Argentinische Partido Obrero betreibt „Neugründung“ der Vierten Internationale im Bündnis mit dem Stalinismus

Am 2. und 3. April 2018 veranstaltete die Partido Obrero (Arbeiterpartei) Argentiniens im Namen des „Coordinating Committee for the Refoundation of the Fourth International“ (CRFI, Koordinierungsausschuss für die Neugründung der Vierten Internationale) eine Konferenz in Buenos Aires.

Die Parole der „Neugründung“ bzw. des „Wiederaufbaus“ der 1938 von Leo Trotzki gegründeten Vierten Internationale ist nicht neu. Die Partido Obrero (PO) betreibt solche Projekte seit etwa 45 Jahren, d. h., seit sie sich in den 1970er Jahren mit der französischen OCI (Organisation communiste internationaliste) von Pierre Lambert im so genannten CORQI (Comité de Organisation pour la Reconstruction de la Quatrième Internationale) zusammenschloss. Dieses Unterfangen scheiterte, als sich Lambert der Sozialistischen Partei Frankreichs und allen möglichen rechten bürgerlich-nationalistischen Bewegungen in Lateinamerika zuwandte, seine ehemaligen CORQI-Verbündeten hingegen als Polizeiagenten anprangerte. Später tat sich die PO mit der von Nahuel Moreno angeführten extrem pablistischen Tendenz in Argentinien zu einem ähnlich erfolglosen und noch kurzlebigeren Versuch der „Neugründung“ zusammen.

All diese flüchtigen Allianzen beruhen auf der Übereinkunft, dass es die Vierte Internationale nicht gibt und nie gegeben hat. Unter „Wiederaufbau“ versteht man die Verschmelzung politisch heterogener Organisationen, ohne sich über wesentliche Fragen von Programm und Strategie einig zu sein. Der einzige Punkt, in dem die Beteiligten völlig übereinstimmen, ist das Recht jeder Organisation, auf nationaler Ebene eine Politik nach eigenem Gutdünken zu betreiben. Diese völlig prinzipienlose Herangehensweise hat nicht das Geringste mit dem Trotzkismus zu tun. Die Haltung dieser Leute zu den Erfahrungen und Lehren, die die Vierte Internationale seit 1938 gesammelt hat, besteht aus einer Mischung von politischer Feindseligkeit, theoretischer Gleichgültigkeit, kurzsichtigem nationalem Opportunismus und grober Unwissenheit.

Die Geschichte der Vierten Internationale hat aus ihrer Sicht keine objektive Bedeutung, und es gibt nichts zu studieren und zu lernen. Alles, was Trotzki in seinem Kampf gegen den Stalinismus und unzählige Formen von Zentrismus und Opportunismus geschrieben hat, gehört der fernen Vergangenheit an und kann getrost ignoriert werden. Die politischen Kämpfe der Vierten Internationale gegen revisionistische antitrotzkistische Tendenzen –vor allem Pablismus und Shachtmanismus – werden als bedeutungslos angesehen. Daher soll weder untersucht noch diskutiert werden, welche Rolle diese antitrotzkistischen Parteien und Tendenzen in den politischen Auseinandersetzungen der letzten 80 Jahre gespielt haben. Alle Verrätereien und Verbrechen der Vergangenheit können ad acta gelegt werden. Alle Beteiligten erhalten eine Generalamnestie, und jeder darf mit einer reinen Weste wieder von vorn anfangen.

Das Treffen im April in Buenos Aires ging in seiner Schäbigkeit weit über das hinaus, was früher schon in Sachen „Neugründung“ oder „Wiederaufbau“ der Vierten Internationale unternommen wurde. Jorge Altamira, der Führer der Partido Obrero, und Savas Michael-Matsas, der Chef der griechischen EEK (Revolutionären Arbeiterpartei), kündigten an, dass auch prostalinistische Organisationen in Russland in die wiederaufgebaute Vierte Internationale einbezogen werden sollen. Die Verbrechen der stalinistischen Regime – einschließlich des Mordes an Hunderttausenden Kommunisten und an Leo Trotzki – sollen im Interesse der „Einheit“ begraben werden. Der „Strom von Blut“, der nach Trotzkis Worten den Trotzkismus vom Stalinismus trennt, soll überbrückt werden.

