In seiner jüngsten Ausgabe berichtet das Manager Magazin, dass VW-Manager von weit mehr als 10.000 gefährdeten Jobs ausgehen. Diese Nachricht wurde gezielt verbreitet, um die VW-Arbeiter auf Massenentlassungen vorzubereiten.
Der VW-Markenchef Herbert Diess fordert laut dem Wirtschaftsmagazin schon für das laufende Jahr eine Produktivitätssteigerung um 10 Prozent. Dazu müssten bei VW Tausende Arbeitsplätze abgebaut werden.
Markenchef Diess will die „Effizienz“ – gemeint sind Kosteneinsparungen – nach Informationen des Manager Magazins in allen Bereichen um 10 Prozent erhöhen, in der Produktion genauso wie in Verwaltung, Entwicklung oder Vertrieb. Spätestens im Frühsommer werde der Markenchef dabei auch massiv an die Arbeitsplätze herangehen, berichten namentlich nicht genannte „VW-Manager“.
Beginnen werde Diess seine Sparoffensive wahrscheinlich in den Komponentenwerken. In Deutschland werden Fahrzeug-Komponenten in den Werken Braunschweig, Salzgitter, Kassel, Chemnitz sowie Hannover, Emden und Wolfsburg gefertigt. Der Volkswagen-Konzern mit seinen zahlreichen Tochtergesellschaften betreibt darüber hinaus weltweit zahlreiche weitere Komponentenwerke. Insgesamt vereint der VW-Konzern in 20 Ländern Europas und in 11 Ländern Amerikas, Asiens und Afrikas 119 Werke und beschäftigt 620.000 Männer und Frauen.
Zwar habe Diess noch keine konkreten Zahlen genannt, schreibt das Manager Magazin, es werde aber keinesfalls ausreichen, die 7000 Leiharbeitskräfte loszuwerden. Es gehe auch um fest beschäftigte VW-Mitarbeiter. Wie viele und welche Arbeitsplätze tatsächlich gestrichen werden müssten, hänge auch von der Reaktion der Kunden auf den Betrug mit den manipulierten Abgaswerten ab.
Der Konzern dementierte diese Meldung umgehend. „Aus VW-Aufsichtsratskreisen verlautete“, so die Deutsche Presse-Agentur (dpa), ein Jobabbau in der „genannten Dimension“ sei kein Thema.
Auch VW-Konzernbetriebsratschef Bernd Osterloh meldete sich zu Wort: „Wirtschaftlichkeit und Beschäftigung sind bei Volkswagen gleichrangige Unternehmensziele“, sagte er. Für die Belegschaften heiße das, sie beteiligten sich „aktiv an der Steigerung der Produktivität“. Voraussetzung dafür sei die Garantie des Unternehmens, dass die Jobs sicher sind und es auch bleiben. „Einen anderen Weg werden wir im Sinne der Beschäftigten nicht unterstützen.“
Es ist unklar, wer die VW-Manager sind, die dem Manager Magazin die Informationen gegeben haben. Aber das Vorgehen ist aus der Vergangenheit sattsam bekannt und teil einer eingespielten Partnerschaft zwischen Konzernleitung, Betriebsrat und IG Metall. Der Konzern streut Informationen an die Presse oder gibt selbst den Abbau von Tausenden Arbeitsplätzen bekannt, die IGM und die Betriebsräte heulen auf und drohen Widerstand an; nur um anschließend den Arbeitsplatzabbau „sozialverträglich“ durchzusetzen.
Dieser Mechanismus ist nun bei VW erneut in Gang gesetzt worden. VW-Markenchef Diess war im letzten Juli mit Unterstützung der IG Metall und des Betriebsrates von BMW gekommen. Er soll die Kernmarke VW profitabler machen. Zuletzt hatte sie nur eine Umsatzrendite von rund 2 Prozent. Der Konzern hatte kürzlich angekündigt, VW werde schon 2018 eine operative Umsatzrendite von sechs Prozent erzielen. „Vorstandschef Matthias Müller stütze den Sparkurs deshalb, heißt es in Konzernkreisen“, so das Manager Magazin.
Ursprünglich hatten Diess und der VW-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Bernd Osterloh sich darauf verständigt, gemeinsam und einvernehmlich den Sparkurs durchzusetzen. Der Betriebsrat hatte dazu ein eigenes Sparpaket vorgelegt.
Der im September bekannt gewordene Betrug des Konzerns bei den Abgasangaben hatte dann aber den üblichen „sozialpartnerschaftlichen“ Gang der Dinge verzögert. Denn zunächst war und ist bis heute unklar, ob und wie weit bei VW durch den Abgasbetrug die Verkaufszahlen zurückgehen.
In den ersten Monaten nach Bekanntwerden des Betrugs blieben die Absatzzahlen relativ stabil. Inzwischen gehen sie zum Teil deutlich zurück. Dabei schlägt der Abgasskandal noch nicht einmal stark zu Buche. Vielmehr spürt VW zunehmend die insgesamt krisenhafte wirtschaftliche Lage in aller Welt. Der VW-Gesamtkonzern musste im letzten Jahr den ersten Absatzrückgang seit mehr als einem Jahrzehnt bekanntgeben. Insgesamt sank der Absatz von Europas größtem Autobauer 2015 um zwei Prozent auf 9,93 Millionen Fahrzeuge.
