Perspektive

Nach den Wahlen in Frankreich: Neue Volksfront schwenkt nach rechts

Jean-Luc Mélenchon (Mitte) bei einer Rede nach der zweiten Runde der Parlamentswahlen [AP Photo/Thomas Padilla] [AP Photo/Thomas Padilla]

Die Neue Volksfront (Nouveau front populaire, NFP) hat die vorgezogenen Wahlen in Frankreich am Sonntag gewonnen. Die linke Stimmung unter Arbeitern und Jugendlichen verhinderte einen Sieg des rechtsextremen Rassemblement national (RN) und führte zu einem Debakel für das Ensemble-Bündnis von Präsident Emmanuel Macron.

Arbeiter und Jugendliche wollen ein Ende der Herrschaft der Banken, bei der der Polizeistaat in allen großen Fragen eine Politik durchsetzt, die von der großen Mehrheit abgelehnt wird. Siebzig Prozent der Bevölkerung lehnen Macrons Forderung ab, Truppen in die Ukraine zu entsenden, um Krieg mit Russland zu führen. Der Völkermord im Gazastreifen, dessen Gegner unter dem falschen Vorwand der Terrorismusbekämpfung verfolgt werden, stößt auf breite Ablehnung. Zusätzlich lehnen 70 Prozent Macrons Rentenkürzungen ab, die er letztes Jahr ohne Abstimmung durchsetzte. Er schickte Polizisten, um Massenproteste anzugreifen, bis schließlich die Gewerkschaftsbürokraten kapitulierten und die Streiks abbrachen.

Nach der Wahl rückt die NFP jedoch scharf nach rechts, was von ihrer eigenen bankrotten und opportunistischen Wahlstrategie verursacht wird. Sie ging ein Bündnis mit Macron gegen den RN ein und zog dabei ihre eigenen Kandidaten zurück, um Ensemble und Macron zu stärken. Nach den Wahlen konzentrierte sich Jean-Luc Mélenchon, der mit seiner Partei La France insoumise (Unbeugsames Frankreich, LFI) Teil der NFP ist, ganz auf die Verhandlungen mit den rechten Kräften im kapitalistischen Staat und forderte Macron wiederholt auf, ihn zum Premierminister zu ernennen, was Macron ablehnte.

In der Zwischenzeit bricht das zusammengewürfelte Bündnis aus verschiedenen Parteien, aus denen die NFP besteht, zusammen. Konflikte zwischen Mélenchons „populistischer“ LFI, die vor allem für Teile der Mittelschichten spricht, und der Sozialistischen Partei (PS), die die Interessen des Großkapitals vertritt, treten offen hervor. Die NFP wurde von kleinbürgerlichen, pseudolinken Gruppen über den Klee gelobt, doch ihr morsches Fundament zeigt sich schnell sehr deutlich.

Ein Großteil der NFP ist dabei, sich offen mit Macron zu verbünden, obwohl dieser sich weigert, der parlamentarischen Tradition zu entsprechen und Mélenchon zum Premierminister zu ernennen. Kräfte um die LFI-Politikerin Clémentine Autain drohen damit, die LFI zu verlassen und eine von der PS und der stalinistischen Kommunistischen Partei Frankreichs (PCF) geführte Regierung zu unterstützen, die mit Macron zusammenarbeitet. Der Europakandidat der PS, Raphaël Glucksmann, fordert die NFP auf, „über uns selbst hinauszuwachsen“, während der PCF-Vorsitzende Fabien Roussel sie auffordert, „zu zeigen, dass sie zuhören kann“.

Indem die NFP auf diese Weise den Widerstand der Arbeiterklasse gegen den kapitalistischen Staat und Macron blockiert, stärkt sie Marine Le Pen, die Führerin des RN. Sie ermöglicht es Le Pen, die „Linke“ weiterhin als Werkzeug der Banken zu denunzieren, die dem französischen Volk feindlich gesinnt sind, und die Unterstützung von Millionen von Arbeitern zu festigen, die den RN aus Enttäuschung und Verbitterung über die Kürzungspolitik der vergangenen PS-Regierungen gewählt haben.

Die Situation, die im korrupten politischen Establishment Frankreichs herrscht, ist ein Zerrbild der tatsächlichen politischen Verhältnisse. In Frankreich und weltweit ist ein überwältigender Widerstand der Bevölkerung gegen Imperialismus, Faschismus, Völkermord, Polizeistaat und soziale Ungleichheit verbreitet. Der Kampf gegen Macron und Le Pen kann nicht künstlich auf den Rahmen des Parlaments beschränkt werden, sondern muss in einem echten revolutionären Programm für den Klassenkampf zum Ausdruck kommen.

