Die Tragödie der Chinesischen Revolution von 1925 - 1927

Dies ist eine Vorlesung, die während der Sommerschule der Socialist Equality Party in Ann Arbor, Michigan, im August 2007 gehalten wurde.

Der Aufstieg und Niedergang der Zweiten Chinesischen Revolution von 1925 bis 1927 ist eines der bedeutendsten politischen Ereignisse in der Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts. Diese gescheiterte Revolution endete mit dem Tod Zehntausender kommunistischer Arbeiter und der völligen Zerstörung der Kommunistischen Partei Chinas als Massenorganisation der Arbeiterklasse. Es ist unmöglich, die grundlegenden Probleme der modernen chinesischen Geschichte zu verstehen, insbesondere das Wesen des 1949 errichteten maoistischen Regimes, ohne die Lehren aus den Ereignissen der Jahre 1925 bis 1927 gezogen zu haben.

Im Jahr 1930 erklärte Trotzki: "Das Studium der Chinesischen Revolution ist für jeden Kommunisten und fortschrittlichen Arbeiter eine der wichtigsten und vorrangigsten Aufgaben. Es ist unmöglich, in irgendeinem Land ernsthaft über den Kampf für die Machtergreifung des Proletariats zu reden, ohne dass die proletarische Vorhut die grundlegenden Ereignisse, treibenden Kräfte und strategischen Methoden der Chinesischen Revolution studiert. Man kann nicht verstehen was Tag ist, ohne zu wissen was Nacht ist. Es ist nicht möglich den Sommer zu verstehen, ohne den Winter erlebt zu haben. Im selben Sinne ist es nicht möglich, das Wesen der Methoden des Oktoberaufstandes zu verstehen, ohne die chinesische Katastrophe zu studieren." (Leon Trotsky on China, Monad Press, New York, 1978, p. 475).

Die Perspektive der Chinesischen Revolution stand im Mittelpunkt von Trotzkis Kampf gegen die stalinistische Bürokratie. Seine Theorie der Permanenten Revolution wurde in diesem Kampf - zum zweiten Mal - einer grundlegenden Prüfung unterzogen. Stalin setzte sich mit Unterstützung des bürokratischen Apparates durch, was zum Verrat einer der viel versprechendsten revolutionären Möglichkeiten seit 1917 führte. Die Niederlage in China war ein entscheidender Schlag gegen die Linke Opposition. Ende 1927 wurde Trotzki aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen und danach aus der UdSSR ausgewiesen.

Dieser Vortrag wird die entscheidende Rolle der revolutionären Führung in direkter Opposition zu den Standpunkten der postsowjetischen Schule der Fälschung untersuchen und hervorheben. Die Methoden und Argumente zweier Mitglieder dieser Tendenz, der britischen Historiker Ian Thatcher und Geoffrey Swain, wurden bereits in der jüngst veröffentlichten Arbeit David Norths Leon Trotsky & the Post-Soviet School of Historical Falsification (Mehring Books, Detroit, 2007) beleuchtet und widerlegt. Ihre Haltung zur Chinesischen Revolution verdient es hier beachtet zu werden.

Thatcher behauptet, Stalin und Trotzki hätten hinsichtlich der Ereignisse von 1925 bis 1927 denselben Standpunkt der "Notwendigkeit eines sozialistischen Chinas" geteilt.

Damit werden zwei sich diametral gegenüberstehende Perspektiven in einen Topf geworfen. Trotzki repräsentierte die internationalistische Tendenz, die anerkannte, dass die erste sozialistische Revolution im rückständigen Russland nicht in erster Linie durch nationale Bedingungen, sondern durch die Widersprüche des Weltkapitalismus möglich wurde. Die Oktoberrevolution war lediglich der Auftakt der sozialistischen Weltrevolution in den Kolonien und den fortgeschrittenen kapitalistischen Staaten. Trotzki hob hervor, dass es dem chinesischen Proletariat ebenso wie der russischen Arbeiterklasse möglich sei, die Macht zu ergreifen, weil die nationale Bourgeoisie in der Epoche des Imperialismus keine historisch progressive Rolle mehr spielen könne.

Im Gegensatz dazu ignorierte Stalin die Tatsache, dass die Produktivkräfte der imperialistischen Epoche über den historisch veralteten Rahmen der Nationalstaaten hinausgewachsen waren. Er sah die imperialistische Unterdrückung lediglich als ein äußeres Hindernis für den Aufstieg des chinesischen "nationalen" Kapitalismus an. Ohne dieses Hindernis wäre dieser grundsätzlich in der Lage, den klassischen bürgerlichen Revolutionen Nordamerikas und Westeuropas zu folgen. Stalin bestand deshalb darauf, die Arbeiterklasse müsse sich zunächst dem Regime der bürgerlichen Kuomintang (KMT) unterordnen, damit die chinesische Bourgeoisie ihre national-demokratischen Aufgaben erfüllen könne. Die Perspektive der proletarischen Revolution wurde damit auf Jahre, wenn nicht Jahrzehnte verschoben.

Diese gegensätzlichen Konzeptionen brachten sehr unterschiedliches politisches Vorgehen mit sich. Trotzki forderte die politische Unabhängigkeit der Arbeiterklasse, Stalin dagegen zwang die chinesischen Kommunisten in die Rolle der "Kulis" der Kuomintang. Trotzki rief zur Bildung von Sowjets [Arbeiterräten] als Machtorgane der Arbeiter und Bauern auf, Stalin betrachtete die Kuomintang als eine Art revolutionär- demokratisches Regime. Trotzki warnte die chinesischen Arbeiter vor der Gefahr, die sowohl vom rechten als auch vom linken Flügel der Kuomintang drohte. Stalin ordnete sich zunächst der gesamten Kuomintang unter. Nach dem Massaker Chiang Kai-sheks an den Shanghaier Arbeitern im April 1927 befahl er den Kommunisten, sich dem "linken" Kuomintang- Führer Wang Ching-Wei in Wuhan zuzuwenden - was drei Monate später auch für sie in einem Blutbad endete.

Nachdem die Revolution in der zweiten Hälfte des Jahres 1927 in eine Niedergangsphase eintrat, rief Trotzki zum systematischen Rückzug auf, um die Partei zu schützen. Stalins kriminelle Forderung an die Chinesische Kommunistische Partei, Putsche durchzuführen, zerstörte die bereits angeschlagene kommunistische Arbeiterorganisation in den großen Zentren gänzlich und kostete tausenden Parteikadern das Leben.

Diese grundsätzlichen Unterschiede haben nach Thatchers Meinung keinerlei Bedeutung für das tragische Ende der Zweiten Chinesischen Revolution. Selbst wenn die Kommunistische Partei sich 1926 von der Kuomintang gelöst hätte, wie es Trotzki forderte, "gibt es kein Anzeichen dafür, dass die Revolution 1927 größeren Erfolg gehabt hätte", behauptet Thatcher. (Trotsky, Ian D. Thatcher, Routledge, 2003, p. 156).

Für Thatcher spielen in den entscheidenden Momenten der menschlichen Geschichte die politische Perspektive, das revolutionäre Programm, die Führung und die Taktik keine Rolle.

Die Ursprünge der Chinesischen Revolution

Die theoretische Vorbereitung der ersten sozialistischen Revolution, die im Oktober 1917 in Russland stattfand, erforderte jahrzehntelange Arbeit in der marxistischen Bewegung. In China gab es keine solche lange, vorbereitende Entwicklung. Ebenso wie die Entstehung der chinesischen Arbeiterklasse das Ergebnis des Eindringens ausländischen Kapitals in das halbkoloniale Land war, war die Entwicklung der chinesischen marxistischen Bewegung das Ergebnis der direkten Ausdehnung der Russischen Revolution und übersprang dadurch Jahrzehnte westlicher sozialdemokratischer Traditionen und sozialwissenschaftlicher Entwicklung. Die Erfahrung der Russischen Revolution war für China, das eine ähnliche soziale und historische Entwicklung wie Russland aufwies, bedeutsam. Beide Länder waren überwiegend agrarisch, hatten ungelöste demokratische Aufgaben und ein kleines, jedoch schnell wachsendes Proletariat.

Die große Tragik der Chinesischen Revolution bestand darin, dass unter der Führung Stalins das monumentale Ansehen der Russischen Revolution missbraucht wurde, um auf der Grundlage der menschewistischen "Zweistufentheorie" eine opportunistische Politik durchzusetzen.

Für ein tieferes Verständnis der drei Konzeptionen der Russischen Revolution, der menschewistischen Zweistufentheorie, Lenins Konzept der Demokratischen Diktatur des Proletariats und der Bauernschaft und Trotzkis Theorie der Permanenten Revolution ist das Studium von David North’s Vortrag "Ein Beitrag zur Neubewertung von Vermächtnis und Stellenwert Leo Trotzkis in der Geschichte des 20. Jahrhunderts" aus dem Jahre 2001 besonders wichtig.

Trotzkis Theorie der Permanenten Revolution, im positiven Sinne bestätigt durch den Verlauf der Russischen Revolution, wurde im negativen Sinne auf tragische Weise durch die Niederlagen der Revolution in China bestätigt.