Die angestrebte Versöhnung von Stalinismus und Trotzkismus fand ihren konkreten Ausdruck in der Einladung der CRFI an Darja Alexandrowna Mitina, ein führendes Mitglied der eingefleischten Prostalinisten von der Vereinigten Kommunistischen Partei Russlands (OKP). Mitina wurde in sämtliche Diskussionen des CRFI einbezogen und durfte am Ende der Konferenz eine der Hauptreden vor den versammelten Mitgliedern der PO halten. Ihre Einladung zur Konferenz wurde von Michael-Matsas arrangiert, der seit mehr als einem Jahrzehnt eine enge politische Beziehung zu Mitina pflegt.

Mitina erklärte sich einverstanden mit dem Aufbau einer „neuen Internationale, um den Klassenkampf in verschiedenen Ländern besser zu koordinieren“ und „Aktionen der internationalen Solidarität“ zu organisieren. Ihre Rede wurde vom Publikum herzlich aufgenommen, das zum größten Teil nichts über Mitinas Parteizugehörigkeit und Aktivitäten wusste, geschweige denn über das Programm und die Geschichte der OKP. Wir werden daher die Fakten darlegen, die Altamira und Michael-Matsas der Mitgliedschaft der PO verheimlichen.

Die Vereinigte Kommunistische Partei Russlands entstand 2014 als Abspaltung von der Kommunistischen Partei der Russischen Föderation (KPRF) unter der Führung von Gennadi Sjuganow. Die Differenzen der OKP mit der nationalchauvinistischen Organisation Sjuganows, die mit dem Putin-Regimes verbündet ist, sind rein taktischer Natur. Ebenso wie Sjuganows Partei verherrlicht die OKP Stalin und rechtfertigt seine Verbrechen. In einem kürzlich auf der OKP-Website veröffentlichten Artikel heißt es:

Es war Stalin, der das Werk des großen Lenin fortsetzte und eine Anhängerschaft standhafter und getreuer Bolschewiki um sich scharte. Unter seiner Führung wurden die sozialistische Industrialisierung, die Kollektivierung der Landwirtschaft und die Kulturrevolution verwirklicht. Stalin entlarvte und besiegte die Befürworter einer Rückkehr zum Kapitalismus: die Trotzkisten, Sinowjewisten, Bucharinisten, verschiedene bürgerliche Nationalisten und andere Kapitulanten.

Die OKP fordert die „Wiederbelebung der Sowjetunion“ und lobt die sowjetische Verfassung von 1936, auch bekannt als „Stalin-Verfassung“ – ein reaktionäres Dokument, das am Vorabend der Moskauer Prozesse und des Terrors von 1936-1940 angenommen wurde. Das wichtigste politische Ziel der OKP besteht darin, die KPRF Sjuganows, die die „Re-Stalinisierung“ Russlands im Bündnis mit der orthodoxen Kirche anstrebt, nach links zu drücken.

Darja Mitina ist eine langjährige stalinistische Politikerin, deren Verbindungen tief in den russischen Staat hineinreichen. Sie ist die Enkelin des afghanischen Premierministers Mohammed Yusuf, der zum Botschafter in der Sowjetunion ernannt wurde. In ihrer Wikipedia-Biographie heißt es:

  • Seit 2014 ist sie Sekretärin für internationale Angelegenheiten und Mitglied der Politischen Kommission der Vereinigten Kommunistischen Partei (Russland).
  • Sie war Abgeordnete der zweiten Staatsduma (1995-1999). Bei den Wahlen zur Staatsduma 2016 war sie die Kandidatin der „Kommunisten Russlands“ im Wahlkreis Tscheremuschkinski, hatte aber keinen Erfolg.
  • Sie ist die erste Sekretärin des Zentralkomitees der Russischen Kommunistischen Jugendliga (Komsomol) und gehörte 1993 zu deren Gründern.
  • Im Mai-August 2014 war Mitina Vertreterin des Außenministeriums der Volksrepublik Donezk in Moskau.