Eine Gegenoffensive mit Streiks und Protesten in der Arbeiterklasse muss vorbereitet und in Gang gesetzt werden, die die linke Stimmung unter den Massen der Arbeiter und Jugendlichen mobilisiert und dabei Forderungen aufstellt, die die objektiv revolutionäre Opposition der Massen gegen den Kapitalismus zum Ausdruck bringen. Das ist der Weg, um sowohl gegen Macron als auch gegen Le Pen vorzugehen und die Falle zu beseitigen, die von Kräften in der NFP aufgestellt wird. Diese ketten die antifaschistische Stimmung an ein schwächendes Bündnis mit der Bourgeoisie und Frankreichs „Präsident der Reichen“.

Die NFP ist dabei, in Frankreich jene Rolle zu übernehmen, die die Verbündeten von Mélenchon und der PCF wie SYRIZA (die „Koalition der radikalen Linken“) in Griechenland und Podemos in Spanien gespielt haben. SYRIZA, eine Koalition aus Stalinisten und Linkspopulisten, wurde 2015 gewählt, weil sie versprochen hatte, die EU-Austeritätspolitik zu beenden. Als sie an der Macht war, bildete sie eine Koalition mit den rechten Unabhängigen Griechen (ANEL) und verriet prompt ihre Versprechen, indem sie EU-Kürzungen in Milliardenhöhe durchsetzte und EU-Internierungslager für Flüchtlinge einrichtete.

Podemos kam 2019 an die Macht und fügte sich nahtlos in eine arbeiterfeindliche Regierung ein, die von der Sozialistischen Partei Spaniens (PSOE) angeführt wurde, die die Interessen des Großkapitals vertritt. Sie mobilisierte die Polizei für Angriffe auf Arbeiter, die für Corona-Schutzmaßnahmen streikten, organisierte die Verteilung von Pandemie-Rettungspaketen der EU in Milliardenhöhe an Großunternehmen und ließ Streiks von LKW-Fahrern und Metallarbeitern von der Polizei niederschlagen. Nach Beginn des Nato-Stellvertreterkriegs gegen Russland im Jahr 2022 lieferte die PSOE-Podemos-Regierung Waffen an das neonazistische Asow-Bataillon in der Ukraine und später an Israel während des Völkermords im Gazastreifen.

In der derzeitigen explosiven politischen Situation kann ein solcher Verrat an den Hoffnungen und Erwartungen der Bevölkerung nur katastrophale Folgen haben. Die kapitalistischen Politiker in Frankreich und allen imperialistischen Nato-Ländern leben in Angst vor den Massen. Sie planen offen den imperialistischen Krieg im Ausland und den Klassenkrieg und die Diktatur im Inland. Da „verschiedene unterdrückte Wutgefühle auf einmal explodieren könnten“, schrieb der rechtsextreme General Pierre de Villiers in einer rechtsextremen Zeitschrift, „müssen wir das Undenkbare denken. ... Die Rechtsstaatlichkeit ist natürlich respektabel, aber ab einem bestimmten Moment muss man strategisch denken.'

Die Arbeiterklasse braucht ihre eigenen Forderungen, um ihre Macht in der Gesellschaft und in den Betrieben gegen die reaktionären Manöver der herrschenden Klasse zu mobilisieren. Solche Forderungen bilden die Grundlage dafür, Arbeiter, die heute für den RN stimmen, dafür zurückzugewinnen, linke und sozialistische Politik zu unterstützen und Faschismus, Völkermord und Krieg durch einen Kampf gegen den Kapitalismus entgegenzutreten.

Die Parti de l'égalité socialiste stellt zu diesem Zweck die folgenden Forderungen auf:

Nein zum imperialistischen Krieg! Stoppt den Krieg mit Russland, löst die NATO auf! Französische Truppen raus aus Afrika und dem Nahen Osten!

