In der Türkei zwingen steigende Lebenshaltungskosten, Privatisierungen und Angriffe der herrschenden Klasse auf Löhne und soziale Rechte die Arbeiterklasse in den Kampf. In Gaziantep führten Lohnerhöhungen unterhalb der Inflationsrate zu einer Streikwelle in den Textilfabriken. Zugleich begannen die Minenarbeiter in Çayırhan erneut einen Marsch ins Herz von Ankara, um sich gegen die Privatisierung zu wehren.
Als das Schatz- und Finanzministerium im November eine Ausschreibung für die Privatisierung der Minen des Wärmekraftwerks Çayırhan im Bezirk Nallıhan in Ankara veröffentlichte, besetzten etwa 800 Arbeiter die Mine und harrten tagelang 350 Meter unter Tage aus. Rund 1.300 Übertagearbeiter demonstrierten bei Temperaturen von minus 5 Grad Celsius ebenfalls zur Unterstützung ihrer Kollegen unter Tage.
Die Ausschreibung wurde dann auf März verschoben, nachdem die Bergarbeiter einen Marsch auf Ankara begonnen hatten. Die Regierung war besorgt, dass eine solche Aktion einen landesweiten Arbeitskampf auslösen könnte, während sie versucht, die Reallöhne zu drücken.
Die Bergleute und Kraftwerksarbeiter haben jetzt einen weiteren Marsch von Çayırhan zur Privatisierungsbehörde in Ankara begonnen, um die Annullierung der Privatisierungsausschreibung zu fordern. Sie lehnen die Privatisierung mit der Begründung ab, dass die Ausschreibung keine Garantien für die bestehenden Arbeiterrechte enthält und dass ihnen, wie in früheren privatisierten Unternehmen, Entlassungen, Lohnkürzungen, der Verlust sozialer Rechte und sogar unter den prekären Bedingungen ein erhöhtes Risiko von Tod und Verletzung drohen werden.
Die Arbeiter müssen verstehen, dass es wie schon bei früheren Privatisierungen zwecklos ist, an die Regierung zu appellieren, und dass der Gewerkschaftsapparat versucht zu verhindern, dass der Kampf der Arbeiter außer Kontrolle gerät. Die Arbeiter von Çayırhan sollten die Dinge selbst in die Hand nehmen, indem sie Aktionskomitees bilden und andere Teile der Arbeiterklasse, besonders die Bergarbeiter, zur Unterstützung aufrufen.
Die anhaltende Krise der Lebenshaltungskosten und die Politik der Senkung der Reallöhne hat in der Arbeiterklasse eine enorme soziale Opposition hervorgerufen. Die Streikwelle in Gaziantep zeugt von dem Potenzial für eine rasche Entwicklung und Ausweitung der Arbeiterkämpfe.
In den letzten Tagen haben die Arbeiter in vielen Betrieben, insbesondere in den Textilfabriken, in der Başpınar Organised Industrial Zone in Gaziantep begonnen, gegen die Auferlegung von Lohnerhöhungen unterhalb der Inflationsrate zu protestieren. Die Beschäftigten in dieser Region haben in den letzten Jahren ebenfalls zahlreiche Streiks und Proteste für Löhne und soziale Rechte organisiert und waren dabei willkürlichen Behinderungen durch die Polizei, Verhaftungen und Entlassungsdrohungen ausgesetzt.
Die Unternehmen haben angekündigt, dass sie die Löhne um 30 Prozent anheben werden, im Einklang mit der von der Regierung beschlossenen Mindestlohnerhöhung. Im Januar lag die offizielle jährliche Inflationsrate der Türkei bei 42 Prozent, während ENAG, eine unabhängige Forschungsorganisation, eine jährliche Inflation von 81 Prozent errechnet hat. Allein im ersten Monat des Jahres sind die Preise nach offiziellen Angaben um 5 Prozent gestiegen.
Infolge der Proteste wurden in Fabriken wie Ufuk Carpet, Barem Packaging und Ender Aluminium zusätzliche Lohnerhöhungen gewährt, während die Arbeitsniederlegungen bei Çelikaslan, der Teppichfabrik Yalçın Kardeşler und Şireci Textile, einem der größten Textilunternehmen der Region, fortgesetzt wurden. Am Montag wurde die Streikwelle auf die Beschäftigten von Özkaplan, Bulut Synthetic und Kaplanser ausgeweitet.
Ein Arbeiter aus Çelikaslan sagte der Zeitung Evrensel:
Der AKP-Abgeordnete İrfan Çelikaslan [einer der Fabrikbesitzer] hat kein Recht, so viele Arbeiter warten zu lassen. Wenn diese Leute in einer so guten Position sind, warum lösen sie das Problem nicht? Mehmet Çelikaslan, ein anderer Chef, bedroht uns ständig. Wir bekommen die niedrigsten Löhne auf dem Markt, wir werden gezwungen, sonntags zu arbeiten. Wir werden nicht wie Menschen behandelt.
Die Kämpfe der Bergarbeiter in Çayırhan und der Textilarbeiter in Gaziantep schließen sich einer Streikbewegung an, die sich in den letzten Monaten vor allem unter den Beschäftigten in der Metallindustrie und im Gesundheitswesen entwickelt hat.
Im Januar streikten Hausärzte, Hebammen und Krankenschwestern, die in Familiengesundheitszentren arbeiten, fünf Tage lang gegen eine neue Verordnung, die ihre Arbeitsbedingungen und das staatliche Gesundheitswesen angreift. Darüber hinaus legten landesweit alle Ärzte und Beschäftigten im Gesundheitswesen für einen Tag die Arbeit nieder. Hausärzte und andere Beschäftigte des Gesundheitswesens legten ebenfalls drei Tage im November und fünf Tage im Dezember die Arbeit nieder.
Im Dezember versuchte Erdoğan, die Streiks der Metallarbeiter per Dekret zu verbieten, mit der Begründung, sie würden „die nationale Sicherheit gefährden“, aber die Arbeiter weigerten sich, nachzugeben und setzten ihren Streik fort.
Am Montag traten 183 Metallarbeiter bei Chinatool Automotive in der Industriestadt Gebze in den Streik, nachdem es ihnen nicht gelungen war, einen Tarifvertrag zu erreichen, während frühere Streiks bei Green Transfo und Kaynak Tekniği (Lincoln Electric) fortgesetzt wurden.
Die Kämpfe für menschenwürdige Löhne und Arbeitsbedingungen in verschiedenen Sektoren müssen um ein gemeinsames Kampfprogramm vereint werden. Die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC) hat sich zum Ziel gesetzt, kämpfende Arbeiter über Betriebe, Wirtschaftszweige und nationale Grenzen hinweg zu vereinen. Nehmt Kontakt mit uns auf, um einen Aktionskomitee in Eurem Betrieb oder Bereich zu gründen und den Kampf voranzutreiben.