Autoarbeiter in Luton reagieren auf die Werksschließung: „International vereinte Arbeiter haben die Macht, das Unternehmen zu bekämpfen“

Schon Ende März soll das Vauxhall–Lieferwagenwerk in Luton, das zu Stellantis gehört, geschlossen werden. Bei einem Schichtwechsel sprachen mehrere Reporter der World Socialist Web Site  mit den Lutoner Kollegen. Sie verteilten mehrere hundert Exemplare einer aktuellen WSWS-Erklärung mit der Überschrift: „Stellantis–Schließung in Luton vernichtet 1.200 Arbeitsplätze: Arbeiter brauchen eine neue Strategie“.

WSWS-Team beim Verteilen der Erklärung an die Kollegen von Stellantis in Luton

Mit der Schließung von Stellantis im britischen Luton endet die 120-jährige Fahrzeugproduktion in dieser Stadt. Es ist Teil einer neuen Etappe im globalen Kampf gegen die Arbeitsplätze der Autoarbeiter. In der WSWS–Erklärung, die am Vauxhall–Schichtwechsel verteilt wurde, wird zur Bildung von Aktionskomitees in Luton und im zweiten Vauxhall–Werk, in Ellesmere Port, aufgerufen. Die WSWS warnt die Arbeiter davor, im Kampf gegen die Schließung ihre Hoffnungen auf die Gewerkschaft Unite oder die Labour-Regierung zu setzen.

Viele Kollegen schimpften über die Weigerung der Gewerkschaft Unite, einen kollektiven Kampf gegen die Schließung aufzunehmen. Sie äußerten sich auch wütend über die Starmer–Regierung, die es zulässt, dass so viele hunderte Arbeitsplätze zerstört werden.

Die Gewerkschaft Unite hatte kurz nach der Ankündigung der Schließung im letzten November ein Transparent mit der Aufschrift, „We’re Backing Luton“ (Wir stehen hinter Luton) an das Werkstor gehängt. Dieses Banner wurde kurz vor der jüngsten Betriebsversammlung Ende Februar klammheimlich wieder entfernt, als es nur noch darum ging, die vorgesehenen Abfindungen vorzustellen.

Die Gewerkschaft Unite hat ihr Transparent mit der Aufschrift: „We're Backing Luton“ (Wir stehen hinter Luton) kurz vor ihrem Ausverkauf Ende Februar vom Werkseingang abgehängt

Viele Arbeiter zeigten sich schockiert und ungläubig, dass die Schließung tatsächlich durchgesetzt wird, und verwiesen auf die verheerenden Auswirkungen, die das auf Luton hat. In der regionalen Zulieferindustrie werden dadurch voraussichtlich noch einmal 5.000 Arbeitsplätze vernichtet werden.

Luton ist eine der ärmsten Städte Großbritanniens. Die Kinderarmut liegt bei 46 Prozent. Ein wütender Arbeiter sagte unsern Reportern: „Ich bin für einen Kampf, aber die Gewerkschaften sind dagegen. Sie haben in der Vergangenheit für uns gekämpft, aber diesmal nicht. Sie lassen es einfach zu, dass die Fabrik geschlossen wird.“

Er wies darauf hin, dass die Labour-Regierung der Schließung zugestimmt hat: „Sie sind nur daran interessiert, mindestens eine Fabrik zur Herstellung von Elektrotransportern offen zu halten, genau wie der Stadtrat, der vorgab, sie wären unsere Freunde. Ich gebe Ellesmere Port maximal noch ein paar Jahre – Natürlich wird Stellantis auch Ellesmere Port schließen.“

Ein anderer Arbeiter sagte: „Ich habe euch Reportern schon beim letzten Mal gesagt, dass die nicht nur Luton schließen, sondern auch Ellesmere Port, falls die Regierung dem Stellantis-Konzern nicht die gewünschten Zugeständnisse macht. Also werden sie einfach weitermachen, wie sie das auf der ganzen Welt tun.“

