Kundgebungen in Paris, Berlin und Köln zeigen wachsende Kriegsopposition in der Ukraine

Am vergangenen Samstag fanden in Köln, Berlin und Paris Kundgebungen gegen die brutale Zwangsrekrutierung Tausender Männer für den Ukrainekrieg statt. Sie wurden vom „Bündnis der postsowjetischen Linken“ organisiert, eine Gruppierung ukrainischer und russischer Kriegsflüchtlinge, die vor allem in Deutschland aktiv ist und die diktatorische Politik des ukrainischen Selenskyj-Regimes anprangert. Im November hatte das Bündnis einen ersten Protest in Berlin abgehalten, über den die World Socialist Web Site berichtete.

Sie riefen „alle Kriegsgegner, unabhängig von ihrer Nationalität“, dazu auf, gegen die Angriffe der ukrainischen Regierung zu protestieren, vor allem gegen die Schließung der Grenzen, „die das Land in ein Gefängnis verwandeln“, gegen die „Verfolgung Andersdenkender, die Opposition mit einem Verbrechen gleichsetzt“, gegen „die Verbrechen der Rekrutierungszentren“ und gegen die „Deportation russischer Staatsbürger aus Deutschland, die sich weigerten, am Krieg teilzunehmen, und dazu beitrugen, das Blutvergießen zu beenden“.

Reporter der WSWS sprachen in allen drei Städten mit den Organisatoren und Teilnehmenden, in Köln sprach Dietmar Gaisenkersting, der stellvertretende Vorsitzende der Sozialistischen Gleichheitspartei zu den Teilnehmenden.

Teilnehmer der Kundgebung in Köln, 21.12.2014

Gaisenkersting betonte zu Beginn die Grundlage der Opposition der trotzkistischen Bewegung gegen den Ukrainekrieg: „Wir haben seit Beginn des Ukrainekriegs die Behauptung zurückgewiesen, es handele sich dabei um einen ‚unprovozierten Angriffskrieg‘ Russlands. Der Einmarsch Russlands in die Ukraine ist die reaktionäre Antwort des Putin-Regimes auf die Einkreisung Russlands durch die Nato in den letzten drei Jahrzehnten.“

Seit über 30 Jahren führten die USA und die Nato-Staaten Kriege. „Die Ursachen dieser Kriege“, so Gaisenkersting, „liegen im Streben der Nato-Mächte, insbesondere der USA, nach Weltherrschaft.“ Der Krieg in der Ukraine sei Teil eines sich entwickelnden Weltkriegs. „Er ist daher nicht getrennt vom völkermörderischen Krieg im Nahen Osten und den Kriegsvorbereitungen gegen China zu verstehen.“

Dietmar Gaisenkersting spricht auf der Kundgebung in Köln, 21.12.2024

„Daraus leitet sich unsere Perspektive ab“, schloss Gaisenkersting, nämlich „der Kampf dafür, dass die ukrainischen und russischen Arbeiter gemeinsam mit ihren Klassenbrüdern und -schwestern in den imperialistischen Ländern in einem gemeinsamen Kampf ihre Regierungen und den Kapitalismus stürzen und so den Ukrainekrieg – und alle Kriege – beenden“.

Weil Bogdan Syrotjuk, der Gründer und Vorsitzende der Jungen Garde der Bolschewiki-Leninisten, einer trotzkistischen Jugendorganisation, die junge Menschen aus der Ukraine, Russland, Belarus und weiteren ehemaligen Staaten der Sowjetunion vereint, für die Perspektive eintritt, wurde er am 25. April 2024 durch den Sicherheitsdienst der Ukraine (SBU) festgenommen und sitzt bis heute in Haft.

Gaisenkersting warb dafür, dass die Anwesenden sich der Kampagne für die Freiheit von Bogdan Syrotjuk anschließen.

Die Schicksale, auf die in den Kundgebungen in Paris, Berlin und Köln hingewiesen wurde, belegten, dass Bogdans Kampf eine wachsende Grundlage in der ukrainischen Bevölkerung hat, die zunehmend gegen den Krieg und die damit einhergehende brutale Politik des Selenskyj-Regimes rebelliert.