Als Sekretärin für internationale Angelegenheiten der OKP wurde Mitina beauftragt, im Namen des russischen Staates internationale Beziehungen zu einer breiten Palette stalinistischer, pablistischer, bürgerlich-nationalistischer und ausländerfeindlicher Organisationen zu pflegen.

Eine ihrer Reisen führte sie kürzlich zu einem Treffen mit Vertretern von Euro-Rus, einer rechtsgerichteten Gruppe, die sich für die Einheit Europas mit Russland auf der Grundlage von „Familienwerten“, dem „Recht auf Leben“, „nationalem Protektionismus“, „Schutz der europäischen Grenzen“ und weißem Rassismus einsetzt. Mitinas ausgiebige Reisetätigkeit lässt auf erhebliche finanzielle Unterstützung schließen. Seit sie Buenos Aires verlassen hat, besuchte sie China, Vietnam und Nepal, wo sie sich mit Staatsbeamten sowie stalinistischen und maoistischen Parteien getroffen hat.

Am 5. März 2018 – nur einen Monat vor ihrem Abflug nach Argentinien zur Neugründungskonferenz der PO – nahm Mitina an einer öffentlichen Gedenkfeier anlässlich des 65. Todestags von Joseph Stalin teil. Sie und andere Mitglieder der OKP ehrten das Andenken an den Diktator zusammen mit Stalinisten, russischen Nationalisten, ausländerfeindlichen Chauvinisten und Neofaschisten, die an Stalins Grab an der Kremlmauer Blumen niederlegten. Auch an den Gräbern von Stalins Nachfolgern Leonid Breschnew und Juri Andropow legten Mitina und ihre OKP-Verbündeten Kränze ab.

In einem Blogbeitrag erinnert sich Mitina stolz an die Feier: „Vor 65 Jahren ging ein Mann von uns, dem bis heute niemand das Wasser reichen kann. ...Ich stehe zu Josef Wissarionowitsch[Stalin]...und bringe zweimal im Jahr Blumen zu seinem Denkmal.“

Wer zweimal im Jahr Blumen am Grab Stalins ablegt, kann nur als erbärmlicher Reaktionär bezeichnet werden, und wer einer solchen Frau eine Plattform zur Verfügung stellt, ist ein Komplize.

Die Anwesenheit von Darja Alexandrovna Mitina auf der Konferenz der PO war kein Zufall. Das Bündnis mit solchen Kräften ist ein wesentlichen Bestandteil der von Altamira geplanten „Neugründung“.

In seinen Ausführungen auf der Konferenz rechtfertigte Altamira die Anwesenheit der OKP-Vertreterin mit den Worten:

Wir bauen keine „Do-it-yourself“-Internationale auf, d. h. eine Ausweitung einer politischen Sekte von einem Land auf andere Länder. In diesem politischen Kampf hatten wir heute eine Genossin auf unserer Plattform, die im Namen der Tradition des Kommunismus in Russland spricht, unter der sie den Stalinismus versteht. .... Wir führen politische Gespräche mit diesen Genossen, um auszuloten, ob wir alle zusammenarbeiten können, damit wir auf dem Weg zum Aufbau einer Internationalen einen Schritt voran kommen, auf dass Russland wieder, wie lange Zeit, das Territorium der Oktoberrevolution sein kann.

Mit diesen Worten lehnt Altamira nicht nur das historisch verankerte Programm und die Prinzipien der Vierten Internationale ab, sondern auch die Bedeutung der Geschichte selbst. Seine Worte laufen darauf hinaus, dass das, was in der Vergangenheit geschehen ist, für die Gegenwart keine Bedeutung hat. Dass das stalinistische Regime Hunderttausende Kommunisten ermordet, unzählige Male Verrat geübt und schließlich zur Zerstörung der Sowjetunion geführt hat, darf der Zusammenarbeit mit den heutigen Stalinisten beim Wiederaufbau der Vierten Internationale nicht im Wege stehen.

