„Harter Lockdown“ schützt Konzerne statt Leben

Am Sonntag verkündeten Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten der Bundesländer einen gemeinsamen Beschluss, der in den Medien einhellig als „harter Lockdown“ bezeichnet wurde. Doch die Maßnahmen gehen nicht ansatzweise weit genug, um die Pandemie tatsächlich unter Kontrolle zu bringen. Im Zentrum steht nicht der Schutz von Leben, sondern der Profite der Unternehmen.

So können die großen Fabriken ausnahmslos offen bleiben, auch wenn sie nicht lebensnotwendige Güter produzieren. Laut Beschluss werden die Konzernchefs lediglich „gebeten zu prüfen, ob die Betriebsstätten entweder durch Betriebsferien oder großzügige Home-Office-Lösungen vom 16. Dezember bis zum 10. Januar geschlossen werden können“. Der „Betrieb von Kantinen“ bleibe „weiter möglich“.

Tatsächlich geschlossen werden nur Teile des Einzelhandels sowie Dienstleistungsbetriebe im Bereich Körperpflege und auch diese erst ab Mittwoch, so dass in den Tagen davor ein umso größeres Gedränge herrschen wird und die großen Ketten zugleich ihre Umsätze machen können.

An den Schulen werden lediglich die Winterferien um einige Tage vorgezogen und verlängert. Zugleich sollen Eltern, die von ihren Unternehmen nicht frei bekommen, ihre Kinder weiterhin zur Schule schicken können, so dass die betroffenen Familien gleich einem doppelten Infektionsrisiko ausgesetzt werden.

Alle weiteren Maßnahmen beziehen sich ausschließlich auf den privaten Bereich, in dem angesichts der ohnehin schon großen Umsicht in der Mehrheit der Bevölkerung nur noch ein geringer Anteil der Infektionen stattfindet.

Wirtschaftsminister Peter Altmeier machte in einem Gespräch mit dem Deutschlandfunk unmissverständlich deutlich, dass es bei den Maßnahmen primär um den Schutz der Wirtschaft geht. Er erwarte, „dass es uns in dieser zweiten Welle gelingt, einen kompletten wirtschaftlichen Stillstand zu verhindern. Das ist ja auch gestern nicht beschlossen worden.“ Die Regierung habe seit Beginn der Pandemie „mit Ausnahme der Gastronomie, der Hotellerie und der körpernahen Dienstleistungen fast alle anderen Wirtschaftsbereiche offengehalten“.

Schon im Frühjahr habe die Bundesregierung alles dafür getan, dass die Profitinteressen der Wirtschaft verfolgt werden können, so Altmeier: „Die allermeisten Fabriken und Betriebe haben weitergearbeitet. Im Frühjahr mussten sie stillstehen, weil es keine Ersatzlieferungen aus China, aus Asien, aus anderen europäischen Ländern gab.“ Die deutsche Industrie stand damals einem zeitweiligen Einbruch der Lieferketten gegenüber, nachdem in China die großen Containerhäfen der Ostküste geschlossen worden waren und es in Italien zu massenhaften spontanen Arbeitsniederlegungen in der Zulieferindustrie gekommen war.

Mittlerweile, so der Wirtschaftsminister, sei selbst dieses Geschäftsrisiko von der Regierung beseitigt worden: „Dieses Mal haben wir die Lieferketten geschützt und es ist gelungen, einen kompletten industriellen Stillstand zu verhindern.“ Die deutsche Industrie habe die „größte Rezession der Nachkriegsgeschichte“ überwunden und „im dritten Quartal ein Wachstum von 8,5 Prozent im Vergleich zum Vorquartal“ gezeigt. Er sei „sicher, dass wir eine Rezession wie im Frühjahr diesmal nicht erleben werden“ und „gehe davon aus, dass die Wirtschaftszahlen nicht sehr deutlich korrigiert werden müssen“. Dazu, drohte Altmeier, müsse die Regierung jetzt jedoch „klug vorgehen“ und sicherstellen, dass „der Lockdown nicht immer wieder unendlich weit verlängert“ werde.

Um die gleichen schnöden Profitinteressen geht es bei der Offenhaltung der Schulen. Würde es um das Wohl der Kinder gehen, hätte es Milliardeninvestitionen in digitale Bildung und Teilhabe sozial Schwacher gegeben. Stattdessen werden Schulen jetzt zu bloßen Verwahranstalten, damit die Eltern in ungeschützten Betrieben arbeiten können.

Der Beschluss der Regierungen sieht gar keine bundeseinheitlichen Schulschließungen vor. An den Schulen sollen lediglich „Kontakte deutlich eingeschränkt werden“. Dies kann laut Beschluss durch Schulschließungen oder durch die Aussetzung der Präsenzpflicht geschehen. In jedem Fall soll nicht nur Kindern von systemrelevanten Eltern Notfallbetreuung angeboten werden, sondern allen Kindern, deren Eltern von ihren Arbeitgebern nicht frei bekommen.

Berlin hält die Schulen sogar über Weihnachten offen. Wie Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) am Montag bei einer Sondersitzung des zuständigen Ausschusses im Abgeordnetenhaus ankündigte, soll an Berliner Schulen während des gesamten „Shutdowns“ eine Notbetreuung für jüngere Kinder angeboten werden. Das Angebot soll für all diejenigen Schüler gelten, deren Eltern in „systemrelevanten“ Berufen arbeiten – darunter Gesundheitswesen und Verkehrsbetriebe.

