Frankreich: Lutte Ouvrière unterstützt Neue Volksfront, die ein Bündnis mit Macron anstrebt

Das Erstarken des rechtsextremen Rassemblement National (RN, Nationale Sammelbewegung) und der Zusammenbruch von Präsident Emmanuel Macrons Parteienbündnis Ensemble in der ersten Runde der vorgezogenen Parlamentswahlen am 30. Juni entlarven den Bankrott der kleinbürgerlichen pseudolinken Partei Lutte Ouvrière (LO, Arbeiterkampf). LO ist ein kleinbürgerliches Rädchen in der Maschinerie, die von der herrschenden Klasse konstruiert wurde, um die französischen Arbeiter an den Banker Macron zu binden, der gegen die Bevölkerung regiert.

Nathalie Arthaud als Kandidatin bei den Präsidentschaftswahlen auf einer Veranstaltung in Reims im Jahr 2012 (Wikimedia Commons)

LO unterstützt die Nouveau Front populaire (NFP, Neue Volksfront), die von Jean-Luc Mélenchon gegründet wurde. Die NFP ist ein Bündnis mehrerer Parteien, darunter Mélenchons La France insoumise (LFI, Unbeugsames Frankreich), die kapitalistische Parti socialiste (PS, Sozialistische Partei), die stalinistische Parti communiste français (PCF, Kommunistische Partei Frankreichs), die Grünen und die pablistische Nouveau Parti anticapitaliste (NPA, Neue Antikapitalistische Partei). LO-Sprecherin Nathalie Arthaud schrieb am 1. Juli in einem Leitartikel mit dem Titel „Es gibt keinen anderen Ausweg als eine revolutionäre kommunistische Arbeiterpartei“:

Es ist also ausgeschlossen, dass ein klassenbewusster Arbeiter RN wählen kann. Offensichtlich steht außer Frage, dass er einen Kandidaten wählt, der von Macron unterstützt wird, der den Willen der Arbeiter mit Füßen tritt. LO-Wähler wollen vielleicht einen Kandidaten des Bündnisses Neue Volksfront wählen, um den RN zu verhindern. Wenn das der Fall ist, können sie es tun, ohne sich beunruhigt zu fühlen.

Wer den Kandidaten der Linken, darunter ehemaligen Ministern und Präsidenten, keinen Blankoscheck ausstellen will, kann ohne schlechtes Gewissen auch nicht wählen gehen und auf diese Weise sein Misstrauen gegenüber der ganzen politischen Kaste der Bourgeoisie und den staatlichen Institutionen ausdrücken.

Das ist ein zynischer Versuch, die Orientierung der LO auf die Reaktionäre in der Neuen Volksfront und letzten Endes auf Macron selbst zu vertuschen. Man kann nicht zum Widerstand gegen Macron, aber zur Unterstützung der NFP aufrufen. Tatsächlich verhandelt die NFP mit Macrons Ensemble über die Bildung einer Regierungskoalition mit Macron nach dem zweiten Wahlgang am Sonntag.

LO lehnt es ab, die NFP zu unterstützen, weil sie sich bewusst ist, dass die Politik einer solchen Regierung massive Opposition in der Bevölkerung hervorrufen wird.

Was bedeutet es, wenn Arthaud sagt, Arbeiter könnten „ohne sich beunruhigt zu fühlen für ehemalige Minister und Präsidenten“ der NFP stimmen, die „die politische Kaste der Bourgeoisie“ bilden? Das Programm der NFP sieht vor, für den Krieg gegen Russland Waffen und französische Truppen in die Ukraine zu schicken und die französische Militärpolizei und Geheimdienste auszubauen. Das bedeutet, dass LO nicht „beunruhigt“ ist über das Programm des imperialistischen Kriegs im Ausland und des Klassenkriegs im Inland, das NFP-Reaktionäre wie der ehemalige PS-Präsident François Hollande vertreten.

Arthaud kehrt dies unter den Teppich, indem sie auf die Gefahr durch die rechtsextremen Rivalen der NFP hinweist. Damit meint sie den massiven Anstieg der Stimmen für die Neofaschisten – elf Millionen Wähler, darunter ganze 57 Prozent an körperlich tätigen Arbeitern, haben für den RN und seine Verbündeten gestimmt. Das ist mehr als doppelt so viel wie in der ersten Runde der Parlamentswahlen 2022, als der RN vier Millionen Stimmen erhielt. Sie schreibt dazu:

Da es keine echte Partei der Arbeiterklasse gibt, verirrt sich die arbeitende Bevölkerung bei der Suche nach einem Retter von oben, der nicht existiert. Sie haben diesen Retter von oben lange Zeit links gesucht. ... Heute sehen ihn viele Arbeiter im Rassemblement National. Damit begibt sich die Arbeiterklasse auf einen tödlichen Weg.

