Der Berliner Senat aus SPD, Linkspartei und Grünen hat sich Ende Oktober auf das Gesetz zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung, den sogenannten Mietendeckel, geeinigt. Er soll Anfang nächsten Jahres vom Abgeordnetenhaus, wo die drei Regierungsparteien eine Mehrheit haben, verabschiedet werden und nach Inkrafttreten fünf Jahre gelten.
Während noch weitgehend unklar ist, ob der Mietendeckel tatsächlich in die Praxis umgesetzt wird, da einige Klagen anhängig sind, kann er nicht über drei Dinge hinwegtäuschen:
Erstens: In den letzten Jahren sind in nahezu allen deutschen Großstädten die Mieten rasant in die Höhe geschossen, was auf der einen Seite zu Armut und Obdachlosigkeit, auf der anderen Seite zu einer schamlosen Bereicherung gieriger Immobilienspekulanten geführt hat. Spitzenreiter war dabei Berlin, wo der Preisanstieg bei Angebotsmieten binnen zehn Jahren um mehr als 106 Prozent gestiegen ist.
Zweitens: Die Verantwortung dafür tragen in der Bundeshauptstadt SPD und Linkspartei, die – wie Grüne, Union und FDP in anderen Ländern – die politischen Voraussetzungen für diese Entwicklung geschaffen haben.
Drittens: Der Mietendeckel ist noch nicht einmal der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein. Er beseitigt weder die akute Wohnungsnot noch die horrenden Profite der Immobilienkonzerne. So rechnet der Immobilienriese Vonovia, der fast eine halbe Million Wohnungen besitzt und verwaltet, davon zehn Prozent in Berlin, mit einem Rückgang der Gesamtmieterträge von weniger als einem Prozent.
Das Gesetz, das nächstes Jahr in Kraft treten soll, gilt für rund 1,5 Millionen Wohnungen, die vor dem Jahr 2014 erstmalig bezugsfertig wurden. Damit fallen schon einmal alle Neubauten, die ab dem Jahr 2014 erbaut wurden, aus der Mietendeckelung. Weiterhin sind unter anderem Wohnungen „des öffentlich geförderten Wohnungsbaus und Wohnraum in einem Wohnheim“ ausgenommen.
Mit dem Mietendeckel sollen die monatlichen Nettokaltmieten, die bis zum Stichtag des 18. Juni 2019 gezahlt wurden, eingefroren werden. Diese Regelung gilt auch für Staffel- und Indexmieten. Bei der Erstvermietung einer Wohnung, die vor 2014 errichtet wurde, darf die Mietobergrenze nicht überschritten werden, und bei einer Neuvermietung darf höchstens die Nettokaltmiete des Vormieters angewendet werden.
Die Mietobergrenzen bzw. die so genannte Mietentabelle ist in dem Gesetz je nach Ausstattung und Alter der Wohnung geregelt. Ab dem Jahr 2022 dürfen die Mieten dann um bis zu 1,3 Prozent jährlich als Inflationsausgleich erhöht werden, maximal bis zur Mietobergrenze. Auch bei Modernisierungen von Wohnungen darf die Nettokaltmiete um einen Euro pro Quadratmeter steigen. Besonders hohe Mieten, auch „Wuchermieten“ genannt, die 20 Prozent und mehr über der Mietobergrenze liegen, dürfen dann auf 120 Prozent der Mietobergrenze gekappt werden. Diese Kappung von Wuchermieten tritt aber erst Ende 2020 in Kraft.
CDU, FDP und AfD, die im Berliner Abgeordnetenhaus die Opposition bilden, protestierten heftig gegen den Mietendeckel und drohten mit Klage. Der CDU-Abgeordnete Jan-Marco Luczak wetterte gegen die angebliche „Planwirtschaft“ und bezeichnete den Mietendeckel als „massiver und verfassungswidriger Eingriff ins Eigentum“. Die AfD-Fraktion denunzierte ihn als „sozialistische Mieterpolitik“ und der FDP-Abgeordnete Christoph Meyer sprach von einer „Neiddebatte“. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Burkhard Dregger erklärte: „Wir werden in jedem Fall klagen.“
Selbstredend kam auch ein Aufschrei aus der Immobilienwirtschaft. Die raffgierigen Immobilienkonzerne, die gerade in den letzten Jahren in Berlin und anderen Großstädten traumhafte Gewinne realisieren konnten, sehen selbst die kleinsten Einschränkungen als unzulässige Beschneidung ihrer Profitinteressen an. 23 Verbände appellierten in einem Gemeinsamen Offenen Brief an den Senat und warnten vor „massiven negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft“ – d.h. auf ihre Profite.