Der Nato-Krieg gegen Russland, der von der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt wird, muss beendet werden. Der riesige Militärhaushalt, den Macron letztes Jahr durchgesetzt hat, um die Mittel für den Krieg bereitzustellen, und der durch seine Rentenkürzungen finanziert wurde, muss rückgängig gemacht werden. Als Bestandteil eines internationalen Kampfs der Arbeiterklasse für die Auflösung der NATO und die Beendigung ihrer Kriege müssen Arbeiter den Austritt Frankreichs aus dem imperialistischen Nato-Bündnis fordern, das einen Atomkrieg auszulösen droht. Die französischen Truppen, die in neokoloniale Kriege im Nahen Osten und in Afrika entsandt wurden, müssen nach Hause zurückkehren.

Stoppt den Völkermord in Gaza! Keine Verfolgung von Gegnern des Völkermords!

Die Arbeiter in Frankreich und weltweit müssen die Produktion und Lieferung von Waffen an das israelische Regime für den Völkermord in Gaza blockieren. Die strafrechtliche Verfolgung von Gegnern des Völkermords unter dem falschen Vorwurf der Terrorismusbekämpfung oder des Antisemitismus muss beendet und die gegen sie verhängten Geld- und Gefängnisstrafen aufgehoben werden. Israelische Regierungsvertreter, die vor internationalen Gerichten des Völkermords angeklagt sind, sowie Vertreter der französischen Regierung und der Nato, die an diesem Völkermord beteiligt sind, müssen strafrechtlich verfolgt werden.

Abschaffung der exekutiven Präsidentschaft in der Fünften Republik!

Macron regiert gegen die Bevölkerung mit Mitteln der polizeilichen Unterdrückung und Massenverhaftungen von Streikenden und Demonstranten. Seine CRS-Bereitschaftspolizei geht auf Verbündete der SS der Nazis zurück, die die Résistance bekämpften. Der Slogan „CRS=SS“, der vom Bergarbeiterstreik 1948 und dem Generalstreik 1968 bekannt ist, erinnert daran. Die CRS muss aufgelöst werden, ebenso wie die Exekutivpräsidentschaft der Verfassung von 1958, auf deren Grundlage Macron letzten Monat damit drohte, das Parlament auszusetzen und die absolute Macht auszuüben.

Macht Macrons Rentenkürzungen rückgängig und beschlagnahmt die Bankenrettungspakete! Milliarden für Arbeitsplätze und Sozialprogramme!

Macrons unrechtmäßige Rentenkürzungen müssen rückgängig gemacht und das antidemokratische Diktat der Banken über die Gesellschaft gebrochen werden. Arbeiter müssen die Lüge zurückweisen, dass kein Geld für Sozialprogramme und Arbeitsplätze vorhanden ist. Die Mittel müssen verfügbar gemacht werden, indem die Hunderte von Milliarden Euro an öffentlichen Geldern beschlagnahmt werden, die sich die Finanzaristokratie in den letzten Jahrzehnten durch wiederholte Bankenrettungspakete angeeignet hat. Sie haben Frankreich zum Land mit den reichsten Milliardären Europas gemacht.

Stoppt die Verfolgung von Flüchtlingen und Einwanderern! Für die internationale Einheit der Arbeiterklasse!

Die Mobilisierung der Arbeiterklasse im Kampf erfordert einen unnachgiebigen Widerstand gegen die Versuche der Bourgeoisie, sie durch das Schüren von Nationalismus zu spalten. Die Arbeiter müssen sich sowohl den Forderungen des RN nach beschleunigten Massenabschiebungen von Arbeitern ohne Papiere und dem Entzug der französischen Staatsbürgerschaft für Doppelstaatler als auch den von Macron und der NFP unterstützten einwanderungsfeindlichen Maßnahmen widersetzen. Dazu gehören EU-Gesetze, die das Recht auf Asyl verweigern, die Einrichtung von Massenhaftlagern, wie sie SYRIZA in Griechenland errichtet hat, und demütigende Gesetze, die muslimische religiöse Kleidung in französischen Schulen verbieten.

Für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa

Die Arbeiter und Jugendlichen in Frankreich haben in diesem Kampf mächtige Verbündete unter den Millionen von Arbeitern in ganz Europa und auf der ganzen Welt, die sich gegen Krieg, Faschismus, Völkermord und Austerität stellen. Französische Gewerkschaftsbürokraten und Parlamentarier werden sich dem in den Weg stellen. Der Weg nach vorn besteht darin, dass die Arbeiter ihre eigenen Kampforganisationen und eine politische Bewegung aufbauen, um die Macht an die Arbeiterklasse in Frankreich, ganz Europa und international zu übertragen und die kapitalistische Europäische Union durch die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa zu ersetzen.

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