IG Metall gründet Fonds, um „Überkapazitäten“ in der Autozulieferindustrie abzubauen

Die Gewerkschaft IG Metall hat im Sommer einen eigenen Private-Equity-Fonds gegründet, um die Umstrukturierung der deutschen Autoindustrie zu finanzieren. Die Fondsgesellschaft mit dem Namen „Best Owner Group“ (BOG) wird vom ehemaligen Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, und von Bernd Bohr geleitet, der früher die Kraftfahrzeugsparte von Bosch führte.

Als Startkapital hat die IG Metall gemeinsam mit der IG Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE) „ein paar Hunderttausend Euro“ Gewerkschaftsgelder investiert. Nun werben Weise und Bohr bei Vermögensverwaltern, Privatinvestoren und Hedgefonds, aber auch bei „Stiftungen, Endherstellern, Unternehmerfamilien und der Regierung“ um weitere Gelder, wie die IG Metall berichtet.

Als erstes Ziel hat sich die Gewerkschaft die Akquise von mindestens 500 Millionen Euro gesetzt. Zusätzlich soll Fremdkapital aufgenommen und damit „ein Portfolio von fünf bis sieben Milliarden Euro Umsatz“ zusammengekauft werden, berichtete das Manager Magazin letzte Woche.

Die BOG soll Zulieferfirmen, denen die Insolvenz droht, ganz oder teilweise aufkaufen. Auf diese Weise sollen einerseits die Lieferketten der Autokonzerne gesichert, andererseits „Überkapazitäten“ abgebaut oder Betriebe ganz stillgelegt werden.

So „strebt“ die BOG-Fondsgesellschaft nach eigenen Angaben einen „geregelten Downsizing-Prozess der Portfoliounternehmen an“. Laut IG Metall kann ein Zulieferunternehmen, „das sich aufgrund seines Portfolios zwangsläufig perspektivisch verkleinern wird und bei dem Alternativen wie Weiterentwicklung im Konzern etc. nicht realisiert werden können, mehrheitlich übernommen und bis zum Auslaufen der nicht erneuerbaren Produkte aktiv gemanagt“ werden.

Die BOG soll auch Firmenanleihen zeichnen und so den Unternehmen Kapital zu verträglichen Konditionen zuschießen können, schreibt der Tagesspiegel, der darüber mit IGM-Chef Hofmann sprach.

Ist ein Unternehmen erfolgreich saniert – d.h. ein Großteil der Belegschaft entlassen –, wird es gewinnbringend weiterverkauft. Das Manager Magazin lobt: „Das langfristige Renditeziel klingt – angesichts des zu erwartenden Graustichs des Portfolios – ordentlich: Um die 5 Prozent verheißt einer der Beteiligten.“ Und die Gewerkschaft wirbt auf ihrer Website: „Dieser Betrieb ist gewinnbringend, denn viele Gemein- und Entwicklungskosten sowie Neuinvestitionen fallen weg.“

Bisher hatten die IG Metall und ihre Betriebsräte als Co-Manager Sanierungs- und Entlassungspläne mit ausgearbeitet und in den Betrieben gegen die Belegschaften durchgesetzt. Nun gehen sie noch einen Schritt weiter und schlachten die Betriebe als Fonds-Manager selber aus. Das Manager Magazin hat deshalb seinen Bericht über den neuen Fonds spöttisch mit „Die guten Geier der IG Metall“ überschrieben.

Die Gewerkschaft wird dann die mageren Sozialpläne, Transfer- und Qualifizierungsgesellschaften, Altersteilzeit- und Freiwilligen-Programme und alle anderen Instrumente, mit denen sie die Arbeiter bisher aus den Betrieben drängte, mit sich selbst vereinbaren.

Einer der führenden deutschen Autohersteller, BMW, hat „die Grundidee des Fonds“ bereits begrüßt. Die Einkäufer des Konzerns seien bereits mit der BOG „im Austausch“, teilte BMW mit.

Mit der Gründung einer eigenen Fondsgesellschaft bereitet sich die IG Metall auf ein Arbeitsplatzmassaker vor, wie es Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg noch nie erlebt hat. Autohersteller und ihre Zulieferfirmen nutzen die Corona-Pandemie rigoros, um lange vorbereitete Umbaupläne zu verwirklichen.

Gefährdet sind Hunderttausende von Jobs. Es vergeht kaum ein Tag, an dem kein Konzern oder Unternehmen der Auto- und Zulieferindustrie neue Abbaupläne ankündigt. Allein letzte Woche gab es mehrere entsprechende Meldungen.

