Warnstreiks im Öffentlichen Dienst: „500 Milliarden für uns statt für Rüstung“

Warnstreik im öffentlichen Dienst, Demonstration durch den Berliner Wedding. Auf dem Transparent steht: "Öffentlicher Dienst kaputt und pleite", 6. März 2025

Die Warnstreiks in dieser Woche haben die große Wut zum Ausdruck gebracht, die sich in allen Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge aufstaut. An diesem Donnerstag und Freitag streikten mehrere zehntausend Pflegekräfte, Kita-Erzieherinnen, Reinigungskräfte, Sozialarbeiter und Hebammen. Am Montag wird das Bodenpersonal an elf Flughäfen streiken.

Seit der Corona-Pandemie sind diese Betriebe heruntergewirtschaftet worden. Heute sind die Beschäftigten damit konfrontiert, dass die kommende CDU-SPD-Regierung noch vor Amtsantritt hunderte Milliarden in die Rüstung buttert, während sie den öffentlichen Dienst am ausgestreckten Arm verhungern lässt.

Die Warnstreiks kommen vor der dritten und entscheidenden Verhandlungsrunde über den Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes (TVöD), die am 14. bis 16. März in Potsdam stattfindet. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi fordert offiziell 8 Prozent mehr Lohn, mindestens aber 350 Euro mehr für die niedrigen Löhne, sowie drei freie Tage mehr.

Allerdings weiß die Gewerkschaftsführung schon heute, dass der Vertrag, der daraus hervorgehen wird, diese Forderungen bei weitem nicht erfüllt. Er wird nicht besser sein als derjenige, den sie gerade bei der Post unterzeichnet hat, und der bei  2,3 Prozent Inflation für dieses Jahr nur 2 Prozent Lohnplus vorsieht, also eine effektive Reallohnsenkung. Zudem werden noch in diesem Jahr 8.000 Stellen gestrichen.

Im öffentlichen Dienst sind bundesweit über 2,6 Millionen Beschäftigte betroffen. In Potsdam treffen die Verdi-Verhandlungsführer Frank Werneke (SPD) und Christine Behle (SPD) am 14. März mit der Vertreterin der Kommunalen Arbeitgeber, Karin Welge (SPD), und der Noch-Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zusammen. Deren Partei SPD hat gerade zusammen mit der CDU/CSU Kriegskredite über mehrere hundert Milliarden Euro beschlossen. Bis zu einer Billion (!) Euro sollen in die Kriegsertüchtigung der Gesellschaft fließen!

Das hat im öffentlichen Dienst zwangsläufig noch schärfere Angriffe auf Arbeitsplätze, Löhne und Sozialleistungen zur Folge. Dies durchzusetzen, fällt der Dienstleistungsgewerkschaft immer schwerer. Aus diesem Grund haben die Warnstreiks in dieser und der nächsten Woche ein größeres Ausmaß angenommen, als ursprünglich vorgesehen. Gleichzeitig hält Verdi an ihrer Unterstützung der Kriegspolitik und ihrer innigen Zusammenarbeit mit der SPD eisern fest.

Warnstreik im öffentlichen Dienst, Demonstration von Klinikpersonal durch den Berliner Wedding, 6. März 2025

So begrüßte im Berliner Wedding eine Verdi-Sprecherin zusammen mit der Vertreterin der Linken Stella Merendino aufs Herzlichste den arbeitsmarktpolitischen Sprecher der SPD auf dem Podium. Mehrere Sprecher forderten eine Vermögenssteuer und Erbschaftssteuer, ohne mit nur einem Wort zu erwähnen, was die SPD gerade mit der CDU/CSU für ein wahnsinniges Sondervermögen für Krieg beschlossen hat.

Im Berliner Wedding war am Donnerstag das Personal der Kliniken der Charité und von Vivantes im Streik. Etwa 1.500 Beschäftigte demonstrierten dort für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen. Unter ihnen waren auch Beschäftigte des Charité-Facility-Management (CFM), das vor Jahren aus dem Mutterkonzern ausgegliedert worden war. Seither verdienen rund 3.000 Mitarbeiter der CFM bis zu tausend Euro weniger als es der TVöD für die übrigen etwa 23.000 Beschäftigten der Charité vorsieht.

Ein CMF-Mitarbeiter sagte unsern Reportern: „Es kann doch nicht sein, dass Milliarden für die Reichen und für Krieg ausgegeben werden, und wir einfachen Arbeiter sollen immer weniger bekommen.“

Guido, der als Reinigungskraft im Klinikum arbeitet, berichtete über die schlechte Bezahlung, netto weit unter 2.000 Euro trotz Schicht- und Feiertagsarbeit. „Was uns besonders am Herzen liegt“, sagte er, „sind die schlechten Arbeitsbedingungen: Keine bezahlten Pausen, jede Raucherpause muss abgerechnet werden. Die Arbeitskleidung müssen wir oft selbst reinigen.“ Er erklärte, er fände es „wichtig, wenn wir alle gemeinsam streiken würden und nicht nur einen Tag dort und dann wieder woanders.“

Was Guido ausdrückte, bewegte bundesweit tausende, denn die Streiks werden vereinzelt und voneinander getrennt durchgeführt – eben um „Dampf abzulassen“, aber nicht um wirklich die Kampfkraft der Arbeiterklasse zu mobilisieren.

