Am Montagmorgen sind Hunderte Flüchtlinge von den griechischen Inseln Lesbos und Chios in die türkische Küstenstadt Dikili deportiert worden. Das war der Auftakt zu einem internationalen Verbrechen von historischem Ausmaß.
Europas Regierungen erklären den Flüchtlingen, für sie sei kein Platz auf diesem Kontinent und im Grunde auch nirgendwo sonst auf der Welt. Zum allergrößten Teil sind diese Menschen auf der Flucht vor der mörderischen Gewalt, die die USA und Europa mit ihren Interventionen und Stellvertreterkriegen entfesseln, sei es in Syrien, dem Irak, Afghanistan oder in Teilen Afrikas. Jetzt werden sie unter unmittelbarer Gewaltanwendung auf Schiffe verfrachtet und zurück in die Todeszonen getrieben.
Die EU hat einen schmutzigen Deal mit der Türkei abgeschlossen, durch den die Menschen gegen jedes Recht dahin zurückgeschickt werden, woher sie in unsicheren Booten unter Lebensgefahr entkommen sind. Man liefert sie dem autoritären Regime von Präsident Tayyip Erdogan aus, und dieser erhält dafür, dass er für die EU die Drecksarbeit verrichtet, mehrere Milliarden Euro und andere Belohnungen.
Die Massenabschiebungen und die Inhaftierung der Flüchtlinge unter den abscheulichsten Bedingungen sollen die Botschaft verbreiten, dass die Balkan-Route als Fluchtweg nach Westeuropa hermetisch abgeriegelt ist. Diese repressiven Maßnahmen werden den Flüchtlingsstrom keineswegs aufhalten. Sie werden den Strom menschlichen Elends nur umleiten und auf noch gefährlichere Routen zwingen, z.B. durch Libyen, und dadurch die Zahl der Todesopfer in die Höhe treiben.
Noch vor den ersten Massendeportationen schloss die Organisation Ärzte ohne Grenzen ihre Klinik im größten Flüchtlingslager auf der Insel Lesbos. Der Landeskoordinator der Organisation erklärte: „Die Fortführung der Arbeit würde uns zu Komplizen eines Systems machen, das wir als unfair und unmenschlich erachten.“ Er fügte hinzu: „Wir weigern uns, Teil eines Systems zu sein, das keine Rücksicht auf die humanitären Bedürfnisse oder den Schutz von Asylsuchenden und Migranten nimmt.“
In gleicher Weise beendete das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) wichtige Einsätze in Griechenland und protestierte dagegen, dass die Flüchtlingscamps in Vorbereitung auf Massenabschiebungen in geschlossene Internierungslager verwandelt werden.
Doch es gibt eine Organisation, die im Angesicht der Gefangennahme und Abschiebungen von Flüchtlingen keinerlei Skrupel zeigt, auch wenn deren Grundrechte mit Füßen getreten und sie zu Gefängnis, Folter und Tod verurteilt werden. Diese Organisation ist Syriza (Koalition der radikalen Linken), die amtierende Regierungspartei Griechenlands.
Die griechische Regierung, eine Koalition aus Syriza und der nationalistischen Anel (Unabhängige Griechen), dient der EU bei ihrem brutalen Vorgehen gegen Flüchtlinge als Partner und Komplize. Am vergangenen Freitagabend setzte das griechische Parlament neue Gesetze und verwaltungstechnische Änderungen in Kraft und verabschiedete weitgehende Polizeivollmachten, um die Abschiebungen gemäß dem EU-Türkei-Pakt zu erleichtern. Nur ein einziger Syriza-Abgeordneter stimmte gegen das brutale Vorgehen; ein weiterer enthielt sich der Stimme.
Die übrigen Abgeordneten stimmten zusammen mit der griechischen Rechten für eine kriminelle Politik, die einen Meilenstein in der Zerstörung von Flüchtlingsrechten darstellt. Sie ist symptomatisch für den weltweiten Militarismus und die wachsende Gefahr eines neuen Weltkriegs.
Um die Flüchtlinge zusammenzutreiben und abzuschieben, setzt Syriza-Ministerpräsident Alexis Tsipras das griechische Militär und die Bereitschaftspolizei ein. In ihren Reihen finden sich nicht wenige Unterstützer der faschistischen Goldenen Morgenröte. Die Politik der Syriza-Regierung steht in scharfem Gegensatz zur Stimmung in der griechischen Bevölkerung, die tiefes Mitgefühl mit der Notlage der Flüchtlinge empfindet. Darauf reagiert die Syriza-Regierung, indem sie versucht, Hilfsorganisationen zu kriminalisieren, und gleichzeitig die Polizei hart durchgreifen lässt, damit keine Berichte über die Angriffe auf Flüchtlinge nach außen dringen.