Wieder ein anderer Kollege sagte zu der Erklärung: „Ich habe das gelesen: Ich will kämpfen. Der Labour-Stadtrat behauptet, er stehe auf unserer Seite, aber jetzt verhandelt er mit Stellantis über den Kauf des Grundstücks, wenn das Werk geschlossen wird. Das sind verdammte Lügner. Was bleibt hier noch übrig? Das hier ist in Luton die letzte große Fabrik.“

Eine Arbeitergruppe blieb stehen, um zu reden, und einer stellte fest: „Unite hat nichts unternommen. Wenn die Gewerkschaft uns gesagt hätte, was genau vor sich geht, und einen Kampf aufnehmen würde, wäre ich voll dafür. Ich wäre der Erste, der für unsere Arbeitsplätze kämpft.“ Sein Kollege fügte hinzu: „Arbeiter, die international zusammenhalten, haben die Macht, das Unternehmen zu bekämpfen. Die Gewerkschaft hat uns nichts davon gesagt, und deshalb sind wir heute in dieser Lage.“

Ein anderer Arbeiter aus Luton schilderte seine Erfahrungen mit den Gewerkschaftsfunktionären: „Man klopft an ihre Tür, aber sie sind nicht da. Keine Antwort. Sie sagen uns nichts. keiner sagt uns, was Sache ist. Man hört nur, sie seien in einem ‚laufenden Verfahren‘. Ehrlich gesagt, kann ich euch nichts sagen, ich weiß es einfach nicht.“

Ein Arbeiter prophezeite, dass Vauxhall aus dem Grundstück Profit schlagen werde. Er wies auf ein Gelände, auf dem bis zum Jahr 2002 ein weiteres Autowerk stand: Nach seiner Schließung wurden dort Luxuswohnungen gebaut. Er sagte: „Schaut dort drüben: erstklassige Immobilien 30 Minuten von London entfernt. Dies hier wird Stellantis saftige Gewinne bescheren. Ich werde euren Flyer [mit der Erklärung] lesen.“

Ein anderer Arbeiter fasste seine 25-jährige Erfahrung in der Autoproduktion und mit der Gewerkschaft zusammen: „Die Autofabrik ist weg, die Transporterfabrik ist weg, die Autoteilefabrik ist weg – sie sind alle verschwunden. Was hat die Gewerkschaft getan? Sie hat zugelassen, dass alle diese Werke geschlossen wurden.“

Ein langjähriger Bandarbeiter sagte unseren Reportern: „Ich bin wegen der Schließung am Boden zerstört. Luton ist schon jetzt benachteiligt. Schon mein Großvater hat in dem Werk gearbeitet, es hat im Auto- und Lieferwagenbau eine reiche Geschichte. Ich weiß nicht, was ich jetzt machen soll, um noch Arbeit zu finden.“

Viele Arbeiter wiesen auf die ungewisse Zukunft, die jetzt vor ihnen liegt. Einer sagte: „Ich bin mit einem befristeten Vertrag zur Arbeit zurückgekehrt. Ich habe den Job genommen, weil ich dringend Arbeit brauchte, um meine Rechnungen zu bezahlen. Und jetzt schließen sie die Fabrik. Ich weiß nicht, wohin ich jetzt gehen soll.“

Unsre Reporter berichteten den Kollegen, dass Stellantis in Amerika gerade dabei ist, die Gewinnanteilsprämien für Arbeiter um 70 Prozent zu kürzen. Wir warnten, dass man den Zusicherungen des Konzerns nicht trauen darf, auch nicht den jetzt versprochenen Abfindungspaketen.

Die Arbeiter berichteten von ihren eigenen Erfahrungen mit Gewinnbeteiligung in Großbritannien. „Mich haben sie drangekriegt“, sagte einer. „Wir haben mickrige 132 Pfund Gewinnbeteiligung erhalten, und darauf musste ich Steuern bezahlen. Aber Stellantis hat fünf Milliarden Pfund Gewinn gemacht.“ Ein anderer sagte: „Stell dir vor: Wir haben 132 Pfund bekommen, und jetzt schließen sie das Werk.“ Sein Kollege bestätigte: „Die haben fünf Milliarden Pfund Gewinn gemacht. Unser Anteil? 132 Pfund.“

„Es ist im Moment wirklich stressig“, sagte ein Arbeiter aus Luton den WSWS-Reportern. „Carlos Tavarez [ehemaliger Stellantis–CEO] hat nur das Geld genommen und die Arbeiter abgezockt.“

Die Arbeiter griffen auch wütend das Produktivitätsabkommen an, das Unite mit Stellantis vereinbart hatte. Die Gewerkschaft hatte das als einzige Möglichkeit hingestellt, die Schließung zu verhindern.

