Perspektive

Merkels Wiederwahl und der Kampf gegen Militärismus, Sozialabbau und Diktatur

Mit der Wiederwahl Angela Merkels (CDU) zur Bundeskanzlerin und der Vereidigung des neuen Bundeskabinetts durch Präsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) übernimmt die rechteste deutsche Regierung seit dem Untergang des Dritten Reichs ihre Geschäfte. Das erneute Bündnis aus SPD und Union, das in einer sechsmonatigen politischen Verschwörung hinter dem Rücken der Bevölkerung geschmiedet wurde, wird nicht einfach die Politik der alten Großen Koalition fortsetzen. Es wird die Rückkehr des deutschen Militarismus und die Errichtung eines modernen Polizeistaats dramatisch eskalieren und eine neue Runde brutaler sozialer Angriffe gegen die Arbeiterklasse durchführen.

Der Koalitionsvertrag, den die Spitzen von Union und SPD am Montag unterzeichneten, sieht nahezu die Verdopplung des Militärhaushalts bis zum Jahr 2024 und die Einstellung von mehr als 10.000 neuen Polizisten vor. Außerdem haben sich die Koalitionäre darin auf die Übernahme der AfD-Flüchtlingspolitik und die Verschärfung des Spardiktats geeinigt, mit der die deutsche Regierung bereits in den vergangenen Jahren Millionen Arbeiter und Jugendliche in ganz Europa in Armut, Arbeitslosigkeit und Verzweiflung getrieben haben.

Unter Bedingungen explosiver wirtschaftlicher, sozialer und geopolitischer Spannungen drängt die herrschende Klasse nicht nur auf die schnelle Umsetzung des reaktionären Koalitionsprogramms, sondern verlangt, darüber hinauszugehen. So forderte das Handelsblatt am Dienstag ein „Upgrade für die Große Koalition“ und kommentierte: „Wenn Merkels dritte Große Koalition hier nun liefern würde, wäre das ein Fortschritt. Doch wenn das Bündnis, wie von allen drei Parteichefs beteuert, vier Jahre halten soll, wird es über das Vereinbarte hinausgehen müssen. Dazu zwingt schon der Druck von außen.“

„In Teilen ist der Koalitionsvertrag bereits überholt“, stellte das Sprachrohr der deutschen Wirtschaft fest. „Zwischen der nächtlichen Vereinbarung und der jetzigen Unterzeichnung hat US-Präsident Donald Trump Strafzölle angekündigt und einen Handelskrieg angedroht.“ Die „Frage nach der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft“ könne sich also „schneller stellen, als es sich die Vertreter von Union und SPD bei ihren Verhandlungen vorgestellt haben“. Demzufolge müsse der Koalitionsvertrag „Ausgangspunkt der nächsten Regierung sein – nicht der Schlusspunkt.“

Unter „Wettbewerbsfähigkeit“ versteht das Handelsblatt milliardenschwere Steuergeschenke à la Trump auch für die deutschen Konzerne bei gleichzeitigen Lohnsenkungen und Massenentlassungen. All dies ist längst geplant. Allein in den letzten Tagen verkündeten die Deutsche Bank, die Postbank, Airbus, RWE und Eon ihre Pläne, in enger Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften jeweils mehrere tausend Arbeitsplätze zu vernichten. Ganze Werksschließungen drohen bei Siemens, Bombardier und Thyssen-Krupp.

Anfang der Woche brachte der neue Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mit seiner arroganten Aussage, mit Hartz IV „habe jeder das, was er zum Leben braucht“, den anti-sozialen Charakter der neuen Bundesregierung auf den Punkt. Man wünscht Typen wie Spahn, dass sie sich zumindest mal für einige Tage als Minijobber oder Flaschensammler im kalten Berliner Winter verdingen müssen, um den Hartz-IV-Satz aufzustocken, der kaum zum Überleben reicht.

Es ist mittlerweile international bekannt und in unzähligen Studien nachzulesen, dass die sogenannten Hartz-„Reformen“ der damaligen rot-grünen Bundesregierung Deutschland zu einem der sozial ungleichsten – und ärmsten! – Länder Europas gemacht haben.

