UN-Sonderberichterstatter Nils Melzer fordert nach zehn Jahren willkürlichen Wegsperrens die sofortige Freilassung für Julian Assange

Am 8. Dezember forderte der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen über Folter, Nils Melzer, die britischen Behörden offiziell auf, Julian Assange sofort freizulassen. Der Diplomat betonte in seiner Erklärung, dass Assanges anhaltende Inhaftierung im Londoner Belmarsh-Gefängnis „jeder rechtlichen Grundlage entbehrt“.

Melzer veröffentlichte seinen Aufruf am zehnten Jahrestag des anhaltenden Wegsperrens von Julian Assange. Der britische Staat hat auf die Enthüllungen über amerikanische Kriegsverbrechen durch den WikiLeaks-Gründer reagiert, indem er ihn auf verschiedene Arten weggesperrt und inhaftiert hat und nach wie vor gefangen hält. Melzer hat die Verfolgung von Assange immer wieder verurteilt, und heute lenkt er die Aufmerksamkeit auch auf die gefährlichen Bedingungen, unter denen Assange inmitten eines großen Coronavirus-Ausbruchs im Belmarsh-Gefängnis inhaftiert ist.

„Seit mehr als einem Jahrzehnt werden die Rechte von Julian Assange schwer verletzt“, schrieb Melzer. „Ihm muss jetzt erlaubt werden, ein normales Familien-, Gesellschafts- und Berufsleben zu führen, seine Gesundheit wiederherzustellen und seine Verteidigung gegen das bevorstehende US-Auslieferungsgesuch angemessen vorzubereiten.“

Melzer beharrte darauf, dass Assange sofort freigelassen werden müsse – und sei es in der Form eines Hausarrests. Die einzige Grundlage für seine derzeitige Inhaftierung sei das Gesuch der USA, Assange auszuliefern, was vollkommen zurückzuweisen sei, wie der UN-Botschafter betonte. Melzer, der auch Professor für Recht ist, wiederholte seine Warnung vor einer Auslieferung Assanges, da dies seine Menschenrechte verletzten würde: In den USA drohen Assange 17 Anklagen nach dem amerikanischen Anti-Spionagegesetz und insgesamt 175 Jahre Haft, nur weil er sein freies Recht auf Veröffentlichung wahrgenommen hat.

Mit Blick auf die Rolle der britischen Justiz und Behörden erklärte Melzer: „Assange ist kein verurteilter Straftäter, er stellt für niemanden eine Bedrohung dar. Daher ist seine verlängerte Einzelhaft in einem Hochsicherheitsgefängnis weder notwendig noch verhältnismäßig. Sie entbehrt eindeutig jeder rechtlichen Grundlage.“

Er fügte hinzu: „Das schwere Leiden, das Assange durch seine lange Einzelhaft zugefügt wird, kommt nicht nur willkürlicher Inhaftierung gleich. Es ist als Folter und grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe zu definieren.“

Die Dringlichkeit der Forderung nach Assanges Freilassung wird durch einen Ausbruch von Covid-19-Infektionen in seiner unmittelbaren Umgebung unterstrichen. Mindestens 65 von rund 160 Insassen in Assanges Gefängnisblock, einige davon in seinem Flügel, sind Berichten zufolge positiv auf das potenziell tödliche Virus getestet worden.

Die Ausbreitung des Coronavirus im gesamten Strafvollzug ist das Ergebnis der mörderischen Politik der „Herdenimmunität“ der britischen herrschenden Klasse. Sie verursacht damit einen kontinuierlichen Anstieg der Pandemie. Hinzu kommen der heruntergekommene Zustand der Gefängnisse, die chronische Überbelegung und das Versagen der Behörden, nach Ausbruch der Gesundheitskrise auch nur die minimalsten Maßnahmen zu ergreifen.