Der Offene Brief weist darauf hin, dass von 2012 bis 2017 in Berlin bei 287.000 neuen Einwohnern lediglich 55.000 neue Wohnungen gebaut worden seien, und droht unverhohlen mit einem Investitionsstopp. „Mit dem Mietendeckel wird die Wohnungswirtschaft jedoch ihre Investitionen in den Bestand drastisch – nämlich um bis zu 90 Prozent – reduzieren“, heißt es in dem Brief.
Das Problem unerschwinglicher Mieten wird mit dem Mietendeckel – sollte er denn in Kraft treten – nicht verschwinden, auch wenn der rot-rot-grüne Senat dies erklärt. Gerade die SPD und die Linkspartei, die von 2002 bis 2011 gemeinsam den Senat bildeten, tragen mit ihrer verheerenden Politik die Verantwortung dafür.
Der rot-rote Senat hat zum Zweck des „Schuldenabbaus“ 150.000 von 400.000 Wohnungen im Landesbesitz an Immobilienhaie verscherbelt. Damit verblieben im Jahr 2009 nur noch 250.000 Wohnungen im Landesbesitz. Größtenteils wurden die Wohnungen unter 25 Prozent des damaligen Werts an die Immobilienunternehmen verkauft, damit diese hohe Profite erzielen konnten. Seither hat sich der durchschnittliche Wert von Berliner Wohnungen mehr als verdoppelt. Der damalige Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) erklärte 2011, „steigende Mieten als Malaise zu bezeichnen“ sei „ein alter Reflex“.
Der rot-rote Senat stellte 21,6 Milliarden Euro zur Bankenrettung zur Verfügung und verfolgte einen brutalen Sparkurs, der negative Auswirkungen auf alle Lebensbereiche hatte und die Armut in der Hauptstadt stark ansteigen ließ. 2003 trat Berlin aus dem Arbeitgeberverband des Bundes und der Länder aus, um die Löhne im öffentlichen Dienst um bis zu zwölf Prozent und die Beschäftigtenzahl um ein Drittel zu senken.
Während der rot-rote Senat Wohnungen in öffentlichem Besitz verkaufte, steuerte seine Wohnungspolitik darauf hin, immer mehr teure Luxuswohnungen, vor allem im Stadtzentrum, bauen zu lassen und damit die Mieten stark zu steigern. Die Folge dieser Politik war die Verdrängung von Mietern in die Randbezirke. Wegen unbezahlbarer Mieten wurden auch viele Wohnungen zwangsgeräumt, was zu steigender Obdachlosigkeit führte.
Nach den Schätzungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V. (BAGW) gab es in Deutschland 2017 650.000 Menschen ohne Wohnung. In Berlin sind ungefähr 40.000 Menschen wohnungslos und davon etwa 10.000 obdachlos. Gerade jetzt, wo die Kälteperiode wieder beginnt, sind warme Notunterkünfte für alle Obdachlosen lebensnotwendig. Die Stadt Berlin gibt rund 5,6 Millionen Euro für die Obdachlosenhilfe aus, 1,4 Millionen mehr als 2010. Die Zahl der Wohnungslosen hat sich aber seitdem mehr als verdreifacht.
In diesem und im letzten Jahr kam es in Berlin zu Massenprotesten gegen die ständig steigenden Mieten. Im April 2018 demonstrierten 25.000 gegen den Mietenwahnsinn. Die Veranstalter hatten nur mit rund 4000 Teilnehmern gerechnet. Ein Jahr später demonstrierten erneut 40.000 Menschen in Berlin unter dem Motto „Deutsche Wohnen & Co enteignen“. In 19 weiteren Städten gingen fast 60.000 Menschen auf die Straße.
Der berechtigten Forderung nach Enteignung der Immobilienkonzerne schlossen sich offiziell die Linkspartei und ihre pseudolinken Anhängsel an. Tatsächlich hatten sie zu keinem Zeitpunkt vor, die Bereicherungsorgie der Spekulanten zu stoppen. Wie Linken-Chef Bernd Riexinger damals betonte, gehe es „nicht um entschädigungsloses Enteignen“. Die Partei wollte die Wohnungen, die sie zwischen 2001 und 2011 für einen Apfel und ein Ei an Spekulanten verscherbelt hatte, für rund 7 Milliarden Euro und damit fast das 17-Fache zurückkaufen.
Angesichts der massiven Proteste und desaströsen Wahlergebnissen für SPD und Linke soll der Mietendeckel als Feigenblatt für eine unsoziale Wohnungspolitik herhalten. Doch er wird weder die Bereicherung der Miethaie stoppen, noch für bezahlbaren Wohnraum für alle sorgen, noch über die rechte und unsoziale Politik der Berliner Senatsparteien hinwegtäuschen.