In der Praxis eröffnet diese rein pragmatische Herangehensweise an die Politik die Möglichkeit, mit so gut wie jeder politischen Organisation, Tendenz oder Person zusammenzuarbeiten. Was auch immer sie in der Vergangenheit getan haben mag, ist ohne besondere, geschweige denn bleibende Bedeutung. Die Verbrechen der Vergangenheit können als unglückliche, sogar bedauerliche Fehler beschönigt werden, die nichts Wesentliches mit ihrer gegenwärtigen politischen Identität zu tun haben. Das Einzige, was wirklich zählt, sind punktuelle Übereinstimmungen über bestimmte praktische Aufgaben, und seien sie noch so minimal und konjunkturell, im Hier und Jetzt.

Und wenn diese Methode des opportunistischen Kuhhandels auf stalinistische Parteien angewandt werden kann, deren Geschichte von Verrat und Verbrechen durchtränkt ist, warum dann nicht auf alle Organisationen, einschließlich der Nationalisten und selbst Faschisten? Tatsächlich besteht der eigentliche Zweck von Altamiras Bemühungen um Beziehungen zu stalinistischen und neostalinistischen Organisationen darin, die politische Zusammenarbeit mit genau solchen Kräften nicht nur in Russland, sondern auch international zu legitimieren.

Das Hauptmerkmal stalinistischer Organisationen, besonders in Russland, ist ihr nationalistischer Charakter. Wenn sie gelegentlich „kommunistisch“ daherreden, soll dies nur notdürftig ihren russischen Chauvinismus bedecken. Die Verherrlichung Stalins als großer nationaler Führer hat weitaus mehr mit Faschismus zu tun als mit irgendetwas, das man ansatzweise als sozialistisch bezeichnen könnte.

Savas Michael-Matsas, Generalsekretär des griechischen EEK und Hauptverbündeter der Partido Obrero in Europa, hat sich als Mittler betätigt und die argentinische Partei zusammengebracht mit Darja Mitina, Putins Reisebotschafterin für opportunistische „linke“ Organisationen, die bereit sind, die nationalistische Karte zu spielen.

Die politischen Beziehungen zwischen Michael-Matsas und Mitina reichen mehr als ein Jahrzehnt zurück. Mitina war 2007 zum 90. Jahrestag der Oktoberrevolution als Rednerin zu einer Veranstaltung der EEK in Griechenland eingeladen. Zwei Jahre später berichtete sie in ihrem Blog, dass sie und ihr Mann, Said Gafurow, im September 2009 von Michael-Matsas am Flughafen in Athen abgeholt wurden, als sie zu einem Treffen des Organisationskomitees des Europäischen Sozialforums eintrafen, „wo wir Russland vertraten“.

Said Gafurow unterhält, wie seine Frau, enge Beziehungen zum russischen Staat. Er hat in verschiedenen Staatsministerien gearbeitet und war stellvertretender Chefredakteur einer russischen Wirtschaftszeitschrift, die für ihre starke Unterstützung für Wladimir Putin bekannt ist. In regelmäßigen Sendungen auf Arabisch wirbt er für die geostrategischen Interessen Russlands, außerdem verfasst er Kommentare für die prostalinistische Publikation pravda.ru.

Russland beim Europäischen Sozialforum zu „vertreten“ bedeutet den Einsatz für die Interessen des Kremls in einem Umfeld, in dem NGOs, Geheimdienste und Regierungsvertreter sowie verschiedene „linke“ Organisationen zusammenkommen.

Mitina hat Michael-Matsas geholfen, breite Verbindungen zu stalinistischen Kreisen in Russland anzuknüpfen. Im Jahr 2017 war er Gast auf einem Kongress in St. Petersburg, der der Vereinigung der „Kommunistischen Parteien“ Russlands und der anderen ehemaligen Sowjetrepubliken gewidmet war.

Diese Bemühungen tragen offenbar erste Früchte. Die OKP gab kürzlich bekannt, dass der Verband Trudowaja Rossija („Werktätiges Russland“) seine Mitglieder in Moskau aufgefordert hat, ihrer Partei beizutreten. „Werktätiges Russland“, das bis zu dessen kürzlichem Ableben durch Viktor Anpilow geführt wurde, ist bekannt für seinen extremen Nationalismus und Antisemitismus. Bei verschiedenen Wahlen kandidierte es unter dem Banner des „stalinistischen Blocks“ in einem Bündnis mit Stalins Enkel.

