Die faschistische Tirade, die Donald Trump am Dienstagabend, sechs Wochen nach seinem Amtsantritt, vor dem Kongress hielt, hat bei weiten Teilen der Arbeiterklasse und der Jugend Abscheu und Wut hervorgerufen. Aber Abscheu allein reicht nicht aus. Es ist notwendig, eine klare Analyse dessen vorzunehmen, was und wer für den Aufstieg von Trump verantwortlich ist und welche Rolle die verschiedenen politischen Tendenzen dabei spielen.
Wie die World Socialist Web Site am Vorabend von Trumps Rede feststellte, gibt es „zwei grundlegend unterschiedliche Formen der Opposition gegen die Trump-Regierung“ – die Opposition der Arbeiterklasse und der Jugend und die Opposition bedeutender Teile der herrschenden Klasse. Letztere stimmen den grundlegenden Elementen von Trumps Politik zu, insbesondere seiner innenpolitischen Agenda, haben aber erhebliche Konflikte mit Aspekten seiner Außenpolitik, die vor allem mit dem Krieg gegen Russland zusammenhängen.
Was diese beiden Lager der Opposition betrifft, so stehen Bernie Sanders und die verschiedenen Organisationen im Dunstkreis der Demokratischen Partei, die ihn hochgebracht haben, fest auf der Seite der herrschenden Klasse und ihrer Form der Opposition gegen Trump. Sie stellen sich klar gegen die der Arbeiterklasse.
Am Dienstag war Sanders „Gegenredner“ zu Trumps Äußerungen im US-Kongress. Sein Ziel war es, die grundlegende Übereinstimmung der Demokratischen Partei mit Trumps sozialer Sparpolitik und Angriffen auf demokratische Rechte zu vertuschen und den gesellschaftlichen Widerstand hinter in das Zweiparteiensystem zu lenken.
Sanders begann seine Ausführungen mit einem Hinweis auf das extreme Ausmaß der sozialen Ungleichheit in den Vereinigten Staaten. Diesen Zustand scheint er allein auf Trump und die Republikanischen Partei zurückzuführen. „Die drei reichsten Menschen in Amerika“, sagte Sanders, „die Leute, die Trump eingeladen hat, bei seiner Amtseinführung hinter ihm zu stehen, besitzen jetzt mehr Vermögen als die untere Hälfte unserer Gesellschaft.“ Er fügte hinzu: „Wir bewegen uns nicht mehr auf eine Oligarchie zu. Wir leben in einer Oligarchie.“
Diese Aussage ist zwar zutreffend, wirft aber eine entscheidende Frage auf: Woher kommt diese Oligarchie?
Vier Jahre lang verantwortete der Präsident der Demokratischen Partei Joe Biden, den Sanders unterstützte und verteidigte, einen massiven Vermögenstransfer an die Finanzoligarchie. In dieser Zeit stieg das Gesamtvermögen der Milliardäre von 7 Billionen US-Dollar auf 10 Billionen US-Dollar. Bidens Regierung rettete die Wall Street, drückte die Löhne und zwang die Arbeiter während der Pandemie zurück in unsichere Betriebe, was zu Hunderttausenden vermeidbaren Todesfällen führte.
Sanders sprach nach der offiziellen Antwort der Demokratischen Partei auf Trumps Rede, die von Senatorin Elissa Slotkin gehalten wurde. Slotkin versprach, Trump bei seinem Angriff auf die grundlegenden Sozialprogramme zu unterstützen. „Sie wollen Verschwendung reduzieren? Ich helfe Ihnen dabei“, erklärte die ehemalige CIA-Agentin.
In seiner Antwort auf Trump sagte Sanders: „Nein, wir werden die Sozialversicherung nicht kürzen“, als ob die offizielle Vertreterin der Demokratischen Partei nicht gerade versprochen hätte, Trump bei der Kürzung der Sozialausgaben zu helfen. Bernie Sanders betreibt seit Jahrzehnten dasselbe politische Täuschungsmanöver: Er arbeitet daran, die rechte Politik der Demokratischen Partei als das genaue Gegenteil dessen darzustellen, was sie ist – und er hofft, dass es niemandem auffällt.