Die Grundfragen der Chinesischen Revolution waren denen der Russischen Revolution sehr ähnlich. China stand vor der drängenden Aufgabe, die nationale Einheit zu erreichen und die von den Warlords und den imperialistischen Mächten erzeugte Spaltung zu überwinden. Weiterhin ging es darum, durch eine Agrarreform den Landhunger von Millionen armen Bauern zu stillen und die barbarische, halbfeudale Ausbeutung zu beenden. Die chinesische Bourgeoisie erwies sich jedoch als noch korrumpierter als ihr russisches Pendant, als abhängig vom Imperialismus, unfähig die Nation zu einen, organisch mit den Grundherren und den Wucherern auf dem Land verwachsen und dadurch unfähig die Agrarreform durchzuführen. Vor allem jedoch war sie von tiefer Furcht vor der jungen und kämpferischen chinesischen Arbeiterklasse erfasst.

Wie in Russland war auch in China das Wachsen der Industrie vom Auslandskapital abhängig. Zwischen 1902 und 1914 verdoppelten sich die Auslandsinvestitionen in China. In den folgenden fünfzehn Jahren verdoppelten sich die Auslandsinvestitionen nochmals, stiegen auf 3,3 Milliarden Dollar und dominierten Chinas wichtigste Industrien, insbesondere die Textilindustrie, die Eisenbahn und die Schifffahrt. 1916 gab es eine Million Industriearbeiter in China, 1922 waren es bereits doppelt so viele. Die Arbeiterschaft war in wenigen Industriezentren wie beispielsweise Shanghai und Wuhan konzentriert. Mehrere Zehnmillionen Halbproletarier - Handwerker, Ladenbesitzer, Angestellte und Landarme - teilten ihre sozialen Hoffnungen mit dem Proletariat.

Obwohl zahlenmäßig klein - einige Millionen bei einer Gesamtbevölkerung von über 400 Millionen - war das chinesische Proletariat doch durch die Widersprüche des Weltkapitalismus dazu bestimmt, eine führende Rolle in den revolutionären Kämpfen zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts zu übernehmen. Das Scheitern der ersten Chinesischen Revolution von 1911 unter der Führung von Sun Yat-sen zeigte, dass die chinesische Bourgeoisie gänzlich außerstande war, ihre eigenen historischen Aufgaben zu erfüllen.

Sun Yat-sen Sun Yat-sen

Sun Yat-sen gewann mit Beginn der 1890er Jahre Unterstützung, nachdem die Mandschu-Dynastie Bestrebungen für eine konstitutionelle Monarchie zurückgewiesen hatte. Inspiriert von den klassischen bürgerlichen Revolutionen in Amerika und Frankreich vertrat Sun-Yat-sen die "Drei Prinzipien des Volkes": Den Sturz des imperialen Systems, die demokratische Republik und die Nationalisierung des Bodens. Sun unternahm jedoch keinen Versuch eine Massenbewegung zu formieren und beschränkte sich weitgehend auf Verschwörungen, Putsche oder terroristische Aktionen gegen einzelne Mandschu-Beamte.

Die so genannte "Revolution" von 1911 versetzte einer bereits vollkommen verrotteten Struktur lediglich den letzten Schlag, denn finanziell stand die Regierung nach jahrzehntelanger Plünderung durch die westlichen Mächte bereits am Rande des Bankrotts. Politisch war die Mandschu-Dynastie völlig diskreditiert, nachdem die imperialistischen Mächte chinesisches Territorium entweder als Kolonie oder - wie im Fall der Hafenstädte, wo ausländische Truppen, Polizei und Justiz herrschten - als "Konzession" annektiert hatten. Im Jahre 1900 musste sich die im Sterben begriffene Mandschu-Dynastie auf ausländische Truppen stützen, um den Boxeraufstand, einen umfassenden antikolonialen Aufstand von Bauern und Landarmen, niederzuschlagen.

Als die Mandschu-Dynastie letztendlich konstitutionelle Reformen versprach, war es bereits zu spät. Große Teile der Bourgeoisie, der Bürokratie und des Militärs standen inzwischen auf der Seite Sun Yat-sens. Am 10. Oktober 1911 wurde nach einem Aufstand tausender Soldaten in Wuhan in der Provinz Hubei eine Republik ausgerufen. Der Aufstand dehnte sich schnell über mehrere chinesische Provinzen aus, aber das Fehlen einer echten Massenbewegung führte dazu, dass die Besitzstände unangetastet blieben. Das Resultat dessen war die lose föderierte "Republik China" mit Sun Yat-sen als provisorischem Präsidenten.

Diese neue Republik war in Wirklichkeit in der Hand der alten Militärbürokratie, die jedem Versuch widerstand, den Bauern Land zu geben. Sun suchte schnell den Kompromiss mit diesen reaktionären Kräften und strebte lediglich die internationale Anerkennung der Republik China an. Die imperialistischen Mächte forderten Sun jedoch auf, die Präsidentschaft an den letzten Mandschu-Premierminister Yuan Shikai zu übergeben, der ihnen als verlässlicherer Herrscher erschien und Chinas halbkolonialen Status nicht in Frage stellen würde. Yuan wurde Präsident, wandte sich von Sun Yat-sen und seiner Kuomintang [Nationale Volkspartei] ab, setzte die Verfassung außer Kraft und löste das Parlament auf. Im Jahre 1915 ernannte sich Yuan mit der Unterstützung Japans selbst zum Kaiser. Sein kurzlebiger Versuch, das imperiale System wiederzubeleben, wurde durch die Revolte südchinesischer, die Republik befürwortender Generale beendet. Yuan wurde zum Rücktritt gezwungen und starb bald darauf.

Obwohl die Republik China dem Namen nach noch existierte, war sie doch unter rivalisierenden, jeweils von anderen imperialistischen Mächten unterstützten Warlords aufgeteilt. Die KMT hielt sich mit Unterstützung lokaler Generale in der südchinesischen Stadt Guangzhou (Kanton). Sun appellierte ohne Erfolg an die kleineren Warlords, die größeren zur Einigung Chinas aufzufordern.

Die Bewegung des Vierten Mai und die Russische Revolution

Chen Dixiu Chen Dixiu

Das Scheitern im Jahr 1911 hatte tief greifende Auswirkungen auf die chinesischen Intellektuellen. Der spätere Gründer der Kommunistischen Partei Chinas und der trotzkistischen Bewegung, Chen Duxiu, bereitete den Weg für neue intellektuelle Horizonte. Eine außergewöhnliche Ära begann, eine Zeit rascher Politisierung vieler Jugendlicher, die sich aktiv an weit reichenden politischen, ideologischen und kulturellen Kämpfen beteiligten, um den Lauf der Geschichte zu beeinflussen. Chens Magazin Neue Jugend wurde später das offizielle Organ der Kommunistischen Partei. Chen zog viele Studenten an, die in ihm den kompromisslosen Kämpfer gegen den reaktionären Einfluss des Konfuzianismus sahen. Er machte den radikalen Schritt und führte die Jugendlichen an westliche Literatur, Philosophie, Sozial- und Naturwissenschaft heran.

Die entscheidenden politischen Impulse kamen aus internationalen Ereignissen. Der Beginn des Ersten Weltkrieges 1914, obwohl vor allem ein europäisches Ereignis, hatte großen Einfluss auf China, gefolgt von den gewaltigen Auswirkungen des Siegs der Russischen Revolution 1917. Li Dazhao, Mitbegründer der Kommunistischen Partei Chinas, brachte als erster den Marxismus nach China. Einer der ersten marxistischen Essays in China war Der Sieg des Bolschewismus von 1918, weitgehend inspiriert von Trotzkis Arbeit Der Krieg und die Internationale.

Li Dazhao Li Dazhao

Li schrieb, dass der Beginn des Ersten Weltkrieges den Beginn "des Klassenkrieges ... zwischen den Massen des Weltproletariats und den Kapitalisten der Welt" markiert. Die bolschewistische Revolution sei nur der erste Schritt zur Beseitigung des kapitalistischen Monopol-Profitsystems der Produktion und der gegenwärtig existierenden nationalen Grenzen, welche Hindernisse für den Sozialismus sind. Li begrüßte die Oktoberrevolution als "die neue Strömung des zwanzigsten Jahrhunderts", die bald von den Ereignissen in China bestätigt werden sollte. (Li Ta-chao and the Origins of Chinese Marxism, Maurice Meisner, Harvard University Press, 1967, p 68)

Unter dem Druck der Alliierten Mächte erklärte China Deutschland den Krieg und gehörte damit formell zu den Siegermächten. Beim Kuhhandel auf der Versailler Konferenz im Mai 1919 wurde Chinas Unabhängigkeit jedoch erneut mit Füßen getreten, indem die imperialistischen Mächte Deutschlands Kolonialkonzessionen in Shandong an Japan übergaben. Diese Nachricht aus Paris rief Streiks von Arbeitern in ganz China und wütende Proteste der Pekinger Studenten hervor.

Die weit verbreiteten Illusionen in die anglo-amerikanische "Demokratie" waren gründlich erschüttert. Unter Studenten und Arbeitern setzte sich weithin die Erkenntnis durch, dass die rivalisierenden Mächte im Ersten Weltkrieg um die Beherrschung der Welt und für die Interessen ihrer eigenen Bourgeoisie gekämpft hatten. Wer auch immer siegte, die imperialistische Ausbeutung Chinas und anderer Kolonialstaaten würde nicht enden. Der Sieg der russischen Arbeiterklasse eröffnete dagegen eine neue Perspektive für die chinesischen Massen.

