Das Geheimtreffen von Potsdam und der Kampf gegen faschistische Gewalt

Am Mittwoch berichtete das investigative Recherchezentrum Correctiv unter dem Titel „Geheimplan gegen Deutschland“ über ein geheimes Treffen hochrangiger AfD-Politiker, Neonazis und finanzstarker Unternehmer. Sie seien am 25. November in einem Hotel in der Nähe von Potsdam zusammengekommen, um „nichts Geringeres“ zu planen „als die Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland“.

[Photo: Skjermbilde fra Correctiv-beretningen]

Das Treffen unterstreicht, wie weit die faschistische Verschwörung in der herrschenden Klasse in Deutschland fortgeschritten ist. 91 Jahre nach der Machtübergabe an Hitler diskutieren führende Rechtsextreme und Kapitalisten über monströse Deportationspläne, die an die völkermörderische Politik der Nazis anknüpfen.

Offenbar fand das Treffen nur acht Kilometer entfernt von der berüchtigten Villa der Wannseekonferenz statt. Dort hatten führende Angehörige des NS-Regimes am 20. Januar 1942 die „Endlösung“, d.h. die systematische Vernichtung der Juden, geplant. Correctiv merkt auch an, dass der „Geheimplan“ an den sogenannten Madagaskarplan der Nazis erinnert. Der antisemitische Plan war im Juni 1940 im Reichssicherheitshauptamt (RSHA) und im Auswärtigen Amt erarbeitet worden und hatte zum Ziel, vier Millionen europäische Juden in die damalige französische Kolonie Madagaskar zu deportieren.

Das Treffen am 25. November stand in dieser Tradition. Laut Correctiv hielt das Hauptreferat der österreichische Rechtsextremist und Kopf der Identitären Bewegung Martin Sellner. Das Rechercheportal fasst den von ihm präsentierten „Remigrationsplan“ wie folgt zusammen:

Es gebe drei Zielgruppen der Migration, die Deutschland verlassen sollten. Oder, wie er [Sellner] sagt, „um die Ansiedlung von Ausländern rückabzuwickeln“. Er zählt auf, wen er meint: Asylbewerber, Ausländer mit Bleiberecht – und „nicht assimilierte Staatsbürger“. Letztere seien aus seiner Sicht das größte „Problem“.

Sellner schwadronierte laut Correctiv auch von einem „Musterstaat“ in Nordafrika. Dann hätte man einen Ort, wo man Leute – Sellner nannte konkret die Zahl von zwei Millionen – „hinbewegen“ könne.

Alle anderen Teilnehmer äußerten sich ähnlich. „Der Großteil der Vorträge und Gespräche an diesem Tag [kreiste] um diesen zentralen Punkt […], die ‚Remigration‘“, schreibt Correctiv. Einer der Organisatoren des Treffens, Gernot Mörig, habe in seiner Begrüßung betont, dass sie genau dies zusammenführe: die Frage, „ob wir als Volk im Abendland noch überleben oder nicht“.

Mörig ist selbst ein führender Neonazi und Rechtsextremer. Er war bereits in den 1970er-Jahren Bundesführer des „Bundes Heimattreuer Jugend“ (BHJ), eines rechtsextremen Verbandes, der die nationalsozialistische Blut-und-Boden-Ideologie propagierte. Eine Abspaltung der BHJ, die „Heimattreue deutsche Jugend“, wurde 2009 wegen ihrer neonazistischen Orientierung verboten.

Neben Mörig hatte ein gewisser Hans-Christian Limmer zu dem Treffen eingeladen. Limmer ist ehemaliger Berater der Kapitalgesellschaft Roland-Berger. Bekanntheit erlangte er durch die Übernahme der millionenschweren Bäckereikette BackWerk sowie Investments in die Burgerkette Hans im Glück und den Essenslieferanten Pottsalat.