Was für eine vernichtende Selbstanklage! Ein halbes Jahrhundert ist vergangen, seit die LO während des Präsidentschaftswahlkampfs von Arlette Laguiller im Jahr 1974 Bekanntheit erlangte. Spitzenfunktionäre der LO hatten jahrzehntelang Zugang zu Massenmedien und konnten Millionen von Stimmen gewinnen. Doch die LO erwies sich als unfähig, etwas aufzubauen. Jetzt, wo Millionen von empörten und verbitterten Arbeitern die Neofaschisten wählen, behauptet die LO, es gäbe keine „echte Partei der Arbeiterklasse“. Tatsächlich ist die LO keine Partei der Arbeiter, sondern der kleinbürgerlichen Bürokratien.

Arthaud fragt nicht einmal, warum Arbeiter heute lieber den RN wählen als Parteien wie die PS, die PCF und die NPA, mit denen LO jahrzehntelang zusammengearbeitet hat – geschweige denn, dass sie eine Antwort darauf liefern würde. In dieser ganzen Zeit setzte sich das, was als „linkes“ Spektrum galt, jenseits der sozialdemokratischen und stalinistischen Parteien der kapitalistischen Regierung, aus kleinbürgerlichen Renegaten des Trotzkismus zusammen, die sich mit ihnen verbündeten. Solange sie an der Macht waren, führten sie imperialistische Kriege, verhängten Sparmaßnahmen und würgten die Kämpfe der Arbeiter gegen diese Politik ab.

Um die Rolle von LO beim Aufstieg des RN zu erklären, lohnt es sich, aus Laguillers Interview mit der WSWS von 2016 zu zitieren. Auf die Frage, warum die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder aus der Arbeiterklasse zusammenbricht, antwortete sie: „Ich glaube, viele Kämpfe wurden verraten. Viele Arbeiter sind wütend über Kämpfe, die sie geführt haben und bei denen die Gewerkschaften sie schließlich wieder zur Arbeit gezwungen haben, ohne einen Sieg zu erringen. Daher kommt diese ganze Wut.“

Als die WSWS fragte, ob es bei diesen Ausverkäufen einen Zusammenhang zur Rolle von LO in den Gewerkschaftsbürokratien und zu der Tatsache gibt, dass diese Bürokratien hauptsächlich vom Staat und den Arbeitgebern finanziert werden, antwortete sie: „Es ist normal, wenn man ein revolutionärer Kommunist ist, dass man zumindest Gewerkschaftsarbeit macht. ... Ich glaube nicht, dass die Finanzierung das Problem ist. Natürlich wäre es gesünder, wenn die Parteien, wenn die Gewerkschaften, wenn alle durch Beiträge ihrer Mitglieder finanziert würden. Natürlich ist das auch richtig. Aber so ist es nun mal.“

Gekaufte und bezahlte Organisationen wie LO haben unermüdlich daran gearbeitet, den Kampf der Arbeiterklasse gegen den Aufstieg der extremen Rechten abzublocken. Dies wurde während der Wahlkrise 2002 besonders offenkundig. Damals kam es aufgrund des Einbruchs der Stimmen für den PS-Kandidaten Lionel Jospin, der einen Sparkurs angekündigt hatte, zur Stichwahl zwischen dem Neofaschisten Jean-Marie Le Pen und dem rechten Kandidaten Jacques Chirac.

Das Internationale Komitee der Vierten Internationale (IKVI), die Führung der trotzkistischen Weltbewegung, intervenierte entschlossen. In einem offenen Brief forderte es alle Organisationen, die behaupten, die Arbeiterklasse zu verteidigen, dazu auf, die betrügerische Stichwahl zwischen zwei reaktionären Verteidigern des Kapitalismus abzulehnen, und rief zum aktiven Boykott der Stichwahl auf. Das IKVI erklärte, eine Kampagne für einen Boykott in der Arbeiterklasse, die die Lüge zurückweist, Arbeiter könnten sich darauf verlassen, dass Chirac die Demokratie gegen Le Pen verteidigt, die Arbeiter am besten darauf vorbereiten würde, gegen den Wahlsieger – wer immer das sein würde – zu kämpfen.