Auf dem Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor in Berlin hielten die Protestierenden Plakate hoch, auf denen die Schicksale ukrainischer Männer dargestellt wurden. Eines beschrieb das von Andriy Panasiuk. „Er wurde von Beamten der Militärregistrierung und Einberufungsbehörde entführt, als er im Vorstadium eines Schlaganfalls war. Danach starb er“. Ein anderes zeigte einen Mann, der an einen Baum gebunden ist. Er wurde ebenfalls von Rekrutierungsbeamten verschleppt und in einem Wald vergewaltigt. Boris Glushak wurde trotz seiner Epilepsie abgeholt und starb an einem epileptischen Anfall. Auf einem Plakat sind zwei weitere junge Opfer mit Bild zu sehen: Serhii Kovalchuk und Alexander Gashevsky, beide wurden vom Militär verschleppt und starben.

Teilnehmer der Kundgebung in Berlin, 21.12.2014

Im Flugblatt, dass die Organisatoren verteilten, waren weitere Schicksale dokumentiert. Im Infotext schreiben die Emigranten: „In dem Land, das darauf wartet, der EU beizutreten, entführen und misshandeln Banden ganz offen Männer in der Öffentlichkeit, um die Wehrpflichtquoten zu erfüllen. In vielen Fällen sind Männer an den Folgen der Misshandlungen gestorben, aber es finden keine Ermittlungen statt.“ Die Polizei schaue weg oder helfe den Rekrutierungsbeamten.

In dem Land, das der Welt erzähle, dass es für die Demokratie eintritt, „dringen Sicherheitskräfte in die Häuser derjenigen ein, die die Regierung kritisiert haben“. Auch kranke Männer mit Tuberkulose, Epilepsie, Hepatitis und sogar behinderte Menschen seien bereits eingezogen worden.

Der 19-jährige ukrainische Flüchtling Daniel erklärte den Anwesenden über Megaphon: „Wir stehen hier, um euch zu informieren, was in der Ukraine stattfindet. Denn die ukrainische Propaganda versucht, alles als Demokratie zu tarnen, aber gleichzeitig werden ukrainische Männer abgeholt. Es gibt keine Menschenrechte, es geht nicht um Demokratie oder darum, das Land zu retten. Die ukrainische Regierung ist nicht für die ukrainische Bevölkerung. Deshalb stehen wir hier.“

Im Gespräch bezeichnet Daniel Präsident Wolodymyr Selenskyj als „gescheiterten Diktator“. Vor seiner Wahl habe er viel versprochen und sich in populistischer Manier als Diener des Volkes und Gegner der Korruption dargestellt, aber dann das Gegenteil gemacht. Seine Regierung baue unter dem Mantel von Demokratie eine Diktatur auf und rechtfertige das mit der Kriegssituation. „Aus meiner Sicht wollen die Menschen aber keine Diktatur, sondern ein normales Leben und Demokratie.“

Er vergleicht die Lage im Land mit der Zeit vor dem Krieg: „Vorher gab es Fake-Wahlen, aber zumindest gab es Wahlen. Jetzt gibt es gar keine Wahlen.“ Vor Selenskyj habe es zwar auch Medienpropaganda unter dem Einfluss der Oligarchen gegeben, aber zumindest herrschte etwas Meinungsfreiheit. „Aber jetzt ist nur noch eine Meinung erlaubt.“ Kinder würden in der Schule verprügelt, wenn sie Russisch sprechen.

Offiziell gebe es keine Streiks oder Proteste in der Ukraine, aber individuelle Protestaktionen. Er schildert einen Vorfall, der sich jüngst ereignet habe: Ein Mann um die 20 stellte sich mit einem Banner an die Autobahn, auf dem stand: „Wir sind gegen die Militärverwaltung.“ Wer einverstanden mit der Aussage sei, dass die Militärführer Banditen sind, solle hupen. Viele Autos hupten im Vorbeifahren, bis die Polizei kam und ihn mitnahm. Einige Tage später erschien ein Video, in dem der Demonstrant sich für seinen Protest entschuldigte. „Das heißt, er wurde von der Polizei dazu gezwungen. Das ist wie in Russland. Es gibt keine Redefreiheit“, betont Daniel.