Zu den weiteren Teilnehmern des Treffens gehörten führende AfD-Figuren wie Roland Hartwig, der persönliche Referent der Co-Parteivorsitzenden Alice Weidel, der Bundestagsabgeordnete Gerrit Huy, der Fraktionsvorsitzende Sachsen-Anhalt Ulrich Siegmund und Tim Krause, stellvertretender Vorsitzender im Kreis Potsdam. Mit Simone Baum und Michaela Schneider nahmen zudem mindestens zwei Vertreter der CDU-nahen Werteunion teil, die aktuell vom rechtsextremen früheren Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen geführt wird.

Zusätzlich waren das CDU-Mitglied und frühere Kuratoriumsmitglied der AfD-nahen Desiderius Erasmus Stiftung, Ulrich Vosgerau, und Silke Schröder, Immobilienunternehmerin und Vorstandmitglied im Verein Deutsche Sprache, zugegen. Ebenso Alexander von Bismarck, ein Nachfahre des ersten Reichskanzlers Otto von Bismarck, Henning Pless, laut Correctiv ein rechtsextremer Heilpraktiker und Esoteriker, ein nicht namentlich genannter IT-Unternehmer und Blut-und-Boden-Nazi und weitere Rechtsextreme.

Während die AfD-Führung in einer Pressemitteilung zynisch erklärte, dass sie „nicht verantwortlich für Vorträge oder sonstige Inhalte“ sei, „die von Privatpersonen auf privaten Veranstaltungen“ gehalten würden, gaben sich Vertreter der anderen Bundestagsparteien entsetzt und gerierten sich als Vorkämpfer gegen Rechts.

„An alle gerichtet, die nicht wollen, dass sich Geschichte wiederholt, appelliere ich: Bekennen Sie Farbe, und überlassen Sie das Feld nicht den Menschenfeinden“, erklärte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Auch der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr zog Parallelen zum Nationalsozialismus und schrieb auf X: „Die Pläne zur Vertreibung von Millionen Menschen erinnern an das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte.“ Die Correctiv-Recherche zeige, „dass die AfD die Demokratie und unsere freiheitliche Grundordnung zutiefst ablehnt“.

Ähnlich äußerten sich Vertreter von CDU, Linkspartei und Grünen. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz verkündete auf X: „Wir lassen nicht zu, dass jemand das ›Wir‹ in unserem Land danach unterscheidet, ob jemand eine Einwanderungsgeschichte hat oder nicht. Wir schützen alle – unabhängig von Herkunft, Hautfarbe oder wie unbequem jemand für Fanatiker mit Assimilationsfantasien ist.“

Aus dem Mund des Kanzlers und den anderen Vertretern der Regierungsparteien ist das pure Heuchelei, die vor allem dazu dient, ihre eigenen Spuren bei der Stärkung der Rechtsextremen und der Erarbeitung und Durchsetzung umfassender Abschiebepläne zu verschleiern. Während Vertreter der CDU selbst am Potsdamer Geheimtreffen beteiligt waren und über besonders enge personelle Verbindungen zur AfD verfügen, paktieren auch die anderen etablierten Parteien in den Landtags- und Bundestagsausschüssen und auf kommunaler Ebene mit der AfD und haben insbesondere in der Flüchtlingspolitik das Programm der extremen Rechten übernommen. Dies sind nur einige der jüngsten Entwicklungen:

  • Etwa einen Monat vor dem Treffen in Potsdam erschien der Spiegel mit Scholz auf dem Titelbild und seiner Forderung: „Wir müssen endlich im großen Stil abschieben“. Seitdem überbieten sich Politiker aller Parteien mit immer aggressiveren Aufrufen, möglichst viele Flüchtlinge möglichst schnell zu deportieren.
  • Nur Wenige Tag nach Scholz’ Aufruf zu Massendeportationen forderte der stellvertretende CDU-Vorsitzende Jens Spahn, „irreguläre Migrationsbewegungen“ notfalls „mit physischer Gewalt“ aufzuhalten und Bootsflüchtlinge „an die nordafrikanische Küste“ zurückzubringen.
  • Die Grünen führten Ende November auf ihrem Karlsruher Parteitag eine „Asyldebatte“, in der sich die gesamte Parteiführung für die Verschärfung der Angriffe auf Flüchtlinge und Migranten, für mehr Abschiebungen und für die weitere Schleifung des Asylrechts einsetzte.
  • Und auch die Linkspartei setzt überall dort, wo sie (mit)regiert, das flüchtlingsfeindliche Programm in die Tat um. Vor allem Thüringen, das vom einzigen linken Ministerpräsidenten Bodo Ramelow regiert wird, ist bekannt für seine brutalen Deportationen und hohen Abschiebequoten.