Die Gründung der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) unter der Führung von Chen Duxiu und Li Dazhao im Juli 1921 erfolgte auf der Grundlage des sozialistischen Internationalismus. Die noch kleine KPCh wuchs auf der Grundlage ihres Programms und des Ansehens der Oktoberrevolution rasch. Sie begrüßte die vom zweiten und dritten Kongress der Kommunistischen Internationale (Komintern) ausgearbeitete Taktik, um die Führung der entstehenden nationalen Befreiungsbewegungen zu kämpfen.

In der Diskussion auf dem Zweiten Komintern-Kongress drängte Lenin die jungen kommunistischen Parteien der Kolonialländer, sich aktiv an den entstehenden nationalen Befreiungsbewegungen zu beteiligen, und hob besonders die Notwendigkeit hervor, "entschieden gegen den Versuch zu kämpfen, den bürgerlich-demokratischen Nationalbewegungen der Kolonien und rückständigen Länder einen kommunistischen Anstrich zu geben. Die Kommunistische Internationale muss die Nationalbewegungen dieser Länder nur unter der Bedingung unterstützen, dass in allen rückständigen Ländern die Elemente zukünftiger proletarischer Parteien, kommunistischer Parteien nicht nur dem Namen nach, zusammengefasst und ausgebildet werden, damit sie ihre besonderen Aufgaben, nämlich die bürgerlich-demokratischen Bewegungen ihrer jeweiligen Nationen zu bekämpfen, wahrnehmen können; die Kommunistische Internationale muss eine zeitweilige Allianz mit der bürgerlichen Demokratie der rückständigen und kolonialen Länder eingehen, darf aber nicht mit ihr verschmelzen und muss unter allen Umständen die Unabhängigkeit der proletarischen Bewegung erhalten, sei es auch in rudimentärster Form ..." (Lenin On the National and Colonial Questions: Three Articles, Foreign Language Press, Peking, 1975, p. 27).

Mit der Niederlage der deutschen Revolution von 1923 und Lenins Tod im Jahre 1924 wurde die grundlegende, von Lenin skizzierte politische Achse aufgegeben. Im Namen des Widerstands gegen den "Trotzkismus" wies der konservative, von Stalin geführte Teil der bolschewistischen Führung die grundlegenden Lehren des Jahres 1917 zurück. Statt den revolutionären Durchbruch in China zu unterstützen, strebte diese Führung Verbindungen zu so genannten "demokratischen" Teilen der chinesischen Bourgeoisie an, um den Druck des japanischen und britischen Imperialismus im Fernen Osten zu verringern.

Der Beitritt zur Kuomintang

Die ursprüngliche KPCh-Politik einer zeitweiligen Allianz mit der KMT beruhte auf dem Grundsatz des unabhängigen Fortbestehens beider Parteien. Im August 1922 ordnete die Kominternführung jedoch an, die Mitglieder der KPCh sollten der KMT beitreten.

Die KPCh widersetzte sich dieser Entscheidung, aber ihre Einwände wurden durch die Komintern-Führung unter Sinowjew unterdrückt. Sinowjew rechtfertigte die Entscheidung damit, dass die KMT die "einzige ernsthafte nationalrevolutionäre Gruppe" in China sei. Die unabhängige Bewegung der Arbeiterklasse sei noch schwach und daher müsse die kleine KPCh der KMT beitreten, um ihren Einfluss zu erweitern.

Viele Jahre später, im November 1937, schrieb Trotzki an Harold Isaacs: "Der Beitritt selbst war 1922 noch kein Verbrechen, möglicherweise nicht einmal ein Fehler, besonders im Süden und unter der Voraussetzung, dass damals etliche Arbeiter in der Kuomintang waren, die junge Kommunistische Partei schwach war und vor allem aus Intellektuellen bestand...Unter diesen Umständen wäre der Beitritt ein vorübergehender Schritt zur Unabhängigkeit [sic] gewesen, bis zu einem gewissen Grad analog zu Eurem Eintritt in die Sozialistische Partei (der USA - Anm. d. Redaktion). Die eigentliche Frage lautet, worin bestand die Absicht des Beitrittes und welcher Art war die anschließende Politik?" (The Bolsheviks and the Chinese Revolution 1919-1927, Alexander Pantrov, Curzon Press 2000, p. 106)

Als Stalin die Leitung der Komintern übernahm, betrachtete er den Eintritt der KPCh in die Kuomintang nicht als Schritt zur Bildung einer unabhängigen Massenpartei, sondern zunehmend als langfristig angelegte Politik mit dem Ziel einer bürgerlich-demokratischen Revolution in China. In seinen Augen war die Bedeutung der KMT weitaus größer als die der chinesischen Sektion der Komintern. Im Jahre 1917 wäre eine solche Haltung von den Bolschewiki als politische Kapitulation vor der Bourgeoisie angeprangert worden. Nun jedoch verordnete Stalin diese Politik China und behauptete, sie repräsentiere die Kontinuität des Leninismus und das Erbe der Oktoberrevolution.

Nach dem Dritten Kongress der Kommunistischen Internationale rief die KPCh alle ihre Mitglieder auf, der KMT beizutreten und gab damit ihre eigene Unabhängigkeit auf. Als die Komintern Michail Borodin als ihren neuen Bevollmächtigten Vertreter für China einsetzte, trat dieser als Berater der KMT auf, die von Kopf bis Fuß gemäß bolschewistischen Organisationsstrukturen rekonstruiert wurde. Zehn führende KPCh- Mitglieder kamen ins Zentralexekutivkomitee der KMT und stellten damit etwa ein Viertel dieses Organs. Kommunistische Kader übernahmen häufig direkt die Aspekte der KMT-Arbeit.

Der KMT-Militärapparat war ein direktes Produkt der Kominternpolitik. Bevor Sun Yat-sen 1924 seine "Nationale Revolutionsarmee" schuf, hatte er nur eine 150 bis 200 Mann starke Garde - im Vergleich zu 200.000 bis 300.000 Soldaten, die jedem Warlord im Norden Chinas unterstanden. Suns Abhängigkeit von den Generalen des Südens wurde 1922 offensichtlich, als er gezwungen war, wegen eines lokalen Putsches nach Shanghai zu fliehen. Erst danach wandte er sich hilfesuchend an Moskau.

Die Whampoa-Militärakademie in Guangzhou - die Basis, von der aus Chiang Kai-shek später zur Macht aufstieg - wurde mit Hilfe sowjetischer Berater errichtet. Ohne die militärische Hilfe der Sowjetunion und die Fähigkeit der KPCh, Arbeiter und Bauern zu mobilisieren, wäre die Schaffung einer Kuomintang-Armee, die fähig war, die mächtigen Warlords zu besiegen, unmöglich gewesen.

Der revolutionäre Ausbruch

Einer der späteren Führer der chinesischen Trotzkisten, Peng Shuzi, kam 1924 als junges KPCh-Mitglied aus Moskau zurück und gehörte dem linken Flügel der Partei an, der nachdrücklich eine kritischere Politik gegenüber der KMT forderte. Peng wandte sich gegen die offizielle Haltung der Partei, die KMT zu unterstützen, die enge Beziehungen zu den Warlords und den imperialistischen Mächten unterhielt, gegenüber dem Proletariat feindlich eingestellt und außerstande war, die national-demokratische Revolution zu führen. Das Proletariat müsse, so Peng Shuzi, die Führung der antikolonialen Kämpfe übernehmen.

Die Auseinandersetzung hatte erhebliche Auswirkungen auf die Parteiarbeit. Die KPCh konzentrierte sich wieder auf die Führung der wachsenden proletarischen Massenbewegung, statt auf ihre Arbeit in der KMT. Auf dem zweiten Nationalen Kongress der KPCh am 1. Mai 1925 repräsentierten ihre Organisationen 570.000 Arbeiter. Ihr wachsender Einfluss mündete in eine Welle militanter Kämpfe der Arbeiterklasse.

Während eines Streikkampfes in den japanischen Textilfabriken Shanghais wurde ein kommunistischer Arbeiter erschossen, was antiimperialistische Proteste in der Stadt auslöste. Am 30. Mai protestierten Tausende Studenten und Arbeiter vor einer Polizeistation in Shanghai und forderten die Freilassung inhaftierter Demonstranten. Die britische Polizei eröffnete das Feuer, tötete zwölf Menschen und verletzte Dutzende.

Streik in Kanton und Hong Kong im Jahre 1925 Kanton-Hongkong-Streik im Jahre 1925

Der "Zwischenfall vom 30. Mai" löste eine beispiellose Erhebung der Arbeiterklasse aus und steht für den Beginn der Zweiten Chinesischen Revolution. Insgesamt 400.000 Arbeiter beteiligten sich an etwa 125 Streiks, die von Protestaktionen und Aufruhr im ganzen Land begleitet wurden. Drei Wochen später, am 23. Juni 1925, demonstrierten Arbeiter und Studenten in Guangzhou. Die anglo-französische Militärpolizei eröffnete das Feuer auf sie und tötete 52 Menschen. Mit dem Bekanntwerden des Massakers traten die Arbeiter Hongkongs in einen Generalstreik. Unter der Leitung des Streikkomitees Kanton-Hongkong verließen 100.000 Arbeiter Hongkong und es wurde ein Boykott über britische Waren verhängt. Dieses Streikkomitee mit seinen Tausenden bewaffneten Streikposten, das aus gewählten Delegierten der Arbeiterschaft bestand, war die Keimform eines Sowjets.

