Perspektive

Was im Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie getan werden muss

Die Coronavirus-Pandemie breitet sich weiter aus. Dutzende Länder sind mittlerweile betroffen. Es ist einer schlimmsten Infektionsausbrüche in den letzten hundert Jahren, und er bedroht das Leben von Millionen.

Den verlogenen Beschwichtigungen der Bundesregierung, der Europäischen Union und des Weißen Hauses zum Trotz nimmt die Anzahl der Erkrankungen weltweit rapide zu. Die Reaktion auf allen staatlichen Ebenen war fahrlässig und inkompetent. In den reichsten kapitalistischen Ländern der Welt zeigt sich ein völliger Mangel an Planung.

Noch während die Regierungen die Letalität des Coronavirus herunterspielten und es, wie der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Mittwoch im Bundestag, mit der gewöhnlichen Grippe verglichen, meldete die Weltgesundheitsorganisation der Vereinten Nationen (WHO) am gleichen Tag, dass 3,4 Prozent der Infizierten verstorben sind.

Die Verbreitung in Europa und den Vereinigten Staaten lässt sich nicht genau bestimmen, da es entweder an Testkits fehlt oder Tests nicht in ausreichendem Maße durchgeführt werden. In den letzten Tagen stiegen die offiziellen Zahlen jedoch massiv an. In Deutschland gab es am Freitagabend 639 bestätigte Fälle. In Frankreich stieg die Zahl der Infizierten binnen eines Tages um 154 auf 577. Wie in Italien – wo bereits fast 200 Menschen dem Virus erlagen – gibt es in beiden Ländern mittlerweile mehr Ansteckungen im Inland als durch Auslandskontakte.

Die Gleichgültigkeit der herrschenden Klasse gegenüber der Gesundheit der Bevölkerung ist nicht besser oder geradezu schlimmer als das Verhalten der Pharaonen gegenüber den Sklaven im alten Ägypten. Die Medien klagen mehr über das Sinken der Aktienkurse oder die Einbußen für die Wirtschaft, als über den Verlust an Menschenleben.

In den USA hat der Kongress hat lumpige 8,3 Milliarden Dollar für die Bekämpfung des Virus bewilligt. Das ist weniger als ein Zehntel der jährlichen Kosten des Kriegs in Afghanistan und ein Fünfzehntel des Vermögens von Jeff Bezos, dem Chef von Amazon.

Auch in Europa sind die Regierungen unfähig zu einer gemeinsamen und adäquaten Reaktion. So hat der Krisenstab der Bundesregierung Mitte der Woche ein Exportverbot für Atemschutzmasken, Schutzkleidung, Handschuhe und weitere medizinische Schutzausrüstung verhängt. Zuvor hatte bereits die französische Macron-Regierung angeordnet, alle Schutzmasken und die zu ihrer Herstellung notwendigen Maschinen zu beschlagnahmen. Auf dem gestrigen Treffen der EU-Gesundheitsminister in Brüssel protestierten mehrere Staaten gegen das Vorgehen. Diese Art einseitiger Maßnahmen berge das Risiko, einen „kollektiven Ansatz“ zu untergraben, warnte EU-Katastrophenschutzkommissar Janez Lenarcic.

Ohne Notfallmaßnahmen besteht die Gefahr, dass sich die Pandemie unkontrolliert ausbreitet und Millionen Menschenleben fordert. Im schlimmsten Fall, den Dr. Marc Lipsitch von der Harvard-Universität diese Woche skizzierte, könnten bis zu 60 Prozent der Weltbevölkerung infiziert werden. Bei den gegenwärtigen Sterblichkeitsraten würde dies den Tod von über hundert Millionen Männern, Frauen und Kindern bedeuten.

Wie die Weltgesundheitsorganisation in ihrem Bericht vom 28. Februar feststellt, ist „das COVID-19-Virus ein neuer Erreger, der hochgradig ansteckend ist, sich schnell ausbreiten kann und das Potenzial hat, in jedem Umfeld enorme gesundheitliche, wirtschaftliche und gesellschaftliche Schäden hervorzurufen“.

In dem Bericht wird erklärt, dass das Virus „bei engem ungeschütztem Kontakt zwischen einer infizierten und einer nicht infizierten Person über Tröpfcheninfektion und Ansteckungsträger [Gegenstände] übertragen wird“. Ergänzend heißt es, dass „die Übertragung des COVID-19-Virus von Mensch zu Mensch weitgehend in Familien stattfindet“.

Es ist durchaus möglich, Maßnahmen zu ergreifen, um die Zahl der Infektionen deutlich zu reduzieren und Menschenleben zu retten. Die katastrophal unzulängliche Reaktion der Regierungen auf der ganzen Welt dagegen wird unzählige Menschen das Leben kosten. Am schlimmsten wird es die Arbeiterklasse, die Armen und andere gefährdete Gruppen treffen.