Wer ist Savas Michael-Matsas?

Obwohl Michael-Matsas im Laufe der letzten zwanzig Jahre auf mehreren Konferenzen der PO aufgetreten ist, hat die argentinische Partei ihrer Mitgliedschaft nie ernsthaft erklärt, welche politische Geschichte dieser Mann hat. Er wurde dem Publikum vorgestellt als „ein Genosse, der Gründer und Erbauer des CRFI ist, Vorreiter beim Aufbau des CRFI in Europa und dem Nahen Osten und Führer einer Partei, die sich seit 50 Jahren am Klassenkampf in Griechenland beteiligt“.

Mit dieser Beschreibung soll die PO-Mitgliedschaft gezielt getäuscht werden.

In Wirklichkeit ist Michael-Matsas eine dubiose politische Figur, deren gesamte Geschichte von prinzipienlosen und doppelzüngigen Manövern geprägt ist. Ende der 1970er Jahre wurde er nationaler Sekretär der Workers International League, der griechischen Sektion des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI). Er gelangte in diese Position, nachdem zwei frühere Führer aufgrund politischer Differenzen, die innerhalb des IKVI nie klargestellt wurden, abgesetzt worden waren.

Die einzige Konstante in Michael-Matsas Politik ist seine nationalistische Orientierung. Die Prinzipien des sozialistischen Internationalismus hat er durchgängig nationalen Berechnungen auf niedrigster Ebene untergeordnet. 1983 reiste Michael-Matsas hinter dem Rücken des IKVI in den Iran, als die Regierung Khomeini linke Gruppen und Aktivisten brutal unterdrückte. Inmitten dieser Repression verfasste Michael-Matsas eine Reihe von Artikeln über die iranische Regierung. Er trat im iranischen Staatsfernsehen auf, um das Regime öffentlich zu unterstützen.

1985 führte Michael-Matsas eine prinzipienlose Spaltung mit dem IKVI durch, als dieses die nationalistische und opportunistische Degeneration bekämpfte, die zum Zusammenbruch der von Gerry Healy geführten britischen Workers Revolutionary Party (WRP) geführt hatte. Er lehnte jede Diskussion mit anderen Sektionen mit der absurden Begründung ab, dass sie nicht befugt seien, sich ohne Erlaubnis von Healy, den er als „historischen Führer des IKVI“ bezeichnete, auch nur zu treffen.

Als er sich mit Healy zusammenschloss und mit dem Internationalen Komitee brach, spekulierte Michael-Matsas darauf, dass es ihm fortan freistehen würde, innerhalb Griechenlands und international beliebige Bündnisse zu schließen, die seinen pragmatischen Berechnungen entgegenkamen. Wenige Monate nach seiner Trennung vom IKVI und der Gründung der EEK proklamierte Michael-Matsas „eine neue Ära der Vierten Internationale“, die einen Bruch mit dem „abstrakten Propagandismus“ und den „Praktiken aus den Perioden der Niederlagen und der Isolation des Trotzkismus“ bedeuten würde. Diese „neue Ära“ war in Wirklichkeit die Umsetzung der pablistischen Politik in ihrer extremsten Form.

Innerhalb Griechenlands, befreit von den Zwängen des Internationalen Komitees und trotzkistischer Prinzipien, verwickelte Michael-Matsas die EEK in eine Reihe von prinzipienlosen Allianzen mit der bürgerlichen Partei Pasok, der stalinistischen Kommunistischen Partei und der Gewerkschaftsbürokratie. Auf internationaler Ebene bejubelte Michael-Matsas Michail Gorbatschow als Führer der politischen Revolution in der Sowjetunion. Ungeachtet der winzigen Mitgliederzahl der EEK wurde Michael-Matsas zu einem festen Bestandteil des korrupten Milieus der kleinbürgerlichen Linken in Athen.

Die Beziehung zwischen Jorge Altamira und Savas Michael-Matsas basiert auf ihrer gemeinsamen Verachtung für die Geschichte der Vierten Internationale.