Zuerst umfasste der anti-imperialistische Kampf "alle Menschen", nicht nur Studenten und Arbeiter, sondern auch chinesische Kapitalisten. Die chinesische Bourgeoisie war jedoch vom Radikalismus und Heroismus der Arbeiterklasse schnell eingeschüchtert und begann mit den imperialistischen Mächten gegen die Streikbewegung zusammenzuarbeiten. Die chinesischen Geschäftsleute Shanghais waren die ersten, die sich zurückzogen.

Chiang Kai-shek Chiang Kai-shek

Nach dem Tod Sun Yat-sens im März 1925 drückte sich die Feindschaft der chinesischen Bourgeoisie gegenüber der Arbeiterklasse am klarsten im politischen Aufstieg Chiang Kai-sheks aus. Chiang, Sohn eines reichen Kaufmanns, hatte enge Verbindungen zu Shanghais Bankern und Kompradoren. Er war kein Intellektueller wie Sun Yat-sen. Seine Jugend verbrachte er unter Gangstern, Mördern und Schmugglern, die später auch seine Stoßtruppen gegen die Arbeiterklasse der Städte bildeten.

Die Radikalisierung der Arbeiterklasse zwang die Führung der KPCh ihre Beziehungen zur KMT zu überdenken. Im Oktober 1925 schlug Chen Duxiu erneut den Austritt der KPCh aus der KMT und die fortan externe Zusammenarbeit mit ihr vor. Die Komintern wies diesen Vorschlag zurück. Die Stalin-Clique zog es vor den Tod Sun Yat-sens zu nutzen, um "linke" oder Moskau-freundliche Führer wie Wang Ching-wei und Chiang Kai-shek in die zentrale Führung der KMT zu bringen.

Stalins menschewistische Politik

Niemand bestreitet, dass die unmittelbaren Aufgaben der Chinesischen Revolution bürgerlich-demokratischen oder national-demokratischen Charakter hatten. Die Frage war jedoch: Welche Klasse würde die Revolution führen - die Bourgeoisie oder das Proletariat? Und in welche Richtung würde sich die Revolution entwickeln - zu einer bürgerlichen Republik oder zu einem Arbeiterstaat?

Nachdem die Arbeiterklasse sich 1925 erhoben hatte, wandte Stalin sich nicht nach links, sondern stellte sich konsequent auf den Boden eindeutig menschewistischer Politik. Im Gegensatz zu den Lehren aus der Russischen Revolution von 1917 förderte er die Illusion, die bürgerliche KMT sei eine "Arbeiter- und Bauernpartei" und fähig, den revolutionären Kampf zu führen. Später ging er noch weiter und behauptete, in Ländern wie China bewirke die imperialistische Unterdrückung den Zusammenschluss aller "progressiven Kräfte" - der nationalen Bourgeoisie, der kleinbürgerlichen Intelligenz, der Bauern und der Arbeiterklasse - zu einem "Block der vier Klassen".

Stalin behauptete ebenso wie die russischen Menschewiki, die Führung der "antiimperialistischen" Revolution falle folgerichtig der nationalen Bourgeoisie Chinas zu. Das Land sei zu rückständig für die Errichtung des Sozialismus, so Stalin. Gemeint war damit, die proletarische Revolution als "zweite Stufe" auf eine unbestimmte Zukunft zu verschieben. Während der "ersten Stufe" wäre es die Aufgabe der chinesischen Kommunisten, die KMT nach links zu drängen und sie in eine "demokratische Diktatur der Arbeiter und Bauern" zu verwandeln. In der Praxis bedeutete Stalins Perspektive für die chinesischen Kommunisten, der KMT zur Macht zu verhelfen und den Kampf des Proletariats um die Macht zu unterdrücken.

Schon die Tatsache, dass die KMT sich gezwungen sah, mit der KPCh zusammenzuarbeiten, war Ausdruck der organischen Schwäche der Bourgeoisie. Stalins Opportunismus gab der KMT-Führung jedoch die Möglichkeit, vor den Massen unbestritten als "Revolutionäre" und "Sozialisten" herumzustolzieren und diese Möglichkeit ergriffen sie mit beiden Händen. Auf dem sechsten Plenum des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale (EKKI) im März 1926 nahm Stalin die KMT formell als "sympathisierende" Sektion der Komintern auf und holte Chiang Kai-shek als "Ehrenvorsitzenden" ins Präsidium.

Das revolutionäre Erscheinungsbild legte sich die KMT- Führung allerdings genau wegen der starken Anziehungskraft der KPCh zu. 1920 bestand die KPCh aus einem kleinen Zirkel Intellektueller; 1927 führte die Partei eine Bewegung von drei Millionen Industriearbeitern, Bergleuten und Eisenbahnern - die große Mehrheit des relativ kleinen, aber konzentrierten Proletariats. 1922 bestand die KPCh aus nur 130 Mitgliedern, fünf Jahre später hatte die Partei - die Jugendorganisation mitberücksichtigt - 100.000 Mitglieder. Als die KPCh 1923 begann Bauernorganisationen aufzubauen, gehörten diesen lediglich 100.000 Bauern aus Kanton an. Im Juni 1927 waren es 13 Millionen in den Provinzen Hunan und Hubei. Außerdem sympathisierten mit der revolutionären Bewegung bedeutende Teile des Militärs und zehntausende Soldaten. Die Partei behielt jedoch ihre konservative, auf die Zurückhaltung der radikalisierten Massen ausgerichtete Politik bei, um ihr Bündnis mit der liberalen Bourgeoisie in der KMT nicht zu gefährden.

Demonstration streikender Matrosen und Arbeiter im Jahre 1922 Demonstration streikender Matrosen und Arbeiter im Jahre 1922

Stalins Umwandlung der KPCh in ein Anhängsel der KMT machte die Partei für die großen Gefahren verwundbar, die der unvermeidliche Kurswechsel der KMT gegen die revolutionäre Bewegung mit sich brachte. Am 20. März 1926 putschte Chiang Kai-shek, um die KMT fester in den Griff zu bekommen. Er stürzte nicht nur den so genannten "linken" Flügel der KMT- Führung, sondern verhaftete auch fünfzig prominente Kommunisten und stellte alle sowjetischen Berater unter Hausarrest. Er entwaffnete das Streikkomitee Kanton- Hongkong und machte sich selbst de facto zum Militärdiktator von Guangzhou.

Nachdem Stalin anfänglich geschockt und verwirrt reagierte, entschied er sich schnell, die alte Politik beizubehalten. Er wandte sich gegen eine neuerliche Initiative der KPCh-Führung die KMT zu verlassen. Alle Nachrichten über den Putsch wurden in der Komintern- und Sowjetpresse vertuscht oder als imperialistische Propaganda abgetan. Stalin akzeptierte Chiangs feindliche, die KPCh beschränkende Maßnahme, die Sitze für die Kommunistische Partei in allen KMT- Komitees auf maximal ein Drittel zu beschränken.

Selbst als Chiang seine konterrevolutionären Absichten offen zeigte, unterstützte Stalin begeistert seine Absicht, militärisch gegen die Warlords im Norden vorzugehen. Im Namen der Unterstützung dieser Militärexpedition der KMT wurde der seit 16 Monaten anhaltende Kanton -Hongkong - Streik, der den britischen Imperialismus erschüttert hatte, abgebrochen und jeder unabhängige Kampf der Arbeiter und Bauern unterbunden.

Trotzki führte einen systematischen politischen Kampf gegen Stalins Politik in China. Im September 1926 kam er zu dem Schluss, die KPCh müsse sich sofort von der KMT lösen. Trotzki schrieb: "Die Linksentwicklung der chinesischen Massen ist ebenso sicher, wie die Rechtsentwicklung der chinesischen Bourgeoisie. Soweit die Kuomintang sich auf die politische und organisatorische Verbindung von Proletariat und Bourgeoisie gründete, muss sie nun durch die zentrifugalen Tendenzen des Klassenkampfes auseinander gerissen werden. Es gibt dagegen keine politischen Wundermittel oder cleveren taktischen Kunstgriffe, und es kann sie auch nicht geben."

"Die Beteiligung an der Kuomintang war für die KPCh in der Periode völlig richtig, als sie noch eine Propagandaorganisation war, die sich selbst erst auf ihr zukünftiges, unabhängiges politisches Handeln vorbereitete, die aber zur selben Zeit versuchte, an dem anhaltenden nationalen Befreiungskampf teilzunehmen. Die vergangenen zwei Jahre brachten das Wachsen einer mächtigen Streikwelle der chinesischen Arbeiterschaft ...Genau diese Tatsache stellt die KPCh vor die Aufgabe sich aus dem Vorbereitungsstadium, in dem sie sich noch befindet, auf ein höheres Niveau zu erheben. Ihre unmittelbare Aufgabe muss jetzt sein, um die direkte, unabhängige Führung der erwachten Arbeiterklasse zu kämpfen - natürlich nicht, um die Arbeiterklasse vom national-revolutionären Kampfe fernzuhalten, sondern um ihr die Rolle des entschiedensten Kämpfers und des politischen Führers im Kampf der chinesischen Massen zu garantieren." (Leon Trotsky on China, Monad Press, New York, 1978, p. 114).

