Das Internationale Komitee der Vierten Internationale fordert weltweit koordinierte Notfallmaßnahmen gegen die Coronavirus-Pandemie. Die Arbeiterklasse muss verlangen, dass die Regierungen die erforderlichen Mittel zur Verfügung stellen, um die Ausbreitung der Krankheit einzudämmen, die Infizierten zu behandeln und die Existenz der Millionen Menschen zu sichern, die von den wirtschaftlichen Folgen betroffen sein werden.
Die Bedrohung ist extrem. Die Zahl der weltweit gemeldeten Fälle geht auf 100.000 zu, die der Todesfälle auf 3.000. Die meisten Infizierten entfallen auf China, aber das Virus verbreitet sich weltweit. In 47 Ländern wurden Infektionen registriert. Es gibt Hunderte von Fällen in Italien (14 gemeldete Todesfälle), Iran (26 Todesfälle) und Südkorea (13 Todesfälle).
Am Donnerstag meldeten sowohl Deutschland als auch die Vereinigten Staaten die ersten Fälle. Dabei war die Ansteckungsquelle nicht nachvollziehbar. Das Virus befällt mittlerweile offenbar auch Menschen, die sich nicht in den Zentren der Pandemie aufgehalten haben. Die Zahl der Infizierten im Iran ist unterdessen weitaus höher als gemeldet. Selbst der stellvertretende Gesundheitsminister des Landes wurde positiv getestet und befindet sich in Quarantäne.
Der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, sagte am Donnerstag, wenn ein Land davon ausgehe, dass es verschont bleibe, begehe es einen „tödlichen Fehler“. Nach Einschätzung des WHO-Beraters Ira Longini könnten zwei Drittel der Welt infiziert werden, wenn das Virus nicht mit durchgreifenden Maßnahmen bekämpft wird. Die Zahl der Todesfälle würde sich in diesem Fall auf Hunderte Millionen belaufen.
Der wirtschaftliche Schaden durch das Virus könnte das Ausmaß der Finanzkrise von 2008 übersteigen. Die Rezession, die durch die damalige Krise ausgelöst wurde, führte zu einem Rückgang des globalen BIP um 0,5 Prozent und vernichtete die Arbeitsplätze von zig Millionen Menschen.
Die Reaktion der herrschenden Eliten und der von ihnen kontrollierten Regierungen besteht aus einer Mischung aus Inkompetenz und Gleichgültigkeit von kriminellen Ausmaßen. Nirgendwo wird dies deutlicher als in den Vereinigten Staaten.
Präsident Trump, dem es vor allem um die Auswirkungen des Coronavirus auf die Geschäfte der Unternehmens- und Finanzelite geht, spielt die Gefahr herunter und übertreibt den Stand der Vorbereitungen maßlos. „Was auch immer passiert“, erklärte er am Mittwoch, „wir sind vollkommen vorbereitet.“
In Wirklichkeit ist die US-Regierung auf eine weitere Verbreitung des Virus völlig unvorbereitet. Es gibt noch nicht einmal ein System, um potenziell Infizierte systematisch zu testen. Die Person in Kalifornien, die als erster gemeldeter Fall unbekannter Herkunft in den USA identifiziert wurde, wurde erst Tage nach dem Auftreten der ersten Symptome auf das Virus getestet.
Der Mangel an medizinischer Grundausstattung ist gravierend, es gibt in den USA nicht einmal genügend Atemschutzmasken für die Beschäftigten des Gesundheitswesens. Der Staat hält nur etwa 30 Millionen bereit, obwohl der potenzielle Bedarf auf 300 Millionen geschätzt wird.
Die Trump-Regierung hat Vizepräsident Mike Pence zum Beauftragten für die Bekämpfung des Coronavirus ernannt. Pence hat vor einigen Jahren als Gouverneur von Indiana durch seine Untätigkeit und reaktionäre religiöse Ideologie zu einem HIV-Ausbruch in diesem Bundesstaat beigetragen, Der Hauptzweck seiner Ernennung besteht darin, allen Staatsangestellten, deren Warnungen den Verlautbarungen der Regierung widersprechen, einen Maulkorb zu verpassen.
Die Arbeiterklasse muss umfassende und dringende Sofortmaßnahmen fordern und dafür kämpfen. Die Krise erfordert:
1.Globale Mobilisierung
Die Reaktion auf das Coronavirus kann nicht auf nationaler Ebene koordiniert werden. Das Virus kümmert sich weder um Grenzen noch um Visa oder Einwanderungsbeschränkungen. Die globalen Verkehrsnetze und die wirtschaftliche Integration machen es zu einem globalen Problem.
Deshalb muss auch die Lösung global sein. Wissenschaftler auf der ganzen Welt müssen ihre Forschung und Technologie ungehindert austauschen können. Sie dürfen dabei nicht von „nationalen Interessen“ und geopolitischen Konflikten belastet werden, die nur dazu führen, die Entwicklung wirksamer Gegenmaßnahmen zur Eindämmung, Heilung und Ausrottung des Coronavirus zu verzögern. Alle Handelskriegsmaßnahmen und Wirtschaftssanktionen, z. B. gegen den Iran, müssen unverzüglich aufgehoben werden. Keinem Menschen darf aufgrund seiner nationalen oder ethnischen Herkunft die dringend benötigte medizinische Behandlung verweigert werden.
