Deutsche Bahn: Tödlicher Arbeitsunfall in Köln Kalk muss aufgeklärt werden

Am 14. September starb Ali Ceyhan. Er wurde nur 33 Jahre alt. Drei Tage zuvor war er bei Gleisarbeiten im Bahnhof Köln Trimborner Straße (im Ortsteil Kalk) von einem Zug erfasst worden. Er konnte an der Unglücksstelle reanimiert werden, erlag aber schließlich seinen schweren Kopfverletzungen.

Ali Ceyhan [Photo by privat]

Das erfuhr die World Socialist Web Site erst kürzlich von seiner Lebensgefährtin Katharina Lopes Duarte, die ebenfalls 33 Jahre alt ist. Sie akzeptiert nicht, wie die Deutsche Bahn, für die Ali Ceyhan arbeitete, mit diesem Unglück umgeht. Sie verlangt Gerechtigkeit und fordert die genaue Aufklärung der Umstände seines tragischen Todes. Alis Familie unterstützt sie dabei nach Kräften.

Susen ist die Schwester von Ali. Sie umschreibt die dunkle Zeit, durch die alle Angehörigen derzeit gehen, in bewegenden Worten: „Ich habe meinen Bruder verloren, meine Eltern haben ihren Sohn verloren, Katharina ihren Partner. Wir haben unseren Lebenssinn verloren, sind in Dunkelheit. Wir suchen nach Antworten und bekommen keine. Wir möchten, dass sich jetzt etwas wirklich verändert, dass die Sicherheit bei der Bahn erhöht wird.“

„Ich tue alles, damit nicht noch jemand in die gleiche Situation wie wir kommt, einen geliebten Menschen zu verlieren“, betont Katharina. Ali war Weichenmechaniker und hätte im November seine Meisterprüfung abgelegt. Zehn Jahre waren die beiden zusammen, sie planten eine Familie. „Mein Herz ist gebrochen“, sagt die junge Frau. „Ich habe die Liebe meines Lebens verloren.“

Umso energischer setzt sie sich für die Aufklärung des Unglückstodes ihres Partners ein. Sie kontaktiert die Presse, Medien, die Deutsche Bahn, den Betriebsrat und die Gewerkschaft EVG. „Ali soll nicht als eine Zahl in der Statistik verschwinden“, sagt sie.

Sie weiß, dass es dauern wird, bis ihr und Ali Gerechtigkeit widerfährt. „Aber der eigentliche Sinn meiner Initiative in der Öffentlichkeit ist, dass die Deutsche Bahn nicht weiter mit dem Finger auf die kleinen Leute zeigen und jeden Unfalltod mit menschlichem Versagen erklären kann“, stellt sie klar. Ihr Ziel sei, dass die DB in Zukunft technische Sicherheitsvorkehrungen treffen müsse, die tödliche Unfälle verhindern.

„Ali hatte 1700 Euro netto verdient,“ sagt sie. „Ich glaube nicht, dass ihm bewusst war, wie gefährlich der Job ist.“ Was am Unglückstag, dem 11. September genau geschah, wisse sie nicht.

Doch als ihr ein Mitarbeiter des Organspendevereins – Ali war Organspender – dann berichtete, „dass er dieses Jahr zum dritten Mal Organe von DB-Mitarbeitern im Raum NRW hole“, wurde sie hellhörig und begann zu recherchieren.

Sie entdeckte den Artikel der WSWS, der über neun tödliche Unfälle bei der Bahn bis zum 10. September 2023 berichtete. Kurz vermerkt ist darin auch der Unfall von Ali Ceyhan am 11. September. Die DB hatte zu diesem Zeitpunkt nur zwei Zeilen über das Unglück veröffentlicht, auf die sich der Artikel bezog, nicht aber den Tod des Verunglückten gemeldet. Ali ist somit der zehnte Tote bei der Bahn in diesem Jahr!

Katharina Duarte setzte dann sofort alle ihr zur Verfügung stehenden Hebel in Bewegung, um die Sicherheit bei der Deutschen Bahn zu hinterfragen. Sie wandte sich an die Deutsche Bahn, die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), den Betriebsrat und zahlreiche Medien, um die mangelnde Sicherheit zu thematisieren, die offensichtlich ein weitverbreitetes Phänomen sei.

