Im Januar 1933 wurde Adolf Hitler zum deutschen Reichskanzler ernannt. Das Grauen, das die Nazis in den folgenden zwölf Jahren entfesselten, machte ihre Bewegung weltweit zum Synonym für unaussprechliche Brutalität und Verdorbenheit. Hitlers konterrevolutionäre Diktatur zerschlug jede Opposition durch Masseninhaftierung, Massendeportation und schließlich Massenmord, von dem ganze Bevölkerungsgruppen wie die Juden, Roma und andere Minderheiten betroffen waren. Der gescheiterte nationalsozialistische Eroberungskrieg legte Europa in Schutt und Asche und hinterließ bleibende Spuren in der menschlichen Kultur und Zivilisation.
Der pseudorechtliche Rahmen, in dem diese Verbrechen begangen wurden, war der so genannte „Ausnahmezustand“, ein Konzept, das der Staatsrechtler und das spätere NSDAP-Mitglied Carl Schmitt (1888-1985) in den 1920er Jahren theoretisch untermauerte.
Als reaktionärer Jurist aus einem privilegierten katholischen Milieu reagierte Schmitt feindlich auf die liberalen und konstitutionellen Reformen der Weimarer Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Er war geprägt von einem tiefen Hass auf Protestantismus, „Kosmopolitismus“ und alles, was er mit der jüdischen Kultur verband.
Nach Schmitts Theorie des „Ausnahmezustands“ werden demokratische und parlamentarische Normen in der „Ausnahmesituation“ eines nationalen Notstands außer Kraft gesetzt. In einer solchen Notlage hängt das Überleben der Rechtsordnung nicht von Normen ab, sondern von den Entscheidungen der Exekutive, die, wie Schmitt darlegte, „über den Ausnahmezustand entscheidet“.
Nach dem Reichstagsbrand im Februar 1933, der von den Nazis genutzt wurde, um eine antikommunistische Hysterie zu schüren, erließ Reichspräsident Paul von Hindenburg die „ Verordnung zum Schutz von Volk und Staat“, mit der die demokratischen Grundrechte außer Kraft gesetzt wurden. Einen Monat später verabschiedete das deutsche Parlament – gestützt auf die juristischen Theorien von Schmitt – das so genannte Ermächtigungsgesetz, das Hitlers Befugnisse zu einseitigem Handeln ohne verfassungsrechtliche Einschränkungen festschrieb.
Im selben Monat wurde mit dem Bau des Konzentrationslagers Dachau begonnen. Unter den neuen Rahmenbedingungen wurde die Kommunistische Partei (KPD) verboten, ihre gewählten Vertreter wurden alle inhaftiert, und die Nazis gingen mit aller Härte gegen jede sozialistische und Arbeiteropposition vor.
Da Hitler angeblich der Ausdruck des „Volkswillens“ und des „Willens der Nation“ war, mit dem Auftrag, das Land aus einer Notlage zu retten, behauptete Schmitt, dass das Recht selbst nichts anderes sei als „der Wille des Führers“. Dieses Konzept wurde als „Führerprinzip“ bekannt.
In der „Röhm-Aktion“ Ende Juni 1934 führte Hitler eine Säuberungsaktion gegen politische Gegner innerhalb und außerhalb der NS-Bewegung durch. Hunderte von hochrangigen politischen Führern wurden heimtückisch ermordet, ohne Anklage, Beweise oder Gerichtsverfahren. Schmitt feierte die Morde in einem Artikel vom August 1934, in dem er behauptete, Hitler sei der „höchste Richter“, und: „Der Führer schützt das Recht vor dem schlimmsten Missbrauch, wenn er im Augenblick kraft seines Führertums als Oberster Gerichtsherr unmittelbar Recht schafft.“
Wie die Nazis selbst bewiesen haben, können der unbefristete „Ausnahmezustand“ und das „Führerprinzip“ zur Rechtfertigung von absolut allem verwendet werden. Während der Nürnberger Prozesse nach Kriegsende warf der Richter des Obersten Gerichtshofs der USA, Robert Jackson, den Naziführern vor, sie seien „überrascht, dass es überhaupt so etwas wie Recht gibt ... Ihr Programm ignorierte und missachtete jedes Recht“.
Achtzig Jahre später werden Schmitts üble Konzepte in Form einer Fülle von Dekreten wiederbelebt, die US-Präsident Donald Trump in den ersten beiden Monaten seiner Präsidentschaft erlassen hat.
Unmittelbar nach seinem Amtsantritt rief Trump den „nationalen Notstand“ aus und machte außerordentliche Kriegsbefugnisse geltend, um die „Souveränität“ des Landes gegen eine „Invasion der Vereinigten Staaten über die Südgrenze“ zu verteidigen. Auf dieser Grundlage erließ er einen Befehl, der die US-Streitkräfte anweist, die vom Präsidenten geforderten Missionen durchzuführen.
