Am 6. Dezember, zwei Tage vor der geplanten zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen, hat das rumänische Verfassungsgericht die Wahlen für ungültig erklärt. Durch diese eklatante Missachtung des Wahlergebnisses sollte der voraussichtliche Sieg des neofaschistischen Kandidaten Calin Georgescu verhindert werden, der sich skeptisch über den Krieg gegen Russland geäußert hatte.
Das Verfassungsgericht hatte bereits im Oktober in den Wahlprozess eingegriffen, als es Diana Sosoaca, eine weitere neofaschistische Kandidatin, von der Teilnahme ausschloss. Damals behauptete das Verfassungsgericht, dass ihre öffentlichen Äußerungen „wesentliche Garantien für die grundlegenden Werte und Entscheidungen des Staats, namentlich die EU- und Nato-Mitgliedschaft, zu beseitigen“ drohe.
Die jüngste Gerichtsentscheidung stützte sich auf Geheimdienstberichte, die vom scheidenden Präsidenten freigegeben wurden. Sie belegen angeblich, dass ein russischer „Cyberangriff“ für Georgescus Sieg im ersten Wahlgang verantwortlich sein soll. Die Berichte enthielten keinerlei Beweise, lediglich eine Beschreibung der Social-Media-Kampagne des Kandidaten, und behaupteten, es sei eine Vorgehensweise festgestellt worden, die „mit jenen staatlicher Akteure übereinstimmt“. Mangels konkreter Argumente konzentrieren sich die Geheimdienste auf Russlands angebliche Absichten, die sie zu untermauern versuchten, indem sie frühere unbewiesene Vorwürfe einfach wiederholten und sogar erklärten, dass in russischen Talkshows über die Wahl in Rumänien diskutiert werde.
Trotz mangelnder Beweise war daraufhin in den internationalen und rumänischen Medien davon die Rede, das Land sei Opfer eines „hybriden Angriffs“ durch Russland geworden.
Der Wahlkampf für die Stichwahl war danach von einer Atmosphäre offizieller Hysterie geprägt. Zuvor war bei den Parlamentswahlen am 1. Dezember ein Drittel der Sitze an rechtsextreme Parteien gegangen, während die traditionellen Regierungsparteien – die Sozialdemokratische Partei (PSD) und die Nationalliberale Partei (PNL) – auf historische Tiefststände fielen. Alle großen Parteien, Leitartikel, Podcasts, Schauspieler und Universitäten stellten sich hinter den offiziellen Wahlkampf, der für die EU, die Nato und einen „Euro-atlantischen Weg“ warben.
Diese Kampagne richtete sich nicht gegen Georgescu, der eifrig bemüht war zu wiederholen, dass er ein Befürworter der EU und der Nato sei. Vielmehr zielte sie vor allem darauf ab, den weit verbreiteten Widerstand der Arbeiterklasse gegen die Politik einzuschüchtern, die die herrschende Elite jahrzehntelang unter der Schirmherrschaft dieser beiden Organisationen verfolgt hatte.
Besonders surreal waren die endlosen Lobeshymnen auf die wirtschaftlichen Vorzüge der Europäischen Union, während große Teile der Bevölkerung Europas durch Preissteigerungen und Sparmaßnahmen in die Armut gestürzt werden.
In Osteuropa haben die Wiedereinführung des Kapitalismus durch die stalinistische Bürokratie und der darauf folgende „europäische Weg“ in den letzten 35 Jahren eine ungebremste Katastrophe ausgelöst. Alle Arten von Rückständigkeit, Antikommunismus und Ideologien, die die Einzigartigkeit und Überlegenheit einer Nation betonten, wurden zu offiziellen Staatsdogmen erhoben, während große Teile der Bevölkerung verarmten. Privatisierungen, Massenarbeitslosigkeit und die Abwanderung von Arbeitern gingen einher mit dem Niedergang des sozialen und kulturellen Lebens.
Die bürgerliche Demokratie, die in den 1990er-Jahren von den ehemaligen Bürokraten ausgerufen wurde, hat sich als leeres Versprechen erwiesen. Der Beitritt zur Nato war gekennzeichnet durch die Folterung von Gefangenen in CIA-Folterzentren und der Teilnahme Rumäniens an imperialistischen Kriegen wie im Irak und in Afghanistan.
Die Entscheidung der traditionellen Regierungsparteien, das Wahlergebnis für ungültig zu erklären und die Tatsache, dass ein Faschist als hauptsächliche Alternative zu diesen Parteien antritt, verdeutlicht die Fäulnis der bürgerlichen Demokratie bzw. dessen, was unter diesem Namen firmiert.
Die Zahlen von Eurostat für das Jahr 2023 geben einen knappen Eindruck von der sozialen Verwüstung, die die Integration Rumäniens in die EU hinterlassen hat. Zweiunddreißig Prozent der Bevölkerung und 39 Prozent der Kinder sind laut offiziellen Angaben von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht. Sechzig Prozent der Bevölkerung können sich keinen einwöchigen Urlaub leisten, 23 Prozent keine Mahlzeit mit Fleisch an jedem zweiten Tag.
