Die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst zeigen, dass die Arbeiterklasse vor einem politischen Kampf steht, der sie nicht nur gegen die kommende Regierung von Union und SPD, sondern auch gegen deren Lakaien in den Gewerkschaftsspitzen richtet. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi tut alles in ihrer Macht Stehende, um den notwendigen unbefristeten Arbeitskampf zu verhindern.
Die Forderung nach einer Lohnerhöhung um 8 Prozent, mindestens aber 350 Euro, und drei zusätzlichen freien Tagen bei einjähriger Laufzeit war von Anfang an nur vorgeschoben. Die Gewerkschaftsspitze hatte niemals die Absicht, sie wirklich durchzusetzen. Am letzten Wochenende hatten die Verdi-Führer Frank Werneke und Christine Behle in der dritten Verhandlungsrunde in Potsdam die Forderung schon freiwillig halbiert.
Der Gegenseite war das nicht genug. Die Noch-Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), die zusammen mit der Gelsenkirchener Oberbürgermeisterin Karin Welge die Verhandlungen führt, legte am Sonntag das provokative Angebot von Bund und Kommunen auf den Tisch. Es ist das erste Angebot seit Oktober, seitdem die Verdi-Forderungen bekannt sind.
Dieses „Angebot“ ist noch schlechter als der neue Tarifvertrag für die Post. Es sieht eine Nullrunde von Januar bis Ende September 2025 vor; erst ab dem 1. Oktober 2025 soll es 2 Prozent mehr geben; weitere 2 Prozent im Juli 2026 und dann im Juli 2027 nochmals 1,5 Prozent. Die Laufzeit soll drei Jahre betragen, also 36 Monate, in denen Streikverzicht und Friedenspflicht herrschen. Die Inflation lag schon im Januar dieses Jahres offiziell bei 2,3 Prozent, mit anderen Worten: Es handelt sich um vorsätzliche Reallohnsenkung bei einem jahrelangen Streikverbot.
Dieser Provokation konnte Verdi nicht zustimmen, ohne ihr Gesicht völlig zu verlieren. Dennoch verbreitete die Gewerkschaft am frühen Montagabend intern die Hoffnung, dass es eine vierte Verhandlungsrunde geben werde. Das bedeutet, dass Verdi bereit war, über das provokante Angebot zu verhandeln.
Wenige Stunden später verkündete SPD-Ministerin Faeser jedoch am Montagabend das offizielle Scheitern der Verhandlungen und Bund und Kommunen riefen die Schlichtung an. Während der Schlichtung gilt eine Friedenspflicht, das heißt, Streiks sind vorerst nicht erlaubt.
Die Absicht ist deutlich: Faeser will sicherstellen, dass bis zur Regierungsbildung Ruhe herrscht, und anschließend unter dem Deckmantel der Schlichtung ein miserables Ergebnis durchdrücken.
Faeser ist Mitglied der SPD-Delegation, welche die Koalitionsverhandlungen mit dem Blackrock-Banker und CDU-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz führt. Verdi sitzt selbst mit am Verhandlungstisch, denn die SPD-Vorsitzende Saskia Esken ist Verdi-Mitglied und der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil war es früher; inzwischen ist er Mitglied der IG BCE.
Im Zentrum der zukünftigen Regierungspolitik steht das gigantische Kriegsprogramm über eine Billion Euro, das der Bundestag am Dienstag mit den Stimmen von Union, SPD und Grünen verabschiedet hat. Sowohl die Union wie die SPD haben deutlich gemacht, dass für weitere Ausgaben keine Mittel zur Verfügung stehen. Die Haushaltskonsolidierung auf dem Rücken von öffentlich Beschäftigten, Bürgergeldempfängern und Rentnern wird beschleunigt weitergehen.
Während für die Aufrüstung und den Aufbau einer „kriegstüchtigen“ Infrastruktur eine Billion Euro zur Verfügung steht, gibt es für vernünftige Gehälter keinen zusätzlichen Cent. Entsprechende Kürzungen werden im Zentrum der Koalitionsverhandlungen stehen, die in den kommenden Tagen stattfinden. Das ist auch der wahre Grund für das provokante „Angebot“ vom Sonntag.
Die World Socialist Web Site und die Sozialistische Gleichheitspartei rufen alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst auf, in den Betrieben Aktionskomitees aufzubauen, die von Verdi unabhängig sind, um eine breite Mobilisierung vorzubereiten. Diese Komitees aus einfachen Arbeiterinnen und Arbeitern müssen Kontakt zu den Kolleginnen und Kollegen in anderen Betrieben, anderen Branchen und anderen Ländern aufnehmen, um den sozialen Kahlschlag zu stoppen. Sie werden den Lohnkampf mit dem Kampf gegen Krieg verbinden. Ihr Ziel wird ein gesellschaftlicher Umbau sein, der von den Bedürfnissen der Menschen – nicht von den Profitinteressen der Reichen und Aktionäre – ausgeht.
Vor allem müssen die Aktionskomitees sich aus dem lähmenden Würgegriff von Verdi und den anderen DGB-Gewerkschaften befreien.
Das kommende Schlichtungsverfahren macht deutlich, dass die Verdi-Spitze keineswegs die Absicht hat, der Verschwörung gegen die Arbeiterklasse entgegenzutreten, sondern Teil dieser Verschwörung ist. Die Schlichtung wird mehrere Wochen dauern, während denen nicht gestreikt werden darf, und wird dann eine Empfehlung vorlegen, über die erneut die Tarifparteien verhandeln müssen. Das Ganze kann monatelang dauern.