Grundlage des CRFI ist das „Prinzip“, dass es keine Diskussion über frühere Meinungsverschiedenheiten oder die historische Entwicklung der beteiligten Tendenzen geben darf. Dies wird im Gründungsdokument des Komitees ausdrücklich festgelegt. Dessen letzten Zeilen lauten:

Im Gegensatz zur Methode der Sekten, die die sofortige Neugründung der IV. Internationale von einer vorherigen, rein literarischen Beilegung etwaiger politischer Differenzen abhängig machen, organisieren wir eine internationale revolutionäre Partei, die IV., auf der Grundlage einer genauen politischen Abgrenzung aller Unterschiede. Der Aufbau der internationalen Partei ist der programmatische Punkt, durch den sich revolutionäre Marxisten von Sekten unterscheiden.

Grundlage der „Neugründung“ der Vierten Internationale soll also die „antisektiererische“ Vereinbarung sein, keine der historischen Lehren aus dem Kampf gegen den Pablismus zu diskutieren, und die Übereinkunft, dass es jedem Anhänger der CRCI weiterhin frei steht, ohne Kritik oder Einmischung seine eigene nationale opportunistische Politik zu verfolgen.

Für die EEK bedeutet dies, sich im Dunstkreis von Syriza zu bewegen und Illusionen in diese zu verbreiten. Die EEK begrüßte den Wahlsieg von Syriza im Januar 2015 als Triumph für die griechische Arbeiterklasse und vertrat die Ansicht, dass diese bürgerliche Partei nach links gedrängt und gezwungen werden könne, „mit der Bourgeoisie zu brechen“.

Mit ihrer Werbung für Syriza und mit ihren Angriffen auf das IKVI, dem sie „Sektierertum“ vorwarf, weil es davor warnte, dass Syriza eine bürgerliche Partei ist, der sich die griechische Arbeiterklasse widersetzen muss, betätigte sich die EEK als Helfer bei einem historischen Verrat.

Die Partido Obrero verfolgt ihre eigene nationale opportunistische Politik, für die das CRFI einen „internationalistischen“ Deckmantel bieten soll. Seit ihrer Gründung im Jahr 1964 verbindet die PO formale Kritik an der als Morenoismus bekannten rechten pablistischen Tendenz, die vom argentinischen Opportunisten Nahuel Moreno gegründet wurde, mit einer politischen Praxis, die auf Bündnisse mit den Morenoisten ausgerichtet ist.

Im Jahr 2017 kritisierte PO-Chef Altamira die morenoistische Partido Socialista de los Trabajadores (PTS, Sozialistische Arbeiterpartei) und beschrieb sie pointiert als „Podemos in Windeln“, eine Anspielung auf die bürgerliche „linke“ Podemos, die sich in Spaniens herrschendes Establishment integriert hat. Aber im selben Jahr trat die PO erneut in einen prinzipienlosen Wahlblock mit der PTS, die so genannte Linke Front (FIT), ein und opferte jede Kritik einem Programm des kleinsten gemeinsamen Nenners, der in populistischer Propaganda gegen Macri und der Jagd nach Parlamentsposten bestand. Die opportunistischen Manöver der PO mit den Morenoisten und dem Kirchner-Flügel des Peronismus zielen darauf ab, die argentinische Arbeiterklasse in eine Falle nach dem Muster von Podemos oder Syriza zu locken.

In seiner Rede auf der Versammlung in Buenos Aires betonte Altamira besonders den Kampf für das Recht auf Abtreibung in Argentinien und erklärte: „Wenn wir das Siegel der Partido Obrero und der Linken Front auf den Sieg dieses Kampfes setzen können, werden wir in kurzer Zeit Anwärter auf die Macht sein.“

Wenn der PO-Vorsitzende davon spricht, dass seine eigene Bewegung und ihre opportunistische Wahlfront mit den argentinischen Morenoisten von der PTS aufgrund ihrer Rolle bei Protestveranstaltungen für die Legalisierung der Abtreibung zu „Anwärtern auf die Macht“ werden, kann das nur eines bedeuten: Er spricht nicht von der unabhängigen Mobilisierung der Arbeiterklasse in einer revolutionären Bewegung, um die Macht zu übernehmen und eine Arbeiterregierung zu bilden. Im Gegenteil, er spielt mit dem Gedanken, dass die Linke Front (FIT) unter Bedingungen einer schweren Krise des argentinischen Kapitalismus aufgefordert wird, eine bürgerliche Regierung zu bilden – so, wie es Syriza in Griechenland getan hat.