Trotzkis Analyse wurde durch die Ereignisse bestätigt. Statt eine unabhängige proletarische Perspektive zu entwickeln, förderte die KPCh Chiangs Militärexpedition gegen die Warlords, indem sie die Arbeiter und Bauern zur Unterstützung der Nationalen Befreiungsarmee aufrief. Die Massen bauten Guerilla- Einheiten auf, um die Transportwege zu unterbrechen und die Versorgung hinter den feindlichen Linien zu sabotieren, und lieferten der Armee wichtige Informationen. Ohne diese Unterstützung des Volkes und ohne die außergewöhnliche Tapferkeit von kommunistischen Armeekommandeuren wäre Chiangs Militär nicht innerhalb von knapp vier Monaten bis zum Tal des Yangtse gelangt. (Siehe Map of the Northern Expedition)

Die Nationale Befreiungsarmee marschiert 1927 in Wuhan ein Die Nationale Befreiungsarmee marschiert 1927 in Wuhan ein

Die chinesischen Massen sahen in den militärischen Siegen der KMT über die Warlords den Beginn der Revolution, was die Klassenspannungen dem Siedepunkt nahe brachte. Als beispielsweise die Kräfte der Militärexpedition Hunan befreiten, strömten innerhalb von fünf Monaten vier Millionen Bauern in die Bauernorganisationen und eine halbe Million Arbeiter traten der von der KPCh geführten Allgemeinen Arbeiter Gewerkschaft bei. In Wuhan, einem großen Industriezentrum im Tal des Yangtse, bildeten 300.000 Arbeiter unter Führung der KPCh die Allgemeine Gewerkschaft von Hubei. Die Massenbewegung radikalisierte sich außerdem schnell. Arbeiter übernahmen spontan die britischen Konzessionen in Hankou und die Bauernbewegung ging von ihrer ursprünglichen Forderung nach niedrigeren Pachten zu bewaffneten Kämpfen zum Vertreiben der Grundherren über.

April 1927: Der Aufstand von Shanghai

Mit der beginnenden Massenerhebung schwenkte Chiang Kai-shek zügig ins Lager der Kapitalisten, der Kompradoren und Repräsentanten des Imperialismus im östlichen China über, um die Revolution niederzuhalten. Moskau behauptete, der Rechtsentwicklung Chiangs könne man mit der Unterstützung der "Linken" um Wang Ching-wei in der zentralen KMT-Führung entgegenwirken, die sich zu dem Zeitpunkt in Wuhan aufhielt. Der Riss zwischen den Linken und Rechten in der KMT war jedoch nur taktischer Natur. Beide Seiten stimmten im Ziel einer "nationalen" bürgerlichen Regierung überein. Ihre Differenzen drehten sich um Fragen der militärischen Strategie, der Machtverteilung und, was das Bedeutendste war, wann und wie das Bündnis mit der KPCh aufzugeben sei.

Chiang behauptete gegenüber Stalin, dass er in China keine bürgerliche Herrschaft anstrebe, aber mit dem Vorrücken seiner Truppen auf Shanghai, dem wirtschaftlichen Zentrum des Landes mit einer großen, radikalisierten Arbeiterklasse, kam der Tag der Entscheidung näher.

Die KPCh wollte sich der Stadt bemächtigen, bevor die Truppen der KMT einmarschierten, aber Stalins Politik der Wahrung des "Blocks der vier Klassen" und des Vermeidens des "vorzeitigen" Konfliktes mit Chiang Kai-shek untergrub und erstickte ihre Initiative. Shanghais Arbeiter übernahmen die Macht nur, um sie sofort wieder an die Bourgeoisie auszuhändigen und dann der Raserei von Chiangs grausamen Verbrecherbanden ausgesetzt zu sein.

Unter dem Druck der zunehmenden Massenkämpfe rief die KPCh auf, die Linie zwischen nationaldemokratischen Aufgaben und der sozialistischen Revolution zu überschreiten. Die Partei forderte die Arbeiterklasse auf, die chinesische Revolution "unmittelbar" durch die "Konzentration der Eisenbahn, der Schifffahrt, Bergwerke und großen Industrie in den Händen des Staates und die Hinwendung zum Sozialismus" zu vollenden. (History of Sino-Soviet Relations 1917-1991, Shen Zhihua, Xinhua Press, p31).

Stalin wehrte sich gegen jeden Versuch der KPCh, seine "Zweistufentheorie" zu verletzen; er gab in der zweiten Hälfte des März‘ 1927 folgende Anweisungen heraus:

1) Um eine militärische imperialistische Intervention zu vermeiden sind die ausländischen Konzessionen nicht durch bewaffnete Kräfte zu übernehmen;

2) Zwischen dem rechten und linken Flügel der KMT ist zu taktieren, der Armee nicht entgegenzutreten und die Kräfte der KPCh sind zu schonen.

3) Die KPCh sollte auf bewaffnete Auseinandersetzungen vorbereitet sein, jedoch vorläufig, solange das Kräfteverhältnis für die Arbeiterklasse unvorteilhaft ist, die Waffen verbergen.

Siegesmarch der Shanghaier Arbeiter nach dem bewaffneten Aufstand Siegesmarch der Shanghaier Arbeiter nach dem bewaffneten Aufstand

Diese Direktiven garantierten die Verwandlung einer ausgesprochen günstigen revolutionären Situation in ein tödliches Desaster. Am 21. März 1927 organisierte die KPCh, unterstützt von dem Generalstreik 800.000 Shanghaier Arbeiter, einen bewaffneten Aufstand. Die Arbeiterklasse brach die Macht der Warlords und übernahm die Kontrolle über die Stadt - ausgenommen der ausländischen Konzessionen. Die KPCh wurde durch Stalins Politik jedoch daran gehindert eine Arbeiterregierung zu errichten. Stattdessen wurde eine "provisorische" Regierung gebildet, an der führende bürgerliche Politiker beteiligt waren. Ihre Hauptaufgabe war es nicht, die Interessen der Arbeiter durchzusetzen, sondern Chiang Kai-shek und seine Truppen zu begrüßen.

Chiang Kai-shek blieb bewusst einige Wochen außerhalb Shanghais, damit die Arbeiterschaft sich im Kampf gegen die Warlords erschöpfte. Zwischenzeitlich plante er in Zusammenarbeit mit Shanghais Geschäftswelt, Gangstern und den imperialistischen Mächten seine Machtübernahme. Chiangs Plan war der KPCh-Führung nicht unbekannt und sie zog daraus den Schluss, die Shanghaier Arbeiter müssten sich bewaffnen und sich um Unterstützung an die sympathisierenden Soldaten der Zweiten und Sechsten Kuomintang- Armee wenden.

Am 31. März sandte die Kommunistische Internationale - ganz auf der Linie von Stalins Anweisung, den "vorzeitigen" Konflikt zu vermeiden - ein Telegramm nach Shanghai, das die KPCh anwies, Tausenden Soldaten zu befehlen, ihre Waffen zu verstecken. Ein KPCh-Führer Luo Yinong, prangerte diese Politik als "politischen Selbstmord" an. Die KPCh war dennoch gezwungen, diese Anweisung auszuführen.

Trotzki und die Linke Opposition warnten eindringlich vor den Gefahren dieser Politik und riefen zur Bildung von Sowjets als unabhängige Machtorgane der revolutionären Massen auf. Am 5. April hielt Stalin in der Moskauer Säulenhalle vor Tausenden Parteikadern seine berüchtigte Rede, in der er auf der Beibehaltung des Bündnisses der KPCh mit der Kuomintang bestand: "Chiang Kai-shek unterwirft sich der Disziplin. Die Kuomintang ist ein Block, eine Art revolutionäres Parlament, in dem es Rechte, Linke und Kommunisten gibt. Wozu also ein Staatsstreich? Wozu die Rechten herausdrängen, wenn wir die Mehrheit haben und die Rechten sich uns fügen?... Gegenwärtig brauchen wir die Rechten. Es gibt in ihr fähige Leute, die die Armee leiten und sie gegen die Imperialisten führen. Außerdem haben die Rechten Kontakte zu General Chang Tso-lin [dem mandschurischen Warlord] und wissen sehr gut, wie man ihn zermürben und dazu bringen kann, ohne einen Schuss komplett auf die Seite der Revolution zu wechseln. Sie haben auch Verbindungen zu den reichen Kaufleuten und können bei ihnen Geld beschaffen. Sie müssen bis zum Schluss ausgenutzt, ausgepresst wie eine Zitrone und dann beiseite geworfen werden." (The Tragedy of the Chinese Revolution, Harold R. Isaacs, Stanford University Press, 1961, p. 162).

