Perspektive

Stoppt den rechten Terror!

Ein rechtsextremer Terrorist hat am Mittwochabend in der hessischen Stadt Hanau neun Menschen erschossen und sechs weitere Personen verletzt, eine davon schwer. Das Massaker fand in zwei Shisha-Bars statt, in denen sich vorwiegend Migranten aufhalten. Später fand die Polizei den mutmaßlichen Täter und seine Mutter tot in ihrer Wohnung auf.

Bei dem Täter soll es sich um den 43-jährigen Bankkaufmann Tobias R. handeln, der in Hanau aufwuchs und in Bayreuth Betriebswirtschaft studierte. In einem 24-seitigen Bekennerschreiben, das er vor der Tat im Internet veröffentlichte, zeigt R. eine „zutiefst rassistische Gesinnung“, wie der ermittelnde Generalbundesanwalt Peter Frank vor der Presse erläuterte.

Der Attentäter offenbart sich in dem Text als Anhänger von US-Präsident Donald Trump. Er überlegt, ob die „Totalvernichtung“ ganzer Staaten in einem künftigen Krieg legitim sei. Er spekuliert darüber, wie viele Deutsche „reinrassig und wertvoll“ seien, und entwickelt Völkermordpläne, die selbst Adolf Hitler übertreffen. So zählt er mehr als zwei Dutzend Staaten auf, deren Bevölkerung komplett vernichtet werden müsste, darunter halb Asien sowie diverse Volksgruppen aus Nordafrika und Israel.

Kerzen und Blumen bei einer Mahnwache am Brandenburger Tor für die Opfer des Attentats von Hanau, 20. Februar 2020 (AP Photo/Markus Schreiber)

Das Massaker von Hanau ist, gemessen an der Zahl der Opfer, der größte Terroranschlag in Deutschland seit dem Oktoberfestattentat von 1980, das ebenfalls einen rechtsextremen Hintergrund hatte. Es ist der letzte einer Reihe rechtsextremistischer Mordanschläge, die in immer kürzeren Abständen erfolgt sind:

  • zwischen 2000 und 2006 ermordete der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) neun Menschen mit Migrationshintergrund und eine Polizistin;
  • am 22. Juli 2016 tötete der 18-jährige Rechtsextremist David Sonboly neun Menschen mit Migrationshintergrund in München;
  • am 2. Juni 2019 erschoss ein polizeibekannter Neonazi den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke;
  • am 9. Oktober 2019 entgingen in Halle über 70 Teilnehmer einer Jom-Kippur-Feier nur durch Glück einem Massenmord; der rechtsextremistische Attentäter Stephan Balliet erschoss zwei Passanten, nachdem es ihm nicht gelungen war, in die Synagoge einzudringen;
  • am vergangenen Wochenende verhaftete die Polizei zwölf Rechtsextremisten unter dem Verdacht, zeitgleiche Massaker in mehreren Moscheen vorzubereiten.

Vertreter der Regierung und sämtlicher Bundestagsparteien haben nach dem Massaker von Hanau ihr „Entsetzen“, ihre „Fassungslosigkeit“ und ihr Mitgefühl mit den Angehörigen der Opfer geäußert. Was für ein Hohn! Dieselben Politiker und Parteien, die jetzt pflichtschuldigst Krokodilstränen vergießen, haben das ideologische Klima und die politischen Voraussetzungen für den rechten Terror geschaffen. Wenn die AfD als politischer Arm des Rechtsterrorismus fungiert, dann sind der von rechten Netzwerken durchsetzte Sicherheitsapparat, insbesondere der Verfassungsschutz, sein staatlicher Arm und die Große Koalition sein Schutzschirm und Wegbereiter.

Der rechte Terror ist das Ergebnis der systematischen Förderung der AfD und anderer rechtsextremer Kräfte durch die herrschende Elite. Der Anschlag von Hanau erfolgte nur zwei Wochen, nachdem im benachbarten Thüringen erstmals seit dem Ende des Nazi-Regimes ein Regierungschef mit den Stimmen einer faschistischen Partei ins Amt gehievt wurde.

Wie selbst die New York Times bemerkte, war dies für die Rechtsextremen „ein Erfolg auf der ganzen Linie“. „Die Parteien der Mitte und die extreme Rechte haben gemeinsame Standpunkte zur Immigrationsfrage. Sie sehen einen gemeinsamen Feind auf der Linken. Und jetzt haben sie, zum ersten Mal seit Jahrzehnten, sogar einen gemeinsamen Ministerpräsidenten“, kommentierte die amerikanische Zeitung.

Anders als am Ende der Weimarer Republik gibt es heute in Deutschland keine Massenunterstützung für eine Nazi-Bewegung. Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung und vor allem der Jugend begegnet den rassistischen Hetzern und Nazi-Verharmlosern der AfD mit Abscheu und Empörung. Umso mehr Unterstützung hat die rechtsextreme Partei im Militär-, Justiz- und Polizeiapparat, aus dem viele ihre Wähler und Mitglieder stammen, und in den alten Parteien, aus denen ein Großteil ihres Führungspersonals kommt. Ihr Aufstieg zur tonangebenden Partei ist das Ergebnis einer Verschwörung der herrschenden Eliten.