Melzer wies auf diesen breiteren Kontext hin und schrieb: „Maßnahmen zur Entlastung der Gefängnisse, wie sie auf der ganzen Welt als Reaktion auf Covid-19 getroffen werden, müssen auf alle Insassen ausgedehnt werden, deren Inhaftierung nicht absolut notwendig ist. In erster Linie sollten alternative Maßnahmen ohne Freiheitsentzug auf diejenigen ausgedehnt werden, die besonders gefährdet sind, wie Assange, der an einer Vorerkrankung der Atemwege leidet.“

Assanges engste Unterstützer und Verwandte veröffentlichen weiterhin alarmierende Berichte über seine Haftbedingungen. Letzte Woche appellierte Stella Morris, die Lebensgefährtin des WikiLeaks-Gründers, an die Leitung des Belmarsh-Gefängnisses, ihn mit warmer Kleidung zu versorgen. Obwohl Winterkleidung für ihn verfügbar ist, habe er sie noch immer nicht bekommen und „friere erbärmlich“ in seiner Zelle, in der nachts häufig null Grad herrschen.

Frühere unbestätigte Berichte legen nahe, dass sämtliche Covid-Fälle in Assanges Block verlegt wurden. Wurde ein Gefangener positiv getestet, dann wurde sein Zellengenosse nicht verlegt, auch wenn dieser negativ getestet worden war. Im August wurde aufgedeckt, dass Assange während der ersten sechs Monate der Pandemie nicht einmal eine Maske, die grundlegendste Schutzmaßnahme überhaupt, erhalten hatte. Diese kriminelle Fahrlässigkeit kommt einer mörderischen Absicht sehr nahe.

Assanges Gesundheit wird absichtlich untergraben. Es ist Bestandteil der imperialistischen Kampagne, ihn zum Schweigen zu bringen. Weder die britische Regierung noch die Justizbehörden haben Melzers jüngsten Appell öffentlich beantwortet. Ein Eilantrag auf Kaution unter Hinweis auf Assanges Gefährdung wurde bereits im März abgelehnt. Warnungen von Ärzten seit letztem Oktober, dass der WikiLeaks-Gründer hinter Gittern sterben könnte, wurden entweder ignoriert oder schlicht beiseite gewischt.

Melzer fasste in seinem Appell den beispiellosen Rachefeldzug gegen Assange zusammen: „In einer Stellungnahme vom Dezember 2015 stellte die UN-Arbeitsgruppe gegen willkürliche Inhaftierung fest, dass Assange seit seiner Verhaftung am 7. Dezember 2010 verschiedenen Formen willkürlicher Freiheitsberaubung ausgesetzt war, darunter 10 Tage Haft im Londoner Wandsworth-Gefängnis, 550 Tage Hausarrest und die fast sieben Jahre dauernde Fortsetzung der Freiheitsberaubung in der ecuadorianischen Botschaft in London. Seit dem 11. April 2019 wird Assange in nahezu vollständiger Isolation in Belmarsh festgehalten.“

Der ursprüngliche Vorwand für den Freiheitsentzug, nämlich der Vorwurf sexuellen Fehlverhaltens in Schweden, ist längst als politisch motiviertes staatliches Komplott entlarvt worden. Im Laufe von mehr als acht Jahren wurde Assange von den schwedischen Staatsanwälten kein einziges Mal wegen eines Verbrechens angeklagt. Sie haben ihre „Voruntersuchung“ im Jahr 2019 zum dritten und letzten Mal eingestellt.

Melzer und andere juristische Autoritäten haben die zahllosen Unregelmäßigkeiten der schwedischen Affäre ausführlich dokumentiert. Wie die WSWS zuvor festgestellt hatte, „gab [es] eine ganze Reihe von ‚Unregelmäßigkeiten‘ im Fall Assange: Polizeibeamte schrieben die Aussage einer der Beschwerdeführerinnen neu, ohne sie darüber zu informieren; Anwalt und Politiker Claes Borgström, der enge Verbindungen zum US-Staatsapparat hat, war in die Kampagne involviert; die schwedische Staatsanwaltschaft weigerte sich, Assange per Video oder in London zu interviewen, wie es in Hunderten von anderen Fällen gemacht wurde.

Besonders übel war, dass diejenigen, die das schwedische Justizkomplott unterstützten, jeglichen Hinweis auf einen Zusammenhang zur Verfolgung Assanges durch die USA mit Spott ablehnten – obwohl sich die schwedischen Behörden weigerten, Assange zu garantieren, dass er nicht in die USA ausgeliefert wird.“

Assange hat immer betont, dass die schwedischen Ermittlungen darauf abzielten, ihn in das amerikanische Rechtssystem zu verwickeln, um einen Vorwand für seine Inhaftierung und einen alternativen Weg für eine Überstellung an die USA zu schaffen. Dies hat sich vollkommen bestätigt.

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