Chiangs Hinrichtungskommando enthauptet einen kommunistischen Arbeiter Chiangs Hinrichtungskommando enthauptet einen kommunistischen Arbeiter

Am 12. April, nur eine Woche nach Stalins Rede, schlug Chiang Kai-shek zu. Er schickte seine Verbrecherbanden, um die Allgemeine Arbeiter Gewerkschaft zu zerschlagen. Am folgenden Tag rief die KPCh 100.000 Arbeiter zum Streik auf, was Chiang mit dem Einsatz von Soldaten und Maschinengewehren beantwortete, wobei Hunderte niedergemetzelt wurden. Während der Schreckensherrschaft des "Weißen Terrors" in den folgenden Monaten wurden Tausende von kommunistischen Arbeitern nicht nur in Shanghai, sondern auch in anderen Städten unter der Herrschaft Chiangs ermordet.

Der "Links"-Schwenk der Kuomintang

Trotz Chiangs brutaler Schlächtereien hatte die KPCh sowohl im großen Industriezentrum von Wuhan als auch in der Millionen zählenden Bauernbewegung am Yangtse noch beträchtliche Reserven. Mit der richtigen Politik wäre es möglich gewesen, Chiangs Konterrevolution zu besiegen. Stalin jedoch zog keine Konsequenzen aus den blutigen Lehren von Shanghai. In seiner am 21. April 1927 erschienenen Schrift Fragen der Chinesischen Revolution verkündete er, seine Politik wäre der "einzig richtige Kurs" gewesen und sei es auch weiterhin. Chiangs Massaker zeige lediglich, dass die Großbourgeoisie die Revolution im Stich gelassen habe.

Die "linke" Kuomintang, erklärte Stalin, repräsentiere weiterhin die revolutionäre Kleinbourgeoisie, die in der "Zweiten Stufe" der Revolution die Agrarrevolution anführen werde. "Das heißt, die Kuomintang in Wuhan entwickelt sich tatsächlich zu einem Organ der revolutionär-demokratischen Diktatur des Proletariats und der Bauernschaft, indem ein entschlossener Kampf gegen Militarismus und Imperialismus geführt wird..." Stalin bestand deshalb darauf, dass die KPCh ihre enge Verbindung mit der "linken" Kuomintang beibehielt und die Forderungen der Linken Opposition und Trotzkis zurückwies, Sowjets zu bilden und die politische Unabhängigkeit der KPCh herzustellen. (On the Opposition, J. V. Stalin, Foreign Language Press, Peking, 1974, pp. 663-664)

Trotzki antwortete auf Stalins Thesen und unterzog dabei dessen Theorie des "Blocks der vier Klassen" einer vernichtenden Kritik. "Es ist ein schwerwiegender Fehler anzunehmen, der Imperialismus schweiße von außen alle Klassen in China zusammen ... Der revolutionäre Kampf gegen den Imperialismus verstärkt eher die politische Differenzierung der Klassen, statt sie zu mildern", erklärte Trotzki. "Alles, was die unterdrückten und ausgebeuteten Arbeitermassen auf die Beine bringt, treibt die nationale Bourgeoisie in ein offenes Bündnis mit dem Imperialismus. Der Klassenkampf zwischen der Bourgeoisie und den Massen der Arbeiter und Bauern wird durch die imperialistische Unterdrückung nicht milder, sondern im Gegenteil schärfer, bis hin zu jenem Punkt, an dem aus jedem ernsten Konflikt ein blutiger Bürgerkrieg werden könnte." (Problems of the Chinese Revolution, Leon Trotsky, New Park Publications, London, 1969, p. 5).

Trotzki bestand auf der Dringlichkeit der Aufgabe, die politische Unabhängigkeit der KPCh von der "linken" Kuomintang herzustellen. In der fehlenden Unabhängigkeit liege die "Quelle aller Übel und Fehler", schrieb Trotzki. "In dieser grundlegenden Frage beabsichtigen die Thesen ‚mehr denn je’ alles beim Alten zu lassen, anstatt ein für alle Mal mit den Praktiken von gestern zu brechen. Das bedeutet, sie wollen die ideologische, politische und organisatorische Abhängigkeit der proletarischen Partei von der kleinbürgerlichen Partei beibehalten, welche somit unvermeidlich zu einem Instrument der Großbourgeoisie wird." (ibid., p. 18).

Stalin rechtfertigte am 13. Mai 1927 seinen "Block der vier Klassen" vor Studenten der Moskauer Sun Yat-sen- Universität mit einer Parodie auf den Marxismus. "Die Kuomintang ist keine ‚gewöhnliche’ kleinbürgerliche Partei. Es gibt unterschiedliche Arten kleinbürgerlicher Parteien. Die Menschewiki und die Sozialrevolutionäre Russlands waren auch kleinbürgerliche Parteien, zugleich waren sie imperialistische Parteien, weil sie in einem kämpferischen Bündnis mit den französischen und britischen Imperialisten standen ... kann man also sagen die Kuomintang wäre eine imperialistische Partei? Offensichtlich nicht. Die Kuomintang ist eine anti-imperialistische Partei, wie auch die Revolution in China antiimperialistisch ist. Der Unterschied ist fundamental." (On the Opposition, J. V. Stalin, Foreign Language Press, Peking, 1974, p. 671)

Japans Premierminister Hideki Tojo (links) und Wang Ching-wei im Jahre 1942 Japans Premierminister Hideki Tojo (links) und Wang Ching-wei im Jahre 1942

Der absurde Gedanke, Chiang Kai-shek sei "antiimperialistisch", weil die Chinesische Revolution antiimperialistisch sei, wurde von Trotzki und der Geschichte selbst widerlegt. Der Widerstand der KMT gegen die eine oder andere Großmacht bedeutete nicht Opposition gegen den Imperialismus selbst. Die KMT-Führer manövrierten lediglich zwischen den verschiedenen imperialistischen Mächten, wobei sie mit "antiimperialistischen" Schlagworten um sich warfen, mit denen sie die Massen verwirrten. Angesichts der japanischen Invasion in den 1930er und 1940er Jahren hatte Chiang beispielsweise keine Bedenken sich England und den USA zuzuwenden. Der "linke" KMT- Führer Wang Ching-wei ging sogar einen Schritt weiter und wurde das Oberhaupt des japanischen Marionettenregimes in China. Es sollte in jedermanns Gedächtnis eingebrannt werden, das Chiang Kai-shek, der als Führer der verachteten, antikommunistischen Militärdiktatur Taiwans starb, einst an der Seite der stalinistischen Führung Moskaus Trinksprüche auf die sozialistische Weltrevolution ausbrachte.

Die Niederlage in Wuhan

Während Stalin auf dem VIII. Plenum des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale (EKKI) das "revolutionäre Zentrum" Wuhan bejubelte, führte eine Reihe "linker" KMT- Kommandeure unter Verletzung der offiziellen Politik ihrer Partei, der KMT, bereits Schläge gegen Kommunisten, Gewerkschaften und die Bauernvereinigungen in dieser Region. Kurz vor diesem Plenum, am 17. Mai 1927, kam es in Changsha zu einem der blutigsten Terrorakte. Auf dem Plenum selbst wurde dies nicht einmal erwähnt. Stattdessen verurteilte Stalin die Forderung der Linken Opposition, Sowjets zu bilden, als schädlich für die Fortführung des Bündnisses der KPCh mit der "linken" Kuomintang. Stalin donnerte: "Versteht die Opposition, dass die Bildung von Sowjets der Arbeiter und Bauern auf die Bildung einer Doppelregierung zwischen den Sowjets und der Regierung in Hankow und damit zwangsläufig und unvermeidlich auf die Parole des Sturzes der Regierung hinausläuft?" (The Tragedy of the Chinese Revolution, Harold R. Isaacs, Stanford University Press, 1961, p. 241)

Trotzkis Antwort blieb ein Jahr lang unveröffentlicht. Mit einer entschiedenen Warnung vor dem, was kommen würde, wies er Stalins Politik zurück und rief auch die Komintern dazu auf. "Wir erklären den chinesischen Bauern unumwunden: Die Führer des Typs Wang Ching-wei in der linken Kuomintang werden Euch unvermeidlich verraten, wenn ihr der Wuhan-Führung folgt, statt eure eigenen, unabhängigen Sowjets zu bilden ... Politiker wie Wang Ching-wei werden sich in schwierigen Situationen zehnfach mit Chiang Kai-shek gegen die Arbeiter und Bauern verbünden. Unter solchen Bedingungen werden zwei Kommunisten in einer bürgerlichen Regierung ohnmächtige Geiseln, wenn nicht gar ein direkter Deckmantel zur Vorbereitung eines neuen Schlages gegen die Arbeitermassen ... Die Chinesische bürgerlich-demokratische Revolution wird entweder unter den Sowjets voranschreiten und siegen, oder überhaupt nicht. " (Leon Trotsky on China, Monad Press, New York, 1978, p234-235, Hervorhebung im Original)

Trotzkis Warnung erwies sich erneut als zutreffend. Nach dem Blutbad in Shanghai suchten die Grundeigentümer und Kapitalisten Wuhans eilig Schutz beim Regime Chiang Kai-sheks. Sie antworteten auf Arbeiterstreiks mit Fabrik- und Geschäftsschließungen. Sie riefen bewusst Anstürme auf ihre Banken hervor und verschifften ihre Anteile nach Shanghai. Auf dem Lande verweigerten Händler und Wucherer den Bauern Kredite, wodurch es ihnen unmöglich wurde, Saatgut für das Frühjahr zu kaufen. Die imperialistischen Mächte unterstützten diese Sabotage, indem sie ihre Firmen schlossen, während gleichzeitig Spekulanten die Preise in unerträgliche Höhen trieben. Die Wirtschaft brach zusammen und die anschwellende Massenbewegung erschreckte Wang Ching-wei, der die beiden kommunistischen Minister seines Kabinetts - den Minister für Landwirtschaft und den Arbeitsminister - dazu aufforderte, ihren Einfluss zu nutzen, um die "exzessiven" Aktionen der Arbeiter und Bauern im Zaum zu halten.