Tausende Soldaten im aktiven Dienst wurden bereits an die südliche Grenze entsandt, angeblich um das Land vor einer „Invasion“ von „Ausländern“ ohne Papiere zu schützen. Unter Berufung auf dieselben rechtlichen Argumente, mit denen die Internierung japanischer Amerikaner während des Zweiten Weltkriegs gerechtfertigt wurde, verlangte Trump, dass US-Militärstützpunkte in Internierungslager umgewandelt werden. Diese sollen Millionen Flüchtlinge und Zugewanderte aufnehmen, die voraussichtlich bei militarisierten Razzien in den städtischen Zentren festgenommen werden.
Am 18. Februar erließ Trump eine Durchführungsverordnung, die besagt, dass er „eine verbindliche Auslegung des Rechts für die Exekutive festlegen wird“, was eine direkte Berufung auf das „Führerprinzip“ darstellt. Über die offiziellen Kanäle des Weißen Hauses wurde Trumps Aussage verbreitet: „Wer sein Land rettet, verstößt nicht gegen ein Gesetz.“ Vizepräsident J.D. Vance bekräftigte: „Richter dürfen die legitime Macht der Exekutive nicht kontrollieren.“
Trumps Pressesprecherin im Weißen Haus, Karoline Leavitt, erklärte am 12. Februar, Gerichtsbeschlüsse von Bundesrichtern gegen Trump seien ein „Versuch, den Willen des Volkes zu unterlaufen“. Am 5. März, als sie von einem Reporter zu den geplanten Zöllen befragt wurde, schnaubte sie: „Sind Sie der Präsident? Sie reden da nicht mit!“
Trumps Blitzkrieg an Präsidialerlassen macht deutlich: Es war kein Zufall, dass Elon Musk, der den Wahlkampf der Republikanischen Partei 2024 mit 290 Millionen Dollar finanziert hat, bei Trumps Amtseinführung am 20. Januar mehrfach den Hitlergruß zeigte.
Trump zertritt die grundlegende verfassungsmäßige Gewaltenteilung – die dem Kongress und nicht dem Präsidenten die Macht über den Staatshaushalt zuweist – und führt eine massive Entlassungswelle durch, die darauf abzielt, ein Jahrhundert sozialer Reformen rückgängig zu machen, von der Umweltregulierung über die Rentensicherheit bis hin zum öffentlichen Bildungs- und Gesundheitswesen.
Zu diesem Zweck hat er das so genannte „Department of Government Efficiency“ (DOGE, Abteilung für Regierungseffizienz) unter der Leitung von Musk ins Leben gerufen. Diese neue Institution übt inzwischen weitgehende Kontrolle über alle Behörden und Ministerien der Regierung aus, da DOGE an die Finanzen und Computersysteme geht.
Die Entführung und das Verschwinden des Studentenführers Mahmoud Khalil von der Columbia University am 8. März markiert eine weitere Eskalation von Trumps Bemühungen, die Verfassung außer Kraft zu setzen und einen Polizeistaat zu errichten. Khalil hält sich legal in den USA auf und wurde nicht wegen eines Verbrechens verurteilt, das seine Abschiebung rechtfertigen würde. Trump hetzte auf Regierungskanälen in Großbuchstaben gegen den Palästinenser Khalil und prahlte damit, dass „noch viele weitere folgen werden“.
Jeder Verstoß des Trump-Regimes gegen grundlegende demokratische Normen ist sorgfältig kalkuliert, um einen Präzedenzfall zu schaffen, der die Grundlage für weitere Verstöße in einer nicht enden wollenden Kaskade bildet. Jedes Mal, wenn ein Gerichtsbeschluss gegen Trump erlassen wird, reagiert er mit zwei weiteren eklatanten Verstößen gegen grundlegende demokratische Normen.
Am Wochenende berief sich Trump auf den Alien Enemies Act, um sich das Recht anzumaßen, Zugewanderte einseitig und ohne Gerichtsverfahren abzuschieben. Er stützte sich dabei auf die fiktive Behauptung, die USA befänden sich im „Krieg“ mit der Tren de Aragua-Bande und der venezolanischen Regierung.
Das Weiße Haus setzte sich direkt über eine gerichtliche Anordnung hinweg, wonach es keine Migranten nach El Salvador transportieren darf. Dort hat der rechtsextreme Machthaber Nayib Bukele zugesagt, die Abgeschobenen in dem riesigen und für seine Brutalität berüchtigten Staatsgefängnis zum Wegsperren von Terroristen (CECOT) unterzubringen. Trump hat bereits die Idee ins Spiel gebracht, dass auch US-Bürger dorthin transportiert werden können.
In einer Eingabe vom Sonntag argumentiert die Trump-Regierung, dass die Abschiebungen „nicht gerichtlich überprüft werden können“, da sie im Rahmen der „Kriegsbefugnisse“ des Präsidenten durchgeführt werden.
