den Feldzug gegen die Sowjetunion propagandistisch zu rechtfertigen. Einen Wendepunkt hin zu einer schrankenlosen Gräuelpropaganda stellte die Wochenschau vom 9. Juli 1941 dar. Der Film nutzte die Tötung von 4.000 ukrainisch-nationalistischen Kriegsgefangenen durch den sowjetischen NKWD, um die Rotarmisten als „Bestien in Menschengestalt“ darzustellen, die „Männer, Frauen und Kinder“ mit den brutalsten Mitteln massakriert hätten. Nach dieser Sendung ordnete Hitler persönlich an, dass noch weitere solche Videos über Gräueltaten in der Wochenschau gezeigt werden sollten, „damit das deutsche Volk erkennt, um was und mit wem der Kampf geht“. Es entstand eine bis dahin beispiellose Propagandamaschinerie.

Screenshot aus der Wochenschau vom 9. Juli 1941

Dass sich die herrschende Klasse nun wieder dieser Methoden bedient, ungeklärte Ereignisse vereindeutigt, völlig einseitig und kontextlos darstellt und den Gegner als Bestie zeichnet, liegt daran, dass sie auch wieder an die gleichen Kriegsziele anknüpft, die Deutschland bereits im Ersten und Zweiten Weltkrieg verfolgt hat: die Plünderung der Ukraine und die Unterwerfung Russlands.

Die Humboldt-Universität täte eingedenk ihrer verheerenden Geschichte gut daran, eine Ausstellung zu den historisch beispiellosen Verbrechen des deutschen Imperialismus in ihrem Foyer zu organisieren. Doch die ehemalige Friedrich-Wilhelms-Universität ist längst wieder zum Zentrum des Militarismus geworden.

Schon im Februar 2014, als der Maidan-Putsch in der Ukraine in vollem Gange war, stützte sich der heutige Chefredakteur des Spiegels, Dirk Kurbjuweit, in einem ausführlichen Artikel unter dem Titel „Der Wandel der Vergangenheit“ auf die beiden Humboldt-Professoren Herfried Münkler und Jörg Baberowksi, um die Verbrechen des deutschen Imperialismus zu beschönigen.

Münkler übernahm die Aufgabe, die Verbrechen des Ersten Weltkriegs reinzuwaschen und bezeichnete die These des berühmten Historikers Fritz Fischer, Deutschland habe in dem Krieg imperialistische Ziele verfolgt, als „im Prinzip hanebüchen“. Baberowski bescheinigte gar dem Nazi-Apologeten Ernst Nolte, ihm sei „Unrecht“ getan worden und er habe „historisch recht“. Als Begründung führte er an, dass Hitler „nicht grausam“ und der Holocaust „im Grunde das Gleiche“ wie Erschießungen im russischen Bürgerkrieg gewesen sei. Zuvor hatte er bereits behauptet, dass „Stalin und seine Generäle“ der Wehrmacht das brutale Vorgehen gegen die Zivilbevölkerung „aufgezwungen“ hätten.

Kurbjuweit hatte schon damals die Kriegspropaganda der Faschisten wiederbelebt. Er zitierte die Hetzschrift des notorischen Antisemiten R. Nilostonsky „Der Blutrausch des Bolschewismus“ als seriöse Quelle und verbreitete kritiklos dessen Propagandalügen über den russischen Bürgerkrieg, die den Nazis später als Rechtfertigung für ihren Vernichtungskrieg dienten. Unter anderem behauptete er, die Bolschewiki hätten ihre Gefangenen bei lebendigem Leibe von Ratten auffressen lassen. Wie schon Nolte zog Kurbjuweit diese Propaganda-Lügen heran, um die Nazi-Verbrechen zu rechtfertigen. „Hitler war natürlich nicht unbeeinflusst von dem, was er vom russischen Bürgerkrieg und vom Stalinismus wusste“, zitierte er wiederum Baberowski.

Diese bodenlose Verharmlosung der Nazi-Verbrechen und Rehabilitierung der nationalsozialistischen Kriegspropaganda wurde von keinem einzigen Kollegen Baberowskis kritisiert. Ganz im Gegenteil veröffentlichten das Institut für Geschichtswissenschaften der Universität und die Unileitung Stellungnahmen, in denen sie sich hinter den rechtsextremen Professor stellten und Kritik an seinen Positionen durch die International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) attackierten. Auch als Baberowski dazu überging, andere Kollegen zu bedrohen und einen StuPa-Abgeordneten der IYSSE sogar tätlich angriff, handelte er mit der vollen Unterstützung der Universitätsleitung.

Die IYSSE zeigten schon 2014 den engen Zusammenhang des Umschreibens der Geschichte an der HU und der Rückkehr des deutschen Militarismus auf. „Um neue Kriege vorzubereiten, müssen die Verbrechen des Kaiserreichs und des Nazi-Regimes relativiert und die Geschichte umgeschrieben werden“, erklärten sie in ihrem Statement zu den StuPa-Wahlen 2014. Im gleichen Jahr verkündete die Bundesregierung das „Ende der militärischen Zurückhaltung Deutschlands“ und intensivierte den Nato-Kurs gegen Russland.

Mittlerweile werden zum dritten Mal deutsche Waffen massenhaft gegen Russland gesandt und die Bundesregierung verkündet offen das Ziel, das Land militärisch zu besiegen. Gleichzeitig läuft die größte Aufrüstung seit Hitler. Unter diesen Bedingungen werden auch die Universitäten noch stärker in den Dienst des Militarismus gestellt.

Die IYSSE werden das nicht zulassen. Sie protestieren dagegen, dass die Unileitung die Humboldt-Universität nun direkt in einen Ausstellungsort für Kriegspropaganda verwandelt und werden ihren Kampf gegen die Rückkehr des deutschen Militarismus intensivieren. Wir rufen alle Studierenden auf, sich den IYSSE anzuschließen und den Kampf gegen Krieg zu unterstützen.

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