Die offizielle Politik der KPCh geriet in direkten Konflikt zur Massenbewegung. Auf dem Land waren häufig die Grundeigentümer von Bauernvereinigungen verjagt worden, die jetzt die lokalen Behörden bildeten. In den zwei großen Städten Wuhan und Changsha litten die Arbeiter schwer unter den Werksschließungen und dem Preisanstieg, wodurch sie zu revolutionären Forderungen nach Übernahme der Fabriken und Geschäfte getrieben wurden. Trotzkis Aufruf Sowjets zu bilden, entsprach dieser Situation gänzlich. Die Aufgabe der Sowjets bestand nicht, wie Stalin behauptete, lediglich darin den bewaffneten Aufstand zu leiten. Sie waren vielmehr demokratisch gewählte Organe, mittels derer es den Arbeitern mitten im revolutionären Umbruch möglich wurde, die Wirtschaft und das öffentliche Leben zu reorganisieren und ihre Interessen gegen die Konterrevolution zu verteidigen.

Peng Shuzi erklärte später einmal, die Gewerkschaften und Bauernorganisationen in Hunan und Hubei hätten eine mehrere Millionen zählende Mitgliedschaft gehabt. "Es war eine große organisierte Massenkraft. Wenn die KPCh zu dieser Zeit Trotzkis Ratschlag gefolgt wäre, sich auf diese große Masse organisierter Macht verlassen und zur Bildung von Arbeiter-Bauern- und Soldatensowjets als zentraler revolutionärer Organisationen aufgerufen hätte, sowie mittels dieser bewaffneten Organisationen die Agrarrevolution durchgeführt und Land an die Bauern und Soldaten gegeben worden wäre, hätten sie die verarmten Massen von Hunan und Hupeh nicht nur in Sowjets sammeln, sondern auch die Grundlagen der reaktionären Militärs unmittelbar zerstören und somit indirekt die der Armee Chiangs destabilisieren können. So hätte sich die Revolution von der Zerstörung der Grundlagen der Konterrevolution bis zur proletarischen Diktatur entwickeln können." (Leon Trotsky on China, Monad Press, New York, 1978, p. 66, Hervorhebung im Original)

Trotz seiner stupiden Verherrlichung der "linken" Kuomintang, erkannte Stalin, dass seine Politik ins Wanken geriet. Am 1. Juni 1927 erhielt die KPCh von ihm die Anweisung zum Aufbau einer eigenen Armee aus 20.000 Kommunisten und 50.000 Arbeitern und Bauern. Revolutionen jedoch sind für bürokratische Anweisungen nicht empfänglich. Wie Trotzki betonte, waren die Vorbedingungen zur Schaffung einer revolutionären Armee die Festigung der Autorität der Partei bei den Massen und die Schaffung eines Mittels zum Zusammenschweißen der Arbeiterklasse und der Bauernschaft. Indem Stalin die Bildung von Sowjets zurückwies, hielt er die KPCh davon ab, die unabdingbare Grundlage für eine eigene Armee zu schaffen.

Als der bevorstehende Verrat Wang Ching-weis sich deutlich abzeichnete, forderte der KPCh- Führer Chen Duxiu nochmals, das Bündnis mit der KMT zu verlassen. Wiederum wies die Komintern die Forderung zurück. Anfang Juli trat Chen als Generalsekretär zurück. Sein Nachfolger, Chu Quibai, zeigte Stalin sofort seine Ergebenheit, indem er in diesem über Leben und Tod entscheidenden Augenblick erklärte, die KMT sei "selbstverständlich in der führenden Position der nationalen Revolution."

Am 15. Juli gab Wang Ching-wei eine förmliche Erklärung heraus, die alle Kommunisten unter Androhung ernster Bestrafung bei Zuwiderhandlung aufforderte, die KMT zu verlassen. Wie Chiang presste auch Wang die KPCh "wie eine Zitrone" aus, um sie dann beiseite zu werfen, indem er noch brutalere Repressionen gegen die Kommunisten und die aufständischen Massen entfaltete.

In einem zeitgenössischen Bericht heißt es: "In den vergangenen drei Monaten breitete sich die Reaktion vom unteren Yangtse über das gesamte Territorium unter so genannter nationalistischer Kontrolle aus. Tang Sheng-chih erwies sich beim Kommandieren von Hinrichtungskommandos effektiver als beim Führen von Truppen im Kampfeinsatz. In Hunan haben seine ihm unterstellten Generale eine Säuberung von ‚Kommunisten’ durchgeführt, an der Chiang Kai-shek sich kaum messen kann. Die gewöhnlichen Methoden des Erschießens und Enthauptens wurden durch Methoden der Folter und Verstümmelung, die an die Gräuel des Mittelalters und der Inquisition heranreichen, ergänzt. Die Ergebnisse sind beeindruckend. Die Bauern- und Arbeitergewerkschaften von Hunan, vermutlich die bestorganisierten des ganzen Landes, sind vollständig vernichtet. Die Führer, die dem Bad in heißem Öl, dem Lebend-Begraben-Werden, der Folter durch langsames Erwürgen und anderen unaussprechlichen Formen des Mordens entkommen konnten, sind außer Landes oder in unauffindbaren Verstecken..." (The Tragedy of the Chinese Revolution, Harold R. Isaacs, Stanford University Press, 1961, p. 272)

Und wieder bestand Stalin auf der Korrektheit seiner Politik und machte die KPCh, besonders Chen, für die Niederlagen verantwortlich. Da aber die Linke Opposition in der sowjetischen Arbeiterklasse zunehmend Gehör fand, versuchte Stalin sein Ansehen zu retten, indem er von seiner bisherigen opportunistischen Politik ins direkte Gegenteil, das Abenteurertum schwenkte. Stalin, vor den chinesischen Massen und der KPCh verantwortlich für zwei vernichtende Niederlagen, befahl der angeschlagenen Partei bewaffnete Aufstände, die von vornherein zum Scheitern verurteilt waren. Es war eine Vorwegnahme dessen, was in den frühen Dreißiger Jahren als die ultralinke Politik der "Dritten Periode" bekannt wurde, als Stalin dem Proletariat genau zu dem Zeitpunkt die Aufgabe der Machtergreifung stellte, da die Revolution zurückwich. Trotzki erklärte, dass stattdessen defensive Parolen mit demokratischem Inhalt und die Reorganisation der Partei notwendig seien. Vor allem gehe es darum, die notwendigen Lehren aus allem zu ziehen - was Stalin allerdings am meisten zu unterbinden suchte.

Die Lehre des "Sowjet" von Guangzhou

Das letzte Aufbäumen der Chinesischen Revolution - der Aufstand von Guangzhou im Dezember 1927 - war nicht weniger kriminell. Seine zeitliche Festlegung orientierte sich nicht etwa an einer Massenbewegung in Guangzhou, sondern an der Eröffnung des Fünfzehnten Parteikongresses der KPdSU. Sein Hauptzweck war, das Ansehen der stalinistischen Führung in Moskau aufzuwerten und die Kritik der Linken Opposition abzuwehren. Ohne Massenunterstützung scheiterte zwangsläufig der Versuch, mit einigen tausend Parteikadern eine Sowjetregierung zu errichten. Etwa 5.700 Menschen, darunter viele der besten noch lebenden revolutionären Parteikader, kamen in den Kämpfen für den kurzlebigen "Sowjet" von Guangzhou ums Leben.

Stalins Sowjet-Theorie wurde somit einer Prüfung unterworfen. Während der ganzen Revolution erklärte er, Sowjets müssten lediglich im letzten Moment als Mittel zur Organisierung des Aufstandes geschaffen werden und wichtig sei es dabei, dass sie keinesfalls vor Abschluss der "demokratischen Stufe" gegründet würden. Trotzki dagegen beharrte darauf, dass die Sowjets in Wirklichkeit das Mittel seien, die Arbeiterschaft massenhaft in den politischen Kampf einzubinden. Sowjets könnten nicht von oben errichtet werden, sie erwüchsen aus der Basisbewegung, einschließlich der Fabrikkomitees und Streikkomitees. Wenn sich die revolutionäre Krise entwickelt, würden sich die Sowjets zu den neuen Machtorganen der Arbeiterklasse entfalten.

In Guangzhou schuf die KPCh auf bürokratische Weise ein Gebilde zur Durchführung eines Aufstandes und nannte es "Sowjet". Aber die "gewaltige Reaktion" darauf blieb aus, denn die gewöhnlichen Arbeiter und Bauern kannten nicht einmal ihre "Delegierten" in diesen so genannten Sowjets. Nur sehr wenige Arbeiter unterstützten die "Sowjetregierung" Guangzhous, die dann schnell zerschlagen wurde.

