Erklärung des Internationalen Komitees der Vierten Internationale
Wie die Workers Revolutionary Party den Trotzkismus verraten hat 1973 – 1985

Die Gründung der Workers Revolutionary Party

1973 wurde die Kampagne geführt, die SLL in die revolutionäre Partei umzuwandeln. Dieses Ereignis hatte eine historische Bedeutung für das Internationale Komitee der Vierten Internationale. Doch die SLL-Führung sah diese Entscheidung nicht so und begründete sie vor der Mitgliedschaft anders.

1938 war der Gründung der Socialist Workers Party unter Aufsicht von Leo Trotzki die Erarbeitung von Hunderten von Seiten an Dokumenten vorausgegangen, die vor allen Dingen die historischen Grundlagen der amerikanischen Sektion der Vierten Internationale und ihre internationalen Perspektiven darlegten. Alle entscheidenden programmatischen und prinzipiellen Fragen wurden erarbeitet. Die Schaffung einer neuen revolutionären Partei wurde als eine historische Errungenschaft der fortgeschrittensten Teile des Proletariats verstanden, und nicht als episodisches taktisches Manöver, um leichter rekrutieren zu können. Sie wurde als Ergebnis eines langwierigen internationalen Kampfes innerhalb der kommunistischen Bewegung und der fortgeschrittensten Teile des Proletariats dargestellt.

Die Gründung der WRP wurde dagegen ganz anders erklärt. Eine Resolution des Zentralkomitees vom 1. Februar 1973 präsentierte eine Perspektive für die Umwandlung der SLL in eine Partei, die die zentrale trotzkistische Strategie der Sozialistischen Weltrevolution noch nicht einmal erwähnte. Sie erklärte weder die grundlegenden programmatischen Positionen der Vierten Internationale, noch brachte sie die Entscheidung, die Partei zu gründen, in Beziehung zu den theoretischen Errungenschaften des Kampfes gegen den pablistischen Revisionismus.

Nichts in dem Perspektiventwurf wies darauf hin. dass der Umwandlung der SLL in die Workers Revolutionary Party mehr zugrunde lag als pragmatische Erwägungen bezüglich der wachsenden Anti-Tory-Bewegung in der Arbeiterklasse. Das Dokument war eindeutig vom Standpunkt aus geschrieben worden, sich an das allgemeine Niveau gewerkschaftlichen Bewusstseins anzupassen, und das Programm, das es umriss, beschränkte sich fast vollständig auf Forderungen demokratischen Charakters. Kein Wort über die Diktatur des Proletariats als strategisches Ziel der sozialistischen Revolution in Großbritannien. Die Perspektiven erklärten und entlarvten auch nicht den Klassencharakter der bürgerlichen Demokratie – das Erste, was ein revolutionäres Programm für die britische Arbeiterklasse leisten muss.

Das Dokument schwieg sich aus über den Kampf gegen den britischen Imperialismus und die Beziehung der britischen Arbeiterklasse zu den nationalen Befreiungsbewegungen und antiimperialistischen Kämpfen in der ganzen Welt. Der programmatische Teil des Dokuments enthielt nicht die Forderung nach Selbstbestimmung für die Iren.

Dem Inhalt und der zu Grunde liegenden Konzeption nach hatte das Programm, auf dessen Grundlage die WRP gegründet wurde, absolut nichts mit Trotzkismus zu tun. Kein einziger Abschnitt ging über die Grenzen des Zentrismus hinaus. Dies hing eng mit der im Kern nationalistischen Perspektive zusammen, mit der die WRP gegründet wurde. Mit dem Aufruf zur Umwandlung der SLL, verkündete die Healy-Führung, verfolge sie ein einziges Ziel: die Wahl einer Labour-Regierung zur Ablösung der Tories!