Obwohl die LO und die Pablisten bei den Wahlen 2002 zusammen mehr als drei Millionen Stimmen erhalten hatten, lehnten sie eine solche Politik ab. Anfangs stellten sich beide direkt hinter den offiziellen Wahlkampf Chiracs.

Nach der Veröffentlichung des offenen Briefs des IKVI rief LO seine Wähler auf, leere oder ungültige Stimmzettel abzugeben. LO wollte seine massive Wählerbasis nicht für eine öffentliche Kampagne zum Aufbau einer Bewegung in der Arbeiterklasse und der Jugend mobilisieren. LO fürchtete offensichtlich, dies würde die Finanzierung seiner Positionen im Gewerkschaftsapparat durch den Staat und die Arbeitgeber sowie ihre Verbindungen zur PS gefährden.

Da sich LO weigerte, einen nennenswerten Widerstand gegen die Kampagne zur Wahl Chiracs zu leisten, hat sie die politische Opposition gegen die bestehende Ordnung an die extreme Rechte abgetreten. Diese Politik verfolgt sie auch heute noch, indem sie versucht, die Arbeiter an Mélenchon zu binden, der die Arbeiter an Macron binden will.

Der neofaschistische RN hat das Vakuum ausgenutzt, das durch das Fehlen jedes Widerstands gegen den Kapitalismus entstanden ist, um sich zynisch als Verteidiger des französischen Volks zu inszenieren. Er will die soziale Unzufriedenheit in rechte, immigrantenfeindliche und nationalistische Kanäle lenken. Trotz seines zynischen populistischen Auftretens stellt er eine gefährliche faschistische Bedrohung dar. Er hat bereits angedeutet, als reaktionäre Partei des Kriegs und der faschistischen polizeistaatlichen Unterdrückung zu regieren, ruft dazu auf, die Kriegswirtschaft zu finanzieren und droht mit dem Verbot von Streiks.

Zum Schluss ihres Artikels argumentiert Arthaud, es sei nicht alles verloren, egal wie die Wahlen ausgehen. In einer pedantischen und unaufrichtigen Berufung auf den Marxismus erklärt sie, die Arbeiterklasse müsse existieren, weil die Kapitalistenklasse ohne die Ausbeutung der Arbeiter keine Profite erzielen können. Sie schreibt, die Arbeiter...

...sind das Zentrum von Produktion, Transport, Handel, Banken, öffentlichen Dienstleistungen. Die Bosse brauchen uns, und das gibt uns die Möglichkeit zu kämpfen und sie dazu zu bringen, uns zu respektieren. ... In der Vergangenheit hat die Arbeiterklasse große Kämpfe ausgefochten. Auf der Grundlage dieser reichen Geschichte müssen wir eine echte kommunistische Arbeiterpartei aufbauen, revolutionär und internationalistisch!

Das ist ein sträflich leichtfertiger Umgang mit den enormen Gefahren, die sich aus der derzeitigen Krise ergeben. Macron droht, Artikel 16 der französischen Verfassung anzuwenden, der ihm die Möglichkeit gäbe, das Parlament und die Regierung auszusetzen und als Diktator zu regieren. Der Rassemblement National und die Neue Volksfront unterstützen Macrons Kriegswirtschaftsmaßnahmen, um den Krieg gegen Russland zu eskalieren und verteidigen den Völkermord in Gaza.

Die Arbeiterklasse ist für die Kapitalisten unentbehrlich, um Profite zu erzielen, aber das bedeutet nicht, dass die Arbeiter den Drohungen Macrons und Le Pens, eine faschistische Polizeistaatsherrschaft zu errichten, und der Gefahr eines Atomkriegs gegen Russland gleichgültig gegenüberstehen können. Der Aufruf der LO, nicht „beunruhigt“ zu sein, ist in diesem Kontext von monumentaler Selbstgefälligkeit. Die Arbeiterklasse muss in einem politischen Kampf gegen imperialistischen Krieg, Faschismus und Kapitalismus mobilisiert werden.

Ein politischer Kampf für den Trotzkismus gegen kleinbürgerliche Parteien wie LO ist von entscheidender Bedeutung für den Aufbau einer solchen Bewegung. Die Verteidigung demokratischer Rechte und der Widerstand gegen Krieg erfordern die Mobilisierung der Arbeiter – unabhängig von den Gewerkschaftsbürokratien aus dem Umfeld von LO. Die Grundlage für einen solchen Kampf ist die Verteidigung des Trotzkismus gegen die Pseudolinke durch das IKVI und seine französische Sektion, die Parti de l’égalité socialiste.

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