Es ist unbedingt nötig, sich um die Millionen Menschen in den Einwanderer- und Flüchtlingslagern zu kümmern, die von den kapitalistischen Großmächten in Europa und den USA errichtet worden sind. Von diesen Lagern geht im Hinblick auf die Verbreitung des Virus eine große Gefahr aus. Alle, die sich derzeit in solchen Lagern befinden, müssen eine sichere Unterkunft und Zugang zu medizinischer Versorgung erhalten.
Wo Quarantänen für Reisende oder Infizierte unumgänglich sind, müssen sie in einer Weise umgesetzt werden, bei der die demokratischen Rechte und die persönliche Würde gewahrt bleiben.
2.Zuweisung massiver Ressourcen für Gesundheitsversorgung und Behandlung
Um den universellen Zugang zu einer hochwertigen medizinischen Versorgung für alle mit dem Virus Infizierten zu gewährleisten, sind sofort Hunderte von Milliarden Dollar bereitzustellen. Es muss ein internationales Team von Gesundheitsexperten und Wissenschaftlern gebildet werden, um die Versorgung überall dort, wo sich das Virus ausbreitet, zu koordinieren.
Das politische Establishment in den Vereinigten Staaten führt eine „Debatte“ darüber, ob man 2 Milliarden Dollar (die Position des Weißen Hauses) oder 8 Milliarden Dollar (die Position der Demokraten) bereitstellen sollte. Im Verhältnis zum Ausmaß der globalen Krise sind beide Summen ein Tropfen auf den heißen Stein.
Für ihre reaktionäre Mauer an der Grenze zwischen den USA und Mexiko hat die Trump-Regierung fünfmal so viel ausgegeben (11 Milliarden Dollar), wie sie jetzt für das Coronavirus bereitstellen will. In die Finanzierung der US-Kriegsmaschinerie fließen täglich etwa 3 Milliarden Dollar.
Die medizinische Versorgung und Behandlung kann nicht den Versicherungs- und Pharmaunternehmen oder den Konzernen in der Gesundheitsbranche überlassen werden. Die Behandlung, einschließlich eines zukünftigen Impfstoffs, muss ohne Unterschied allen Menschen kostenlos zur Verfügung stehen.
Die großen Gesundheitskonzerne müssen in öffentliche Versorgungsbetriebe umgewandelt werden, die demokratisch kontrolliert werden. Nur so kann der dringende gesellschaftliche Bedarf gedeckt werden, der durch das Coronavirus und andere gesundheitliche Notfälle entsteht.
3.Direkte finanzielle Unterstützung und Einkommensausgleichfüralle, die von den wirtschaftlichen Folgen betroffen sind
Aufgrund der direkten und indirekten Auswirkungen des Coronavirus drohen Millionen Arbeitern verkürzte Arbeitszeiten oder sogar der Verlust des Arbeitsplatzes. Für diese Einbußen müssen sie in vollem Umfang entschädigt werden.
Die Regierungen und die kapitalistischen Eliten werden einwenden, dass für eine solche Nothilfe kein Geld da sei. Das ist eine Lüge! Die kapitalistischen Regierungen geben Billionenbeträge für das Militär aus. Allein der jährliche Militärhaushalt der Vereinigten Staaten beträgt mehr als eine Billion Dollar. Darüber hinaus stellen die Behörden der großen kapitalistischen Länder, angeführt von der US-Notenbank, praktisch unbegrenzte Beträge bereit, um die Wertpapierkurse nach oben zu treiben. Nach dem Crash von 2008 verdoppelte die US-Regierung über Nacht die Staatsverschuldung, um Liquidität für den Aktienmarkt bereitzustellen und korrupte Investoren vor der Pleite zu retten.
Außerdem verfügt ein winziger Prozentsatz der Weltbevölkerung über schwindelerregende Geldsummen. Das Vermögen der 500 reichsten Menschen der Welt beläuft sich auf fast 6 Billionen Dollar und ist allein im letzten Jahr um 1,2 Billionen gestiegen. Die Arbeiterklasse muss verlangen, dass die Regierungen Notfallsteuern auf das Vermögen der Oligarchen erheben, und zwar in dem Umfang, wie es die Notlage erfordert.
Mit der Forderung, dass kapitalistische Regierungen diese Notmaßnahmen ergreifen, gibt die internationale Arbeiterklasse ihr grundlegendes Ziel nicht auf: die Abschaffung des kapitalistischen Systems. Vielmehr wird der Kampf dafür das Bewusstsein der Arbeiterklasse schärfen, ihr die Notwendigkeit internationaler Klassensolidarität deutlicher vor Augen führen und ihr politisches Selbstvertrauen stärken.
Die gegenwärtige Krise zeigt erneut, dass der Kapitalismus ein veraltetes Wirtschaftssystem ist, das dem Fortschritt der Menschheit im Wege steht. Die Gefahr, die von dieser Pandemie ausgeht, beweist ebenso wie die katastrophalen Auswirkungen der globalen Erwärmung, dass das kapitalistische System dem internationalen Sozialismus weichen muss.
Weiterführende Lektüre:
SARS - Wissenschaft und Soziologie
Teil 1: Viren und der Ursprung des gegenwärtigen Ausbruchs
Von Joseph Kay
22. Mai 2003
SARS – Wissenschaft und Soziologie
Teil 2: Wissenschaft, Internationalismus und Profitstreben
Von Joseph Kay
23. Mai 2003