Die Socialist Labour League wird nach der Umwandlung in eine revolutionäre Partei eine ganz bestimmte Aufgabe erfüllen: die Arbeiterklasse hinter einem sozialistischen Programm zu vereinen mit dem Ziel, die Tory-Regierung zu stürzen und sie durch eine Labour-Regierung zu ersetzen; den Kampf zur Entlarvung und Ersetzung der Labourführer, die dem Kapitalismus dienen, anzuführen; die Massenbewegung gegen die Tories durch den Kampf für sozialistische Politik unter einer Labour-Regierung zu führen; und in diesem Kampf viele Tausende für den Marxismus zu gewinnen und die reformistischen Führer aus der Gewerkschafts- und Arbeiterbewegung hinauszuwerfen.

Solch eine revolutionäre Partei wird in den Fabriken, den Gewerkschaften, in der Jugendbewegung, der Mieterbewegung, unter den Arbeitslosen und Studenten arbeiten – wo immer ein Kampf gegen die Tory-Regierung stattfindet –, um diesen Kräften die wirkliche sozialistische Alternative zu bieten.

Die Mitglieder der Partei werden die aktivsten und führenden Kämpfer in jeder Auseinandersetzung um Löhne, Arbeitsplätze, Mieten, Sozialleistungen und demokratische Rechte sein. Doch werden sie sich in diesen Kämpfen vor allen Dingen dafür einsetzen, die politische Bewegung zum Sturz der Tories aufzubauen, wobei die Sammlung und Ausbildung der Kräfte der revolutionären Partei selbst im Mittelpunkt steht. (Fourth International, Winter 1973, S.132)

Das hatte es in der Geschichte noch nie gegeben, dass eine trotzkistische Partei speziell zu dem Zweck gegründet wurde, einer sozialdemokratischen Partei zum Wahlsieg zu verhelfen! Eine provinziellere Perspektive kann man sich kaum vorstellen. In seiner Kritik des Programmentwurfs hatte Trotzki geschrieben:

In unserem Zeitalter, welches ein Zeitalter des Imperialismus, d.h. der Weltwirtschaft und der Weltpolitik ist, welche durch das Finanzkapital beherrscht werden, vermag keine einzige nationale Sektion ihr Programm lediglich, oder auch nur vorwiegend aus den Bedingungen und Tendenzen der nationalen Entwicklung heraus aufzubauen. (Die dritte Internationale nach Lenin, intarlit, S. 67)

Doch im Jahr 1973 schlug die SLL vor, eine Partei auf der Grundlage eines Wahlprogramms zu gründen. Mehr noch, sie stellte sich, als sie ihr Recht herausstrich, eine revolutionäre Partei zu bilden, lediglich als die konsequenteste Kämpferin gegen die Torys und für demokratische Rechte dar. Sie erklärte die revolutionäre Partei beinahe ausschließlich mit der Notwendigkeit, „Grundrechte“ zu verteidigen, deren Klasseninhalt sie nicht näher bestimmte:

Wenn die Socialist Labour League heute dazu aufruft, ihre Umwandlung in eine revolutionäre Partei zu unterstützen, so beruft sie sich auf ihre eigene Geschichte, in der sie diese Grundrechte verteidigte und für eine alternative Führung kämpfte. ...

Die jetzige SLL entstand aus dem gesamten Kampf um grundlegende Politik und um die Verteidigung von Grundrechten wie des Rechts auf Arbeit. (ebd. S. 130).

Eine Zeit lang spielte Healy mit dem Gedanken, die neue Organisation „Partei für Grundrechte“ zu nennen! Glücklicherweise gab er diese Idee auf, doch die politische Perspektive, die zu diesem Einfall geführt hatte, durchzog das Gründungsdokument. Im Programmteil des Dokuments, der der Abteilung für Politik der Gewerkschaft des öffentlichen Diensts entliehen zu sein schien, wurden die Grundrechte wie folgt aufgezählt:

das Recht auf Arbeit, das demokratische Recht zu streiken und sich in Gewerkschaften zu organisieren, das Recht, Errungenschaften aus der Vergangenheit zu verteidigen und das System zu ändern (!), das Recht auf einen höheren Lebensstandard, das Recht auf ärztliche Versorgung und Sozialfürsorge, und das Recht auf eine anständige Wohnung.

