Perspektive

Eine sozialistische Antwort auf die Massenentlassungen in der Autoindustrie

Die Ankündigung der Volkswagentochter Audi, in den nächsten fünf Jahren 9500 Arbeitsplätze in Deutschland abzubauen, zeigt einmal mehr, dass Arbeiter eine internationale Strategie und ein sozialistisches Programm brauchen, um ihre Arbeitsplätze, Löhne und sozialen Rechte zu verteidigen.

Sie sind nicht nur mit den global operierenden Autokonzernen und ihren milliardenschweren Aktionären konfrontiert, sondern auch mit den Gewerkschaften und den Betriebsräten, die die Angriffe gemeinsam mit den Unternehmensvorständen ausarbeiten und durchsetzen. Ohne mit diesen gekauften Apparaten zu brechen, unabhängige Aktionskomitees aufzubauen und sich international zu vernetzen, lässt sich kein einziger Arbeitsplatz verteidigen.

Bei Audi zeigt sich das besonders deutlich. Der Abbau jedes sechsten Arbeitsplatzes wurde von der IG Metall und dem Betriebsrat in monatelangen geheimen Absprachen mit dem Vorstand vorbereitet und geplant.

„Es gibt keine verzweifelten Demonstrationen samt roter Fahnen vor den Werkstoren,“ stellte die Süddeutsche Zeitung etwas verwundert fest. „Im Gegenteil: Den Plan und die Zahl hat das Management um [Vorstandschef Bram] Schot gemeinsam mit dem Betriebsrat beschlossen – und beide Seiten klingen am Dienstag geradewegs euphorisch.“ Betriebsratschef Peter Mosch lobte das Jobmassaker sogar als „wichtigen Meilenstein“.

Audi ist nur einer von vielen Autokonzernen, die in großer Zahl Arbeitsplätze vernichten. In Indien wurden im laufenden Jahr bereits 350.000 und in China 220.000 Arbeitsplätze im Automobilsektor zerstört. Volkswagen hat in den vergangenen drei Jahren in Absprache mit dem Betriebsrat 30.000 Stellen abgebaut und gleichzeitig die Produktivität um 25 Prozent erhöht. Ford eliminiert derzeit 12.000 Arbeitsplätze in Europa und 7000 in Nordamerika. Nissan baut weltweit 12.500 Stellen ab. General Motors schließt vier Werke in den USA und vernichtet außerdem 8000 Arbeitsplätze in der Verwaltung. Ähnliche Pläne gibt es bei Daimler, BMW, PSA und anderen Autokonzernen.

Noch dramatischer ist die Lage in der Zulieferindustrie. Continental hat angekündigt, in den kommenden zehn Jahren 20.000 Stellen abzubauen. Bosch hat in diesem Jahr allein in Deutschland 2500 Arbeitsplätze gestrichen; bis 2022 sollen 3000 weitere folgen. Auch andere Autozulieferer wie ZF, Schaeffler und Mahle vernichten tausende Arbeitsplätze.

Konzerne und Gewerkschaften rechtfertigen den Angriff auf Arbeitsplätze und Löhne mit dem weltweiten Absatzrückgang, der Einführung von Künstlicher Intelligenz und der Umstellung auf E-Mobilität, die hohe Entwicklungskosten, aber weniger Produktionsschritte erfordert.

Tatsächlich zeigt die Entwicklung in der Autoindustrie den Irrsinn des kapitalistischen Systems, in dem jeder technische Fortschritt dazu dient, die Ausbeutung der Arbeiterklasse zu steigern, die Taschen einer kleinen Minderheit zu füllen und Hunderttausende ins Elend zu stürzen. Sie ist ein schlagendes Argument dafür, die Autoindustrie in gesellschaftliches Eigentum zu überführen, unter Arbeiterkontrolle zu stellen und rational zu planen.

Die global operierenden Autokonzerne nutzen die Umstellung auf umweltfreundlichere Autos für einen erneuten Angriff auf Rechte und Errungenschaften, die sich die Arbeiterklasse über Jahrzehnte erkämpft hat. Dieser Angriff hat bereits in den 1980er Jahren begonnen. Seither stagnieren und sinken die Einkommen der Autoarbeiter. Zeitarbeit, Werkverträge und andere Formen der prekären Beschäftigung sind mit dem Segen der Gewerkschaften längst auch in die Werkshallen der Autoindustrie eingezogen. In den USA hat die Obama-Administration die Großen Drei (Chrysler, General Motors und Ford) saniert, indem sie die Eingangslöhne halbierte. Hungerlöhne in Asien und Osteuropa werden genutzt, um das Lohnniveau weltweit zu senken.

Künstliche Intelligenz, Roboter und Computer dienen nicht dazu, die Arbeit zu erleichtern, sondern sie zu „amazonisieren“ – d.h. um jeden Handgriff und jede Arbeitssekunde zu überwachen und zu kontrollieren. Um Entwicklungs- und Produktionskosten zu sparen und Marktanteile zu erobern, schließen sich Autokonzerne zu immer größeren Einheiten zusammen. So haben PSA (Peugeot, Opel) und Fiat-Chrysler vor kurzem vereinbart, zum viertgrößten Autokonzern hinter Volkswagen, Renault-Nissan und Toyota zu fusionieren.