Dies ist nicht nur eine „Missachtung der Gerichte“, es ist eine „Missachtung der Verfassung“. Wenn die Exekutive die verfassungsmäßigen Rechte einer Person verletzt, müssen Gerichte Abhilfe schaffen und die Macht der Exekutive kontrollieren. Wenn die Exekutive das Ergebnis ignoriert, wird die Verfassung zu einem toten Stück Papier – nicht nur für Zugewanderte, sondern für die gesamte Bevölkerung.
Die hasserfüllte Kampagne gegen Transgender-Personen, die jetzt im Gange ist, wurde ebenfalls direkt dem Nazi-Drehbuch entnommen. Im Mai 1933, im Zuge des Ermächtigungsgesetzes, überfielen und verbrannten Nazi-Schergen die Bibliothek und die Unterlagen des Instituts für Sexualforschung in Berlin, das Pionierarbeit bei der Erforschung von Homosexualität und Transsexualität geleistet hatte. Dieser Angriff war der erste in der berüchtigten Welle von Bücherverbrennungen durch die Nazis.
Im Februar reiste Vance nach Europa, um für die deutsche Neonazi-Parteiführerin Alice Weidel zu werben. In einem anschließenden Fox-News-Interview erklärte Vance: „Die Amerikaner entscheiden, wer in unsere nationale Gemeinschaft aufgenommen wird“ – eine Wortwahl, die zweifellos an das von Schmitt vertretene Konzept der „Volksgemeinschaft“ erinnern soll, das er zur Rechtfertigung des Ausschlusses von „Nicht-Ariern“ vom politischen Leben heranzog. Trump lässt sogar die Nazi-Kampagne gegen „entartete Kunst“ wieder aufleben. Er ernannte sich selbst zum Vorsitzenden des Kennedy Center in Washington D.C. und führte eine Säuberung seines Vorstands durch.
Wie in Deutschland in den 1930er Jahren ist der Versuch, im heutigen Amerika eine Diktatur zu errichten, ein gesellschaftliches Produkt des Kapitalismus. Der anhaltende Massenmord an der Bevölkerung des Gazastreifens beweist, dass die Kräfte, die aktuell die Kontrolle über den amerikanischen Staat ausüben, zu Brutalitäten fähig sind, die es mit den Nazis aufnehmen können.
Im Gegensatz zu Hitler im Jahr 1933 genießt Trump jedoch nicht die Unterstützung einer faschistischen Massenbewegung. Im Gegenteil, der Versuch, eine Diktatur zu errichten, wird unweigerlich mit den starken demokratischen Traditionen der USA kollidieren. Diese haben ihre Wurzeln in der Amerikanischen Revolution, dem Bürgerkrieg zur Abschaffung der Sklaverei, der Bürgerrechtsbewegung zur Beseitigung der Rassentrennung und vor allem in der starken Geschichte des Kampfes der amerikanischen Arbeiterklasse, die sich aus Zugewanderten aus aller Welt zusammensetzt.
Der Versuch, eine Diktatur zu errichten, ist der Höhepunkt eines langwierigen historischen Prozesses. In seinem Verlauf gab es mehrere Meilensteine, wie die gestohlene Präsidentschaftswahl durch George W. Bush und die Republikaner im Jahr 2000 und die Duldung dieses Ereignisses durch die Demokratische Partei, die Anmaßung diktatorischer Kriegsbefugnisse im Rahmen des „Kriegs gegen den Terror“ und die Normalisierung von Folter, Militärkommissionen, Massenüberwachung und Mord unter aufeinander folgenden demokratischen und republikanischen Regierungen. Dieser Prozess beschleunigte sich unter dem ehemaligen Präsidenten Joe Biden mit den Bemühungen, Studentenproteste gegen den Völkermord im Gazastreifen zu kriminalisieren.
Trumps „Operation Diktatur“ bringt die Interessen der kapitalistischen Oligarchie zum Ausdruck. Diese ist entschlossen, den politischen Rahmen der amerikanischen Regierung mit der diktatorischen Macht in Einklang zu bringen, die sie bereits über das soziale und wirtschaftliche Leben ausübt.
Die Interessen dieser Oligarchie spiegeln sich im Verhalten beider politischer Parteien in Amerika wider. Dies zeigte sich einmal mehr im Abstimmungsverhalten von Spitzenpolitikern der Demokratischen Partei am Freitag: Alle Ausgabenbeschränkungen des Kongresses wurden aufgehoben, was Musk und Trump Grünes Licht für die Intensivierung ihrer Aktivitäten gibt.
Eine Massenbewegung ist nötig, um diese Operation zu stoppen und rückgängig zu machen. Sie muss vor allem die grenzüberschreitenden Interessen der Arbeiterklasse zum Ausdruck bringen. Und sie muss alle fortschrittlichen Elemente der Gesellschaft hinter sich vereinen, um die faschistische Bedrohung an ihrer Quelle zu beseitigen – dem kapitalistischen System.
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