Das Verfahren stützt sich auf eine Vereinbarung, die Verdi vor Jahren mit dem Bund und dem Verband der Kommunalen Arbeitgeber (VKA) abschloss, um unbefristete Streiks zu verhindern. Auch der Beamtenbund dbb ist der Vereinbarung angeschlossen. Jede Seite benennt dabei zwölf Vertreter, und im Streitfall entscheidet der Vorsitzende, der über zwei Stimmen verfügt. Während Hans-Henning Lühr, ein früherer SPD–Staatsrat aus Bremen, die Gewerkschaftsseite vertritt, wird der Vorsitzende der Schlichtungskommission niemand anderes sein als der ehemalige hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU).
Roland Koch ist kein Unbekannter. Er ist ein langjähriger Freund und Unterstützer von Friedrich Merz, den er kürzlich als „richtigen Mann zur richtigen Stunde“ bezeichnet hat. Koch und Merz waren Teil des „Andenpakts“, eines Netzwerks einflussreicher CDU-Politiker, das Ende der 1970er Jahre von Mitgliedern der Jungen Union während einer Reise in die südamerikanische Andenregion gegründet wurde. In den 1990er Jahre bereitete der Andenpakt die Nachfolge des langjährigen CDU-Vorsitzenden und Bundeskanzlers Helmut Kohl vor, wurde aber dann von Angela Merkel ausgebootet.
Koch, der von 1999 bis 2010 hessischer Ministerpräsident war, ging anschließend wie Merz in die Wirtschaft und leitete den Baukonzern Bilfinger Berger. Er ist für seine Verbindungen zu wirtschaftlich einflussreichen Kreisen im Rhein-Main-Gebiet, vor allem zur Dresdner Bank und dem Chemiekonzern Altana, später auch der UBS, bekannt.
Koch repräsentiert den nationalkonservativen, extrem antikommunistischen Flügel der CDU, der auf die „kalten Krieger“ Alfred Dregger und Manfred Kanther zurückgeht. Sein Aufstieg im hessischen Wahlkampf 1999 ging mit einer ausländerfeindlichen Unterschriftensammlung gegen die doppelte Staatsbürgerschaft einher, mit der er sich die Unterstützung der politischen Reaktion sicherte. Als bekannt wurde, dass die hessische CDU Millionenbeträge am Parteiengesetz vorbeigeschleust hatte, rechtfertigte Ministerpräsident Koch dies dreist mit angeblichen „jüdischen Vermächtnissen“. Gleichzeitig forderte er als Law&Order-Mann für Kleinkriminelle drakonische Strafen, gegebenenfalls Abschiebung.
Und wer hat nun Roland Koch als Vorsitzenden der Schlichtungskommission benannt? Es ist Nancy Faeser von der SPD, die ihn aus Hessen seit Jahren kennt. Damit zeigt Faeser einmal mehr, wohin der Pakt von Union und SPD jetzt steuert. Koch, der in der Schlichtung das letzte Wort hat, wird nicht zögern, für die Interessen des deutschen Imperialismus und gegen die Löhne, Arbeitsplätze und Bedingungen der öffentlichen Beschäftigten zu entscheiden.
Der Verdi-Spitze um Frank Werneke und Christine Behle ist das natürlich bewusst. Sie teilt die politische Ausrichtung der kommenden Regierung. Sie ist Teil der Verschwörung gegen die Arbeiterklasse. Auf der aktuellen Verdi-Homepage rechtfertigte Werneke das Aufrüstungspaket mit den Worten: „Europa muss sich verteidigen können, die Bundeswehr muss einsatzfähig sein.“ Das Sondervermögen, das ebenfalls der Kriegsvorbereitung dient, verharmloste Werneke als „echte Chance dafür, den Investitionsstau in unserem Land aufzulösen“.
Die Warnstreiks der letzten Wochen haben gezeigt, wie schlecht es tausenden öffentlichen Bediensteten heute schon geht. Die Löhne reichen für das Leben in den Städten nicht aus, Kliniken, Kitas, die Bahn etc. sind marode und kaputtgespart, und überall herrscht Personalnot. Aber das Sondervermögen zielt weder darauf ab, diese Missstände zu beseitigen, noch planen Union und SPD, die Superreichen mit höheren Steuern zur Kasse zu bitten, obwohl die Zahl der Milliardäre ständig steigt.
Die Warnstreiks haben auch gezeigt, wie hoch die Kampfbereitschaft in den Betrieben ist. Aber die Gewerkschaften haben nicht vor, den Kampf aufzunehmen. Ganz im Gegenteil arbeiten sie heute für die Gegenseite: Die Gewerkschaften haben sich in Verteidiger der Profitinteressen der deutschen Wirtschaft und des deutschen Staats verwandelt.
Die Tarifverhandlungen, schon immer ein Mechanismus zur Kontrolle der Arbeiterklasse, werden mehr und mehr dazu benutzt, um Reallohnsenkungen durchzusetzen und den Widerstand gegen Krieg und Sozialkahlschlag zu unterdrücken. Insbesondere die langen Laufzeiten von bis zu drei Jahren verfolgen das Ziel, das Streikrecht auszuhebeln und der Arbeiterklasse die Hände zu binden. Die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst mit ihrer Schlichtung unter Roland Kochs Regie sind dafür ein weiteres sprechendes Beispiel.
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