Sergej, der durch den Fluss über Moldawien bis nach Deutschland floh, prangerte die brutalen Methoden der Rekrutierungszentren an. Die einfachen Menschen würden wie „Fleisch“ behandelt und entführt. Das Gehalt der Soldaten sei gekürzt worden, während die Regierung sich eine Gehaltserhöhung zahle. „Nur die armen Menschen werden eingezogen, nicht die Reichen und Prominenten.“

Andere Teilnehmende in Berlin drückten der WSWS gegenüber ihre Wut über die Selenskyj-Regierung aus. Eine ukrainische Mutter aus Charkiw schilderte, wie ihr 34-jähriger Sohn von der Rekrutierungsbehörde verschleppt und in einem dreckigen Kellerloch ohne Fenster mit etwa 150 Menschen unter erbärmlichen Bedingungen eingesperrt wurde.

Er hatte bereits 2022 für vier Monate an der Front gekämpft, wurde verwundet und kehrte nach Hause zurück. Medizinische Hilfe habe er keine bekommen, erzählt sie. Noch einmal wollte er nicht in den Krieg ziehen, doch er wurde gegen seinen Willen entführt. „Drei Tage verschwand er ohne Lebenszeichen in dem dunklen Kellerloch, wo die Männer geschlagen wurden.“ Ihrem Sohn habe man versucht, die Hand zu brechen. Auf diese Weise würden die Männer unter Druck gesetzt, damit sie sich schriftlich zum Fronteinsatz verpflichten, so die Mutter. Unterschreiben sie ein entsprechendes Dokument nicht, drohe ihnen eine Haftstrafe.

Ihr Sohn sei dann in ein Haftzentrum in der Westukraine gebracht worden, weit weg von seiner Heimatstadt Charkiw. Da aber die Gefängnisse und Haftzentren überfüllt seien, habe man ihn vorübergehend bis Anfang Januar freigelassen, so dass er zu seiner Frau und seinem kleinen Kind nach Kiew gehen konnte. Danach erwartet ihn entweder die Rückkehr an die Front oder Gefängnishaft.

Teilnehmer der Kundgebung in Paris, 21.12.2014

In Paris erklärte einer der Organisatoren, sie würden sich ebenfalls gegen die Gewalt in der Ukraine richten, „die von der Militärischen Rekrutierungsbehörde TCK ausgeht, die die Menschenrechte verletzt“.

Auch er betonte, es gebe keine militärische Lösung für diesen Konflikt. „Sowohl die Nato-Länder als auch Russland haben Atomwaffen, es ist nicht möglich, diesen Krieg militärisch zu beenden.“ Zum Aufruf des französischen Präsidenten, französische Truppen in die Ukraine zu schicken, sagte er: „Wenn sie eine Nato-Armee direkt in die Ukraine schicken, könnte das zu einem Atomkrieg führen. Und wenn er beginnt, gibt es kein Zurück mehr.“

Die Menschen in der Ukraine seien „müde von diesem ganzen Chaos, das in der Ukraine herrscht, von der Gewalt und der Korruption, und diese Situation hat sich überhaupt nicht geändert“.

Die Kundgebungen in Paris, Berlin und Köln zeigen, dass die Opposition gegen den Krieg wächst, nicht nur in Deutschland, Europa und den USA, sondern auch in der Ukraine und in Russland selbst. Es ist notwendig, diese Opposition auf die Arbeiterklasse auszurichten und sie mit einer internationalen sozialistischen Perspektive zu bewaffnen, unabhängig von den imperialistischen Mächten der Nato genauso wie den kapitalistischen Regimen in der Ukraine und Russland.

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