Auch auf europäischer Ebene übernimmt die herrschende Klasse die Flüchtlingspolitik der extremen Rechten. Wenige Tage vor Weihnachten einigten sich Vertreter der EU-Staaten und des Europaparlaments auf eine massive Verschärfung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS). Die von der AfD bejubelten Maßnahmen kommentierten wir wie folgt:

Der Tag wird in der Tat in die Geschichte eingehen, als Tag, an dem die EU und ihre nationalen Regierungen ganz offen das flüchtlingsfeindliche Programm der extremen Rechten übernommen haben. Die Umsetzung der von der EU auf den Weg gebrachten „Lösungen“ bedeutet die Abschaffung des Asylrechts, den Ausbau der Festung Europa, Massendeportationen und die Inhaftierung selbst von Frauen und Kindern in KZ-ähnlichen Abschiebelagern.

Auch in allen anderen zentralen politischen Bereichen verfolgt die herrschende Klasse ein im Kern faschistisches Programm. Neben dem massiven Angriff auf soziale und demokratische Rechte und der Durchseuchungspolitik in der Pandemie zeigt sich das vor allem auch in der Kriegspolitik. Im Krieg gegen Russland bewaffnen die Nato-Mächte in der Ukraine ein Regime, das Nazi-Kollaborateure wie Stepan Bandera bejubelt und faschistische Armeeeinheiten wie das Asow-Bataillon verherrlicht.

Mit ihrer Unterstützung für Israels Genozid an den Palästinensern sind alle Bundestagsparteien offen ins Lager von Völkermord und Diktatur übergegangen. Während die Bomben, die auf Gaza regnen, als deutsche Staatsräson gelten, werden friedliche Demonstrationen dagegen verboten und ganze Stadtteile von der Polizei belagert. Flüchtlingen und Migranten, die gegen den Genozid protestieren, drohen die etablierten Parteien unter dem falschen Vorwurf des Antisemitismus mit Abschiebung und sogar der Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft. Bei all dem ist der Stichwortgeber und Bündnispartner die rechtsextreme AfD.

Die Tatsache, dass die herrschende Klasse insgesamt den Terror gegen Flüchtlinge vorantreibt und Genozid, Autoritarismus und Faschismus „normalisiert“, zeigt, dass Arbeiter und Jugendliche im Kampf gegen rechtsextreme Gewaltpläne mit umfassenden politischen Aufgaben konfrontiert sind. Der Kapitalismus, der – um mit Trotzki zu sprechen – wieder seine „unverdaute Barbarei erbricht“, kann nicht reformiert werden, sondern er muss durch eine revolutionäre Bewegung der europäischen und internationalen Arbeiterklasse gestürzt und durch die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa ersetzt werden.

Dafür kämpfen die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) und ihre Schwesterorganisationen. „Arbeiter müssen der EU der Banken und Konzerne, des Massensterbens und des Kriegs die Perspektive der Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa entgegensetzen“, schreibt die SGP in ihrem Wahlaufruf für die Europawahl. „Der Krieg kann nicht beendet, Menschenleben können nicht gerettet und die Löhne nicht verteidigt werden, ohne die Macht der Banken und Konzerne zu brechen und sie unter demokratische Kontrolle zu stellen.“

Alle, die über das rechtsextreme Treffen in Potsdam, den Genozid in Gaza und die Faschisierung der bürgerlichen Politik insgesamt alarmiert sind, sollten das Programm der SGP studieren und sich unserem Kampf noch heute anschließen.

Loading