Sanders beschönigte nicht nur die rechte Politik der Demokraten, sondern verschleierte auch den wahren Charakter der Trump-Regierung. Er benutzte nie die Worte „Faschist“ oder „Diktator“, um Trump zu beschreiben. Kein Tage war vergangen, seitdem Trump die Massenverhaftung von Studierenden und Arbeitern gefordert hatte, die gegen den Völkermord in Gaza protestieren. Aber Sanders sprach Trumps Angriffe auf den Ersten Verfassungszusatz nicht einmal an.
Er erwähnte auch nicht und widersprach noch viel weniger dem, was Trump selbst als die zentralen Säulen seiner Regierung bezeichnet: die Massendeportation von Zugewanderten und seine protektionistische Handelspolitik. Das ist kein Zufall. Sanders hat sich selbst mit rechtsextremen Persönlichkeiten wie Steve Bannon zusammengetan, um ein Ende der Arbeitsvisa für Zuwanderer zu fordern. Er unterstützt seit langem Zölle und Protektionismus und behauptet fälschlicherweise, dass dies amerikanische Arbeitsplätze schützen würde. Wiederholt hat er versprochen, bei der Umsetzung solcher Maßnahmen „mit Trump zusammenzuarbeiten“.
Sanders warb in seinen Ausführungen auch für denselben Gewerkschaftsapparat, der Trumps protektionistische Politik offen begrüßt hat. Am selben Tag erklärte Shawn Fain, der Vorsitzende der Gewerkschaft United Auto Workers (UAW), zu Trumps Maßnahmen im Handelskrieg: „Wir sind froh, dass ein amerikanischer Präsident aggressive Maßnahmen ergreift, um das Freihandelsdesaster zu beenden.“
Der schlimmste Aspekt von Sanders' Rede war jedoch sein Versuch, die Opposition gegen Trump mit der Unterstützung für einen imperialistischen Krieg zu verknüpfen – insbesondere für den Krieg der USA und der Nato gegen Russland in der Ukraine.
„Zum ersten Mal in unserer 250-jährigen Geschichte haben wir einen Präsidenten, der der Demokratie den Rücken kehrt und uns mit dem Autoritarismus verbündet“, erklärte Sanders.„Nein! Wir dürfen die Menschen in der Ukraine nicht im Stich lassen, die vom russischen Diktator Wladimir Putin überfallen wurden. Wir müssen immer für Demokratie eintreten, nicht für Diktatur.“
Wovon spricht Sanders? Das vergangene Jahrhundert der amerikanischen Geschichte war geprägt von unerbittlicher imperialistischer Gewalt, vom Spanisch-Amerikanischen Krieg und der brutalen Unterwerfung der Philippinen bis hin zu den Atombombenabwürfen auf Japan am Ende des Zweiten Weltkriegs und den Kriegen in Korea und Vietnam. Der Vietnamkrieg, der Sanders in die Politik brachte, kostete über 3 Millionen Menschen in Südostasien das Leben und war ein blutiger Versuch, die US-Hegemonie in Asien zu erhalten.
Während er die politische Leiter hinaufstieg, unterstützte Sanders mehrere Kriege und militärische Interventionen, entweder direkt oder durch Zustimmung zur Finanzierung. Er unterstützte den Nato-Krieg in Jugoslawien 1999, die US-Invasion in Libyen und den andauernden Krieg in der Ukraine, der ein kalkulierter Versuch Washingtons ist, Moskau in einen Konflikt zu verwickeln, der Russland „ausbluten“ wird. Unter Biden haben die USA Hunderte Milliarden in einen Stellvertreterkrieg gesteckt, der Hunderttausende ukrainische Leben gekostet hat – alles, um die amerikanische Kontrolle über die eurasische Landmasse zu festigen.
Was die Ukraine selbst betrifft, so ist sie weit davon entfernt, eine Demokratie zu sein. Die Regierung Selenskyj regiert unter Kriegsrecht und hat faschistische Kräfte in die höchsten Ebenen des Staates integriert. Mit Unterstützung der USA hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj linke Oppositionsparteien verboten, Wahlen abgesagt und sozialistische Gegner des Krieges und seines Regimes inhaftiert, insbesondere den Trotzkisten Bogdan Syrotjuk.