Während Audi und vor allem Porsche weltweit noch den Absatz steigern konnten, sind die weltweiten Verkäufe bei der Kernmarke VW vor allem zum Jahresende eingebrochen. Der Absatz sackte im Dezember um 7,9 Prozent ab. Im gesamten vergangenen Jahr wurden weltweit 4,8 Prozent weniger Autos der Marke VW verkauft als im Jahr zuvor.
Vor allem in China, dem wichtigsten Absatzmarkt des VW-Konzerns, ging es bei den Verkaufszahlen im letzten Jahr um 3,4 Prozent abwärts. Brasilien, wo VW einst mehr Autos als in Deutschland verkaufte, steht am Rande einer Depression. Der Automarkt schrumpfte dort im vergangenen Jahr um ein Viertel. Für die Marke Volkswagen ging es noch stärker abwärts als für alle Konkurrenten, nämlich um 38 Prozent. Der Marktanteil Volkswagens hat sich in Brasilien in fünf Jahren annähernd halbiert.
Auch in Europa tut sich VW schwer. Insgesamt sind dort von allen Herstellern im letzten Jahr mehr Autos als im Vorjahr verkauft worden, allein im Dezember stiegen die PKW-Verkaufszahlen in der Europäischen Union um fast 17 Prozent. Bei VW stiegen sie nur um rund fünf Prozent, berichtete der Herstellerverband Acea. Damit sank der Marktanteil von VW auf gut 22 Prozent. Im Oktober, dem ersten Monat nach Bekanntwerden der Diesel-Abgasmanipulation, lag er noch bei mehr als 25 Prozent.
Mitte November hatte Diess in einem gemeinsamen Interview mit Osterloh angekündigt, dass es bei den Sonderzahlungen an die Belegschaft „Einbußen“ geben werde. Der „Stammbelegschaft“ teilte er damals mit, er „glaube“, sie halten zu können. Osterloh bestätigte dies. „Wenn der Absatz runtergeht, dann haben wir weniger Beschäftigung – das ist doch ein klarer Fall.“ Diess und Osterloh hatten vor, die nötigen „Anpassungen“ mithilfe der rund 7000 Leiharbeiter zu bewerkstelligen, sprich ihre Arbeitsverträge auslaufen zu lassen.
Einen Monat später, im Dezember, teilte VW mit, dass die Verträge von 600 Leiharbeitern am Standort Zwickau in zwei Stufen auslaufen werden. Osterloh und die Betriebsräte halten derweil die Leiharbeiter ruhig. Man verhandele über mögliche Ersatzarbeitsplätze für sie im Konzern, erklären die Betriebsräte.
Die Verträge von 900 Leiharbeitern des Werks in Baunatal sind vorerst um ein halbes Jahr verlängert worden. Ein Konzernsprecher sagte, eine längere Perspektive als sechs Monate könne VW den Leiharbeitern aber nicht geben.
Der Medienbericht über den massenhaften Abbau von Arbeitsplätzen erschien wenige Tage nach einem Spitzentreffen des Konzernbetriebsrates. Am 15. Januar hatten sich Osterloh und der Generalsekretär des Konzernbetriebsrates Gunnar Kilian gemeinsam mit den Betriebsratsvorsitzenden Peter Mosch (Audi), Uwe Hück (Porsche) und Athanasios Stimoniaris (MAN) in Ingolstadt getroffen. Dort wurde über den Konzernumbau und das weitere Vorgehen beraten. Osterloh erklärte anschließend, es sei „um die weitere Aufarbeitung und die Konsequenzen aus dem Diesel-Skandal als auch um die weitere Gestaltung des Gesamtkonzerns“ gegangen.
Indirekt machte Osterloh deutlich, dass das Rationalisierungsprogramm und der geplante Arbeitsplatzabbau in enger Zusammenarbeit von IG Metall und Betriebsrat ausgearbeitet wurde. Der Betriebsrat habe eigene Strategien zur Weiterentwicklung des VW-Konzerns, sagte Osterloh und fügte hinzu: „Bei der Konzernstruktur, die maßgeblich unsere Handschrift trägt, gilt es konsequent weitere Schritte zu machen.“
Der Artikel im Manager Magazin bildet den Auftakt von Massenentlassungen, Lohnabbau und drastischen Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen. Die Beschäftigten müssen sich auf große Auseinandersetzungen vorbereiten. Dazu ist es wichtig, die IG Metall und den Betriebsrat als das zu verstehen, was sie sind: Komplizen der Konzernleitung, die systematisch versuchen, jeden gemeinsamen Kampf zu verhindern. Zunächst werden die Leiharbeiter abgeschoben, dann folgen weitere drastische Kürzungen für die rund 120.000 festangestellten VW-Arbeiter an einem Standort nach dem anderen: Wolfsburg, Hannover, Salzgitter, Braunschweig, Emden und Kassel.