Am heutigen Donnerstag beginnen offiziell die Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD zur Bildung einer neuen Bundesregierung unter der Führung des CDU-Vorsitzenden und früheren Blackrock-Bankers Friedrich Merz. Bereits die Sondierungsgespräche ließen keinen Zweifel daran, dass es sich um die rechteste deutsche Regierung seit dem Untergang des Dritten Reichs handeln wird. Sie wird nicht nur aufrüsten wie die Nazis, sondern zugleich massive Sozialangriffe organisieren, die Flüchtlingspolitik der faschistischen AfD durchsetzen und einen Polizeistaat errichten.
Ein bereits am Wochenende veröffentlichtes Papier, das die „Ergebnisse der Sondierungen von CDU, CSU und SPD“ zusammenfasst, gibt einen Eindruck davon, was auf Arbeiter und Jugendliche zukommt. Gleich zu Beginn des Dokuments heißt es:
Unser Ziel ist es, die innere und äußere Verteidigungsfähigkeit Deutschlands zu stärken, massiv in unsere Infrastruktur zu investieren und die Grundlagen für dauerhaftes und nachhaltiges Wachstum zu legen. Wir wollen Verantwortung in Europa übernehmen und gemeinsam mit unseren Partnern die Verteidigungsfähigkeit und die Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union stärken. Klar ist: Deutschland steht weiter an der Seite der Ukraine.
Das ist die Sprache des deutschen Imperialismus im 21. Jahrhundert – doch Stoßrichtung, Ziele und Methoden sind die alten. 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs geht es der herrschenden Klasse erneut um nichts weniger als: 1) die Militarisierung und Kriegsvorbereitung der gesamten Gesellschaft und 2) die Organisierung Europas unter deutscher Führung – mit dem Ziel, sich im wachsenden Konflikt mit den anderen Großmächten, allen voran den USA unter Trump, zu behaupten und den NATO-Krieg gegen Russland in der Ukraine zu eskalieren.
Zu diesem Zweck planen CDU/CSU und SPD ein Aufrüstungsprogramm, das nur mit der Hochrüstung Deutschlands vor dem Ersten und Zweiten Weltkrieg vergleichbar ist. Laut dem Sondierungspapier sollen alle Verteidigungsausgaben, die über der Höhe von 1 Prozent des BIP liegen, nicht auf die Schuldenbremse angerechnet werden. Mit anderen Worten: Die Militärausgaben können unbegrenzt steigen. Ganz unmittelbar im Gespräch sind 500 Milliarden Euro.
Zudem lässt das Papier keinen Zweifel daran, dass das von Union und SPD geplante „Sondervermögen Infrastruktur Bund/Länder/Kommunen“ im Kern ebenfalls der Kriegsvorbereitung dient. So umfasse dieses „insbesondere Zivil- und Bevölkerungsschutz, Verkehrsinfrastruktur, Krankenhaus-Investitionen, Investitionen in die Energieinfrastruktur sowie in Bildungs-, Betreuungs- und Wissenschaftsinfrastruktur, in Forschung, Entwicklung und Digitalisierung“.
Auch wenn es niemand in der Regierung offen ausspricht, geht es damit um die Umsetzung des „Operationsplans Deutschland“ (OPLAN DEU). Das über tausend Seiten starke, geheim eingestufte Dokument, das laufend aktualisiert und aktuell auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene in seinen Kernelementen vorgestellt wird, ist ein operativer Kriegsplan, der festlegt, welche militärischen und zivilen Elemente im Kriegsfall wie zusammenwirken müssen und wie eine zur Aufrechterhaltung der Kriegsfähigkeit notwendige Infrastruktur etabliert wird.