Das gesamte Kabinett widerspiegelt den extrem rechten und arbeiterfeindlichen Charakter der neuen Regierung. Innen- und Heimatminister wird der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer, der erst am Sonntag in der Bild-Zeitung einen „Masterplan für konsequentere Abschiebungen“, Massenüberwachung und andere Polizeistaatsmaßnahmen vorstellte. Neuer Finanzminister wird Olaf Scholz, der wie kaum ein zweiter für den Austeritäts- und Law-and-Order-Kurs der SPD steht. Als SPD-Generalsekretär hat Scholz die Agenda 2010 und die Hartz-Gesetze unterstützt, als Arbeitsminister in der ersten Großen Koalition unter Merkel das Renteneintrittsalter auf 67 erhöht und als Hamburger Bürgermeister den brutalen Polizeieinsatz gegen die G20-Proteste organisiert.

Vor allem wird die Große Koalition die Rückkehr Deutschlands zu einer aggressiven Außen- und Großmachtpolitik beschleunigen, die die neuen und alte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), Steinmeier und dessen Vorgänger Joachim Gauck prominent auf der Sicherheitskonferenz 2014 verkündet hatten. Der Chefredakteur des Spiegel, Klaus Brinkbäumer, spricht für die gesamte herrschende Klasse, wenn er im Essay „Danke, Donald“ die Rückkehr Deutschlands zu einer „schmutzigen“ Außenpolitik fordert, die sich nicht mehr „versteckt“ und „moralisch reine Positionen“ einnimmt.

Was damit gemeint ist, hatte der rechtsextremen Historiker Jörg Baberowski bereits auf einer Podiumsdiskussion mit dem Titel „Interventionsmacht Deutschland?“ im Deutschen Historischen Museum im Oktober 2014 ausgesprochen. „Und wenn man nicht bereit ist, Geiseln zu nehmen, Dörfer niederzubrennen und Menschen aufzuhängen und Furcht und Schrecken zu verbreiten, wie es die Terroristen tun, wenn man dazu nicht bereit ist, wird man eine solche Auseinandersetzung nicht gewinnen, dann soll man die Finger davon lassen,“ erklärte er dort über Kriegseinsätze der deutschen Bundeswehr in Afghanistan oder im Nahen und Mittleren Osten.

Es spricht Bände über die scharfe Rechtswende des links-grünen Milieus, dass die taz in ihrer letzten Wochenendausgabe offen Partei für Baberowski ergriff und selbst dessen Aussage „Hitler war nicht grausam“ gegen die Kritik der Sozialistischen Gleichheitspartei und ihrer Jugend- und Studierendenorganisation IYSSE in Schutz nahm. Angesichts wachsender Klassenkonflikte schlagen sich Teile des wohlhabenden Kleinbürgertums auf die Seite der extremen Reaktion.

Das gilt auch für die Führung der Linkspartei. Ihr Fraktionsvorsitzender im Bundestag, Dietmar Bartsch, hatte sich bereits im Februar hinter die Großmachtpläne der Großen Koalition gestellt und unter anderem von der Leyen aufgefordert, die für die Bundeswehr veranschlagten zusätzlichen Milliarden „wirklich in die Truppe [zu] investieren“. Seine Kollegin Sahra Wagenknecht eifert mit ihrer Stimmungsmache gegen Flüchtlinge der rechtsextremen AfD nach und unterstützte jüngst die rassistische Entscheidung der Essener Tafel, vorerst nur noch Deutsche in die Lebensmittelausgabe aufzunehmen.

Die Sozialistische Gleichheitspartei ist die einzige Partei, die die Große Koalition von links angreift. Sie hat in den letzten Wochen eine intensive Kampagne für Neuwahlen geführt und wird nun dafür kämpfen, die weit verbreitete Opposition in der Bevölkerung gegen die Große Koalition und ihre politischen Handlanger im Bundestag politisch zu entwickeln und zu organisieren. Die Rückkehr der herrschenden Klasse in Deutschland zu extremen Formen der politischen und sozialen Barbarei kann nur durch eine unabhängige Bewegung der Arbeiterklasse auf der Grundlage eines sozialistischen Programms gestoppt werden. Mit der Amtsübernahme der Großen Koalition stellt sich diese Aufgabe nun mit enormer Dringlichkeit.

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