Laut Eurostat brechen 16 Prozent aller Jugendlichen ihre Schulbildung oder Ausbildung vorzeitig ab. Wie das rumänische Kultusministerium zugibt, haben im Schuljahr 2022/2023 fast ein Drittel der Jugendlichen den Schulunterricht versäumt. Die Zahl der Jugendlichen, die weder Schulen besuchen noch in einer beruflichen Ausbildung sind, ist mit 19,3 Prozent die höchste in der EU. Laut der nationalen Statistikbehörde liegt die Jugendarbeitslosigkeit bei 22 Prozent.
Nach der beispiellosen Geste des Verfassungsgerichts bereiten sich die großen Parteien auf die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit vor, die von den „pro-europäischen Parteien“ gebildet wird und eine schonungslose Politik der Kürzungen und der Vorbereitung auf den Krieg mit Russland durchsetzen soll.
Präsident Iohannis, der noch mindestens bis nächstes Frühjahr im Amt bleiben wird, brachte die Sorgen der herrschenden Klasse Rumäniens auf den Punkt: „Ich sage dies für die Wirtschaft, für die Investoren, die Finanzmärkte, ich sage es für die EU: Rumänien bleibt ein sicherer und solider Verbündeter, und ich halte es für sehr wichtig, dass wir alle wissen, dass Rumänien nicht in irgendwelchen Schwierigkeiten steckt.“
Die Krise in Rumänien spiegelt die weltweite Entwicklung wider: eine allgemeine Neuausrichtung der bürgerlichen Politik auf breiter Front, die dem Ausmaß der internationalen Krise entspricht. Die neue Regierung wird eine Regierung des Kriegs gegen Russland und des Klassenkriegs im Inneren sein.
Die EU hat Maßnahmen gegen die „chinesische Plattform“ TikTok angekündigt. Vertreter der EU und der USA haben das Vorgehen des rumänischen Establishments gegen den angeblichen „hybriden Krieg“ Russlands sofort unterstützt.
Der Aufstieg Georgescus ist weniger das Ergebnis einer „russischen Operation“, sondern erscheint eher wie das Werk eines Teils des rumänischen Establishments, das die rechtsextremen Bewegungen imitiert, die von Trump-Unterstützern auf der ganzen Welt kultiviert werden. Die faschistische Partei AUR, mit der Georgescu in Verbindung gebracht wird, hat bereits im Dezember 2021 einen Angriff auf das rumänische Parlamentsgebäude nach dem Vorbild von Donald Trumps Putschversuch gegen das US-Kapitol am 6. Januar 2021 unternommen.
Am 8. Dezember verhaftete die rumänische Polizei 20 Männer, die mit verschiedensten Waffen und Sprengstoff auf dem Weg in die Hauptstadt Bukarest waren. Sie gehörten einer paramilitärischen Gruppe an, die von Horatiu Potra, einem ehemaligen Söldner und Eigentümer einer privaten Militärfirma, angeführt wird. Potra, ein rechtsextremer Aktivist und Lokalpolitiker mit Beziehungen zu den etablierten Parteien, wurde im Wahlkampf demonstrativ als Georgescus Leibwächter zur Schau gestellt.
Quellen aus dem Umfeld der Ermittlungen erklärten gegenüber den rumänischen Medien, Potras Männer hätten eine Liste von Journalisten und Politikern erstellt, die nach Georgescus Wahlsieg eingeschüchtert oder angegriffen werden sollten. Andere rechtsextreme Netzwerke mit Beziehungen zu Georgescu sind in den letzten Wochen bekannt geworden und Roma-Aktivisten und Personen des öffentlichen Lebens erhielten Morddrohungen. Einer der finanziellen Unterstützer von Georgescus Wahlkampf, ein Kryptowährungs-Mogul aus Brasov, verglich seine Rolle direkt mit derjenigen, die der Oligarch Elon Musk in Trumps Wahlkampf gespielt hat.
Georgescu erhielt in den sozialen Netzwerken auch die Unterstützung von Musk und Trumps Sohn, der auf X/Twitter über den „Versuch von Soros und den Marxisten“ hetzte, „das Ergebnis zu manipulieren und dem Volk seinen Willen zu verwehren“.
Die Netzwerke, die Georgescu mit den internationalen Kreisen der Finanzeliten und Faschisten verbinden, machen deutlich, dass die undemokratische Entscheidung, seinen Sieg im ersten Wahlgang für ungültig zu erklären, den Aufstieg der faschistischen Kräfte in Rumänien nicht aufhalten wird. Es scheint zwar unwahrscheinlich, dass Georgescu erneut kandidieren darf, doch seine Netzwerke werden wieder in das faschistische Milieu eingegliedert werden, das ein Drittel des Parlaments kontrolliert und nun praktisch die einzige oppositionelle Kraft im Parlament ist.