So hat der Autobauer Opel, der bis Ende kommenden Jahres in Deutschland 2100 Arbeitsplätze abbauen will, angekündigt, dabei notfalls auch betriebsbedingt zu kündigen. Betriebsrat und IG Metall hatten ursprünglich mit dem Konzern vereinbart, den Abbau über ein „Freiwilligen-Programm“ zu verwirklichen. Doch nachdem sich bisher nur rund 500 Beschäftigte „freiwillig“ für das Programm entschieden haben, droht das Unternehmen, die Arbeitsplätze auf jeden Fall abzubauen. Wer nicht „freiwillig“ geht, wird rausgeschmissen. Betroffen ist vor allem der Hauptsitz in Rüsselsheim.

Ebenfalls letzte Woche hat der Autozulieferer Mahle bekannt gegeben, dass er das bereits begonnene Abbauprogramm beschleunigt und erhöht. Mahle hat bereits 400 Stellen in Stuttgart und 770 in Luxemburg gestrichen, ein französischer und zwei italienische Standorte mit rund 700 Arbeitern werden derzeit stillgelegt.

Nun hat der Stuttgarter Autozulieferer angekündigt, weltweit 7600 Arbeitsplätze abzubauen, davon rund 2000 in Deutschland. Das wäre fast jeder sechste Arbeitsplatz in Deutschland und mehr als jeder zehnte der 72.000 weltweit. Mahle-Sprecher Ruben Danisch gab offen zu: „Die Corona-Pandemie ist nicht die Ursache der nun verkündeten Maßnahmen, aber natürlich wirkt sie beschleunigend.“

Mahle ist nur einer von vielen Autozulieferern, die die Corona-Pandemie nutzen, um Arbeitsplätze abzubauen. Alle großen Hersteller haben die Vernichtung zehntausender Stellen angekündigt, zuletzt der LKW- und Bus-Hersteller MAN. Die VW-Tochter will im Rahmen der „Neuausrichtung des Unternehmens“ 9500 der weltweit 36.000 Arbeitsplätze abbauen. Auch die großen Zulieferer Continental (30.000 Stellen), ZF Friedrichshafen (15.000 Stellen), Bosch und Schaeffler haben einen massiven Arbeitsplatzabbau angekündigt.

Viele Meldungen über Arbeitsplatzabbau in klein- und mittelständischen Unternehmen kommen nicht über die Lokalpresse hinaus, obwohl gerade dort der Aderlass am größten ist.

So hatte der Autozulieferer Hella bereits Ende Juli bekundet, am Firmensitz Lippstadt bis Ende 2023 rund 900 Arbeitsplätze abzubauen. Mitte August kündigte der Motorenhersteller Deutz die Vernichtung von bis zu 1000 Stellen an, das wäre mehr als jede fünfte weltweit. Eisenmann, der Hersteller von Lackieranlagen für die Automobilindustrie mit Sitz in Böblingen, wird zerschlagen. Die 650 Arbeiter sind ab Dezember arbeitslos.

Insbesondere bei den kleinen und mittelgroßen Firmen der Zulieferindustrie kündigt sich für den kommenden Herbst eine Pleitewelle mit Massenentlassungen an. „Über 80.000 Beschäftigte in 270 Betrieben sind in hoher oder akuter Insolvenzgefahr. Und diese Zahlen steigen“, hatte der Vorsitzende der IG Metall, Jörg Hofmann, dem Tagesspiegel bereits im Juni gesagt.

Schon jetzt sorgen IGM-Funktionäre und Betriebsräte vor Ort dafür, diesen Abbau reibungslos durchzusetzen. Zur Begleitung organisieren sie einige zahnlose Proteste, die stets isoliert und möglichst klein gehalten werden.

So protestierten erst letzte Woche über 300 Beschäftigte des Autozulieferers Norma in Maintal mit einem Autokorso gegen Arbeitsplatzabbau. Im Juni hatte die Unternehmensführung die „Liquidierung“ des Werks in Gerbershausen (Thüringen) mit 160 Beschäftigten, den Abbau von 200 von 520 Arbeitsplätzen im Werk Maintal (Hessen) sowie die Kürzung der Löhne um bis zu 1000 Euro im Monat verkündet. Die IG Metall fordert auch hier einen Sozialtarifvertrag und ein „Zukunftskonzept“, hat also insgeheim dem Abbau bereits zugestimmt.

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