Organisatorisch ging der Umwandlung der League in die Partei eine Massenrekrutierungskampagne voraus, bei der alle, die mit diesem Programm übereinstimmten, mit offenen Armen als Mitglieder der britischen Sektion aufgenommen wurden. Das Programm war so gefasst, dass die Mitgliedschaft jedem offenstand, der auch nur die geringsten sozialdemokratischen Neigungen hegte. Die Umwandlung der SLL in die WRP war also mit einer gefährlichen Herabsetzung der politischen Anforderungen für die Parteimitgliedschaft verbunden. Nicht für die proletarische Revolution wurde die Rekrutierung organisiert, sondern für die Wahl einer Labour-Regierung und die Verwirklichung eines sozialdemokratischen Programms.

Darüber hinaus verband das Dokument die Socialist Labour League kaum mit dem Internationalen Komitee der Vierten Internationale. Genau vier kurze Absätze waren der Geschichte der trotzkistischen Bewegung gewidmet. Was den Revisionismus betraf, so erwähnte man ihn nur in seinem britischen Gewand, der International Marxist Group. Die historischen Kämpfe der vorangegangenen zehn Jahre wurden nicht erwähnt. Diejenigen, die auf der Grundlage dieses Programms der Partei beitraten, waren sich also nicht notwendigerweise bewusst, dass sie Mitglied einer internationalen kommunistischen Organisation wurden. Sie waren auch nicht verpflichtet, mit den Perspektiven des IKVI übereinzustimmen und seine Autorität über ihre politische Arbeit anzuerkennen. In der Darstellung des Wachstums und der politischen Entwicklung der SLL während des vorangegangenen Jahrzehnts wurde der Kampf für proletarischen Internationalismus gegen die Verrätereien des pablistischen Revisionismus nicht erwähnt.

Auf dem Vierten Kongress des Internationalen Komitees war die Entscheidung zur Gründung der Workers Revolutionary Party nicht diskutiert worden. Sie wurde als ein nationales Unterfangen betrachtet, das mit dem internationalen Kampf gegen den Revisionismus nichts zu tun hatte. Der Kampf für die Umwandlung der SLL in die WRP wurde nicht bewusst als Höhepunkt des langwierigen Kampfs gegen das pablistische Liquidatorentum und den Zentrismus der OCI gesehen, durch den die Kontinuität des Trotzkismus aufrechterhalten und verteidigt worden war. Stattdessen wurde die „Umwandlung“ dazu benutzt, das Niveau des Programms zu senken und die historischen Prinzipien zu verwischen, für die die SLL gekämpft hatte. So wirkte sich die Abwendung der britischen Sektion vom Aufbau des Internationalen Komitees schon bei der Gründung der WRP innerhalb der Partei aus.

Trotzdem war es nicht falsch, die Workers Revolutionary Party zu gründen. Es wäre auch nicht richtig, zu behaupten, der zentristische Charakter des Programms habe bedeutet, dass die neue Partei nicht mehr trotzkistisch war. Eine Reihe von falschen und unzulänglichen Dokumenten allein ändert noch nicht den Charakter einer Bewegung, die das Ergebnis eines jahrzehntelangen Kampfes in der Arbeiterklasse ist. Doch die Art und Weise, wie die WRP gegründet wurde, war von einer opportunistischen Abweichung gekennzeichnet, die den Druck der wachsenden Massenbewegung auf die Partei ausdrückte – insbesondere eine Anpassung an das darin vorherrschende gewerkschaftliche Bewusstsein. Die Form dieser Anpassung hing direkt mit dem Versäumnis zusammen, den Kampf gegen den Zentrismus innerhalb der Vierten Internationale fortzusetzen. Erneut bestätigte sich die alte Wahrheit: diejenigen, die eine hastige und theoretisch unausgegorene Spaltung mit den Zentristen vollziehen, übernehmen am Ende deren Programm.