Der Beginn der Massenabschiebungen fällt mit der Wiederaufnahme der Verhandlungen zusammen, die die Syriza-Regierung mit der sogenannten „Troika“ aus EU und IWF führt. Darin geht es um eine neue Runde von Sparmaßnahmen, mit denen der Lebensstandard der griechischen Arbeiterklasse weiter gesenkt werden soll.
Es sind noch keine 15 Monate vergangen, seit Syriza und Tsipras, die sich „links“ und sogar „sozialistisch“ nennen, auf einer breiten Widerstandswelle gegen die EU-Kürzungsforderungen an die Macht kamen. Innerhalb von nur sieben Monaten hat die Syriza-Regierung weit schlimmere Maßnahmen akzeptiert als alle ihre Vorgängerregierungen – und das, obwohl in einer Volksabstimmung die EU-Sparpakete entschieden zurückgewiesen wurden.
Der ganze internationale Klüngel an pseudolinken Gruppen begrüßte letztes Jahr den Wahlsieg Syrizas. Von der französischen Neuen Antikapitalistischen Partei (NPA) bis zur International Socialist Organization (ISO) in den USA und der brasilianischen PSTU verkauften sie ihn als einen Sieg für die Arbeiterklasse. Nur das Internationale Komitee der Vierten Internationale (IKVI) und die World Socialist Web Site warnten davor, in Syriza einen Ausweg aus der Krise zu sehen. Wir erklärten stattdessen, dass sie „eine enorme Gefahr“ darstellt.
Die WSWS schrieb: „Syriza ist, ungeachtet ihrer linken Fassade, keine Arbeiter-, sondern eine bürgerliche Partei, die sich auf wohlhabende Schichten der Mittelklasse stützt. Ihre Politik wird bestimmt von Gewerkschaftsbürokraten, Akademikern, Selbständigen und Parlamentsfunktionären, die ihre Privilegien verteidigen wollen, indem sie die soziale Ordnung bewahren.“
Nach Syrizas erbärmlicher Kapitulation vor der EU, die auf eine halbkoloniale Unterwerfung Griechenlands durch Deutschland und das internationale Finanzkapital hinausläuft, veröffentlichte das Internationale Komitee eine Erklärung, in der es heißt: „Massen von Menschen werden mit dem Bankrott und dem Verrat politischer Parteien konfrontiert, die über viele Jahre hinweg die Protestbewegungen und die angeblich linke Politik dominierten. [...] Über Jahrzehnte hinweg verkauften diese Parteien ihre Politik als radikal oder antikapitalistisch, während sie in Wirklichkeit nichts dergleichen waren. Die erste Erfahrung mit ihnen an der Regierung entlarvt diese Anmaßung als Betrug. Die linke Maskerade diente als Deckmantel für ihre prokapitalistische Politik, die darauf angelegt ist, die Interessen der obersten zehn Prozent der Gesellschaft auf Kosten der Arbeiter zu verteidigen.“
Diese Analyse wird heute durch Syrizas kriminelle Flüchtlingspolitik erneut und auf noch tragischere Weise bestätigt. Ein Heer von pseudolinken Gruppen hat dem Imperialismus weltweit politische Schützenhilfe gegeben, als es die Regimewechsel-Kriege in Libyen und Syrien als „humanitäre“ Interventionen oder sogar als „Revolutionen“ verkaufte. Heute bietet Syriza praktische Hilfestellung der schlimmsten Art, indem sie Polizeistaatsmethoden gegen die Opfer dieser Kriege einsetzt. Damit wird die „Menschenrechts“-Fassade des Imperialismus, wie auch seiner pseudolinken Agenturen, ein für allemal eingerissen.
Der Kampf gegen den Krieg und die Verteidigung der Arbeiterklasse wie der Flüchtlinge erfordert den Aufbau einer neuen revolutionären Partei. Sie muss die kommenden Massenkämpfe mit einem revolutionären sozialistischen Programm bewaffnen. Diese Partei kann nur im unversöhnlichen Kampf gegen Syriza und ähnliche Pseudolinke Organisationen aufgebaut werden und muss diese als Verteidiger der kapitalistischen Ordnung entlarven und besiegen.