Volkswagen: IG Metall und Betriebsrat zwingen Arbeiter trotz Corona-Gefahr zurück an die Arbeit

Dass die IG Metall und ihre Betriebsräte mit den Konzernvorständen unter einer Decke stecken und die Aufgabe von Co-Managern und Einpeitschern übernommen haben, ist den meisten Arbeitern bekannt. Doch das Schauspiel, das sie jetzt in Wolfsburg liefern, stellt alles Bisherige in den Schatten.

Am heutigen Montag läuft die Produktion im Volkswagen-Stammwerk, der größten Autofabrik Europas mit 63.000 Beschäftigten, nach fünfwöchiger Pause wieder an. Der Konzern spielt damit Roulette mit der Gesundheit und dem Leben der Belegschaft. Die Covid-19-Gefahr ist weder in Deutschland noch weltweit gebannt. Alle ernstzunehmenden Wissenschaftler betonen, dass eine ähnliche Eskalation wie in Italien oder den USA nur verhindert werden kann, wenn die Maßnahmen zur sozialen Distanzierung aufrechterhalten, verschärft und durch umfassende Tests und Kontaktverfolgungsmaßnahmen ergänzt werden.

Genau das wird nun in Wolfsburg durchbrochen. Damit Umsätze, Gewinne und Dividende wieder sprudeln und VW einen strategischen Vorteil gegenüber seinen Konkurrenten gewinnt, werden Zehntausende Arbeiter und ihre Familien gefährdet.

IG Metall und Betriebsrat haben die Aufgabe übernommen, die Arbeiter ins Werk zurückzutreiben, und begleiten das mit einer Propagandaoffensive, mit der sie sich auch noch öffentlich brüsten.

Vom Freitag bis Montag strahlte ein Hochleistungsprojektor drei Nächte lang in Endlosschleifen Lügen, Fake News und sonstige Propaganda auf die Fassade des konzerneigenen Kraftwerks, um den Arbeiten und der Wolfsburger Bevölkerung die Wiederaufnahme der Arbeit als Triumph zu verkaufen. Organisiert und finanziert haben die Aktion der Betriebsrat und die IG Metall. In einer offiziellen Mitteilung der Gewerkschaft heißt es dazu:

„Für die Botschaften am Kraftwerk sorgt ein Hochleistungsprojektor, der eine Fassadenfläche von 160 Quadratmetern erstrahlen lässt. Zu sehen sind in einer etwa fünf Minuten langen Schleife rund 30 Motive. Sie reichen von Sätzen wie ‚Werk anfahren, Corona ausbremsen‘ über mehrsprachige Corona-Hashtags bis hin zum VW-Logo, das Mund-Nasen-Schutz trägt.

Am Kraftwerk erscheinen auch vier Kolleginnen und Kollegen aus chinesischen Standorten. Sie arbeiten in Peking, Changchun, Shanghai und Tianjin. Ihre motivierenden Botschaften sind auf Chinesisch und in Übersetzung zu sehen. Auf dem weltgrößten Automarkt China sind die Volkswagen-Werke schon wieder am Netz. …

Teil der Projektion ist auch eine Sequenz, die wie ein Daumenkino abläuft. Darin taucht zunächst ein Corona-Virus auf, gefolgt vom Volkswagen-Logo, das das Virus nach und nach zerdrückt. Am Ende der Sequenz signalisiert das siegreiche VW-Logo schließlich ‚Alles super, Daumen hoch‘.“

Dass die Wiederaufnahme der Arbeit den Virus nicht besiegt, sondern die besten Bedingungen für seine Ausbreitung schafft, wissen natürlich auch die IG Metall und der Betriebsrat. Daran ändert auch ihre Propaganda nichts, die Kolleginnen und Kollegen würden „mit rund 100 Maßnahmen bestmöglich beim Arbeiten in Corona-Zeiten“ geschützt.

Betriebsratschef Bernd Osterloh (Jahreseinkommen bis zu 800.000 Euro) gab unumwunden zu, dass es darum gehe einen „Industriestandard“ zu setzen, um die Produktion in ganz Deutschland wieder hochzufahren. Die Wiederaufnahme der Produktion bei VW in Wolfsburg sei „in der Corona-Krise ein vielbeachteter Startschuss für die gesamte Branche“, sagte er. Das Interesse an der Regelung reiche bis nach Japan.

Auch Ricarda Bier, die Bevollmächtige der IG Metall in Wolfsburg, prahlte: „Uns ist es besonders wichtig, dass diese Aktion einmal mehr beweist: Volkswagen endet nicht am Werkszaun. Die Corona-Pandemie zeigt uns ganz klar auf, dass unsere Gesellschaft genau dann am leistungsfähigsten ist, wenn sich alle solidarisch zeigen und Egoismus keinen Platz mehr hat.“ Unter „Egoismus“ versteht die Gewerkschaftsfunktionärin offenbar die Sorge der Arbeiterinnen und Arbeiter um ihre Gesundheit.

Zu den Motiven der Projektion bemerkte Bier, sie zeigten „das Zusammengehörigkeitsgefühl von Belegschaft, Stadt und Region. Denn wir alle stehen gerade in der Krise fest zusammen.“

Tatsächlich besteht eine tiefe Kluft zwischen den Arbeitern und kleinen Gewerbetreibenden auf der einen Seite, deren Existenz durch die Pandemie bedroht ist, und den Konzernbossen und Eigentümern auf der anderen Seite, die von der Bundesregierung mit Geld überhäuft werden und sich bereits weder über steigende Aktienkurse freuen.

Die gewerkschaftliche Politik der Sozialpartnerschaft erinnert immer mehr an die korporatistische Politik des Nazi-Regimes, das die „Volksgemeinschaft“ proklamierte und schließlich Millionen Arbeiter unter der Parole „Für Führer, Volk und Vaterland“ in den Tod an der Front schickte. Angesichts der Tatsache, dass das VW-Stammwerk und die Stadt Wolfsburg 1938 von den Nazis für die Produktion des „Kraft-durch-Freude-Wagens“ aufgebaut wurden, ist die Propagandakation der IGM geschichtsvergessen und geschmacklos. Sie schickt die Arbeiter wieder an die Produktionsbänder und projiziert: „Für Werk, Stadt und Region“.

Die VW-Arbeiter können ihre Gesundheit, ihre Einkommen und ihre Rechte nur verteidigen, wenn sie mit den Gewerkschaften brechen, sich international zusammenschließen und für ein sozialistisches Programm kämpfen. Die Unterordnung der Gesellschaft unter die Profitinteressen einer kleinen steinreichen Minderheit muss beendet werden. Die großen Vermögen und Schlüsselindustrien müssen enteignet und die Milliarden- und Billionensummen, die jetzt auf die Konten der Banken und großen Konzerne und ins Militär fließen, zum Ausbau von Krankenhäusern, zum Schutz der Bevölkerung vor dem Virus und zum Ausgleich der sozialen Folgen der Krise eingesetzt werden.

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