„Meine Freundin hat im Zug eine Unterhaltung von DB-Mitarbeitern mitbekommen“, berichtet sie. „Danach hatte ein Reparatur-Team kein Aufsichtspersonal, um das Team im Gleis zu schützen. Der leitende Mitarbeiter hat daraufhin aus Sicherheitsgründen die Reparatur abgelehnt. Die DB soll mit Abmahnungen gegen die Kollegen reagiert haben.“ Ihre Freundin habe daraufhin mit der Gruppe gesprochen und sie über den Arbeitsunfall Ali Ceyhans informiert.

Während sie bei Bahn-Beschäftigten Unterstützung erhielt, waren die Reaktionen von DB, EVG und Betriebsrat enttäuschend und empörend.

Die DB schickte ihr eine standardisierte Todesanzeige im Namen des Konzerns und des Betriebsrates, die angesichts der Umstände des Todes ihres Partners nur als geschmacklos bezeichnet werden kann. Die Anzeige enthielt einen kurzen, oberflächlichen Satz des Beileids, wonach Ali Ceyhan „plötzlich und unerwartet verstorben“ sei.

Katharina Duarte schrieb daraufhin einen empörten Brief, in dem sie sich ausdrücklich dagegen wandte, einen solchen Nachruf zu veröffentlichen.

„Ich bin empört und schockiert über die verlogene Anteilnahme des Betriebsrates“, schrieb sie. „Jeder Unfall ist ‚plötzlich und unerwartet‘. Das soll wohl ein Witz sein. ER HAT SEIN LEBEN BEI DER ARBEIT FÜR DIE DEUTSCHE BAHN GELASSEN, und das können Sie nicht leugnen!“ Es sei „mehr als offensichtlich, dass Sie damit ausschließlich die Interessen des Konzerns vertreten“. Das sei unverschämt. „Ich lasse nicht zu, dass Sie diese Tragödie runterspielen“, schloss sie.

Die DB habe sich entschuldigt und einen anderen Anzeigentext vorgeschlagen, der persönlicher ist, aber auch nicht auf die Sicherheit bei der Bahn eingeht.

Doch darum geht es ihr und der Familie. Das hat sie in ihrem Schreiben an die EVG, deren Mitglied Ali Ceyhan war, klar und deutlich formuliert. Katharina Duarte spricht darin die offensichtlich mangelhaften Sicherheitsvorkehrungen sowie die Verantwortung von DB und EVG an. „Hat die DB alle technisch verfügbaren Möglichkeiten ausgeschöpft, wenn man bedenkt, dass Autos bereits von alleine bremsen?“ fragt sie.

Unter Hinweis auf die Gefährlichkeit des Berufs („Lokomotivführer, -innen und verwandte Berufe“ belegen Platz drei der gefährlichsten Berufe Deutschlands) fragt sie nach der Angemessenheit der Entlohnung. Ali verdiente etwa 2.700 Euro brutto – rund 1.700 Euro netto – im Monat. „Steht ein solches Gehalt in Relation mit der Gefahr, der die Mitarbeiter der DB tagtäglich ausgesetzt sind? Wo bleibt der Aufschrei Ihrer Gewerkschaft? Monatelang wurde über den Tarifstreit mit der DB berichtet. Wieso wurde die Sicherheit der Mitarbeiter bei diesem Streit nie thematisiert?“

„Alis Tod hätte vermieden werden können,“ schreibt sie und äußert die Hoffnung, „dass dieser Brief dafür sorgt, dass dieses Problem öffentlich ausdiskutiert wird und dass Alis Tod somit einen Zweck erfüllt, nämlich dass seine rund 211.000 Kollegen in Deutschland täglich zur Arbeit gehen können mit dem Wissen, dass sie auch sicher nach Hause zu ihren Familien zurückkehren.“

Sie schließt mit der Feststellung, dass Ali Mitglied der EVG war und fragt: „Ihr Motto lautet: ‚Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft ist die starke berufliche Interessenvertretung, die gemeinschaftlich und zuverlässig für […] gute und sichere Arbeitsbedingungen für die gesamte Belegschaft sorgt‘. Ist das wirklich so? Ich möchte konkret wissen, was genau die Gewerkschaft für ihr Mitglied Ali Ceyhan leisten wird, um die DB zur Rechenschaft zu ziehen und um weitere Mitglieder vor dem Tod zu schützen.“

In seiner knappen Antwort antwortet der Kölner EVG-Sekretär Wilfried Otten, die EVG sei „immer darauf bedacht, dass die Arbeitgeber die Sicherheit an erster Stelle setzen“, weicht dann aber den konkreten Fragen aus und versteckt sich hinter den „laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft“. Daher könne sich die EVG „nicht zu evtl. Schuldfragen des Arbeitgebers äußern“.

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