Eigenen Angaben zufolge ist die Bundeswehr „im Krisen- und Verteidigungsfall selbst auf zivilgesellschaftliche und zivil-gewerbliche Hilfe angewiesen“. Die Herausforderungen dabei könnten „nicht rein militärisch, sie müssen gesamtstaatlich und gesamtgesellschaftlich gemeistert werden“. Daher sei beim OPLAN DEU „die maximale zivile Unterstützung [...] ein entscheidender Faktor“ und „die zivil-militärische Interaktion zur gegenseitigen gesamtstaatlichen Unterstützung“ ein „Kernelement“. Allen voran sieht der Operationsplan die Einbindung der Logistik- und Energiebranche vor, da laut Bundeswehr „verlässliche, flexible Transporte und eine zuverlässige Energieversorgung für die Aufgabenerfüllung der Streitkräfte unabdingbar“ sind. Auch Krankenhäuser spielen dabei eine Rolle, genauso wie eine auf Kriegstüchtigkeit (SPD-Verteidigungsminister Boris Pistorius) ausgerichtete „Wissenschaft“ und „Forschung“.
Bei der Umsetzung ihrer Aufrüstungs- und Kriegspläne drängt die herrschende Klasse auf größtmögliche Geschwindigkeit. „Die Mittel aus dem Sondervermögen Bundeswehr müssen zügig abfließen“, heißt es im Sondierungspapier. Deshalb wollen CDU/CSU und SPD „noch im ersten halben Jahr nach der Regierungsbildung ein Planungs- und Beschaffungsbeschleunigungsgesetz für die Bundeswehr, sowie eine Prioritätenliste mit schnell zu beschaffenden Rüstungsgegenständen vorlegen, die die Verteidigungsbereitschaft unseres Landes schnell und effizient erhöhen“ soll.
Ein sogenannter „Masterplan zur Stärkung der Bundeswehr und der Verteidigung Deutschlands“, den die CSU kurz vor den Wahlen veröffentlichte, gab bereits einen ersten Überblick über diese Prioritäten. Neben dem „Aufwuchs“ der Bundeswehr auf „500.000 einsatzbereite Soldaten und Reservisten“ und der „Wiedereinführung der Wehrpflicht“ fordert das Papier die Vollausstattung aller Kampfverbände und dafür:
- 300 zusätzliche Kampfpanzer, 500 Schützenpanzer und 2.500 Fahrzeuge
- eine Drohnen-Armee mit 100.000 Drohnen plus eigene Entwicklung und Produktion
- alle Teilstreitkräfte müssen Drohnen und KI einsetzen und abwehren können
- erster Drohnen-Träger in Europa für die Deutsche Marine zum Schutz von Nord- und Ostsee und der europäischen Handelswege
- Iron Dome als Schutzschirm gegen Raketen- und Luftangriffe; dafür 2.000 Abfangraketen für Patriot, IRIS-T und Arrow 3
- Abschreckung durch weitreichende konventionelle Präzisionswaffen: 1.000 neue Taurus (500 km Reichweite) und Entwicklung neuer Marschflugkörper mit 2.500 km Reichweite
- „Offensive im Cyberraum“ und „Weltraum-Offensive“ mit militärischem „Starlink“ und eigener Startrampe
Die historische Aufrüstung wird mit ebenso historischen Angriffen auf die Arbeiterklasse einhergehen. Im Abschnitt „Finanzierung“ des Sondierungspapiers heißt es, man werde „im Rahmen der Haushaltsberatungen auch Einsparungen vornehmen und darüber hinaus schrittweise auf eine ziel- und wirkungsorientierte Haushaltsführung umstellen“. Auch wenn es im Text Lippenbekenntnisse etwa zur „Sicherung des Rentenniveaus“ gibt, ist klar, dass am Ende der geplanten Aufrüstungsorgie von den noch verbliebenen sozialen und demokratischen Rechten nichts mehr übrig bleiben wird.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Auf dem Arbeitsmarkt sollen Bedingungen geschaffen werden, die Arbeiter zwingen, jeden noch so schlecht bezahlten Job anzunehmen – auch in der Rüstungsindustrie. Unter anderem soll das „Bürgergeldsystem“ zu „einer neuen Grundsicherung für Arbeitssuchende umgestaltet“, das heißt massiv gekürzt werden. Zudem werde man „Vermittlungshürden beseitigen, Mitwirkungspflichten und Sanktionen im Sinne des Prinzips Fördern und Fordern verschärfen“. Und „bei Menschen, die arbeiten können und wiederholt zumutbare Arbeit verweigern“, werde „ein vollständiger Leistungsentzug vorgenommen“.