Eine solche soziale Katastrophe muss verhindert werden. Die gesamte Arbeiterklasse, die Jugend und die Studierenden müssen von den Regierungen Sofortmaßnahmen verlangen. Die Ausbreitung des Virus muss gestoppt werden. Alle Menschen, die sich infiziert haben, müssen die notwendige Behandlung erhalten. Dazu müssen die Ressourcen der Gesellschaft in großem Maßstab umgeschichtet werden.

Grundsätzlich muss gelten, dass die Bedürfnisse der Gesellschaft Vorrang haben vor Profitinteressen. Es darf nicht zugelassen werden, dass die Bekämpfung der Krankheit untergraben oder verhindert wird, weil im Kapitalismus nur Aktienkurse und Gewinne zählen.

Es dürfen keine Kosten gescheut werden, um in jedem Land sofort Tests für das Coronavirus bereitzustellen. Weltweit müssen Billionenbeträge in systematische Tests, die Herstellung von Schutzkleidung, den Kauf von Sauerstoff- und anderen Geräten und den Bau oder Ausbau von Krankenhäusern investiert werden.

Ausgehend davon stellen wir folgende Forderungen:

Zugängliche und universelle Tests: Die Ausbreitung des Coronavirus kann nur bekämpft werden, wenn alle Menschen mit Symptomen getestet werden. Die Tests müssen umgehend in Deutschland und Europa, den USA und weltweit zur Verfügung gestellt werden.

Kostenlose hochwertige Behandlung: In einer Gesellschaft, in der zunehmend nur Menschen mit Geld eine hochwertige Behandlung erhalten oder sich überhaupt einen Arztbesuch leisten können, lässt sich die Ausbreitung des Coronavirus nicht stoppen. In einem Land wie den Vereinigten Staaten, in dem ein Durchschnittsverdiener es sich nicht leisten kann, 400 Dollar hinzublättern, ist die kostenlose Behandlung eine Voraussetzung für die Eindämmung der Krankheit.

Jedes Land muss unverzüglich kostenlose Tests und Behandlungen einführen, und der Staat muss alle mit dem Coronavirus verbundenen medizinischen Kosten übernehmen. Medizinische Versorgung ist ein Recht, kein Privileg!

Recht auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall für alle: Es muss sichergestellt werden, dass sich Arbeiter nicht unter Druck fühlen, trotz Krankheit zur Arbeit zu gehen. Alle Unternehmen und Staaten müssen allen Arbeitnehmern sofort das Recht auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gewähren.

Gleichberechtigte Versorgung: In allen kapitalistischen Staaten beansprucht die Finanzoligarchie einen unverhältnismäßig großen Teil der medizinischen Ressourcen nur für sich. So berichten US-Medien etwa über V.I.P.-Notaufnahmen in Manhattan und anderen Mekkas der Superreichen. Die Oligarchen lassen sich in ihren Villen riesige Notfallbunker und private medizinische Behandlungszentren einrichten. Auch in Deutschland existiert seit langem eine Zwei-Klassen-Medizin.

Es darf bei der Bekämpfung der Pandemie keine Vorzugsbehandlung geben! Eine gleichberechtigte Versorgung ist nicht nur moralisch, sondern auch gesellschaftlich dringend geboten. Die Privatärzte der Reichen, die sich oft genug mit deren Eitelkeiten beschäftigen, müssen sofort zur Behandlung der allgemeinen Bevölkerung verpflichtet werden. Die medizinische Versorgung muss sich nach dem Bedarf und nicht nach dem Geldbeutel richten. Die Reichen haben das Recht auf die gleiche Behandlung wie alle anderen – nicht mehr und nicht weniger.

Schutz von Flüchtlingen, Häftlingen und Obdachlosen: Weltweit sind Millionen Menschen obdachlos, weitere Millionen sind auf der Flucht vor Krieg und Armut. Unzählige sind unter Bedingungen inhaftiert, die sie der Gefahr von Infektionskrankheiten aussetzen. Es muss alles getan werden, um die Lage von Gefangenen, Flüchtlingen und Obdachlosen zu verbessern und diesen gefährdeten Bevölkerungsgruppen Zugang zu Hygiene und hochwertiger medizinischer Versorgung zu verschaffen.

Schluss mit der Preistreiberei: Medizinisches Material und Sanitärprodukte müssen privaten Haushalten und medizinischen Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden. Alle, die aus der Krise Profit schlagen, sollten strafrechtlich verfolgt werden.

Sichere Arbeitsbedingungen: Arbeitgeber und Behörden müssen die Verantwortung dafür übernehmen, für alle Beschäftigten – von medizinischem Personal bis hin zu den Arbeitern in Fabriken und Lagern, im Einzelhandel und im Dienstleistungssektor – eine sichere Arbeitsumgebung zu schaffen.