Einer sagte: „Sie haben mir versprochen: ‚Ja, du wirst sicher klarkommen.‘ Jetzt muss ich mir einen anderen Job suchen. Ich bin noch jung, aber hier in der Gegend gibt es keine Jobs. Das ist eine schlechte Gegend. Sie haben uns unter Druck gesetzt und uns versprochen, dass alles in Ordnung sei und das Werk offen bleibe, wenn wir nur unsere Ziele erreichten. Alles, was sie getan haben, war, das Geld zu nehmen und zu verschwinden. Stellantis ist einfach nur raffgierig. GM [General Motors, früherer Eigentümer von Vauxhall] hätte bleiben sollen.“

Die WSWS-Reporter betonten, was jetzt wichtig sei: Dass Arbeiter eine internationale Strategie verfolgen, und dass sich Autoarbeiter in Europa, Nordamerika und Asien zusammenschließen. Die Autokonzerne führen weltweit ein koordiniertes Arbeitsplatzmassaker durch und nutzen KI, um Kosten zu senken. Im Jahr 2002 war es der GM-Konzern, der die Autoproduktion in Luton schloss, wodurch 2.000 Arbeitsplätze verloren gingen.

Viele Arbeiter fragten, wie ein Kampf auch jetzt, zu so später Stunde, noch geführt werden könne. WSWS-Reporter rieten zu einer sorgfältigen Prüfung der Strategie, die die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC) verfolgt. Die IWA-RFC ist dabei, unter Automobilarbeitern in den USA, Kanada, Mexiko und Deutschland gegenseitige Solidarität und Unterstützung zu entwickeln. Einen Kampf der Arbeiter in Luton gegen die Schließung würden Arbeiter in ganz Großbritannien und weltweit begeistert begrüßen und unterstützen, da sie überall mit den gleichen Problemen konfrontiert sind.

Die Lutoner Kolleginnen und Kollegen wollten gern mehr über die IAA-RFC erfahren, und mehrere von ihnen trugen sich für den WSWS Autoarbeiter Newsletter ein.

Arbeiterinnen und Arbeiter in Luton und Ellesmere Port müssen die Dinge selbst in die Hand nehmen. Bei Nissan Sunderland (im Nordosten Englands) hat Unite bereits mit dem Vorstand über die Einstellung der Nachtschicht verhandelt. Es ist mit 6.000 Beschäftigten die größte Autofabrik Großbritanniens. Nissan will drei Fabriken in Europa schließen, um seine Profite zu sichern. Unter den Bedingungen eines globalen Zollkriegs wird sich das Arbeitsplatzmassaker noch verschärfen. Was diesen Prozess anheizt, ist die Anarchie des kapitalistischen Nationalstaatensystems.

In der WSWS-Erklärung, die an den Werkstoren verteilt wurde, heißt es: „Selbst in dieser späten Phase des Schließungsprogramms können Arbeiterinnen und Arbeiter eingreifen und den Lauf der Dinge ändern. Sie müssen in den Werken in Luton und Ellesmere Port unabhängige Aktionskomitees gründen und Kontakt zu Stellantis-Kollegen weltweit, zum Beispiel zu den Opel-Arbeitern in Rüsselsheim, aufnehmen, sowie auch zu Arbeitern von BMW, Nissan, Ford und VW, die ebenfalls vor Werksschließungen, Arbeitsplatzvernichtung und Lohnraub stehen. Auf dieser Grundlage ist es möglich, eine Gegenoffensive zu entwickeln.“