In außenpolitischen Fragen – also in den Bereichen, die der Demokratischen Partei wirklich am Herzen liegen – stimmten Sanders' Äußerungen voll und ganz mit denen von Slotkin überein. Slotkin hatte Trump dafür kritisierte, dass er gegenüber Russland und China nicht aggressiv genug auftrete.
In den letzten zehn Jahren haben Arbeiter und junge Menschen mit Sanders bedeutende politische Erfahrungen gemacht. Im Jahr 2016 kandidierte er zunächst unter dem Wahlspruch „Politische Revolution“ für die Nominierung als Präsidentschaftskandidat der Demokratischen Partei, nur um anschließend die Kandidatin Hillary Clinton zu unterstützen, deren rechte, militaristische und konzernfreundliche Politik dazu beitrug, den Boden für Trumps ersten Wahlerfolg zu bereiten. Im Jahr 2020 wiederholte er dasselbe Programm und beendete seine Kampagne vorzeitig, um Biden zu unterstützen.
Im Jahr 2024 trat Sanders nicht selbst an, sondern widmete sich stattdessen der Unterstützung von Biden, den er absurderweise als den „progressivsten“ Präsidenten seit Franklin Roosevelt bezeichnete – selbst als Biden massive soziale Sparmaßnahmen verantwortete, US-Kriege im Ausland eskalierte und offen eine „starke Republikanische Partei“ forderte, was den Weg für Trumps Rückkehr ebnete. Nach Bidens Rückzug unterstützte Sanders Kamala Harris.
Die Erfahrungen mit Sanders sind nicht nur aufschlussreich in Hinblick auf seine Person, sondern stehen für eine ganze politische Strömung. Von Anfang an wurde Sanders von einem Netzwerk pseudolinker Organisationen unterstützt, darunter die Democratic Socialists of America (DSA). Sie nähren die Illusion, dass die Demokraten nach links gedrängt werden könnten.
Dies ist Teil eines globalen Phänomens: Die Pseudolinken blockieren eine echte sozialistische Bewegung, während sie die Kriegspolitik der herrschenden Klasse unterstützen und die Rechte stärken. Die Labour Party von Jeremy Corbyn im Vereinigten Königreich, Syriza in Griechenland und die Linkspartei in Deutschland wurden alle als „linke“ Alternativen gefeiert. Dabei verraten sie systematisch die Unzufriedenheit der Massen und wollen die Opposition im kapitalistischen System gefangen halten. Diese Kräfte, die in privilegierten Teilen der oberen Mittelschicht verwurzelt sind, stellen sich nicht gegen den Kapitalismus oder Imperialismus, sondern arbeiten daran, die Kämpfe der Arbeiterklasse zu unterdrücken. In jedem Fall haben sie dazu beigetragen, die extreme Rechte zu stärken.
In seiner Verteidigung des politischen Establishments versucht Sanders, Trump als eine Art Abweichung vom „normalen“ Verlauf des Kapitalismus darzustellen, der seiner Meinung nach ein Kapitalismus des Friedens, der Gleichheit und der Demokratie ist. Tatsächlich ist Trump der höchste Ausdruck eben dieser kapitalistischen Gesellschaftsordnung, die Sanders sein Leben lang verteidigt und vertreten hat. Wie Wladimir Lenin in seinem bahnbrechenden Buch Der Imperialismus erklärt, strebt der Kapitalismus „nach Herrschaft, nicht nach Freiheit“, und Oligarchie, Monopol und die Beherrschung der Kolonien durch die imperialistischen Mächte sind wesentliche Merkmale des kapitalistischen Systems.
Der Kampf gegen Trump ist kein Kampf für die Rückkehr zu einer mythischen „besseren“ Version des amerikanischen Imperialismus. Er ist vielmehr ein Kampf gegen das kapitalistische System selbst und die Oligarchie, die es aufrechterhält.