Die Überwachung der Sicherheit darf nicht den Arbeitgebern überlassen werden. Die Arbeiter sollten Aktionskomitees bilden, um dafür zu sorgen, dass die Sicherheitsvorschriften im Betrieb eingehalten werden und der Ausbreitung der Krankheit vorgebeugt wird. Solche Komitees würden darauf achten, dass Arbeiter nicht gezwungen werden, in einer unsicheren Umgebung zu arbeiten, und dass erkrankte Kollegen die notwendige Behandlung und Unterstützung erhalten.

Hilfe für Kranke und Quarantänepatienten: Niemand sollte Angst haben müssen, dass der Nachweis einer Infektion und eine Quarantäne zu Vernachlässigung und Ausgrenzung führen. Arbeiter sollten Nachbarschaftskomitees bilden, um sicherzustellen, dass diejenigen, die krank sind und unter Quarantäne stehen, sich sicher und geborgen fühlen. Sie müssen soziale Unterstützung erhalten und gut mit Nahrungsmitteln und allem Nötigen versorgt werden.

Für internationale Zusammenarbeit: Die von den europäischen Mächten unterstützen Wirtschaftssanktionen der USA verursachen gravierende Mängel im Gesundheitswesen des Iran, wo bereits mehr als 3.000 Coronavirus-Fälle festgestellt wurden. Das deutsche Exportverbot für wichtige medizinische Ausrüstung verschärft die Versorgungssituation in anderen Ländern. Zudem führt das politische Establishment der USA eine Kampagne zur Verteufelung chinesischer Wissenschaftler und Ärzte. Alle Sanktionen müssen sofort aufgehoben und alle Einschränkungen der internationalen medizinischen Zusammenarbeit beendet werden!

Bei unserer Reaktion auf diese gefährliche Krankheit müssen wir uns von einem Grundsatz leiten lassen: Die Bedürfnisse der Menschen stehen an erster Stelle. Die Bekämpfung einer Epidemie, die Millionen Menschenleben bedroht, darf nicht dem privaten Profitstreben untergeordnet werden.

Wer behauptet, es gäbe kein Geld, um das Leben von Millionen zu retten, ist ein erbärmlicher Lügner. Allein in den Vereinigten Staaten verfügen mehr als 13.000 Personen jeweils über ein Privatvermögen von mehr als 30 Millionen Dollar. Nur drei Personen – Bill Gates, Jeff Bezos und Warren Buffet – besitzen mehr als die ärmere Hälfte der amerikanischen Gesellschaft. In Deutschland beläuft sich die Vermögen der 1000 reichsten Einzelpersonen und 16 wohlhabendsten Großfamilien auf fast 1,2 Billionen Euro, was etwa dem 78-fachen des gesamten Gesundheitshaushalts in diesem Jahr entspricht.

Wenn Finanzierungsengpässe auftreten, muss ein solcher Notfall durch Beschlagnahmen aus dem Vermögen der Superreichen überwunden werden.

Wir müssen eine Massenbewegung der Arbeiterklasse aufbauen und sofortige Notfallmaßnahmen gegen die Krise fordern, die von den Unternehmen, der Regierung und der Finanzoligarchie bezahlt werden.

Dazu schrieb das IKVI in seiner Erklärung vom 28. Februar 2020:

Mit der Forderung, dass kapitalistische Regierungen diese Notmaßnahmen ergreifen, gibt die internationale Arbeiterklasse ihr grundlegendes Ziel nicht auf: die Abschaffung des kapitalistischen Systems. Vielmehr wird der Kampf dafür das Bewusstsein der Arbeiterklasse schärfen, ihr die Notwendigkeit internationaler Klassensolidarität deutlicher vor Augen führen und ihr politisches Selbstvertrauen stärken.

Die moderne medizinische Technik bietet hervorragende Möglichkeiten, eine solche Pandemie aufzuhalten. Noch nie zuvor war so schnell so viel über einen Erreger bekannt: Sein Genom wurde sequenziert, und innerhalb weniger Wochen wurden wirksame Tests entwickelt.

Doch die Verbreitung der Krankheit wirft auch ein grelles Licht auf die Kluft zwischen der Leistungsfähigkeit der modernen Medizin und der Irrationalität einer Gesellschaft, die auf der Anhäufung von privatem Reichtum basiert.

Wie auch immer diese Pandemie ausgeht, die Krise ist ein unwiderlegbarer Beweis dafür, dass der Kapitalismus den existenziellen Bedrohungen, denen die Menschheit ausgesetzt ist – vom Klimawandel bis hin zu Naturkatastrophen und Infektionskrankheiten – nicht gewachsen ist. Die Coronavirus-Krise zeigt die dringende Notwendigkeit einer sozialistischen Umgestaltung der Gesellschaft.

Loading