Während die Verteidiger des Kapitalismus das Loblied des „freien Marktes“ singen, beherrschen riesige Monopole die Weltwirtschaft, diktieren Löhne und Preise und liefern sich einen erbitterten Kampf um Markanteile, der immer mehr mit den Kriegsvorbereitungen der imperialistischen Mächte zusammenfällt.

Immer öfter leisten Arbeiter diesen Angriffen Widerstand. Im mexikanischen Matamoros verweigerten vor einem Jahr zehntausende Arbeiter der Zulieferindustrie wochenlang die Arbeit. In den USA führten im Herbst 48.000 Arbeiter bei General Motors einen der längsten Arbeitskämpfe seit einem halben Jahrhundert. Auch in Indien, China, Rumänien, Ungarn, Tschechien, Deutschland, Frankreich und Großbritannien gab es Streiks von Autoarbeitern.

Doch diese militanten Kämpfe treffen überall auf den Widerstand der Gewerkschaftsbürokratie, die sie sabotiert und ausverkauft. Die IG Metall, die amerikanische UAW und die anderen Gewerkschaften sind keine „Arbeiterorganisationen“ mehr, die für soziale Verbesserungen und Reformen kämpfen. Sie dienen als Co-Manager und Betriebspolizei, die die Kürzungspläne mit ausarbeiten, die Arbeiter einschüchtern und disziplinieren.

Diese Rolle ergibt sich sowohl aus der Stellung der Gewerkschaften in der Gesellschaft, wie aus ihrer politischen Perspektive. Beide sind untrennbar miteinander verbunden.

Die Gewerkschaftsfunktionäre und Betriebsratsfürsten beziehen Einkommen, von denen einfache Arbeiter nur träumen können. Die Form unterscheidet sich von Land zu Land, aber im Kern ist es immer dasselbe. In den USA mussten UAW-Präsident Gary Jones und mehrere weitere UAW-Funktionäre zurücktreten, weil sie Gewerkschaftgelder in Millionenhöhe gestohlen haben und deshalb bald vor Gericht stehen. In Deutschland ist die Käuflichkeit im Rahmen der Mitbestimmung gesetzlich geregelt. Betriebsratsvorsitzende wie Bernd Osterloh (VW) und Peter Mosch (Audi) verdienen Jahresgehälter im hohen sechsstelligen Bereich.

Die Gewerkschaftsfunktionäre hassen den Klassenkampf und sind nationalistisch bis aufs Mark. Ganz wie die Konzernvorstände sehen sie ihre Aufgabe darin, im globalen Konkurrenzkampf für die Wettbewerbsfähigkeit des „eigenen“ Unternehmens zu sorgen. Dazu sind sie zu allem bereit – zu Lohnsenkungen, Entlassungen und zur Schließung ganzer Werke, wie des Opel-Werks in Bochum. Rufen sie gelegentlich zu Streiks oder Protesten auf, dann um Dampf abzulassen und zu verhindern, dass der Widerstand ihrer Kontrolle entgleitet.

Um den Klassenkampf zu unterdrücken, streben sie die engste Zusammenarbeit mit Wirtschaft und Regierung an. So brüstete sich Roman Zitzelsberger, Chef der IG Metall in Baden-Württemberg, einem Zentrum der deutschen Auto- und Metallindustrie, kürzlich in einem Interview mit dem sogenannten Transfomationsrat. Darin sitzen Gewerkschafter, Betriebsräte, Unternehmer, Vertreter der Regierung und Wissenschaftler an einem Tisch, um wirtschaftliche Strategien zu diskutieren. Seine vollendeteste Form fand diese Art der Klassenzusammenarbeit im vergangenen Jahrhundert im Korporativstaat des italienischen Faschismus.

Um den Würgegriff der Gewerkschaften zu durchbrechen, rufen die World Socialist Web Site und die Sozialistische Gleichheitspartei zur Gründung unabhängiger Aktionskomitees auf, die von einfachen Arbeitern organisiert und geleitet werden, ohne hauptamtliche Funktionäre oder Bürokraten.

Im Gegensatz zu den pro-kapitalistischen Gewerkschaften gehen solche Aktionskomitees von den Rechten und Bedürfnissen der Arbeiterklasse aus, die nicht mit den Interessen der Kapitalisten vereinbar sind. Sie stützen sich auf den Grundsatz des Internationalismus und der Einheit der Arbeiterklasse, die auf der ganzen Welt denselben Konzernen und Finanzinteressen gegenübersteht. Sie haben die Aufgabe, den Widerstand gegen die Angriffe der Unternehmen zu organisieren und Kontakte zu anderen Aktionskomitees auf der ganzen Welt aufzubauen.

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