So machte die SPD mit ihrer Entscheidung, die Große Koalition mit der CDU/CSU fortzusetzen, die AfD 2017 zur Oppositionsführerin, obwohl sie nur 12,6 Prozent der Wählerstimmen erhalten hatte. Seither wurde die rechtsextreme Partei im Bundestag hofiert und mit der Führung mehrerer Parlamentsausschüsse betraut. Die Große Koalition hat die reaktionäre Flüchtlingspolitik der AfD übernommen und verfolgt ein Programm des Militarismus und des Sozialabbaus, das sie nur mit faschistischen Methoden, d.h. mit Hilfe der AfD, gegen den Widerstand der Bevölkerung durchsetzen kann.

Gleichzeitig wird die AfD vom Verfassungsschutz unterstützt und beraten, dessen langjähriger Chef Hans-Georg Maaßen sich inzwischen als offener AfD-Sympathisant geoutet hat. Der Verfassungsschutz lenkt und finanziert über zahlreiche V-Leute selbst rechtsterroristische Netzwerke, die tief in die Bundeswehr und den Polizeiapparat hinein reichen. Allein im unmittelbaren Umfeld des NSU waren über zwei Dutzend solche V-Leute aktiv.

Während die Große Koalition und ihr Verfassungsschutz die rechten Terrornetzwerke aufbauen und gewähren lassen, führen sie einen aggressiven Kampf gegen Linke. Seit 2018 erwähnt der Verfassungsschutzbericht der Großen Koalition die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) als „Beobachtungsobjekt', weil sie der AfD und dem deutschen Imperialismus und seinen Parteien unversöhnlich entgegentritt und für ein antikapitalistisches, sozialistisches Programm kämpft.

Ideologisch hat das systematische Umschreiben der Geschichte und die Verharmlosung der Nazi-Verbrechen an den Universitäten den Boden für die AfD und die rechtsterroristischen Netzwerke bereitet. Eine zentrale Rolle spielt dabei der Humboldt-Professor Jörg Baberowski, der Hitler bescheinigt, er sei „nicht grausam“ gewesen und habe „nichts von Auschwitz wissen wollen“. Baberowski ist selbst Teil eines rechtsextremen Netzwerks, preist Diktaturen als „alternative Ordnungen“ und bezeichnet fremdenfeindliche Terroranschläge als „eher harmlos“.

Vor drei Wochen griff Baberowski einen Studenten seiner Fakultät tätlich an, weil er dokumentierte, wie der Professor eigenhändig Wahlplakate der International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) von den Wänden riss und zerstörte. Obwohl der Vorgang auf Video dokumentiert ist, stellte sich die Präsidentin der Humboldt-Universität Sabine Kunst (SPD) hinter den rechtsextremen Professor und äußerte ihr „Verständnis“ für sein Verhalten. Auch die Bundesregierung hat Baberowski unterstützt.

In diesem Klima sind rechtsterroristische Anschläge wie in Hanau nicht nur möglich, sondern unvermeidlich. Sie sind das Produkt der Hetze gegen Flüchtlinge und der Politik des aggressiven Antikommunismus und Militarismus, die von der Großen Koalition vorangetrieben und von allen etablierten Parteien unterstützt werden. Sie zielen darauf ab, den Faschismus erneut als politische Kraft in Deutschland zu etablieren, um den wachsenden sozialen und politischen Widerstand in der Bevölkerung zu unterdrücken.

Das offizielle Mantra, es handele sich beim Rechtsterroristen von Hanau um einen Einzeltäter ist absurd. Die rechtsradikalen Terrornetzwerke reichen tief in Armee, Polizei und die Geheimdienste hinein, führen Todeslisten mit mehreren tausend Zielpersonen und können nahezu unbehelligt operieren.

Auch nach dem Lübcke-Mord diente die These vom Einzeltäter lediglich dazu, das wirkliche Ausmaß des rechten Terrors zu verschleiern. Mittlerweile ist bekannt, dass der mutmaßliche Mörder Stephan Ernst, ein mehrmals vorbestrafter Neonazi, und sein Komplize Markus H., über viele Jahre in der rechtsextremen Szene aktiv waren und dabei in enger Verbindung zum Verfassungsschutz standen. Die Akten, die Aufklärung bringen könnten, wurden für vierzig Jahre weggesperrt.

Die WSWS hat nach der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen in der Perspektive „Alarmstufe Rot: Politische Verschwörung ebnet Weg für Wiederkehr des Faschismus“ gewarnt: „Die politische Lage in Deutschland ist für die europäische, amerikanische und internationale Arbeiterklasse Anlass zu verstärkter Wachsamkeit. Im Lichte der Geschichte verbietet sich eine nachlässige Haltung gegenüber dem Wiederaufstieg des Neonazismus in Deutschland.“

Diese Warnung hat sich innerhalb weniger Tage bestätigt. Und der Anschlag von Hanau hat auch die Schlussfolgerung bestätigt, die wir damals zogen: „Wie überall auf der Welt ist auch in Deutschland ein Prozess der politischen Radikalisierung im Gange. Die Ereignisse in Thüringen, die die Öffentlichkeit schockiert haben, werden diesen Prozess beschleunigen.“

Die Sozialistische Gleichheitspartei ruft dazu auf, die Proteste gegen den rechten Terror auszuweiten und mit einem klaren politischen Programm zu bewaffnen. Es ist höchste Zeit die Verschwörung von Großer Koalition, Staatsapparat und Rechtsextremen zu stoppen. Der Verfassungsschutz muss aufgelöst und die Beobachtung und Verfolgung linker Organisationen umgehend eingestellt werden. Keine Rückkehr Deutschlands zu einer aggressiven Großmachtpolitik. Für ein sozialistisches Programm gegen Faschismus und Krieg!

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