In Österreich hatte die Regierung bezüglich der Schulen im letzten Monat Beschlüsse herausgegeben, die den jetzigen der Bundesregierung ähneln. Dies hatte dazu geführt, dass etwa im Bundesland Niederösterreich mit 49.000 Schülern rund jedes vierte Kind an Präsenzangeboten teilnahm – mehr als zehnmal so viele wie zur Zeit der ersten Shutdown-Maßnahmen im Frühjahr. An vielen Volksschulen erschien fast die Hälfte der Schüler zum Unterricht. Seit dem 7. Dezember werden die Schüler der ersten acht Klassen sowie der Abschlussklassen zurück in die österreichischen Schulen geschickt. Der Tag markierte einen relativen Tiefstand der Neuinfektionen – seitdem hat sich der vorherige Abwärtstrend umgekehrt.

Dieselbe Politik wird auch in Deutschland verfolgt. Wie der Spiegel gestern berichtete, hat das Kanzleramt „zugesagt, dass Schulen und Kitas nach einem Ende des Shutdowns zu den ersten Einrichtungen gehören sollen, die den Betrieb wieder aufnehmen“. Die Verwahranstalten für die Kinder seien staatlicherseits „das Letzte, was wir schließen, und das Erste, was wir öffnen“, bekräftigte Kanzleramtsminister Helge Braun gegenüber RTL und n-tv.

Mit anderen Worten: nach dem Willen der Regierungen sollen die Schulen ab nur wenige Tage nach dem offiziellen Ende der Weihnachtsferien wieder öffnen. „Für die Woche ab dem 11. Januar plant Scheeres, dass die Schulen wieder öffnen und in den Präsenzunterricht übergehen“, schreibt der rbb über die Pläne des rot-rot-grünen Senats in Berlin.

Die Regierungen auf Bundes- und Landesebene setzen damit ihre Politik fort, die Profite vor Leben stellt. Monatelang haben sie Schulen und Betriebe offen gehalten und damit bereits über 20.000 Menschenleben geopfert. Selbst jetzt, wo die täglichen Todeszahlen im Schnitt bei über 500 liegen und die Kliniken vor dem Kollaps stehen, weigern sie sich, die nicht lebensnotwendige Wirtschaft und damit auch Schulen und Kitas zu schließen.

Die Sozialistische Gleichheitspartei tritt dieser mörderischen Politik entschieden entgegen und ruft Schüler, Lehrer, Erzieher und alle Arbeiter auf, ihre Sicherheit in die eigene Hand zu nehmen. In ihrer Erklärung „Stoppt die Todeswelle! Gegen die Politik der Pandemie-Profiteure!“ fordern wir die sofortige Schließung aller nicht lebensnotwendigen Betriebe und Schulen, um Menschenleben zu retten. Unser Aktionsprogramm beinhaltet folgende Forderungen:

Alle Arbeiter müssen ein ausreichendes Einkommen erhalten, das einen angemessenen Lebensstandard gewährleistet, bis eine Rückkehr an den Arbeitsplatz möglich ist. Kleinen Unternehmen, die vor dem wirtschaftlichen Zusammenbruch stehen, müssen eine wirkliche Unterstützung erfahren.

Die von den Pandemie-Profiteuren gehorteten Milliarden, die durch die Plünderung der Staatskassen angehäuft wurden, müssen zurückgeholt werden, um sie für die Befriedigung sozialer Bedürfnisse einzusetzen. Die gigantischen Konzerne und Finanzinstitute müssen in demokratisch kontrollierte öffentliche Versorgungsbetriebe umgewandelt werden.

Die SGP fordert alle Arbeiter auf, Sicherheits- und Aktionskomitees zu gründen, damit die notwendigen Maßnahmen ergriffen werden können, um Leben zu retten. Lehrer, Auto- und Industriearbeiter, Amazon- und Logistikarbeiter, Studenten und junge Menschen sollten diese Komitees bilden, um ein gemeinsames Vorgehen zu koordinieren. Arbeiter haben jedes Recht, unter diesen Bedingungen die Arbeit zu verweigern. Die Gesundheit von Arbeitern muss Vorrang gegenüber den Profiten der Konzern- und Finanzoligarchie haben!

Die Komitees werden Verbindungen zwischen Arbeitern in Deutschland und der ganzen Welt knüpfen, die mit den gleichen Bedingungen konfrontiert sind und die gleichen Interessen haben.

Der Kampf gegen die Pandemie ist vor allem ein politischer Kampf gegen das kapitalistische System. Der Kapitalismus wird gerade gründlich und umfassend entlarvt. Die herrschende Elite zeigt sich in all ihrer Inkompetenz, Brutalität und Kriminalität. Je weiter sich die Katastrophe entfaltet, desto deutlicher zeigt sich die Notwendigkeit, dem kapitalistischen System im Kampf für Sozialismus ein Ende zu setzen. Der Massenzorn, den dies hervorruft, wird die Form einer sozialistischen Revolution annehmen.

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