Als Partei, die sich auf die Staatsmacht vorbereitet, baut die Führung der PO Beziehungen zu anderen Staaten auf. Das ist die eigentliche Bedeutung der Verbindung zwischen OKP und Darja Mitina.

Darja Mitina (zweite von rechts) mit Wladimir Putin

In ihrem Beitrag auf der CRFI-Konferenz vertrat die PO die Position, dass „weder in Russland noch in China eine Bourgeoisie als Klasse entstanden ist, da sie in beiden Fällen der Vermittlung des Staats unterliegt, der einen großen Teil seiner ‚vorkapitalistischen‘ bürokratischen Struktur beibehält“. Die PO bezeichnet sowohl Putin als auch Xi Jinping als „besondere Bonapartisten“, die zwischen den aufstrebenden Kapitalisten und „der Notwendigkeit, den Zerfall ihrer Staaten aufzuhalten“ balancieren.

Dieser neo-pablistischen Perspektive liegt die Vorstellung zugrunde, dass Putin das Potenzial hat, zu einer antiimperialistischen Alternative zu werden, einem Gegengewicht zur Dominanz des US-Imperialismus. Unter Bedingungen, unter denen sich sowohl China als auch Russland um eine Ausweitung ihres Einflusses innerhalb Lateinamerikas bemühen, hat dieser Ausblick konkrete Auswirkungen auf die Staatspolitik.

Die internationale Politik einer Partei wie der Partido Obrero ist immer eine Fortsetzung ihrer nationalen Politik. Ihre Hinwendung zu einem Bündnis mit dem russischen Stalinismus, einer rechtsgerichteten Kraft, steht im Einklang mit ihrer opportunistischen Wahltaktik innerhalb Argentiniens selbst. Wie die PO in ihrem Beitrag zugibt, basiert die FIT-Front, in der sie mit den Morenoisten vereint ist, auf einer „wahltaktischen Anpassung, die durch die Notwendigkeit gerechtfertigt ist, den linken Flügel des Kirchnerismus zu kooptieren“ – also den Peronismus.

Unter dem Deckmantel der „Neugründung“ der Vierten Internationale wird eine zutiefst reaktionäre Achse geschmiedet, die ein Bündnis mit bürgerlich-nationalistischen und sogar rechtsgerichteten Strömungen beinhaltet.

Die Konferenz in Buenos Aires und der Vorwand der „Neugründung“ der Vierten Internationale im Bündnis mit dem Stalinismus muss als Warnung an die Arbeiterklasse aufgefasst werden. Es ist ein Versuch, neue politische Instrumente zu schmieden, um die Arbeiterklasse der Bourgeoisie genau zu dem Zeitpunkt unterzuordnen, zu dem sich ein Wiederaufleben des Klassenkampfes auf allen Kontinenten abzeichnet.

Seit der Gründung der Vierten Internationale sind nun 80 Jahre vergangen, und 65 Jahre sind vergangen seit der Spaltung der VI und der Bildung des Internationalen Komitees 1953, um den Trotzkismus gegen den pablistischen Revisionismus zu verteidigen. Der Versuch, eine internationale Tendenz zu schaffen, die auf der Unterdrückung der Lehren aus der Geschichte der Vierten Internationale beruht, kann nur zum Verrat an der Arbeiterklasse führen.

All jene in Argentinien und ganz Lateinamerika, die den Trotzkismus verteidigen wollen, müssen sich die Lehren aus diesem Verrat aneignen und verstehen, wie sich das Internationale Komitee über lange Jahre hinweg durch seinen unerbittlichen Kampf gegen den Pablismus und alle Formen des Opportunismus für den Aufbau der Vierten Internationale eingesetzt hat. Wir rufen die Leser der World Socialist Web Site in Argentinien und allen Teilen Amerikas auf, die Dokumente über diese Auseinandersetzungen ernsthaft zu studieren und den Kampf für den Aufbau von Sektionen des IKVI in jedem Land aufzunehmen.

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