In der Flüchtlingspolitik übernehmen die Koalitionäre in spe vollständig das Programm der faschistischen AfD, mit der Merz bereits wenige Wochen vor der Wahl offen paktiert hat. Man werde eine „Rückführungsoffensive starten“, drohen Union und SPD im Papier. Man erarbeite „umfassende gesetzliche Regelungen, um die Zahl der Rückführungen zu steigern“ und werde Asylsuchende „auch an den Staatsgrenzen“ zurückweisen. Die Bundespolizei solle „die Kompetenz erhalten, für ausreisepflichtige Ausländer vorübergehende Haft oder Ausreisegewahrsam zu beantragen, um ihre Abschiebung sicherzustellen“. Man werde „alle Möglichkeiten ausschöpfen, um die Kapazitäten für die Abschiebehaft deutlich zu erhöhen“.
Die Sozialistische Gleichheitspartei hat bereits im Wahlkampf erklärt, dass die Hetze gegen Flüchtlinge und die damit verbundene Stärkung der Faschisten zwei zentralen Zielen dient: die Arbeiterklasse zu spalten und einen Polizeistaat zu errichten, um Deutschland nach zwei verlorenen Weltkriegen wieder zur führenden Militärmacht hochzurüsten und jeden Widerstand dagegen zu unterdrücken.
Die Pläne von Union und SPD werden im Kern von allen Bundestagsparteien unterstützt. Die Grünen befinden sich bereits in Gesprächen, um der Großen Koalition gegebenenfalls noch im alten Parlament die notwendige Zweidrittelmehrheit zu sichern, um die Pläne auf den Weg zu bringen. Ihre Kritik kommt dabei von rechts: Sie fordern, die Aufrüstung noch direkter durch Kürzungen zu finanzieren und zusätzliche Bereiche wie die Geheimdienste von der Schuldenbremse auszunehmen.
Auch die Linkspartei lässt keinen Zweifel daran, dass sie für Gespräche bereitsteht, vor allem wenn die gegenwärtigen Bemühungen scheitern, noch im alten Bundestag eine Mehrheit zu organisieren. „Eine neue Regierung braucht für eine Grundgesetzänderung wie die Reform der Schuldenbremse oder für Sondervermögen eine Zweidrittelmehrheit. Sie kommt an der Linken nicht vorbei“, schrieb die Co-Vorsitzende der Linken, Ines Schwerdtner, bereits kurz nach der Wahl auf X. Ähnlich äußerten sich andere führende Parteivertreter und ein Beschluss des Parteivorstands vom 1. März, der explizit die Aufhebung der Schuldenbremse fordert, „um ausreichend Gelder für eine finanzielle zivile Unterstützung der Ukraine frei zu machen“.
Die Unterstützung aller Bundestagsparteien und der Gewerkschaften für die Kriegspolitik zeigt, dass der Kampf gegen Faschismus, Militarismus und soziale Ungleichheit einen politischen Bruch mit der gesamten bürgerlich-kapitalistischen Politik und den Aufbau einer unabhängigen Bewegung der Arbeiter auf sozialistischer Grundlage erfordert. Dafür kämpft die Sozialistische Gleichheitspartei und ruft alle Arbeiter und Jugendlichen auf, mit der notwendigen politischen Klarheit und Ernsthaftigkeit auf die Kriegspläne zu reagieren und sich der SGP anzuschließen.