Stalin behauptete, der Aufstand in Guangzhou hätte bürgerlich- demokratische Aufgaben. Trotzki wies darauf hin, dass selbst bei diesem misslungenen Abenteuer die Arbeiterklasse gezwungen gewesen wäre, weiterzugehen. Während ihrer kurzen Existenz musste die KPCh gezwungenermaßen die Übernahme der Macht anstreben und radikale soziale Umwälzungen umsetzen, einschließlich der Nationalisierung der großen Industrien und Banken. Trotzki bemerkte, dass eine proletarische Revolution in China schwer vorstellbar sei, wenn sogar solche Maßnahmen noch "bürgerlich" wären. Mit anderen Worten wäre selbst beim Aufstand in Guangzhou die Führung der KPCh gezwungen gewesen, der Logik der "Permanenten Revolution" Trotzkis und nicht Stalins "Zwei-Stufen-Theorie" zu folgen.

Mao Zedong im Jahre 1927 Mao Zedong im Jahre 1927

Die Niederlage von Guangzhou kennzeichnete das Ende der Revolution in den städtischen Zentren. Diejenigen Führer der KPCh, die nicht zur Linken Opposition übergingen, flohen auf das Land - wie beispielsweise Mao Zedong. Unter dem Druck der stalinistischen Bürokratie, die Kominternlinie der "Dritten Periode" und die Gründung von "Sowjets" durchzusetzen, kam eine neue Strömung in der KPCh auf. Vertreten durch Mao stützte sich diese Tendenz auf die Bauernschaft und kappte ihre Verbindungen zum Proletariat. Um den "bewaffneten Kampf" fortzusetzen, gründete die KPCh eine "Rote Armee", die hauptsächlich aus Bauern bestand und errichtete "Sowjets" in Chinas ländlichen Provinzen. Zu Beginn der Dreißiger Jahre hatte die Kommunistische Partei ihre Arbeit im städtischen Proletariat faktisch eingestellt.

Maos Perspektive hatte mehr mit bäuerlichem Populismus als mit Marxismus zu tun und daher stieg er, gewissermaßen naturgemäß, zum Führer dieser Tendenz auf. Bevor er der Kommunistischen Partei Chinas beitrat, war er tief beeindruckt von einer Schule japanischer Utopischer Sozialisten, "Neues Dorf", die sich auf die Vorstellungen der russischen Narodniki stützte. Der Weg zum "Sozialismus" bestand für "Neues Dorf" in kollektiver Bodenbewirtschaftung, gemeinschaftlichem Verbrauch und gegenseitiger Hilfe autonomer Dörfer. Dieser "bäuerliche Sozialismus" widerspiegelte nicht die Interessen des revolutionären Proletariats, sondern die Feindschaft der bedrängten Bauernschaft gegen die Zerstörung von Kleinbauernbetrieben unter kapitalistischen Bedingungen.

Selbst nachdem er Mitglied der Kommunistischen Partei geworden war, legte Mao nie seine Orientierung auf die Bauernschaft ab und stand daher während der Unruhen von 1925-1927 unfehlbar auf dem rechten Parteiflügel. Selbst auf dem Höhepunkt der Arbeiterbewegung im Jahr 1927 behauptete Mao weiterhin, die Arbeiterklasse sei ein unbedeutender Faktor in der Chinesischen Revolution. "Wenn wir für die Vollendung der demokratischen Revolution zehn Punkte vergeben, so ... entfallen auf die Bewohner der Städte und das Militär drei Punkte, während die verbliebenen sieben Punkte auf die Bauern entfallen..." (Stalin's Failure in China 1924-1927, Conrad Brandt, The Norton Library, New York, 1966, p. 109)

Die Konsequenzen der Niederlage

Kurz nach der Niederlage der Chinesischen Revolution wurde Trotzki aus der Kommunistischen Partei der Sowjetunion ausgeschlossen, verbannt und aus der UdSSR ausgewiesen. Die Bilanz der Jahre 1925-27 machte deutlich, dass die Linke Opposition und Trotzki sich sehr klar darüber waren, was mit der Chinesischen Revolution für die internationale Arbeiterklasse auf dem Spiel stand. Trotzki stand in einem gigantischen politischen Kampf, die Politik der Komintern umzuorientieren und die besten Bedingungen für den revolutionären Sieg zu schaffen. Am allerwenigsten ging es darum, formal Recht zu bekommen.

In seiner Autobiographie "Mein Leben", die Trotzki 1928 in der Verbannung schrieb, erinnerte er daran, was in der Sowjetunion geschah, nachdem Chiang Kai-shek die Arbeiter Shanghais in Blut ertränkt hatte. "Eine Welle der Erregung ging durch die Partei. Die Opposition erhob den Kopf. ... Viele junge Genossen glaubten, dass ein so offensichtlicher Bankrott der Stalinschen Politik den Sieg der Opposition näher bringen müsste. In den ersten Tagen nach dem Staatsstreich Chiang Kai-sheks habe ich viele Eimer kalten Wassers über die heißen Köpfe meiner jungen und auch nicht so jungen Freunde gießen müssen. Ich versuchte zu beweisen, dass die Opposition sich nicht auf der Niederlage der Chinesischen Revolution aufrichten dürfe. Die Bestätigung unserer Prognose werde uns zwar tausend, fünftausend oder sogar zehntausend neue Anhänger bringen. Für die Millionen aber sei nicht die Prognose, sondern die Tatsache der Niederschlagung des chinesischen Proletariats von entscheidender Bedeutung. Nach der Niederlage der Deutschen Revolution im Jahre 1923, nach dem Zusammenbruch des englischen Generalstreiks von 1926 werde diese neue Niederlage in China die Enttäuschung der Massen in Bezug auf die internationale Revolution nur verstärken. Und gerade diese Enttäuschung bilde die psychologische Quelle für die Stalinsche Politik des Nationalreformismus." ("Mein Leben: Versuch einer Autobiographie", Leo Trotzki, Fischer Taschenbuch Verlag, 1974, S. 456).

Stalin versuchte Trotzki von der Komintern und der KPCh fernzuhalten, aber seine Bemühungen waren nur zum Teil erfolgreich. Eine Gruppe chinesischer, in Moskau immatrikulierter Studenten kam mit der Linken Opposition in Verbindung und nahm an ihrem Protest zu den am 7. November 1927 auf dem Roten Platz stattfindenden, von der Stalinschen Bürokratie organisierten Feierlichkeiten zum zehnten Jahrestag der Oktoberrevolution teil. Ende 1928 hatten 145 chinesische Studenten trotzkistische Organisationen in Moskau und Leningrad gegründet.

Zur selben Zeit, während des Sechsten Kongresses der Komintern, schrieb Trotzki seine berühmte Kritik des Komintern- Programmentwurfes, Die Dritte Internationale nach Lenin. Einige Delegierte der Kommunistischen Partei Chinas, unter ihnen Wang Fanxi, konnten Trotzkis Schrift lesen und übernahmen Trotzkis Analyse. Nachdem einige dieser Studenten 1929 nach China zurückkehrten, wandte sich ein Teil der KPCh-Führung - darunter Chen Duxiu und Peng Shuzi - dem Trotzkismus zu und gründete die Linke Opposition Chinas.

In China erwies sich die Kuomintang, die unter Ausnutzung der revolutionären Massenunruhen ihren Einfluss ausgeweitet hatte, als gänzlich unfähig, das Land zusammen zu halten oder "demokratisch" zu herrschen. Ihr "Weißer Terror" währte Jahre. Vom April bis zum Dezember 1927 wurden etwa 38.000 Menschen hingerichtet und 32.000 als politische Gefangene inhaftiert. Vom Januar bis August des Jahres 1928 wurden 27.000 zum Tode verurteilt. 1930 schätzte die KPCh die Zahl der ermordeten oder in Haft gestorbenen Menschen auf 140.000. 1931 wurden 38.000 Menschen aus politischen Gründen hingerichtet. Die chinesische Linke Opposition wurde aber nicht nur von der KMT gejagt, sondern auch von der stalinistischen Führung der KPCh verraten.

Die gescheiterte Revolution hatte weit über Chinas Grenzen hinaus politische Konsequenzen. Ein Sieg hätte gleichermaßen große Bedeutung in ganz Asien, wie auch für Kolonialländer außerhalb des Kontinents gehabt. Unter anderem hätte die japanische Arbeiterklasse gewaltigen Auftrieb im Kampf gegen den aufkommenden japanischen Militarismus in den 1930er Jahren und im Kampf gegen den drohenden Weltkrieg erhalten.

Der Weltkapitalismus tritt neuerlich in die Krise ein und wendet sich erneut Militarismus und Krieg zu. Die chinesische und internationale Arbeiterklasse kann sich nur auf die vor ihr liegenden Umbrüche vorbereiten, indem sie sich gründlich die politischen Lehren aus der Niederlage der Chinesischen Revolution aneignet.

Siehe auch:
Kein großes Aufhebens zum dreißigsten Jahrestag der kapitalistischen Marktreformen in China
(31. Januar 2009)

Loading