Warnstreik im öffentlichen Dienst, Verdi-Kundgebung in Nürnberg, 7. März 2025

Auch in Nürnberg äußerten mehrere Streikende denselben Wunsch. „Die Gewerkschaft müsste ganz anders auftreten“, sagte uns ein junger Pflegefachmann der Psychiatrie aus Mittelfranken. „Im sozialen Bereich wird uns der Streik schwer gemacht“, fuhr er fort. „Wir wollen ja nicht, dass Menschen sterben, weil im Krankenhaus keiner da ist. Aber nicht wir sind daran schuld! Wir müssten endlich ordentlich gemeinsam streiken, das wäre solidarisch und sinnvoll.“ Er setzte hinzu: „Ich würde solidarisch auch für die Kollegen von der Post auf die Straße gehen.“

In Nürnberg beteiligten sich mehrere tausend Streikende an den Aktionen, die das Klinikum Nürnberg, andere Krankenhäuser von Mittelfranken und die Jugendämter und städtischen Kitas lahmlegten.

Viele Streikende trugen selbstgemalte Schilder und Transparente mit sich mit Aufschriften wie „Nicht der Streik gefährdet die Patienten, sondern der Normalzustand“. Andere lauteten: „Ich kann gar nicht so schlecht arbeiten, wie ich bezahlt werde“. Auf dem Plakat einer Erzieherin stand: „Turnen bis zur Urne – euer Ernst? Nicht mit uns!“

Warnstreik im öffentlichen Dienst, Nürnberger Streikende fordern: "500 Mrd. für uns statt für Rüstung"

„500 Milliarden für uns statt für Rüstung!“ forderten Pflegekräfte auf einem Plakat. Andere hatten geschrieben: „Bei der Rüstung seid ihr fix, für die Pflege tut ihr nix“.

Der bereits zitierte Pflegefachmann der Psychiatrie sagte uns auch: „Was Verdi fordert, reicht aber nicht. Unser Lohn liegt nur wenig über dem Mindestlohn. Hätten wir eine Viertagewoche und bessere Bezahlung, wäre auch die Fluktuation nicht so groß.“ Ihm sei es deshalb wichtig, am Streik teilzunehmen: „Eine Nullrunde – das geht einfach absolut gar nicht. Wir haben einen wirklich stressigen Job in der Pflege, und wir haben mehr Geld verdient als das.“

Derselbe Pfleger bezeichnete den jüngsten Abschluss bei der Post stirnrunzelnd als „großen Verdi-Gag, ganz ehrlich“. Er sehe es nicht ein, dass Postler wie Pflegekräfte und andere im öffentlichen Dienst Beschäftigte nicht ebenso gut bezahlt würden wie beispielsweise ein Mercedes-Facharbeiter.

Mehrere hundert Flyer wurden in Nürnberg in kürzester Zeit verteilt. Sie enthielten den Aufruf der WSWS an die Warnstreiks vom 21. Februar, in dem es heißt:

Diese Streiks müssen zum Ausgangspunkt einer Mobilisierung aller Beschäftigten gegen die kommende Bundesregierung gemacht werden. Denn die Bundestagsparteien bereiten gegenwärtig Angriffe auf Arbeitsplätze, Löhne und Sozialleistungen vor, wie das seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht der Fall gewesen ist. Der Zeitenwende in der Kriegspolitik folgt die Zeitenwende in der Arbeits- und Sozialpolitik.

Max, ein Pfleger aus Nürnberg erklärte in seinem Video-Aufruf für unabhängige Aktionskomitees:

Für Soziales und Bildung ist angeblich „kein Geld“ da, aber für Panzer und Waffen sind unbegrenzte Mittel vorhanden. (…) Die Tarifverhandlungen von Verdi stehen nicht losgelöst von dieser Entwicklung. Der Kampf um höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen ist untrennbar mit dem Kampf gegen Krieg und Aufrüstung verbunden.

Er schloss mit dem starken Appell:

Ein wirklicher Kampf kann nur geführt werden, wenn sich die Arbeiterklasse unabhängig von den bürokratischen Apparaten organisiert. Wir brauchen unabhängige Aktionskomitees die den Kampf in die eigene Hand nehmen. Wir brauchen eine sozialistische Perspektive, die mit dem ganzen kapitalistischen System bricht! Schluss mit Lohnkürzungen, Sozialabbau und Krieg! Investitionen in Bildung, Gesundheit und Infrastruktur statt Aufrüstung und Militarismus! Für eine sozialistische Gesellschaft im Interesse der Arbeiterklasse weltweit!

Die WSWS ruft alle Beschäftigten, die sich am Aufbau eines unabhängigen Aktionskomitees in ihrem Betrieb beteiligen wollen, dazu auf, sich per WhatsApp-Nachricht an die Mobilnummer +49 163-3378 340 zu wenden oder sich gleich hier über das folgende Formular zu registrieren.